Sitzung 12: Studentischer Beitrag zu Deontischen Logiken und kleine Einleitung zum Zusammenspiel von Quantoren und Modaloperatoren

Nach dem studentischen Vortrag haben wir kurz über Modallogiken in der Sprache der Prädikatenlogik gesprochen. Wir werden uns beim nächsten mal noch detaillierter damit befassen. Als Blog-Eintrag gibt es dafür heute eine Übung im Anwenden und Verstehen von formalen Definitionen. Ihr habt ja mittlerweile ein gutes Verständnis der Modallogiken im Kontext der aussagenlogischen Sprache entwickelt. Dieses Wissen gilt es nun auf den allgemeineren prädikatenlogischen Rahmen anzuwenden und anzupassen. Dafür gebe ich euch zunächst die Definition eines Modells in der Modallogik auf Grundlage der Prädikatenlogik erster Stufe.

Ein Modell ist Quadrupel \(\langle D, W, R, v \rangle\).

  • \(W\) ist eine nicht-leere Menge von Punkten, sogenannten möglichen Welten.
  • \(D\) ist eine Funktion, die jeder Welt \(w \in W\) eine (nicht-leere) Domäne \(D(w)\) zuordnet (möglicherweise jeder Welt diesselbe).
    • Die Idee ist, dass über diese Domäne in der jeweiligen Welt quantifiziert wird. \(D(w)\) enthält die in der Welt \(w\) existierenden Individuen.
    • Im Ansatz mit variablen Domänen darf es vorkommen, dass für zwei Welten \(w\) und \(w^{\prime}\) gilt \(D(w) \neq D(w^{\prime})\).
    • Im Ansatz mit konstantent Domänen muss für alle \(w\) und \(w^{\prime}\) gelten: \(D(w) = D(w^{\prime})\).
    • Mehr dazu im nächsten Seminar.
  • \(R\) ist –wie gehabt– eine Erreichbarkeitsrelation zwischen Welten.
  • \(v\) assoziiert (global!) jede Konstante \(c\) mit einem Element in \(\mathbf{D}\), wobei \(\mathbf{D}\) die Vereinigung der \(D(w)\) Domänen ist (in Zeichen: \(\mathbf{D} = \bigcup_{w \in W} D(w)\)).
    • Wir arbeiten mit sogenannten starren Designatoren/Bezeichnern: ein Name referiert in allen Welten auf dasselbe Individuum. In manchen Welten \(w\) mag dieses Individuum nicht zu den existierenden Individuen gehören, also es könnte gelten \(v( c) \notin D(w)\).
  • Außerdem assoziiert \(v\) in jeder Welt \(w\) (also lokal) jedes Prädikatensymbol \(P\) mit einer Menge von Tupeln \(v(w,P)\) der gegebenen Stelligkeit aus Elementen in \(\mathbf{D}\). (Falls \(P\) einstellig ist, so ist \(v(w,P)\) eine Menge von Individuen in \(\mathbf{D}\).)

Wir definieren nun, was es heißt, dass ein Satz in einem Modell in einer Welt gilt:

  • \(M,w \models P( c)\) gdw \(v( c) \in v(w,P)\).
    • Achtung: möglicherweise \(v( c) \notin D(w)\) und trotzdem \(v( c) \in v(w,P)\).1
  • \(M,w \models c= c^{\prime}\) gdw \(v( c) = v(c^{\prime})\)
    • Beachte: möglicherweise gehören \(v( c)\) und/oder \(v(c^{\prime})\) nicht zu \(D(w)\)!
  • \(M,w \models A \wedge B\) gdw \(M,w \models A\) und \(M,w \models B\)
  • ähnlich für andere Junktoren
  • \(M,w\models \forall x A\) gdw \(M,w \models A[x/\overline{a}]\) für alle \(a \in D(w)\) wobei \(\overline{a}\) eine Hilfskonstante ist, die auf \(a\) referiert (also: \(v(\overline{a}) = a\), vgl. Grundkurs).
    • Beachte, dass lediglich über die Individuen in \(D(w)\) quantifiziert wird, nicht über alle Individuen in \(\mathbf{D}\).
    • Zur Erinnerung: \(A[x/ \overline{a}]\) drückt die uniforme Ersetzung von \(x\) durch \(\overline{a}\) in \(A\) aus.
  • \(M,w\models \exists x A\) gdw \(M,w \models A[x/\overline{a}]\) für ein \(a \in D(w)\).
  • \(M,w \models \Box A\) gdw \(M,w^{\prime} \models A\) für alle \(w^{\prime} \in W\) für die \(wRw^{\prime}\).
  • \(M,w \models \Diamond A\) gdw \(M,w^{\prime} \models A\) für ein \(w^{\prime} \in W\) für das \(wRw^{\prime}\).

Übung 1

Unsere Signatur sei \[\langle \mathtt{President}^{1}, \mathtt{CausesEndOfWorld}^{1}, \mathtt{DaugtherOf}^2, \mathtt{Lisa}, \mathtt{Homer}, \mathtt{Burns}, \mathtt{Marge} \rangle.\] Unser Modell (mit variablen Domänen) sei gegeben durch \(\langle D, \lbrace w_{1}, w_{2}, w_3 \rbrace, R, v \rangle\), wobei \(R\) durch folgenden Graphen charakterisiert ist

und

and

and

Nehmen wir an die aktuale Welt wäre \(w_1\). Welche der folgenden natürlichsprachlichen Aussagen hält im gegenbenen Modell:

  1. Jemand löst das Ende der Welt aus.
  2. Notwendigerweise löst jemand das Ende der Welt aus.
  3. Es gibt jemanden, der möglicherweise das Ende der Welt auslöst.
  4. Notwendigerweise, falls Marge eine Tochter hat, löst niemand das Ende der Welt aus.
  5. Notwendigerweise, wenn Homer Präsident ist, so löst er das Ende der Welt aus.
  6. Notwendigerweise ist es möglich, dass jemand das Ende der Welt auslöst.
  7. Notwendigerweise, falls Marge eine Tochter hat, ist es möglich, dass jemand das Ende der Welt auslöst.
  8. Falls es möglicherweise eine*n Präsidenten*in gibt, der/die nicht das Ende der Welt auslöst, so gibt es eine Person, die möglicherweise Präsident*in ist und nicht das Ende der Welt auslöst.

Versuchen Sie nun, obige Aussagen zu formalisieren. Etwa ist die Formalisierung von 2 durch \(\Box \exists x \mathtt{CausesEndOfWorld}(x)\) gegeben.

Übung 2: Mehr Beweise im Hilbert Kalkül (für Mutige)

Beweisen Sie:

  1. \(\vdash \neg\neg A \rightarrow A\)
  2. \(\vdash (\neg A \rightarrow A) \rightarrow \neg\neg A\)
  3. \(\vdash (\neg A \rightarrow A) \rightarrow A\)

Sie dürfen dabei Theoreme, die wir im letzten Blog-Eintrag nachgewiesen haben verwenden. Sollten Ihnen diese Aufgaben schwer fallen: das ist normal. Sie sind in der Tat schwieriger als die vom letzten Übungsblatt und ich habe die Aufgabe nicht umsonst mit “für Mutige” überschrieben. Sollten Sie die eine oder andere dennoch lösen, können Sie um so zufriedener mit sich sein ;-)

Hier sind nochmal zur Erinnerung die Axiome:

Imp1
\(A \rightarrow (B \rightarrow A)\)
Imp2
\((A \rightarrow (C \rightarrow B)) \rightarrow ((A \rightarrow C) \rightarrow (A \rightarrow B))\)
AndE1
\((A \wedge B) \rightarrow A\)
AndE2
\((A \wedge B) \rightarrow B\)
AndI
\(A \rightarrow (B \rightarrow (A \wedge B))\)
DisI1
\(A \rightarrow (A \vee B)\)
DisI2
\(B \rightarrow (A \vee B)\)
DisE
\((A \rightarrow B) \rightarrow ((C \rightarrow B) \rightarrow ((A \vee C ) \rightarrow B))\)
NegI
\((A \rightarrow C) \rightarrow ((A \rightarrow \neg C) \rightarrow \neg A)\)
NegE
\(A \rightarrow( \neg A \rightarrow B)\)
EM
\(A \vee \neg A\)

  1. In der Freien Logik unterscheidet man folgende Vorgehensweisen: (a) positiv / negative: \(P( c)\) ist wahr / falsch für einen nicht-aktual referierenden Term; (b) neutral: \(P( c)\) hat keinen Wahrheitswert, falls \(c\) nicht aktual referiert in \(w\). ↩︎