RAD im Pott, Ausgabe Winter 1996/97:

Erfolg des ADFC-NRW: Neue Fahrradstationen

Eine Agentur für Fahrradstationen

Es ist eine Erfolgsstory. Erst schafft es der ADFC-Landesverband, daß die Forderung nach einem landesweiten Netz von Fahrradstationen an Bahnhöfen ins Regierungsprogramm der rotgrünen Koalition in NRW aufgenommen wird. Und nun fördert das Land eine zehnköpfige Fahrradagentur, die sich Mitte Oktober 1996 beherzt ans Werk gemacht hat. Eine Etage über der Landesgeschäftsstelle in Düsseldorf hat ADFC-Geschäftsführer Georg Hundt seit dem 14. Oktober einen zweiten Arbeitsplatz. Dort residiert die "Entwicklungsagentur für Fahrradstationen", die bis zum Jahr 2000 rund 50 Stationen realisieren will und deren Leiter eben Georg Hundt geworden ist (siehe auch untenstehendes Interview). Sein Team besteht aus Stadtplanern, Betriebswirten, einem Juristen und einer Bürokraft, die sich vor allem zum Ziel gesetzt haben, Fahrradstationen zu konzipieren, die auf Dauer eine wirtschaftliche Basis ohne Subventionen haben. Deshalb werden die Fahrradstationen bei weitem mehr sein als eine bessere Aufbewahrungsstation für Fahrräder mit Fahrradverleih. Die denkbare Angebotspalette reicht vom Fahrrad- und Bücherverkauf bis zum Kioskangebot. Die Bahn ist dabei zu einem wichtigen Partner geworden. "Sie will einerseits Personal abbauen, andererseits aber auch an kleinen Bahnhöfen persönlichen Service anbieten", erläutert Hundt. "Die Fahrradstationen bieten sich förmlich an, auch einen Teil der Bahnaufgaben zu übernehmen." Auch viele Städte haben längst erkannt, daß eine Fahrradstation das oft vernachlässigte Bahnhofsumfeld aufwerten kann. In einer Vereinbarung der Stadtentwicklungsministerin Ilse Brusis und der Bahn werden in Kürze 117 Bahnhöfe in NRW - alle Fern- und IR-Bahnhöfe sowie Nahverkehrsbahnhöfe von gehobener Bedeutung - als mögliche Standorte festgeschrieben. Dabei bietet es sich in großen Städten wie Köln, Dortmund, Wuppertal und Düsseldorf an, mehrere Fahrradstationen zu bauen. In den ersten zwei Jahren wird die Bahn die Flächen und Gebäude kostenlos zur Verfügung stellen. "Anschließend will sie die Betriebsergebnisse der Stationen überprüfen und gegebenenfalls eine Miete verlangen", so Georg Hundt. Während bei kleinen Bahnhöfen die Ertragslage durch die Übernahme von Bahndiensten erhöht werden kann, fällt diese Möglichkeit bei Großbahnhöfen mit ihren vielen Schaltern weg. Hundt: "Hier können wir uns vorstellen, daß eine Fahrradstation auch Car-Sharing-Agentur wird und weitere Dienste bis hin zur Mobilitätszentrale übernimmt."

Gespräch mit ADFC- Landesgeschäftsführer Georg Hundt

"Die erste Fahrradstation öffnet 1997"

"100 Fahrradstationen in NRW" sollen kein Traum bleiben. Dafür sorgt auch die NRW-Entwicklungsagentur für Fahrradstationen. Seit Oktober 1996 ist ADFC- Landesgeschäftsführer Georg Hundt auch Leiter dieser Agentur. Mit ihm sprach Axel Mörer über erste Ziele.

RAD im Pott: Zehn Leute arbeiten für die Agentur. Sind so viele nötig?

Hundt: Ja, denn Fahrradstationen sind ein Angebot, das der Markt zur Zeit nicht von selbst bereitstellt. Wir müssen Konzepte entwickeln, die Fahrradstationen auf Dauer so rentabel machen, daß sie auch ohne Subventionen auskommen. Wir werden mit vielen Städten und Gemeinden, Arbeitsämtern und Ministerien, Verbänden und Unternehmen sprechen, die als Partner in Frage kommen. Und schließlich müssen wir über 100 Bahnhöfe unter die Lupe nehmen. Ein Berg von Arbeit.

RAD im Pott: Trotzdem sagen Kritiker, die Agentur verpulvere nur Steuergelder. Wer braucht Fahrradstationen?

Hundt: Die Umwelt braucht sie. Fahrradstationen sind das beste Mittel, um den Umweltverbund zu fördern. Leute mit hochwertigen Fahrrädern scheuen das Risiko am Bahnhof, daß ihr Rad nach der Zugfahrt demoliert oder gar nicht mehr da ist. Bewachte Stationen mit Reparaturservice schaffen da Abhilfe, sorgen gerade auf kleinen Bahnhöfen, die oft zu schäbigen Hinterhöfen geworden sind, für neues soziales Leben und können zusätzliche Kunden anlocken.

RAD im Pott: Warum ist die Bahn nach jahrelangem Widerstand plötzlich mit im Boot?

Hundt: Weil die Bahn verstanden hat, daß gerade kleinen Bahnhöfen Fahrradstationen gut tun. Dort werden wir wohl auch zuerst zu Lösungen kommen. Die Betreiber von Fahrradstationen auf kleinen Bahnhöfen könnten Fahrkarten verkaufen, Auskünfte geben und Hausmeisterfunktionen übernehmen. Die Rentabilität der Stationen würde erhöht. Die Bahn will Flächen und Gebäude in den Anfangsjahren kostenlos zur Verfügung stellen.

RAD im Pott: Zur Zeit sind 117 Bahnhöfe als mögliche Standorte im Gespräch. Wo wird es 1997 losgehen?

Hundt: Schon jetzt haben über 40 Kommunen Interesse an einer Fahrradstation angemeldet. Bei einigen sind die Planungen schon sehr weit, so daß es die erste Station auf jeden Fall schon 1997 geben wird. Heiße Kandidaten sind zum Beispiel Hamm, Oberhausen, Kamen, Witten und Rheine.

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