RAD im Pott, Ausgabe Winter 1996/97:

Keine Probleme mit Fahrradstraßen und geöffneten Einbahnstraßen

Endlich liegen sie vor, die beiden Erfahrungsberichte zur Öffnung von Einbahnstraßen für gegenläufigen Radverkehr so wie zu Fahrradstraßen in Essen. Wie in etlichen anderen Städten zuvor, ist man auch bei der hiesigen Stadtverwaltung zum Schluß gekommen, daß besagte Einrichtungen entgegen allen Befürchtungen keinerlei Probleme aufgeworfen haben. Vor etwa fünf Jahren konnten Essens Radler erstmalig in einer Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung radeln - auf einem separat geführten, teuer angelegten Radweg (Brigittastraße in Rüttenscheid). Der nächste Schritt war dann die abmarkierte Spur auf der Fahrbahn, besser erkennbar, preiswerter, allerdings auch nur auf relativ breiten Fahrbahnen realisierbar (z.B. Dollendorfstraße). Im April 1994 wurden die ersten Einbahnstraßen ohne irgendwelche Führungshilfen freigegeben (z.B. Treitschkestraße), allenfalls in Einmündungsbereichen wurden Verkehrsinseln angelegt, um ein Kurvenschneiden ausfahrender Autos zu verhindern (Emma- und Herthastraße). Hierbei wurde der Kunstgriff der "unechten Einbahnstraße" angewandt, bei welcher das bekannte rote Schild "Einfahrt verboten" steht, nicht aber das blaue Richtungsschild "Einbahnstraße". Das bedeutet aber auch, daß Autos innerhalb dieser Straße wenden und sie entgegen der Fahrtrichtung verlassen können. In der derzeit gültigen StVO ist diese Regelung zwar nicht enthalten, allerdings auch nicht verboten. Nun, sowohl der Polizei als auch der Verwaltung sind keinerlei Konfliktsituationen bekannt geworden, so daß der Öffnung weiterer Einbahnstraßen jetzt keine Hindernisse mehr in den Weg gelegt werden dürften.

Ähnlich sieht es bei den "Fahrradstraßen" aus, die rein rechtlich gesehen Radwege darstellen, in denen der Autoverkehr aber erlaubt bleibt. Radfahrer genießen hier absoluten Vorrang, der motorisierte Verkehr ist nur "zu Gast". Die Kfz-Geschwindigkeit hat sich an der Radfahrgeschwindigkeit zu orientieren. Bei den fünf im Rüttenscheider Schulenviertel eingerichteten Fahrradstraßen haben sich die in anderen Städten gemachten positiven Erfahrungen gleichfalls bestätigt. Untermauert wird dieses durch eine weitere Untersuchung von Essener Studenten (Lehrstuhl Verkehrserziehung von Frau Prof. Dr. Limbourg). Fazit: die Sicherheit und Akzeptanz des Radverkehrs wird ein deutig erhöht, der Radverkehrsanteil nimmt zu. Beide Erfahrungsberichte tingeln derzeit durch die politischen Gremien, und das dem Vernehmen nach mit überwiegend positiver Resonanz. Z.T. werden nun so gar bislang zurückgestellte Anträge zur Öffnung von Einbahnstraßen bzw. zur Einrichtung von Fahrradstraßen forciert behandelt. Es darf also damit gerechnet werden, daß im kommenden Jahr eine größere Zahl besagter Einrichtungen erfolgen wird. Es sei denn, der Stadt geht selbst das Geld für die notwendige Umschilderung aus!

Jörg Brinkmann


zurück zur RAD im Pott-Startseite