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Köln, 27.04.04

 

 

 

 

 



Deutscher Bundestag

Ausschuss für Bildung, Forschung

und Technologiefolgenabschätzung

z. H. Frau Vorsitzende Ulrike Flach, MdB

Platz der Republik 1

 

11011 Berlin







                                                                                                            

Anhörung zu „Arbeitsbedingungen an Deutschen Hochschulen“

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung

 

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

 

angesichts der begrenzten Einlassungsfrist kann ich mich nur zu den Fragestellungen äußern, die in meinem engeren Kenntnis- und Forschungsspektrum liegen. Ich beschränke meine Stellungnahme auf die Fragestellungen, die in den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zu einem Wissenschaftstarifvertrag und zur Beschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiter (A-Drs. 15 (17)184 angesprochen sind.

 

I. Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Reform des Dienstrechts

1.               Der WR empfiehlt ein einheitliches Personalstatut. Der WR greift damit Überlegungen auf, die Grundlage der Empfehlungen der Regierungskommission des Landes NRW „Zukunft des öffentlichen Dienstes – Öffentlicher Dienst der Zukunft“, Düsseldorf 2003, sind. Als Mitglied der Kommission habe ich die Überlegungen mitgestaltet und begrüße daher, dass die Analysen und Vorschläge durch den WR auch für den Wissenschaftsbereich aufgegriffen worden sind.

In ordnungspolitischer Hinsicht habe ich lediglich Bedenken, dass gesetzliche Grundlagen für jeden Bereich des öffentlichen Dienst gesondert geregelt werden. Die Grundlagen des einheitlichen Personalstatus sollten in der Bundesrepublik gleich sein. Gesonderte Personalstatute für jeden Behördenzweig führen in die Irre. Schon die Hartz-Kommission hatte für die Bundesagentur eben die gleiche Forderung gestellt und wollte das Dienstrechts für die Beschäftigten einheitlich regeln. Geworden ist daraus nichts.

2.               Hochschullehrer müssen nicht Beamte sein. Die Vereinheitlichung des Beschäftigungsstatus im öffentlichen Dienst ist ein zwingendes Gebot einer Liberalisierung des öffentlichen Dienstes, der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der soliden Finanzierung. Auch insoweit verweise ich auf die Ergebnisse der Regierungskommission des Landes NRW „Zukunft des öffentlichen Dienstes – Öffentlicher Dienst der Zukunft“, Januar 2003. Hochschullehrer üben, wie Lehrer auch, keine hoheitlichen Aufgaben im engeren Sinne aus, die einen Beamtenstatus zwingend erfordern. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit wird durch den Beamtenstatus eher behindert als gefördert. Die Wettbewerbsfähigkeit entscheidet sich hinsichtlich der persönlichen Gewinnbarkeit eher an der Höhe der Vergütung und der Verdienstchancen in sachlicher Hinsicht primär an der Ausstattung der jeweiligen Institute und Lehrstühle.

3.               Die Vor- und Nachteile des Beamtenstatus sind eher allgemeiner Natur. Der Beamtenstatus ist erst einmal ein großes Flexibilitätshindernis, insbesondere wenn Hochschullehrer aus der Wirtschaft gewonnen oder umgekehrt Hochschullehrer eine Aufgabe in der Wirtschaft übernehmen wollen. Die gegenwärtige, starre Trennung der Versorgungssysteme wirkt sich als „goldene Fessel“ aus, die dem Einzelnen einen Wechsel zwischen Verwaltung und Wirtschaft weitgehend unmöglich macht. Die Undurchlässigkeit der Systeme verhindert somit, dass neue Ideen aus dem einen Bereich in den anderen eingebracht werden.

4.               Positiv zu bewerten ist die weitgehende Unabhängigkeit und Autonomie, die der Beamtenstatus bietet. Die Gewährung von Autonomie und Unabhängigkeit ist aber nicht zwingend mit dem Beamtenstatus verknüpft. Auch der Angestellte des öffentlichen Dienstes ist praktisch „unkündbar“. Überdies muss Hochschullehrern schon aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Autonomie hinsichtlich Forschung und Lehre verbleiben. Dies fordert Artikel 5 Abs. 3 GG. Diese Autonomie muss jedoch nicht zwingend in einem Beamtenverhältnis gewährt werden. Sie kann auch durch wenige klare Regelungen in jedem anderen Gesetz über Arbeits- und Dienstverhältnisse des öffentlichen Dienstes gesichert werden.

5.               Zur Frage, ob die einzige Alternative zur „Entbeamtung der Hochschullehrer“ das Angestelltenverhältnis ist, muss im Sinne einer Regel-Ausnahme-Beurteilung beantwortet werden: Der Hochschullehrer ist prinzipiell in die Organisation des Lehrbetriebs eingeordnet; er unterliegt Weisungsrechten durch Dekan und Rektor bzw. Präsident der Hochschule. Allein diese Einordnung in eine weisungsgebundene Organisation erfordert prinzipiell die Begründung eines Arbeitsverhältnisses.

Dennoch wäre denkbar, dass für bestimmte Spitzenforscher auch freie Dienstverhältnisse vorgesehen werden. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass diese Spitzenforscher das freie Dienstverhältnis autonom wählen können. Das Ganze ist nur dann attraktiv für den Wissenschaftsstandort Deutschland, wenn die Honorierung freier Dienstverhältnisse nach dem Prinzip „total compensation“ erfolgt. Das bedeutet, dass das frei zu kündigende oder befristete Dienstverhältnis äußerst attraktiv honoriert werden muss als Kompensation zum fehlenden Bestandsschutz und der fehlenden Fürsorgeleistungen des beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip. Denn die in einem freien Dienstvertrag beschäftigten Hochschullehrer müssten sich selbst versichern und für die Altersversorgung sorgen. Ein solches Modell selbständiger Tätigkeit in der Hochschule könnte für solche exzellenten Hochschullehrer in Betracht kommen, die neben ihrer Hochschultätigkeit als Forscher, Gutachter oder Berater selbständig tätig und gefragt sind. Bei diesen Spitzenforschern könnte und müsste auf jede Nebentätigkeitsbeschränkungen verzichtet werden. Demgegenüber würde der Dienstvertrag typischerweise nur für einen bestimmten Zeitraum geschlossen. In diesem Dienstvertrag würden die von dem Hochschullehrer zu erbringenden Aufgaben präzise definiert (Bspl.: Umfang der Lehrverpflichtung, Übernahme von bestimmten Aufgaben in der Fakultät). Im Zentrum steht aber die befristete – regelmäßig 5 bis 10 Jahre – Übertragung der Leistung einer Forschungseinheit (Institut, Lehrstuhl). Die Universität stellt dem Hochschullehrer für diese Zeit die Ressourcen für seine Forschungstätigkeit zur Verfügung. Es kann für diesen Zeitraum auch eine Zielvereinbarung zum Ausbau des Instituts geschlossen werden. Nach Ablauf des jeweiligen Dienstvertrages wird jeweils erneut entschieden, ob und inwieweit das befristete Dienstverhältnis fortgeführt wird. Die Hochschule wird das Dienstverhältnis nur verlängern, wenn sie von der Leistung des Hochschullehrers in Lehre und Forschung überzeugt ist.

 

II. Wissenschaftstarifvertrag

1.               Die gegenwärtigen starren tarifrechtlichen Regelungen sind nicht geeignet, um an den Hochschulen attraktive Beschäftigungsbedingungen zu bieten. Vor diesem Hintergrund sind die Überlegungen, bei der Reform des BAT die besonderen Arbeitsbedingungen im Bereich Wissenschaft und Forschung durch einen eigenen Wissenschaftstarifvertrag bzw. eine eigene Spartenregelungen zu berücksichtigen, zu begrüßen. Es muss aber sehr genau ausgelotet werden, in welchem Umfang wissenschaftsspezifische Regelungen in einem Tarifvertrag zulässig und sinnvoll wären. Dies wiederum hängt von der gesamten Konzeption der Reform des öffentlichen Dienstes ab.

2.               Der Tarifvertrag darf nicht überfrachtet werden, auch nicht der Spartentarifvertrag. Wesentliche Hinderungsgründe für ein flexibles Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes sind die z.Zt. überregulierten Tarifverträge. Ein tarifvertragliche Regelung ist sinnvoll, wenn sie nicht als Instrument der Ersatzgesetzgebung missverstanden wird. Ein Tarifvertrag sollte sich auf die Regelungen beschränken, die sinnvollerweise nicht durch eine allgemeine Regelung besser geregelt werden könnten. Der Regierungskommission NRW erschien das Gesetz/Tarifmodell als die einzige realistische Möglichkeit, die Zweiteilung des öffentliche Dienstrechts zu durchbrechen und insbesondere das Tarifrecht von unrealistischen Erwartungen zu befreien. Die Tarifparteien müssen dringend entlastet werden. Denn es ist nicht ihre Aufgabe, weder im allgemeinen Arbeitsrecht noch im Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes, den Ersatzgesetzgeber zu spielen.

3.               Obwohl das Hochschullehrerdienstrecht in der letzten Legislaturperiode modernisiert und jedenfalls die Professorenbesoldung leistungsorientiert ausgestaltet wurde, weigerte sich die TdL – bei grundsätzlicher Bereitschaft der Gewerkschaften – in Verhandlungen über leistungsorientierte Tarifverträge für wissenschaftliche Mitarbeiter einzutreten. In der Prozessvereinbarung der Tarifpartner war der Wissenschaftsbereich erst gar nicht mehr aufgeführt, obwohl bei ihm die Reform am ehesten angezeigt ist. Obwohl der Bereich der Wissenschaft in besonderem Maße auf Flexibilität und Leistungsorientierung angewiesen ist, wurde durch die TdL vorgetragen, dass man die Änderungswünsche aus dem Wissenschaftsbereich nicht mittragen könne, „wegen der Auswirkungen“ auf die übrigen Landesbereiche. So heißt es wörtlich in einer Beschlussfassung der TdL: „Die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer eines Landes, wie sie in der geltenden Vergütungsordnung ihren Ausdruck findet, kann dabei nicht aufs Spiel gesetzt werden“.

4.               Wenn wir also die Verantwortung der Tarifpartner sprechen, heißt das: Im Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes saßen und sitzen (?) die Reformverhinderer auf beiden Seiten des Verhandlungstisches. Aus unterschiedlichen Motiven ist bisher das Ergebnis immer gleich geblieben. Immer wenn es konkret wird, scheitern die Verhandlungen.

5.               Im Bereich des Wissenschaftstarifvertrages war die Blockadehaltung deshalb besonders unverständlich, weil in der letzten Legislaturperiode auf der Basis der Ergebnisse der Expertenkommission eine leistungsorientierte Professorenbesoldung beschlossen wurde. In den ersten Reformpapieren zur Reform der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes wurde aber gerade der Wissenschaftsbereich ausgespart. Es ist daher nunmehr sehr zu begrüßen, dass sich der Wissenschaftsrat, verschiedene Wissenschaftsorganisationen und auch die Gewerkschaften für einen Wissenschaftstarifvertrag stark machen. Bemerkenswert ist, dass sich die Gewerkschaft ver.di bewegt und in einem jüngst publizierten Diskussionspapier (Berlin, Januar 2004) die „längst überfällige Neuregelung im Rahmen einer tarifvertraglichen Ausgestaltung des Wissenschaftsbereichs“ fordert.

6.               Im Hinblick auf die Prozessvereinbarung der Tarifparteien des öffentlichen Dienstes soll jedoch ein Eingeständnis festgehalten werden:

Ø      Wer die Effektivität und Effizienz des öffentlichen Dienstes stärken will, der gesteht mittelbar ein, dass – zurückhaltend formuliert – diese verbesserungsfähig ist.

Ø      Wer das Tarifrecht aufgaben- und leistungsorientiert gestalten will, der gesteht ein, dass die bisher in Anlehnung an das Beamtenrecht erfolgte laufbahnbezogene Eingruppierungskasuistik mit Steigerung nach Dienstalter, Familienstand und Unterhaltspflichten eben nichts mit Aufgaben- und Leistungsorientierung zu tun hat.

Ø      Wer Kunden- und Marktorientierung auch über Arbeitsbedingungen herstellen will, der hat erkannt, dass diese zur Zeit nicht marktorientiert sind (und das gilt in beide Richtungen: nach oben und nach unten)

Ø      Wer die Tarifwerke straffen, vereinfachen und transparenter gestalten will, der gesteht ein, dass die vorhandenen Tarifwerke des öffentlichen Dienstes dieses schon lange nicht mehr sind.

Ø      Wer die Praktikabilität und Attraktivität des Tarifrechts steigern will, gesteht ein, dass jedenfalls für Leistungsträger das Tarifsystem nicht attraktiv und für die Personalverwaltungen schwer zu handhaben ist.

7.               In der Prozessvereinbarung der Tarifparteien des öffentlichen Dienstes heißt es, dass spartenspezifische Bedarfe befriedigt werden sollen. Man will dies erreichen durch ein Tarifrecht des öffentlichen Dienstes, das aus einem allgemeinen Teil und besonderen Teilen besteht. Der allgemeine Teil solle das neue Tarifrecht mit den einheitlichen Regelungen für den gesamten öffentlichen Dienst regeln. Das spezifische Tarifrecht solle spezielle Regelungen für Verwaltungen, Krankenhäuser, Sparkassen, Flughäfen und Entsorgungsbetriebe vorsehen. Dabei wird man diese Aufzählung sicherlich nicht als abschließend verstehen dürfen.

8.               Die Prozessvereinbarung geht von dem prinzipiell falschen Ausgangspunkt aus, als sei es Aufgabe der Tarifparteien, das „Allgemeine“ zu regeln. Nein: Das ist die Aufgabe des Gesetzgebers. 50 Jahre Erfahrungen mit einem inflexiblen Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes reichen. Ein Tarifvertrag ist kein Ersatzgesetz.

9.               Es gibt aus meiner Sicht nur drei Lösungen für das aufgetretene Dilemma:

Ø      Die ganz große Lösung ist die Verabschiedung der Zweiteilung des öffentlichen Dienstes in Beamte und Angestellte. Dazu ist eine Grundgesetzänderung unausweichlich. Auf der Basis des bisherigen Beamtenrechts und des Arbeitsrechts für die Privatwirtschaft könnte dann ein Gesetz zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes geschaffen werden. Entgegenstehendes Tarifrecht träte außer Kraft. In neuen Tarifverträgen würden die – spartenbezogenen - materiellen Arbeitsbedingungen in Anlehnung an entsprechende Tarifwerke der Privatwirtschaft geregelt.

Ø      Die zweitbeste Lösung – ohne Verfassungsänderung - ist, die Begründung von Beamtenverhältnissen auf die Hoheitsaufgaben zurückzufahren und für den weitaus größten Teil der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine gesetzliche Regelung der allgemeinen Beschäftigungsbedingungen zu schaffen. Insoweit könnte auch im Hochschulbereich vollständig ohne Verfassungsänderung auf die Begründung von Beamtenverhältnissen verzichtet werden und alleinige Beschäftigungsgrundlage der Arbeitsvertrag mit ergänzendem (Wissenschafts-)Tarifvertrag sein.

Ø      Wenn es nicht zu einer gesetzlichen Lösung im Sinne der Regierungskommission NRW kommt, dann hilft nur der konsequente Spartentarifvertrag. Es ist aber noch unklar, ob die TdL und ver.di wirklich Spartentarifverträge wollen. Die gegenwärtige Entwicklung, dass Länder aus der TdL austreten, ist als solche keine Lösung. Denn es besteht die Gefahr, dass ein verfehltes Tarifkonzept, nämlich ein einheitlicher Tarifvertrag für den gesamten öffentlichen Dienst auf Länderebene fortgeführt wird mit der bloßen Konsequenz, dass das Tarifniveau von Land zu Land unterschiedlich ist. Das Hauptproblem ist aber doch, dass die gesamte Systematik des BAT aktuellen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Die Austritte aus der TdL machen Spartentarifverträge als Alternative geradezu unausweichlich. 

Ø      Die Kartellfunktion des Tarifvertrages macht in einer Sparte, also einem Marktsegment Sinn. Ein Beispiel: Für Lackierer wird in einem Tarifvertrag einem bestimmter Mindestlohn garantiert. Es macht aber überhaupt keinen Sinn, den gleichen Mindestlohn für Installateure festzulegen, weil Installateure und Lackierer nicht miteinander konkurrieren. Die Konzeption der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gehen aber davon aus, als gäbe es den Typus „Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes“, den „Alles-Könner“, womit die sachlichen und marktorientierten Unterschiede negiert werden. Man hat das ganze Dilemma durch eine immer differenziertere Eingruppierungskasuistik zu schließen versucht, wodurch es neben dem verfehlten Grundprinzip der Gleichheit jetzt zu einer Fülle nicht mehr verständlicher Ungleichheiten gekommen ist. Die Menschen im öffentlichen Dienst fühlen sich vielfach weder gleichbehandelt noch leistungsgerecht behandelt, was sich an der Klagehäufigkeit vor den Arbeitsgerichten als Indikator ablesen lässt. 

10.           Mit einem eigenen bundesweiten Spartentarifvertrag kann ein weiteres Stückchen Reform in den notwendigen Reformprozess des öffentlichen Dienstes getragen  werden. Durch einen bundeseinheitlichen Spartentarifvertrag ist es zugleich möglich, auch die Rahmenbedingungen des Wissenschaftsbereichs adäquat zu berücksichtigen. Der Tarifvertrag verfehlt seine Funktion, wenn er zu kleinteilig gesetzt wird. Tarifverträge sollen Mindestarbeitsbedingungen setzen. In der Sparte „Wissenschaft“ wäre es daher sinnvoll, sich auf einen bundesweit geltenden Wissenschaftstarifvertrag, schon um der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse willen, zu verständigen. Tarifverträge dürfen nicht als Mindest- und Höchstnormen zugleich angesehen werden. Ein modernisiertes Dienst- und Tarifrecht muss auch Spielräume für individuelle Lösungen beinhalten.

11.           Wenn es aber nicht gelingt, einen bundesweiten Spartentarifvertrag für den Wissenschaftsbereich zu schaffen, dann ergibt sich als letztes Mittel gegen die Reformunwilligkeit, dass „von der Basis her“ tariffähige Einheiten im Wissenschaftsbereich „Firmentarifverträge“ schaffen oder einzelne Länder, die insoweit der Bindung durch die TdL nicht mehr unterliegen, Länderspartentarife für den Wissenschaftsbereich schaffen.

12.           Inhalte reformierter Spartentarifverträge im öffentlichen Dienst.

Ø      Zunächst empfiehlt es sich, wenn sich die Tarifparteien sich auf Mindestregelungen beschränken, unsachgerechte Differenzierungen vermeiden, die Vergütungs- und Fallgruppen zugunsten eines einfachen Fallgefüges reduzieren, in denen die ausgeübte Funktion und die Leistung, nicht aber Vorbildung, Familienstand und Kinderzahl ausschlaggebende Vergütungsfaktoren sind. Daraus folgt:

·         Vereinfachung des Tarifrechts

·         Abschaffung am Beamtenrecht orientierter Alimentationsbezüge

·         Einheitliches Tarifrecht für Arbeiter und Angestellte

Ø      Leistungs- und Erfolgsorientierung

·         Abbau leistungshemmender tariflicher Regelungen, dazu gehört auch eine Reform des tariflichen Kündigungsschutzes

·         Verzicht auf bloße Zeit- und Bewährungsaufstiege

·         Neuordnung des Vergütungssystems

Ø      Kern der gesamten Tarifreform ist die leistungsorientierte Entgeltgestaltung. Die Tarifvertragsparteien sollten daher einige Grundlinien für ein Entgeltsystem, das sich an Funktion und Leistungen der Beschäftigten und an den Marktverhältnissen orientiert, aufstellen. Zu einem solchen neuen Ansatz gehören u.a. die Einführung eines flächendeckenden Systems der Funktionsbewertung für den öffentlichen Dienst, die Abschaffung alters- und familienstandsbezogener Komponenten. Die Berufserfahrung muss als Element der leistungsbezogenen Vergütung stärker honoriert werden. Das überkomplexe Zulagensystem muss abgeschafft werden.

Ø      Leistungsorientierte individuelle Entgeltgestaltung unabhängig vom Lebensalter

·         Kein „versorgungsorientiertes Vergütungssystem“, sondern strikte Orientierung an der ausgeübten Funktion und der darin erbrachten Leistung

·         Die Tätigkeitsmerkmale müssen „spartenbezogen“ sein, um die Erfordernisse des jeweiligen Bereichs abzubilden.

·         Deregulierung der Eingruppierungskasuistik und Ersetzung der Fallgruppen durch bloße Anwendungsbeispiele

Ø      Vor diesem Hintergrund bietet sich zugleich an, dass die Möglichkeiten für freiwillige Leistungszulagen im Wissenschaftsbereich eröffnet werden. Dies ist aber weniger eine Frage des Tarifrechts, sondern des Haushaltsrechts. Bislang verbietet das Haushaltsrecht praktisch jede übertarifliche Vergütung. Die Zusammenhänge zwischen Tarifrecht und Haushaltsrecht müssen bei der künftigen Diskussion stärker beachtet werden.

 

III. Bestandsschutz- und Befristungsrechts für wissenschaftliche Mitarbeiter

1.                  Ich sehe keinen Änderungsbedarf bei der Regelung der befristeten Beschäftigungsverhältnisse nach § 57aff. HRG. Das Befristungsrecht im Hochschulbereich erfreut sich einmaliger Liberalität. Deutsche Arbeitgeber außerhalb des öffentlichen Dienstes wären froh, wenn sie ohne besondere Voraussetzungen auf sachgrundlose Befristungsmöglichkeiten in diesem Umfang zurückgreifen könnten. Ich sehe daher keinen substantiellen, durch die Sache gerechtfertigten Kritikpunkt an den Befristungsregelungen. Die Alternative zu einer noch größeren Ausweitung von befristeten Arbeitsverhältnissen nach Abschluss einer 12-15jährigen Qualifizierungsphase bedeutet „Befristungsknechtschaft“. Sie verhindert eine geordnete Personalpolitik der Hochschulen. Die Befristungsketten führen häufig in ein (vorzeitiges) Ende ohne Perspektive.

2.                  Insoweit scheint der Gesetzentwurf der Abgeordneten Katharina Reiche und Fraktion der CDU/CSU (BT-Drs. 15/2385) äußerst problematisch. Die Aussage in dem Gesetzentwurf, die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass diese Regelung eine bürokratische Behinderung der Forschung an Hochschulen zur Folge habe, lässt sich kaum halten. Die Auskunft jeder Universitätsverwaltung wird deutlich machen, dass das reformierte Recht wesentlich liberaler und einfacher zu handhaben ist als das seinerzeit von der CDU/CSU/FDP-Koalition geschaffene Befristungsrecht des HRG 1985.

Ø      Als Therapie empfiehlt der Gesetzentwurf eine weitere Befristungsmöglichkeit, wenn und soweit der befristete Arbeitsvertrag im Rahmen der Forschung mit Mitteln Dritter finanziert ist. Die Gefahr besteht, dass mit diesem Befristungstatbestand in verfassungsrechtlich problematischer Weise das Bestandsschutzrecht des Arbeitsverhältnisses weiter ausgehöhlt wird. Darüber hinaus bietet die weitere Befristungskette nach einer 12- bzw. 15-jährigen Befristungsdauer keine Perspektive. Nach der dort vorgeschlagenen Ergänzung des § 57b HRG sollen auch über die Qualifizierungsphase hinaus befristete Arbeitsverträge im Drittmittelbereich jeweils für die Dauer von 3 Jahren und bei demselben Arbeitgeber für die Dauer von maximal 9 Jahren möglich werden. Sieht man sich dann eine typische Mittelbaukarriere an, dann würde das reguläre Befristungsspektrum mit Qualifizierungsphasen und Drittmittelbefristung 21 bzw. 24 Jahre betragen. Wenn man bedenkt, dass die typische Wissenschaftlerkarriere im Alter von Ende 20 beginnt, endet die Befristungsmöglichkeit nach diesem Entwurf regelmäßig in einem Alter von Mitte 50. Diese Aussicht ist weder im Sinne einer geordneten Personalpolitik rational noch ist sie sozial vertretbar.

 

3.                  Die zum Teil erhobene Kritik gegen die Befristungsregeln des HRG richten sich im Kern gegen das starre Tarifrecht, insbesondere gegen den Umstand, dass nach Ablauf von 15 Jahren Beschäftigung im Mindestalter von 40 Jahren regelmäßig die ordentliche Unkündbarkeit eintritt. Es ist zu begrüßen, dass der Wissenschaftsrat auf  diesen heiklen Punkt aufmerksam gemacht hat. Er hat richtigerweise gesehen, dass das Befristungsrecht liberal ist, aber die dauerhafte Perspektive für Wissenschaftler im Mittelbau aus eben diesen Gründen unbefriedigend ist.

4.                  Der Wissenschaftsrat betont zu Recht, dass - auch im Wissenschaftssystem - jenseits der hinreichend bemessenen Qualifizierungsphase die unbefristete Anstellung die Regel bleiben sollte. Der Wissenschaftsrat hat den Mut zu bekennen, dass eben der Eintritt der Unkündbarkeit nach dem gegenwärtigen Tarifrecht des § 53 Abs. 3 BAT-West letztlich die entscheidende Schranke ist, die die Universitätsverwaltungen und die Fakultäten davor zurückschrecken lassen, einen hoch qualifizierten Wissenschaftler im Mittelbau unbefristet (weiter) zu beschäftigen. Der Wissenschaftsrat schlägt deshalb eine gesetzliche Regelung vor, mit der ein Sonderkündigungsrecht für den Fall des dauerhaften Ausbleibens der Finanzierungsgrundlagen aus Drittmitteln geschaffen wird.

5.                  Eine solche Sonderkündigungsnorm, die nur Sinn machen würde, wenn sie entgegenstehendes Tarifrecht verdrängt, also zweiseitig zwingend ist, unterliegt verfassungsrechtlichen Schranken. Eine gesetzliche Abbedingung des in § 53 Abs. 3 BAT-West geregelten Sonderkündigungsschutzes stellt einen Eingriff in die Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG dar und muss deshalb im Lichte der Verfassungsnorm gerechtfertigt sein. Das ist nur dann der Fall, wenn dieser Eingriff durch hinreichend gewichtige, grundrechtlich geschützte Belange als gerechtfertigt angesehen werden kann.

Ø      Soweit ersichtlich, ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Eingriffs in tarifliche Kündigungsschutznormen erstmals bezogen auf § 113 Abs. 1 InsO virulent geworden. Diese Vorschrift verdrängt die tarifvertraglichen Kündigungsfristen für den Konkurs und Insolvenzfall, soweit sie über drei Monate zum Monatsschluss hinausgehen. Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Eingriff in Tarifverträge für verfassungsgemäß erachtet. Es hat dabei insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen, die die Verfassungsmäßigkeit des zweiseitig zwingenden Befristungsrechts des HRG legitimiert hat (BVerfG 24.04.1996 BVerfGE 94, 268 ff.). Das BAG führt in seiner Entscheidung vom 16.06.1999 (AP InsO § 113 Nr. 3) aus, dass der Gesetzgeber die sich gegenüberstehenden Belange hinreichend abgewogen habe. Bei der gesetzlichen Regelung sei es darum gegangen, die sozialen Belange der Beschäftigten als einer Gruppe der Insolvenzgläubiger mit den Interessen der anderen Insolvenzgläubiger abzuwägen. Das Entstehen von Masseschulden sollte begrenzt werden, da der Insolvenzverwalter in der Regel keinen Beschäftigungsbedarf mehr hat und zu Lasten der anderen Gläubiger Ansprüche ohne Gegenleistung entstünden. Diese Interessen, die durch § 113 Abs. 1 InsO gegen eine übermäßige Aushöhlung der Insolvenzmasse geschützt werden sollten, hätten Verfassungsrang.

6.                  So sehr es richtig ist, dass bei arbeitsrechtsspezifischen Regelungen für den Wissenschaftsbereich immer auch Grundrechtspositionen nach Art. 5 Abs. 3 GG herangezogen werden können, ist jedoch darauf zu achten, dass in der Zielrichtung keine Schieflage erfolgt. Die vorgeschlagene gesetzliche Regelung des Wissenschaftsrates führt zu einer Art „absoluten Kündigungsgrund“ wegen dauerhaften Wegfalls der Finanzierungsgrundlagen aus Drittelmitteln. Es wird nämlich ein gesetzlicher Kündigungsgrund fingiert. Die Auswahl der zu kündigenden Beschäftigten wird auf Beschäftigte der gleichen innerfachlichen Spezialisierung beschränkt. Darüber hinaus wird die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf die Hochschule bzw. die beschäftigende Einrichtung reduziert. Im praktischen Ergebnis wird damit (fast) ein absoluter Kündigungsgrund mit kaum ausgeprägter Sozialkomponente geschaffen.

Ø      Der Wissenschaftsrat verfolgt das wichtige Ziel, dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten für wissenschaftliche Mitarbeiter nach der Qualifizierungsphase zu schaffen und den kontraproduktiven Effekt, den die Regelung des Sonderkündigungsschutzes in der Praxis hat, auszuschalten. Ob dies allein den Eingriff in den Tarifvertrag rechtfertigt, bedarf eingehender Prüfung. Denn die Zielsetzung eines solchen Sonderkündigungsrechts ist nicht primär aus den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit legitimierbar.

Ø      Anders als beim Befristungsrecht, bei dem es um die Erhaltung und Verbesserung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Hochschul- und Forschungseinrichtungen ging, um eine permanente Erneuerung des wissenschaftlichen Personals zu gewährleisten, geht es bei dem Kündigungsgrund „Drittmittelfinanzierung“ um eine Relativierung des Kündigungsschutzes unter Durchbrechung entgegenstehenden Tarifrechts. Auch wenn es durchaus in der Regelungskompetenz des Gesetzgebers liegt, betriebsbedingte Kündigungsgründe zu konkretisieren (insoweit ist der gesetzliche Regelungsvorschlag des Wissenschaftsrates ohne Zweifel verfassungsgemäß), ist es aber noch eine andere Frage, ob eine solche gesetzliche Regelung auch legitimiert, tarifvertragliche Regelungen zu durchbrechen. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich im Rahmen dieser Anhörung nicht auf eine abschließende verfassungsrechtliche Beurteilung der Regelung festlegen will. Es sei nur darauf verwiesen, dass die Legitimation, den Bestandsschutz bei langjährig Beschäftigten allein wegen Mittelwegfall so weitgehend zu relativieren, nicht nur mit dem aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz folgenden Untermaßverbot kollidieren, sondern auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei einem Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG tangieren könnte. Nach der Auffassung von Dieterich (in Dieterich/Preis, Befristete Arbeitsverhältnisse in Wissenschaft und Forschung 2001, S. 99) liegt ein intensiver Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG vor, wenn in eine bereits bestehende tarifliche Regelung eingegriffen wird. Dann müssen die Gründe für eine gesetzliche Intervention „klar und deutlich sein und einiges Gewicht haben“. Solle schließlich die Regelungsfrage dem Zugriff der Tarifvertragsparteien ganz und auf Dauer entzogen werden, so bedürfe ein derartig intensiver Eingriff sehr gewichtiger Regelungsziele und dringender Gründe (unter Verweis auf BVerfG 24.04.1996, BVerfGE 94, 268, 285).

Ø      Hinsichtlich der Begrenzung der vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Regelung ist hervorzuheben, dass diese nur die überwiegend aus Drittmitteln finanzierten wissenschaftlichen Mitarbeiter betrifft. Dennoch bleibt die Problematik, dass sich die Rechtfertigung der Regelung auf die einfache Formel reduzieren lässt, dass weniger Kündigungsschutz der Beschäftigung dient (vgl. Empfehlungen des Wissenschaftsrats (Ausschuß-Drs. 15(17)184, S. 32). Dort heißt es, es sei auch „im Sinne der potentiell Betroffenen, wenn durch eine Erleichterung von Kündigungsmöglichkeiten das Angebot für eine unbefristete Beschäftigung zunimmt“. Zugunsten des Vorschlags des Wissenschaftsrates ist anzumerken, dass ihm diese Möglichkeit als ein sozial verträglicheres „Minus“ gegenüber der noch deutlicheren Ausweitung befristeter Arbeitsverhältnisse erscheint. Dies ist zweifellos richtig, weil die permanente Unsicherheit eines befristeten Arbeitsverhältnisses auch nach vieljähriger Beschäftigung nicht nur für die Forschungstätigkeit, sondern auch aus sozialen Gesichtspunkten schwer vertretbar ist.

7.                  Zu begrüßen ist die Ansicht des Wissenschaftsrates, dass durch die Erweiterung der Chancen auf eine unbefristete, aber kündbare Beschäftigung unterhalb der Professur die Attraktivität der wissenschaftlichen Karriere deutlich gesteigert werden könnte. In der Tat ist der Auffassung des Wissenschaftsrates zu folgen, dass in diesem spezifischen Segment der Wissenschaft die Unkündbarkeitsregelung besonders kontraproduktive Auswirkungen hat.

Ø      Das Dilemma, dass durch eine gesetzliche Regelung ausgelöst würde, ließe sich am besten durch eine vernünftige Regelung im Wissenschaftstarifvertrag vermeiden, in dem auch die Gewerkschaften einer Abschaffung der  Unkündbarkeitsregelung für wissenschaftliche Mitarbeiter nicht entgegentreten. Allerdings stehen die Zeichen hierfür nicht sehr gut. Ver.di ist zwar bereit, im Rahmen tariflicher Regelungen besondere Kündigungsregelungen zu schaffen, will aber zwei Klassen von Beschäftigungsverhältnissen vermeiden, andererseits aber auch die Unkündbarkeitsregel im BAT nicht aufheben. Diese Stellungnahme wirkt noch in sich widersprüchlich.

Ø      In Zusammenschau dieser Stellungnahmen schlage ich vor, dass ein Mittelweg gegangen wird: Eine gesetzliche Kündbarkeitsregel, die die tariflichen Sonderkündigungsnormen durchbricht, sollte – um sie auch verfassungsfester zu machen - eine Kompensation für den Verlust des Arbeitsplatzes beinhalten. Statt einer komplizierten Modifikation des Ultima-Ratio-Prinzips und der Kriterien der Sozialauswahl sollte eine Regelung zur betriebsbedingten Kündigung geschaffen werden, die mit einer soliden Abfindungsregelung verbunden ist. Immerhin tastet sich auch der Gesetzgeber zu solchen Abfindungslösungen vor (vgl. der seit 1.1.2004 geltende § 1 a KSchG). In konsequenter Fortführung dieses Ansatzes könnte man sich vorstellen, dass dem gekündigten Mitarbeiter ein Abfindungsanspruch in Höhe von einem Bruttomonatsgehalt je Beschäftigungsjahr gewährt wird, wenn aus Gründen des dauerhaften Wegfalls von Drittmitteln gekündigt wird. Eine solche Regelung begrenzt das wirtschaftliche Risiko der Hochschulen und der wissenschaftlichen Einrichtungen; andererseits wird dem vielleicht langjährig beschäftigten Mitarbeiter eine gehörige soziale Abfindung gewährt, die ihm die Überbrückung in eine neue Beschäftigung oder die Überbrückung bis zum Rentenalter erleichtert. Denn es müssen auch jene Fälle sozial gerecht gelöst werden, in denen ein Mitarbeiter nach 12jähriger Qualifizierungsphase und vielleicht noch einmal so langer Beschäftigung in einem Sonderforschungsbereich in einem Lebensalter von Anfang 50 entlassen wird, ohne dass noch eine plausible anderweitige Beschäftigungsalternative besteht. So sehr es legitim erscheint, für diesen Fall einen Kündigungsgrund anzuerkennen, um so deutlicher muss jedoch auch die soziale Komponente bedacht werden. Die Höhe der Abfindungszahlung bildet dann auch ein Korrektiv für die Hochschul- und Institutsleitungen, sich wirklich zu überlegen, ob der vielleicht hochqualifizierte Mitarbeiter nicht noch an einer anderen Stelle in der Hochschule Verwendung findet. Die Abfindungslösung bietet damit einen echten Bestandsschutz, weil nur unabweisbar notwendige Kündigungen ausgesprochen, aber letztlich notwendige Entlassungen nicht verhindert werden könnten.

 

Köln, 15. März 2004

 

 

gez. Prof. Dr. Ulrich Preis


Anhang

 

Da sowohl in den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zu einem Wissenschaftstarifvertrag als auch in anderen Stellungnahme die Rechtslage zur Kündigung im Hochschulbereich wegen Wegfalls von Drittmitteln nur kursorisch dargestellt worden ist, sei das Recht der betriebsbedingten Kündigung im Hochschulbereich nachfolgend dargestellt (Quellennachweis: Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. 2002; Dieterich/Preis, Befristete Arbeitsverhältnisse in Wissenschaft und Forschung, 2001).

 

1. Betriebsbedingte Kündigungen im Hochschulbereich

Entschließen sich Universitäten oder Forschungseinrichtungen dazu, Mitarbeiter über den Qualifizierungszeitraum unbefristet weiterzubeschäftigen, stellt sich für sie die Frage der Kündigungsmöglichkeit, wenn ein überwiegend auf der Basis von Drittmitteln finanzierter Bereich wesentliche Einbußen bzw. den völligen Entzug der Drittmittel zu gewärtigen hat. Für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen wegen des Wegfalls von Drittmitteln gelten folgende Grundsätze der Rechtsprechung:

Der Entzug von Drittmitteln stellt für sich allein noch keinen Kündigungsgrund dar.

BAG v. 20. 2. 1986 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung = NZA 1986, 823; KR-Etzel, § 1 KSchG Rdnr. 599; Lakies, NZA 1995, 296, 299 f.; Plander, DB 1982, 1218.

Der Drittmittelentzug führt noch nicht zum Wegfall von Arbeitsplätzen, sondern erst die ggf. folgende unternehmerische Entscheidung.

BAG 29. 11. 1985 RzK I 5 c Nr. 11; BAG 30. 10. 1987 RzK I 5 c Nr. 24; BAG 24. 8. 1989 RzK I 5 c Nr. 32; BAG 7. 11. 1996 AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 82; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 407; Dieterich/Preis, Befristete Arbeitsverhält­nisse in Wissenschaft und Forschung, 2001, S. 78; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 514; Löwisch, § 1 KSchG Rn. 309.

Vielmehr muß der Drittmittelempfänger seinerseits entscheiden, ob er aus eigenen oder anderen Mitteln einen subventionierten Arbeitsbereich (ein­ge­schränkt) fortführen will. Erst die notwendige unternehmerische Entschei­dung führt zum Wegfall von Arbeitsplätzen.

BAG v. 29. 11. 1985 RzK I 5 c Nr. 11; v. 30. 10. 1987 RzK I 5 c Nr. 24; v. 24. 8. 1989 RzK I 5 c Nr. 32; v. 7. 11. 1996 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 88.

Diese unternehmerische Entscheidung unterliegt nur einer Missbrauchs- und Willkürkontrolle.

BAG 7. 11. 1996 u. 20. 2. 1986 AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 82, 11; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 514.

Sachwidrige Entscheidungen des Drittmittelgebers, die zum Entzug der Mittel führen, führen nicht zur Missbräuchlichkeit der Kündigung.

BAG v. 7. 11. 1996 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 88 mit zust. Anm. Söllner.

Auch beim Wegfall von Dritt­mitteln ist die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen, freien Arbeitsplatz zu prüfen.

BAG v. 21. 6. 1990 RzK I 5 c Nr. 37.

Universitäten und Forschungseinrichtungen müssen nach dieser Rechtsprechung im Ansatzpunkt folglich bedenken, dass allein die Entscheidung des Drittmittelgebers, die Förderung einzustellen bzw. zu kürzen, für sich genommen noch nicht die betriebsbedingte Kündigung bedingt. Dies ist auch sachgerecht, weil keine Forschungseinrichtung und keine Universität hochqualifzierte Mitarbeiter ohne weiteres kündigen würde. Deswegen verlangt die Rechtsprechung, dass der Drittmittelempfänger, also die Hochschule oder die Forschungseinrichtung, sich selbst darüber klar wird, ob sie die bisher geförderte Maßnahme – etwa aus eigenen Mitteln – selbst fortführt oder ob sie zur Einstellung dieses Forschungsvorhabens mit der Folge der Kündigung kommt. Diese unternehmerische Entscheidung unterliegt nur einer Missbrauchs- und Willkürkontrolle.

Eine weitere wesentliche Fortentwicklung der Rechtsprechung zur Kündigung im Drittmittelbereich liegt der Rechtsprechung des 2. Senats in der Entscheidung vom 7.11.1996 zugrunde.

AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 82.

In dieser Entscheidung stellt das BAG heraus, dass es in der freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers liegt, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen. Dies gilt insbesondere, wenn bei drittfinanzierten Arbeitsverträgen das festgelegte Anforderungsprofil den Vorgaben des Drittmittelgebers entspricht. Das bedeutet in der Praxis, dass allein durch die Bestimmung der fachlichen Anforderungen in einem Drittmittelprojekt andere Arbeitnehmer des Arbeitgebers, die diese fachlichen Anforderungen nicht erfüllen, keine Weiterbeschäftigung in einem für sie fachlich fremden Drittmittelprojekt verlangen können. Diese Freiheit in der Bestimmung des Personalprofils schränkt die von den Hochschulen und Forschungseinrichtungen vielfach befürchtete Weiterbeschäftigungspflicht von Mitarbeitern in Forschungsprojekten, die über keine hinreichende Erfahrung und Qualifikation verfügen, weitgehend aus.

Im Falle der betriebsbedingten Kündigung besteht gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 b KSchG eine dem Arbeitgeber zuzumutende Möglichkeit, einen Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen nur, wenn ein vergleichbarer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, der insbesondere den Fähigkeiten des Arbeitnehmers entspricht. Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit besonderer Qualifikation ausführen zu lassen, ist grundsätzlich zu respektieren. Bei Drittmittelprojekten verweist das BAG darauf, daß es prinzipiell in der Entscheidung des Drittmittelgebers liegt, Fördermittel zu streichen bzw. zu kürzen. Dazu führt das BAG aus,

„Auch soweit der Drittmittelgeber versucht, auf die Besetzung der finanzierten Arbeitsplätze im Betrieb des Drittmittelempfängers Einfluss zu nehmen und dabei insbesondere eine bestimmte Mindestqualifikation der Arbeitnehmer durchzusetzen, haben sich die unternehmerischen Entscheidungen des Drittmittelempfängers stets an dem Recht des Drittmittelgebers zu orientieren, die Fördermittel zu streichen und ggf. andere Institutionen zu fördern .... Selbst wenn der Drittmittelempfänger die Anforderungen des Drittmittelgebers an die Qualifikation der betreffenden Arbeitnehmer für überzogen hält, wird ihm deshalb letztlich nichts anderes übrig bleiben, als dem Druck nachzugeben.“ (BAG 7.11.1996 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung 82)

Wissenschaftsspezifische Besonderheiten sowohl hinsichtlich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten als auch der Sozialauswahl hat das BAG bereits bei der Kündigung wegen Wegfalls von Drittmitteln berücksichtigt.

BAG 21.6.1990 RzK I 5 c Nr. 37.

In der vorgenannten Entscheidung billigte das BAG, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Forschungsgebiet nicht möglich ist, wenn der Projektleiter die Weiterbeschäftigung eines in einem anderen Bereich gekündigten Mitarbeiters verweigert. Das BAG verweist hier insbesondere auch auf das durch § 25 HRG gewährleistete Recht zur Freiheit der Personalwahl. Das BAG verweist darauf, dass das Auswahlrecht der das Projekt betreuenden Hochschullehrer gewährleistet ist, weil für bestimmte Vorhaben oft speziell geeignete Mitarbeiter erforderlich sind. Dieses freie Auswahlrecht ist eine Reaktion darauf, dass dem Projektleiter in der Regel verwehrt ist, Mitarbeiter im eigenen Namen einzustellen. Würde er als Empfänger der Drittmittel Privatarbeitsverträge abschließen, stünde ihm die freie Auswahl seiner Mitarbeiter ohnehin zu. Dieses Recht soll nicht deshalb untergehen, nur weil die Hochschule die verwaltungstechnische Abwicklung des Projekts übernimmt.

Der Projektleiter habe daher in eigener Verantwortung zu prüfen und zu entscheiden, ob ein Bewerber die erforderliche Qualifikation besitzt. Insoweit stehe ihm ein vom Arbeitgeber und den Gerichten nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

BAG 21.6.1990 RzK I 5 c Nr. 37.

 

2. Anforderungen an die Sozialauswahl

Bedenken im Bereich der Hochschulen löst bei betriebsbedingten Kündigungen das Erfordernis der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG aus. Können Kündigungen nicht anderweitige Beschäftigung abgewendet werden, hat der Drittmittelempfänger in der Tat die Grundsätze der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zu beachten. Daraus folgt, dass auch Arbeitnehmer, die nicht von der Drittmittelkürzung betroffen sind, in die Sozialauswahl einzubeziehen sind.

LAG Köln 7.5.1995 LAGE § 1 KSchG Betriesbedingte Kündigung Nr. 33; KR-Etzel § 1 KSchG Rn. 599; Kiel, in Ascheid/Preis/Schmidt § 1 KSchG Rn. 518.

Das Prinzip der Sozialauswahl kann in der Tat dazu führen, dass bei Wegfall der Drittmittel ein im Drittmittelbereich beschäftigter Arbeitnehmer als sozial schutzwürdiger einzuordnen ist, als ein etwa mit regulären Haushaltsmitteln beschäftigter Arbeitnehmer oder ein solcher, der in einem anderen Drittmittelprojekt beschäftigt wird.

Diese weitreichenden Konsequenzen der sozialen Auswahl können jedoch entscheidend durch zwei Grundvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 KSchG gemildert werden: Eine Sozialauswahl findet nämlich nur zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern statt. Ferner sind nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Grundsätze der Sozialauswahl nicht anzuwenden, wenn betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige berechtigte betriebliche Bedürfnisse die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer bestimmter Arbeitnehmer bedingen und damit der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen.

 

a) Vergleichbarkeit von Wissenschaftlern

Insofern kann insbesondere die Kündigung über den Weg der Sozialauswahl solcher Mitarbeiter verhindert werden, die für die Forschungseinrichtungen unverzichtbar sind bzw. spezifische Qualifikationen aufweisen, die deren Weiterbeschäftigung in einem bestimmten Projekt unverzichtbar erscheinen lassen. Der Sozialauswahl kann insofern die fehlende Vergleichbarkeit oder ein berechtigtes betriebliches Bedürfnis der Universität bzw. Forschungseinrichtung entgegenstehen.

Hinsichtlich der sog. horizontalen Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer gilt, dass vergleichbar nur solche Arbeitnehmer sind, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Vertragsinhalt austauschbar sind. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz durch Drittmittelentzug weggefallen ist, die Tätigkeit anderer Arbeitnehmer wahrnehmen können muß. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, d.h. nach der ausgeübten Tätigkeit. Bei einer partiellen Identität der Aufgabenbereiche kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz wegfällt, aufgrund seiner tatsächlichen Kenntnisse und Fertigkeiten die Funktionen anderer Arbeitnehmer ausüben kann.

BAG 17.9.1998 AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 36.

Für die objektive Vergleichbarkeit ist zunächst die formale Qualifikation, vor allem die Berufsausbildung, maßgeblich.

BAG 5.5.1994 AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 23.

Entscheidender ist jedoch die subjektive Qualifikation. Bedarf nämlich ein Arbeitnehmer erst einer qualifizierten Fortbildung oder Umschulung, besteht keine Vergleichbarkeit. Nur kurze Einarbeitungszeiten stehen einer Vergleichbarkeit nicht entgegen. Das BAG verlangt für die Vergleichbarkeit eine alsbaldige Substituierbarkeit, wobei nach Auffassung des BAG bei einer voraussichtlichen Einarbeitungszeit zur Aneignung erforderlicher Kenntnisse von drei Monaten schon diese Voraussetzung nicht mehr gegeben ist.

BAG 5.5.1994 AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 23.

Das bedeutet für betriebsbedingte Kündigungen im Hochschulbereich, dass vor dem Hintergrund der hohen Spezialisierung der einzelnen Institute und der Forschungsprojekte selbst bei gleicher akademischer Fachrichtung eine Vergleichbarkeit zumeist nicht gegeben sein wird.

Selbst innerhalb der großen Fachdisziplinen gibt es eine derart aufgefächerte Spezialisierung, die schon im Studium angelegt ist, daß Juristen mit Juristen bzw. Physiker mit Physiker, Informatiker mit Informatiker kaum noch vergleichbar sind. Nur wenn das spezifische Forschungsprofil übereinstimmt, wird von einer Vergleichbarkeit auszugehen sein.

Dies lässt sich etwa an dem von dem Gutachter vertretenen Fach verdeutlichen: Obwohl der Jurist mit zweitem Staatsexamen als sogenannter „Voll-Jurist“ angesehen wird, der im Prinzip alle Fachrichtungen vertreten bzw. sich in diese einarbeiten kann, gibt es im Bereich der Rechtswissenschaft die große Gliederung zwischen öffentlichem Recht, Strafrecht und Zivilrecht. So wird etwa ein Jurist, der über Jahre in einem rechtshistorischen Institut beschäftigt war, und sich über viele Jahre mit römischer Rechtsgeschichte befasst hat, nicht vergleichbar sein mit Juristen, die etwa im Arbeits-, Sozialrecht oder Steuerrecht tätig sind. Hier muss sehr genau eine fachbezogene subjektive Qualifikation für die potentielle Tätigkeit geprüft werden.

Es wird schlechterdings nicht möglich sein, sich innerhalb von drei Monaten in einen völlig anderen Forschungszusammenhang einzuarbeiten, selbst wenn die gegebene Grundqualifikation mit entsprechendem universitären Abschluss gleich ist.

Jede andere Betrachtung würde bei der Auslegung des Merkmals der Vergleichbarkeit den spezifischen Anforderungen aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht gerecht. Über das Kündigungsrecht bzw. das Recht der sozialen Auswahl dürfen nicht fachlich ungeeignete Mitarbeiter anderen Forschungsinstitutionen „aufgedrängt“ werden. Durch eine entsprechende am Bestandsschutzinteresse orientierte Auslegung des § 1 Abs. 3 KSchG würde sonst massiv die Wissenschaftsfreiheit der Hochschulen und Forschungseinrichtungen beeinträchtigen. Eine Auslegung des § 1 Abs. 3 KSchG, die im Ergebnis zwingen würden, in Forschungsprojekten Mitarbeiter zu übernehmen, die keine hinreichende Qualifizierung in eben diesem Forschungsbereich haben, würde mit Art. 5 Abs. 3 GG schwerlich vereinbar sein.

Vgl. auch Hanau, in: Hanau/Ossenbühl, Kündigungsschutz und Wissenschaftsfreiheit, 1998, S. 21.

Ferner kann die Vergleichbarkeit durch arbeitsvertragliche Vorgaben beschränkt sein. An einer Vergleichbarkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG fehlt es schon dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig (ohne Vertragsänderung oder Änderungskündigung) auf einen anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann. Gerade diese Voraussetzung dürfte häufig im Forschungsbereich gegeben sein, weil Mitarbeiter das Interesse haben, in einem bestimmten Forschungsbereich beschäftigt zu werden. Es empfiehlt sich daher, die entsprechende Funktion des Mitarbeiters in den arbeitsvertraglichen Regelungen festzuschreiben.

Zuletzt hierzu BAG 17.2.2000 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 43.

 

b) Der Sozialauswahl entgegenstehende berechtigte Interessen

Danach steht der Einbeziehung eines Mitarbeiters in die  Sozialauswahl entgegen, wenn berechtigte betriebliche Interessen, insbesondere Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen dessen Weiterbeschäftigung bedingen. Dabei entspricht es Rechtsprechung und herrschender Meinung, dass Spezialkenntnisse und Leistungsunterschiede der Weiterbeschäftigung des sozial stärkeren Arbeitnehmers entgegenstehen, wenn die Weiterbeschäftigung des besser Qualifizierten im Interesse eines geordneten Arbeits- oder Betriebsablaufs erforderlich ist. Eine Unverzichtbarkeit des besser qualifizierten Arbeitnehmers ist nicht erforderlich.

BAG 24.3.1983 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 12; Kiel, in Ascheid/Preis/Schmidt, 2. Aufl. 2004 § 1 KSchG Rn. 741.

So können erhebliche Leistungsunterschiede oder Spezialwissen der Sozialauswahl entgegenstehen.

BAG 20.10.1983 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 13.

Auch Mitarbeiter, die für künftige Führungsaufgaben eingeplant sind, müssen nicht, weil ein prinzipiell vergleichbarer sozial schutzbedürftigerer Arbeitnehmer vorhanden ist, entlassen werden.

LAG Hamm 5.2.1985 LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 2.

Auch diese Kriterien, die die Rechtsprechung allgemein zugrunde legt, führen im Hochschulbereich und im Bereich der Spitzenforschung in der Regel dazu, dass die Bestimmungen zur Sozialauswahl im Forschungsbereich einer betriebsbedingten Kündigung in relevantem Umfang, die eine hochschulspezifische Sonderregelung indizieren würden, nicht entgegenstehen.

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass die Rechtsprechung des BAG zur betriebsbedingten Kündigung zwar einen hinreichenden sozialen Schutz gewährleistet, andererseits aber den Qualifikationserfordernissen im Hochschulbereich, insbesondere auch soweit Drittmittelforschung betrieben wird, ausreichend berücksichtigt.