RAD im Pott, Ausgabe Frühjahr 1996:

Von der Isar an den Rhein

Vom Radfahren in München und Duisburg

Von München nach Duisburg zog ADFC-Mitglied Johanna Aschenberg im letzten Herbst. Sie schildert ihre Erfahrungen aus der Stadt an der Isar und erste Eindrücke vom Radfahren an Rhein und Ruhr: "Ich bin seit jeher Alltagsradfahrerin. In München bin ich immer mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Auch viele meiner Kollegen taten das. Ich war beim Bayernwerk beschäftigt, dem Stromversorger mit dem höchsten Anteil Atomstrom in Deutschland, also keine ausgesprochene Öko-Firma - aber der Fahrradständer war immer voll. In München ist das Fahrrad das schnellste Verkehrsmittel. Das zweitschnellste ist der ÖPNV, auf den ich umstieg, wenn das Wetter gar zu unwirtlich war. Obwohl der Münchner ÖPNV vorbildlich ist, mußte ich damit etwa doppelt so lange Fahrzeiten in Kauf nehmen. Mit dem Auto hätte ich noch länger gebraucht, allein für die Parkplatzsuche.

München hat eine rot-grüne Stadtregierung; Radfahrer stehen also im Prinzip ganz gut da. Die Stadt wird von zahlreichen ausgeschilderten Radrouten durchzogen, die auf dem von der Stadt herausgegebenen Radl-Stadtplan verzeichnet sind. Es gibt Radwege, die völlig unberührt vom Autoverkehr über ‘zig Kilometer kreuzungsfrei durch Grünanlagen verlaufen, etwa durch den Englischen Garten und die Parks längs der Isar. Viele der verkehrsreichen Isarbrücken sind für Radler untertunnelt, so daß man auch dort nicht von Ampeln aufgehalten wird. Teile der Fußgängerzone sind für Radfahrer zugelassen. Angesichts dieser Möglichkeiten und des bereits eingetretenen Verkehrkollaps’ auf den Autostraßen benutzen viele Münchner im Alltag das Fahrrad.

Andere Münchner sind aber der Meinung, daß es zu viele Radler gibt. In der Fußgängerzone fühlen sich viele Fußgänger von den "Radl-Rowdies" bedroht; die Lokalpresse ist voll von Hetzartikeln und Leserbriefen. Und die Autofahrer sind der Meinung, man solle lieber etwas gegen die Staus auf den Straßen tun, als das Radeln zu fördern. Dieser Tage wird in München der Stadtrat neu gewählt. Kann sein, daß die rot-grüne Mehrheit fällt. Dann wird das Radeln in der Fußgängerzone wieder verboten werden. Als nächstes werden einige Fußgängerzonen wieder für den Autoverkehr geöffnet. Erst dann wird man merken, daß die Staus auf den Straßen davon nicht verschwinden.

Zieht man von München nach Duisburg, fällt als erstes die noch ungebrochene Autobegeisterung der Ruhrgebietsbewohner auf. Der ÖPNV und das Fahrrad sind hier anscheinend nur etwas für Minderjährige, die noch nicht Autofahren dürfen, ältere Frauen, die nie Autofahren gelernt haben, und Arbeitslose, die sich das Autofahren nicht mehr leisten können. Bezeichnend die ungläubige Frage eines unserer Hausmitbewohner, als wir vorschlugen, für Besucher im Vorgarten einige Fahrradständer aufzustellen: "Bekommen Sie Besuch, der mit dem Fahrrad fährt?" Bei den hiesigen Verkehrsplanern scheint sich auch noch nicht herumgesprochen zu haben, daß das Fahrrad ein umweltfreundliches Verkehrsmittel ist und kein Sportgerät. Dabei gibt es hier so viele Haushalte mit geringem Einkommen, für die es eine große Entlastung bedeuten würde, wenn sie von ihrem bißchen Geld nicht auch noch ein Auto finanzieren müßten. Insofern er scheint mir die Förderung des Fahrradfahrens nicht nur als umwelt-, sondern auch sozialpolitisch wichtige Aufgabe. Aber vielleicht habe ich die Mentalität der Menschen hier noch nicht verstanden, die sich anscheinend lieber die Butter vom Brot sparen als aufs Auto zu verzichten. Ich fahre trotzdem weiter Fahrrad. Eigentlich sind die Bedingungen hier ja optimal: Keine Berge und ein mildes Klima auch im Winter, wenn man mal vom letzten Ausnahmewinter absieht. Vielleicht begreifen es die Duisburger auch irgendwann mal, daß Fahrradfahren viele Vorteile hat."


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