RAD im Pott, Ausgabe Frühling 1997:

Angeklagter! Ihnen wird zur Last gelegt, ...

Da sitzen wir nun, zwei einfache Radfahrer, als Zeugen vorgeladen und pünktlich erschienen 13.15 Uhr, Saal A 12 im ersten Stock des Amtsgerichts Essen. Etwas nervös sind wir schon an diesem unbekannten Ort mit scheinbar seltsamen Gebräuchen. Die Tür zu Saal A 12 ist geschlossen. Neben ihr hängt eine Liste (Namen geändert): "13.00 Fall Cervinski, 13.15 Fall Dreher," - das sind wir - "13.30 Fall Hartmann," und so weiter. Aha, denke ich, in fünfzehn Minuten wird hier ein jeder fair beurteilt.

Wir setzen uns auf zwei der unbequemen Stühle und unterhalten uns über ganz andere Dinge. Endlich geht die Saaltür auf, einige Leute kommen raus und verschwinden. Kurz darauf quäkt ein Lautsprecher: "Fall Dreher! Bitte alle eintreten!" Wir leisten der Aufforderung Folge und stehen in einem etwas zu groß geratenen Klassenzimmer. Der Richter sitzt hinter einem langen, quer aufgestellten Tisch. Auf der linken Seite des Raumes sitzt etwas einsam ein junger Mann, adrett mit Fliege - der Bösewicht, der Übeltäter, der Unhold? Kaum zu glauben! Der Richter fragt uns, ob unsere Namen noch die gleichen sind und leiert eine Belehrung runter. Und schon sitzen wir wieder draußen und warten, bis wir aufgerufen werden. Es dauert aber nicht allzu lange, da verlangt der Lautsprecher von meiner Co-Zeugin, reinzukommen und ich warte alleine. Ich lasse die Ereignisse nochmal Revue passieren. Vor etwa einem halben Jahr - anläßlich der Essener Motor-Show - hatten wir uns zu einer Anzeigenaktion entschlossen. In den Wohnvierteln um das Messegelände war mal wieder alles zu geparkt: Radwege, Gehsteige, Kreuzungen, sogar Feuerwehrzufahrten. Und der Messeparkplatz nicht annähernd gefüllt! Bei Eiseskälte zogen wir also durch die Straßen und notierten uns die Kennzeichen der wilden Parker. Jeden einzelnen fotografierten wir, auf einem Diktiergerät folgte die Beschreibung der Wagen inklusive der genauen Abstellorte.

Der Lautsprecher wieder. Diesmal meint er mich und ich trete ein. Der Richter teilt mit, daß meine Aussage überflüssig geworden ist. Wie, was? Alles umsonst? Doch ich erfahre, daß eine Aussage genügt hat. Offensichtlich war meine Mitstreiterin so überzeugend in ihrer Darstellung, daß der Beschuldigte seinen Widerspruch zurückgezogen hat. Er hatte wohl auch nicht damit gerechnet, daß überhaupt Beweise vorliegen. Pech für ihn, jetzt muß er neben dem Bußgeld auch noch die Gerichtskosten tragen.

Fazit: Es muß endlich auch von offizieller Seite mehr unternommen werden gegen den ausufernden Parkverkehr. Vor allem im Hinblick auf die zukünftig geringer werdenden Parkflächen (Mielesheide in Bredeney, Gruga-Festwiese und eventuell Parkhaus Lührmannstraße in Rüttenscheid). Weiter entfernt liegende Großparkplätze an der Universität und am Rhein-Ruhr-Zentrum müssen offensiv angeboten werden. Das gilt insbesondere auch für das Kombi-Ticket (Eintrittskarte = VRR-Fahrausweis), das derzeit bei Messeveranstaltungen in Essen kaum noch eine Rolle zu spielen scheint. Und es müssen die Kontrollen noch weiter intensiviert werden. Dann wären derartige Selbsthilfeaktionen gegen rücksichtslose Falschparker nicht mehr notwendig.

Volker Gardain


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