- Der
Pfad ist das Ziel
Mein, Syøvhnyr van Yhwrons, Leben
bis zum heut'gen Tage aufzuzeichnen, sitze ich also tief verborgen in den
lieblichen Hainen Tir Tairngires, ein flackernd' Feuer mein altertümlich'
Schreibgerät erleuchtend.
»Nur Papier lehrt Geschichte begreifen! Disketten und
Speicherchips sind jeglicher Seele bar!« Rabbi Ezram nie zu betonen
müde ward. Nun seiner Stunden diesseits nicht mehr viele verbleiben,
lieget er mir zu Füßen, gar friedvoll träumend im wärmenden
Scheine der lebenspendenden Flamm'. Ein steter Quell der Weisheit - sein
Wirken mir niemals verlöschend in Erinn'rung verbleiben wird.
Mögen die ew'gen Jagdgründe seinem Geiste gnädig
zugetan sein. Oder wo auch immer er seiner irdischen Existenz nachfolgend
zu verweilen wünscht, im Nirvana, in Seattle - nie gewann ich seinem
Glauben an höh're, güt'ge wie sinis'tre, Mächte mehr als
das Vergnügen des metaphysischen Theoretisierens ab. Magie ist eine
Wissenschaft, die, der Physik oder Mathematik gleich, auf logischem Fundamente
erbaut, keinerlei schamanischen Mummenschanzes bedarf! Obwohl es auch hinter
der Fratz' des Okkulten schon der excellenten Könner ein'ge wen'ge
gab; mit Wehmut gedenk' ich meines Freundes HoKaHéh, Schamane im
Totem der Eule. Fürwahr, es war ein guter Tag zum Sterben!
Nun ich diese Zeilen mit Leben zu erfüll'n beginn', soll
der munt're Fluß der Zeichen auch mir Gestalt verleih'n:
Wand'le ich auf heimisch' Pfad, so erschein' ich als »beeindruckend'
Kraftpaket« des Gardemaßes 1,27m, bei einer nahezu selb'gen
Breit' in den Schultern. Wiewohl ich mich in dieser Hinsicht nicht den
eher Schwäch'ren zuzurechnen scheue. Unser »zwerg'scher Robustkörperbau«
erfahret bei unser'n Gebrüdern und Schwestern elfischer Profession
jedoch nur selten der ang'meß'nen Hochachtung.
Dabei gereichet allein mein im Nacken verknotet getrag'ner
feuerroter Vollbart mir wohl zur Zierde, auf daß denn die mir gänzlich
verwehrte Ehr' des reichen Haupthaar's nicht über Gebot ins Aug' sticht.
Schließlich hebt sich so meiner Iris sanftes Blau schmeichelnd in
des Betrachters Blick!
Nun denn die Sterne des Firmaments langsam zu verblassen beginnen,
will auch ich mich zur Ruh' betten; Muße zur weit'ren Niederschrift
dies' Bericht's auch morgen noch reichlich zur Verfügung stehen wird.
- »Wer
abends Fisch essen will, muß morgens früh aufstehen«
Sein göttlich'
Wesen hat ihn zu sich abberufen. Der strahlenden Morgensonne Schein konnte
sein verlöschend' Lebenslicht nicht mehr emporheben; Rabbi Ezram verstarb
im erwachenden Konzert des Waldes, ein Menschenleben voll liebenden Lehrens,
aber auch Schmerz, Gram und Harm hinter sich lassend.
Stets werde ich ihn missen - als Lehrer und Meister, als väterlichen
Freund, als Zwergen, als Menschen.
Nun ich ihn zur letzten Reise seines weisen Wirkens gebettet,
möchte ich zurückkehren zur Aufzeichnung meines bescheid'nen
ird'schen Daseins:
Meinem großen Vorbild Albert Einstein gleich ward ich
gebor'n am vierzehnten Tage des Märzen, die exakt 150 Jahr' Differenz
lassen den Beginn meines hiesigen Seins also ins Jahr 2029 fallen.
Mit Gründung des Staates Tir Tairngire zog's meine Eltern
hinan in's Land der Verheißung, dem Ruf meines Vaters entfernten
Vetters Rabbi Ezram folgend. Von meinen ersten sechs, in Seattle verbrachten,
Lenzen ist mir jedoch nur noch wenig in Erinn'rung verblieben denn Dreck,
Dreck und nochmals Dreck. Und eine mitunter recht lästige Kunststoffallergie,
der jedoch durch natürlich' Kleidung begegnet werden kann. Ich trage
kaum and'res als blütenweiße Overalls, da sie allein einen Kontrast
gar herrlich' zu meiner nahezu schwarzen Haut herstellen.
In den Wirren des Jahr's 2041geschah dann das Unfaßbare:
Aufgebrochen, Verwandte in Gdansk, einer Stadt der »Alten
Welt«, zu besuchen, hatten wir nun also die Entfernung zu
überwinden eine Flugreis' als ang'meß'ne Beförd'rungsmethode
erachtet. Auf der Rückreis' jedoch, noch über den weiten Fluten
des atlantischen Weltmeeres, ward unser stählern' Luftvogel, EuroAir
Flug 329, angegriffen seitens einer Kreatur gar übelster Art, eines
Drachens, wie mein Vater mir des Schreckens voll kundtat! Nur dem heroischen
Eingriffen eines (wie erst sehr viel später klar ward, hermetischen)
Hexenmeisters ist's zu verdanken, daß doch - im Widerspruche zur
offiziellen Geschichtsschreibung stehend - ein Passagier die Katastrophe,
obzwar schwer verletzt, überstehen konnt'.
Nie habe ich den Namen dies' Helden herausbekommen können,
der mein Überleben mit seinem eig'nen Tod sicherte! Der den Lindwurm
vermittelst seiner Macht fernhielt, die Kinder zu retten als der Aufgaben
wichtigste! Aber ach, erster war ich wie letzter, der dem Inferno entkam.
Fürwahr, gar schrecklich war's. Noch heute hallen der qualvoll Sterbenden
Schreie in meinen Alpträumen wider.
So möchte ich denn dies' Kapitel
für heute beschließen; Seattle ist noch weit, und auch die Grenze
liegt noch vor mir.
- »If
ye ain't part o' the solution, ye're part o' the problem!«
Nachdem ich denn so
das Flugzeug verlassen konnt', ging ich auf einem kanad'schen Eilande hernieder,
wo mich mein guter Freund HoKaHéh das erste Mal gesundpflegte, Granit
ist wahrlich ein für fallschirmlose Landungen denkbar schlechter Grund!
Der Wochen harte zogen einige ins Land, bevor er mich, mit
ein wenig Geld versehen, in den Interstate-Zug nach Seattle setzte, von
wo aus Rabbi Ezram mich zu sich heimholte. Von nun an ward er mir Vater,
Bruder und Lehrer, ja ich will sogar sagen, »altväterlicher
Freund«. Er war's, der mich lehrte, nicht aufzugeben das Gute in
den Menschen und ander'n Wesen zu suchen, auch wenn das abgrundtief Böse
zu gewinnen scheint.
Von wen'ger ethisch-esoterischer Qualität war sein Unterricht
sowohl der Natur- als der Geisteswissenschaften. Auch mich die englische
Sprache zu lehren war er sich nicht zu schade. Schließlich ist meine
Familie tief in der Tradition des osteuropäischen »Schtetels«
verhaftet, meine Muttersprache somit das Jiddische.
Wie ich mir bereits zu erwähnen gestattete, teilte ich
seine Religiosität jedoch in nur sehr geringem Maße, vielmehr
verschrieb ich mich zunächst der Suche eines Meisters der magischen
Künste, und siehe, einen der besten ich fand! Leider läßt
sein ehrwürd'ges Alter nurmehr schwach den geist'gen Glanz früh'rer
Tage erahnen, so daß die steten Drohungen des Humanis Poliklubs ihn
gar sehr ängst'gen und ich, seinem eig'nen Wunsche folgend, seinen
Namen hier an dieser Stell' nicht zu Papier bringen werde.
Aber wahrlich, nie werde ich des Schritt's verhalten, wenn's
gegen den Terror dies' Gelichters des Kampfes bedarf!
Nie werde ich davon lassen, diesen Schergen der Finsternis
ihre dreckigen Fänge zu stutzen!
Jedoch auch in dieser Schlacht darf der Zweck die Mittel nicht
heil'gen, Gewaltfreiheit muß die unabdingbare Priorität bleiben.
Viel zu oft scheint's heutzutage, als ob des Menschenleben Wert sich lediglich
als Summ' seiner natürlich' und künstlich' Einzelteil' ergibt.
Wiewohl die Verrohung der Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens das
Töten als kaum mehr vermeidbar aufzeiget, ist es weder zu billigen
noch zu tolerieren!
Möge mein Wille fest genug sein, auf meinem Weg in diesem
Lichte fortzuschreiten und das schuppenhäut'ge Ungeheuer des Jahres
'41 seiner Strafe teilhaftig werden zu lassen! Denn ein Gewährsmann
in Seattle glaubt einem Hinweis auf die Spur gekommen zu sein, den ich
eingehend zu prüfen die feste Absicht habe.
Die Linie des Horizont's zeiget bereits der Grenze rohe Gestalt,
nur noch wen'ge sind's der Meilen bis auf Seattler Boden. Mag sein, daß
ich dort den tiefer'n Einblick in den vergang'nen Geschehnisse erhalte,
mag sein, daß auch dort nur wieder der träge graue Nebel der
bitt'ren Enttäuschung meiner harrt.
On ne sait jamais.