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Elektronenmikroskopische Ziliendiagnostik


Morphologische Veränderungen bei der primären ziliären Dyskinesie
Michael Ebsen
Zilien sind Membranausstülpungen im Bereich des Respirations- sowie des weiblichen und männlichen Genitaltraktes.
Sie haben einen Durchmesser von etwa 0,3 µm und eine Länge von 5 –10 µm.
In der Längsachse unterscheidet man das Basalkörperchen mit anhängenden Strukturen,
den Zilienhals, den Zilienschaft (Axonema) und die Zilienspitze.
Im Axonema ist die typische „9+2“-Tubulusstruktur transmissionselektronenmikroskopisch entwickelt.

Diagnostisch wichtige Strukturen sind:

  • die äußeren und inneren Dyneinarme,
  • Radspeichen,
  • periphere und zentrale Mikrotubuli,
  • sowie die Zilienachse. 
Veränderungen der Zilienstruktur treten zum einem im Rahmen sekundärer Erkrankungsprozesse, zum
anderen angeboren unter dem Bild der primären ziliaren Dyskinesie (primary ciliary dyskinesia = PCD) auf.
Die Ausbildung typischer Ultrastrukturdefekte ist eines der Leitsymptome zur Diagnose der PCD.
Die Kenntnis der Variationbreite der ultrastrukturell möglichen Veränderungen ist demnach auch klinisch
von entscheidender Bedeutung.

Schematisierte dreidimensionale Darstellung des Schaftes einer regelrecht aufgebauten 
Zilie mit neun peripheren Doppeltubuli
(grün = B-, blau = A-Tubulus) und einem zentralen Tubuluspaar (blau).
Radspeichen = gelb, innere und äußere Dyneinarme = rot.
Abb. entnommen aus PHOTO MED Nr. 1, Februar 1993, 6. Jahrgang
Prof. K. Hausmann, M. Gradias

Ultrastrukturelle Erscheinungsformen von Compoundzilien:
Teilweise mit organiserter (untere Compoundzilie) und teilweise
mit unorganisierter Tubulusstruktur (obere Compoundzilie).
Dazwischen nicht vollkommen orthograd getroffene weitere Zilien.



Die PCD ist eine seltene, überwiegend autosomal rezessiv vererbte Erkrankung.

Zu den diagnostischen Kriterien gehören:

  • ein klinisch bekanntes Kartagener-Syndrom oder eine Dextrokardie,
  • eine Zilienschlagfrequenz kleiner als 10 Hertz,
  • typische Ultrastrukturdefekte der Zilien,
  • eine verminderte Zilienlänge
  • und eine positive Familienanamnese.
Die Diagnose gilt für einige Autoren als gesichert, wenn ein passendes klinisches Bild besteht,
wobei die Trias produktiver Husten, Sinusitis und Otitis - seit Kindheit bestehend - als Markersymptome gelten,
und eines der oben genannten Kriterien erfüllt ist. 
Typische Ultrastukturdefekte und das passende klinische Bild reichen zur Diagnose einer PCD somit aus.

Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme mehrerer
orthograd angeschnittener Zilien mit regelrechter "9+2"-Ultrastruktur,
fehlenden Radspeichen und inneren Dynein-Armen,
sowie nur rudimentär angelegter äußerer Dynein-Arme.

In den Zilien fehlen die inneren und äußeren Dynein-Arme, sowie die Radspeichen.
Numerische Tubulusaberrationen und -dislokationen finden sich in der auf der rechten Seite abgebildeten Zilie.

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Zur Beurteilung geeignet sind Proben aus der respiratorischen Schleimhaut.
Eingesandt werden üblicherweise Nasen- und Bronchialschleimhautbiopsien.
Auch in Gewebeproben aus dem Mastoid lassen sich zilientragende Zellen nachweisen.
Die Fixierung erfolgt in 2,5% phosphatgepuffertem Glutaraldehyd.
Probengefäße sollten in entsprechend gesicherten Verpackungsmaterialien versandt werden.
Übersandte Gewebeproben werden orientierend am Semidünnschnitt und transmissionelektronenmikroskopisch untersucht, wobei der zeitliche Aufwand für die Bearbeitung hoch ist, unter anderem, da mindestens 50 orthograd getroffene Zilien auf das Vorliegen der oben genannten Defekte der Ultrastruktur untersucht werden sollten.
10.08.2008  Kontakt: Michael Ebsen Entwurf und Gestaltung: Olaf Anhenn