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Hinweis: Sie finden hier die englische Version Hans Kammler - A secret weapons' expert of the Third Reich?

Obergruppenführer Hans Kammler – Ein Geheimwaffenexperte des Dritten Reiches?

Es wird von manchen Historikern, wie z. B. von Rainer Karlsch, gemutmaßt, dass der SS-Obergruppenführer Hans Kammler 1945 keinen Selbstmord beging, sondern vom US-Geheimdienst in die Vereinigten Staaten gebracht wurde, um dort sein Fachwissen über die Geheimwaffenprojekte Nazi-Deutschlands an Techniker der US-Behörden weiterzugeben.[1]

                                                                                    Hans Kammler[2]

Tatsächlich war Kammler seit August 1943 verantwortlich für den Ausbau der unterirdischen Produktionsstätten für Düsentriebwerke, Strahlflugzeuge, Motoren und das A4-Raketenprogramm. Am 1. September 1943 wurde er durch den Reichsführer-SS Heinrich Himmler zum „Sonderbeauftragten des Reichsführers-SS für das A 4-Programm“ unter SS-Obergruppenführer Oswald Pohl ernannt. Zuvor war er schon seit Oktober 1933 mit verschiedenen Verwaltungsfunktionen bezüglich verschiedener Bauprojekte tätig gewesen und blieb es auch bis zum Ende des Krieges.[3]

Peenemünde, V2 beim Start[4]

In einem Dokumentarfilm des ZDF wird Kammler mehrfach als Dipl. Ingenieur angesprochen.[5] Das ist zwar einer seiner beiden regulär erworbenen akademischen Titel,[6] er suggeriert jedoch zu Unrecht, dass Kammler ein tieferes technisches Verständnis der Sonderwaffentechnik besessen hätte. – Genau dies besaß er jedoch nicht! Anders als z. B. Walter Dornberger[7] war er nämlich Architekt (auch Architekten führen nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums den Titel Dipl. Ing.)[8] und kein Maschinenbauingenieur. Er war also gar nicht dazu in der Lage, funktionstüchtige Waffen zu konstruieren; selbst der Bau der unterirdischen Fabriken für die Sonderwaffenfertigung, wurde wahrscheinlich von ihm „nur“ koordiniert, die statischen Berechnungen wurden mit Sicherheit durch einen Bauingenieur ausgeführt! 

Fazit

Obergruppenführer Hans Kammler war ein wichtiger SS-Bürokrat und Rüstungsmanager des NS-Regimes, er war jedoch kein Konstrukteur, der ein, wie auch immer geartetes, tieferes technisches Wissen über die Geheimwaffenprojekte des Dritten Reiches besessen hätte! Dementsprechend beschreibt auch Albert Speer Kammler folgendermaßen:

„Oder Kammler. Ich kannte ihn, als er noch im Luftfahrtministerium die Bauabteilung leitete. Ein unauffälliger, umgänglicher und sehr fleißiger Beamter, von dem niemand es für möglich gehalten hätte, dass er eines Tages einer der brutalsten, und rücksichtslosesten Mitarbeiter Himmlers sein würde.“[9]

Bei der Darstellung Kammlers als ‚teuflisches Wissenschaftlergenie‛ wird normalerweise nicht berücksichtigt, dass er sich in dem System der NS-Bürokratie hochgearbeitet hatte. So wird z. B. systematisch verschwiegen, dass Kammler im Jahr 1933 nach der sogenannten ‚Gleichschaltung‛ zum „Führer des Reichsbundes der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands“ wurde,[10] weil dies offensichtlich nicht zu seinem Ruf als „Sonderbeauftragter des Reichsführers-SS für das A 4-Programm“ passt! – Ganz sicher war Kammler ein Verbrecher, ein „Technokrat der Vernichtung“, als den ihn Rainer Fröbe bezeichnet,[11] der z. B. für die Planung von Auschwitz-Birkenau maßgeblich verantwortlich war,[12] aber seine Karriere im NS-Staat machte ihn zu einem typischen Vertreter der „Banalität des Bösen“[13], und nicht zu einem genialen Waffenkonstrukteur!

Die These, dass der Obergruppenführer von den Amerikanern lebend gefangen genommen worden, und in die USA verbracht worden sei, ist offensichtlich auf eine Bemerkung Speers in seinem Buch „Der Sklavenstaat – Meine Auseinandersetzungen mit der SS“ zurückzuführen, dass Kammler die Absicht gehabt habe, gegen die „Garantie seiner Freiheit“ Unterlagen und vor allem die Entwicklungsingenieure der fortschrittlichen Geheimwaffen einzutauschen.[14]

Selbst wenn er lebend von den Streitkräften der Alliierten gefangen genommen worden wäre, wäre er sofort von TECHINT-Offizieren verhört worden, die ihm sämtliche technischen Unterlagen abgenommen hätten. Die zuständigen Konstrukteure wurden ja so oder so systematisch gesucht und im Rahmen der „Operation overcast“ bzw. „Paperclip“ in die USA verbracht.[15]

Es stellt sich daher die Frage, welchen besonderen Wert Kammler für die Amerikaner hätte haben sollen, sobald ihm etwaige mitgeführte technische Unterlagen abgenommen worden wären! – Am vergleichbarsten ist seine Rolle im Rahmen der Rüstungswirtschaft des Dritten Reiches vermutlich derjenigen Albert Speers, und der wurde bekanntlich bei den Nürnberger Prozessen angeklagt und verurteilt. – Der direkte militärische Vorgesetzte von Wernher von Braun hingegen, der Generalmajor und Maschinenbauingenieur Walter Dornberger, wurde 1947, völlig unabhängig von Wernher von Braun, in den USA zunächst als technischer Berater für Projekte der U.S. Air Force tätig und arbeitete danach bis zu seiner Verrentung für die „Bell Aircraft Corporation“. Hinzuzufügen ist, dass er selber an der Kreiselstabilisierung von Raketen geforscht hatte.[16]

Autor: Christian Brandau – Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)“ verfügbar.

 

Einzelnachweise:

[1] http://www.welt.de/geschichte/article128873148/Versteckten-die-USA-den-Chef-Ingenieur-der-SS.html 

[2] Mémorial du camp de concentration Mittelbau-Dora

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Kammler

[4] „Bundesarchiv Bild 146-1978-Anh.026-01, Peenemünde, V2 beim Start“ von Unbekannt - Dieses Bild wurde im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Bundesarchiv und Wikimedia Deutschland aus dem Bundesarchiv für Wikimedia Commons zur Verfügung gestellt. Das Bundesarchiv gewährleistet eine authentische Bildüberlieferung nur durch die Originale (Negative und/oder Positive) bzw. die Digitalisate der Originale im Rahmen des Digitalen Bildarchivs..

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http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_146-1978-Anh.026-01,_Peenem%C3%BCnde,_V2_beim_Start.jpg#mediaviewer/File:Bundesarchiv_Bild_146-1978-Anh.026-01,_Peenem%C3%BCnde,_V2_beim_Start.jpg

[5] http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2169446/Hitlers-Geheimwaffenchef#/beitrag/video/2169446/Hitlers-Geheimwaffenchef

[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Kammler

[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Dornberger

[8] http://www.gutefrage.net/frage/architektur-vs-bauingenieur

[9] Speer, Albert: Der Sklavenstaat – Meine Auseinandersetzungen mit der SS, Stuttgart 1981, S. 28 – 29.

[10] Hans Kammler, Führer des Reichsbundes der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands, in: Der Kleingärtner und Kleinsiedler, Nr. 1, 26.10.1933, S. 4.

[11] Fröbe, Rainer: Hans Kammler, Technokrat der Vernichtung. In: Smelser, Robert / Syring, Enrico Syring (Hrsg.): Die SS. Elite unterm Totenkopf. 30 Lebensläufe. Paderborn 2000.

[12] http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Kammler

[13] https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Banalität_des_Bösen&redirect=no

[14] Speer, Albert: Der Sklavenstaat – Meine Auseinandersetzungen mit der SS, Stuttgart 1981, S. 342.

[15] http://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Overcast#Im_Rahmen_der_Operation_Paperclip

[16] http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Dornberger



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