Einleitung
Modallogiken sind formal-logische Modelle des Schlußfolgerns mit Aussagen, deren Gegenstandsbereich nicht-aktuale/wirkliche, und im weiteren Sinne lediglich mögliche Sachverhalte einschließt. Während in der Aussage
Heute gibt es Pizza in der Mensa.
(möglicherweise in falscher Weise) Bezug nimmt auf den aktualen Zustand der Welt, wird in
Möglicherweise gibt es heute Pizza in der Mensa.
Bezug genommen auf eine mögliche Situation. Letztere Aussage mag wahr sein, obwohl es heute keine Pizza in der Mensa gibt.
Andere Beispiele für Aussagen, die von Modalitäten Gebrauch machen sind etwa:
- Notwendigerweise gibt es heute Pizza in der Mensa. – Aussagen über notwendige Sachverhalte.
- Übermorgen wird es Pizza geben in der Mensa. – Aussagen über künftige oder vergangene Sachverhalte.
- Ich muss eine Klausur schreiben. – Normative Aussagen über was sein soll/muss/etc.
- Ich weiss, dass es Pizza in der Mensa gibt. – Aussagen über Wissen oder Überzeugungen.
In Modallogiken werden sogenannte Modaloperatoren benutzt, um solche Modalitäten formal zu analysieren. Etwa ist es gängig
- zu benutzen, um auszudrücken dass der Inhalt der Aussage notwendigerweise gilt,
- zu benutzen, um auszudrücken, dass der Inhalt der Aussage möglicherweise gilt.
Einstellige logische Operatoren kennen wir aus der Prädikatenlogik: die Negation . Funktionieren und ähnlich wie die Negation in der Hinsicht, dass wir sie über Wahrheitstabellen charakterisieren können? Obwohl diese Möglichkeit historisch etwa von Gödel und Lukasiewicz untersucht wurde, gelten solche Ansätze heute generell als gescheitert (obwohl sie noch vereinzelt erforscht werden). Dies ist recht offensichtlich, wenn wir nur mit den beiden klassischen Wahrheitswerten und arbeiten. Kandidaten für Wahrheitstabellen für wären etwa:
0 | 0 |
1 | 0 |
und
0 | 0 |
1 | 1 |
Doch beide Optionen sind unzureichend:
- nur weil wahr ist, ist noch lange nicht notwendig (etwa: Es mag heute Pizza in der Mensa geben, aber es wäre durchaus möglich, dass heute morgen der Pizzaofen der Mensa defekt gegangen ist und es deshalb heute keine Pizza gibt.)
- im Falle, dass wahr ist, gilt nicht notwendigerweise . Etwa ist die Aussage dass Quadrate viereckig sind wahr und auch notwendig (aus begrifflichen Gründen).
Dies scheint zu zeigen, dass Modaloperatoren wie und nicht wahrheitsfunktional sind, bzw. dass diese intensionale Operatoren sind. Als Erinnerung aus dem Grundkurs: extensionale logische Operatoren, wie etwa unsere Junktoren aus der klassischen Aussagenlogik, erlauben die Substitution (die Ersetzung) von Unteraussagen mit gleichem Wahrheitswert, ohne dass sich dabei der Wahrheitswert der komplexen Aussage ändert.
Beispiel:
- : Ich besuche in diesem Semester das Seminar in philosophischer Logik.
- : Dieses Seminar macht viel Spass.
- : In Paris steht der Eiffelturm.
Die Aussage hat den gleichen Wahrheitswert (nämlich “wahr”) wie . Das Austauschen der (hoffentlich) wahren Unteraussage durch die wahre Aussage hatte keinen Einfluss auf den Wahrheitswert der resultierenden komplexen Aussage.
Intensionale Operatoren dagegen haben diese Eigenschaft nicht. Das heißt, das Ersetzen einer Unteraussage mit einer Unteraussage selbigen Wahrheitswerts, kann zur Änderung des Wahrheitswerts der modalen Aussage führen. Hier ein paar Beispiele:
- : Heute gibt es Pizza in der Mensa.
- : Ein Quadrat ist viereckig.
Es gilt aber nicht , obwohl und den gleichen Wahrheitswert (nämlich “wahr”) haben.
- : ist eine Tautologie der klassischen Logik.
- : ist eine Tautologie der klassischen Logik.
Es gilt:
- Peter weiß, dass .
- Aber: Peter weiß nicht, dass .
Beachte, dass beide Aussagen und wahr sind.
Mögliche Welten Semantiken
Da uns keine Wahrheitstabellen zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage: wie bestimmen Modallogiker die Wahrheitsbedigungen modaler Aussagen? Sie benutzen dazu sogenannte Mögliche Welten Semantiken.
Die Grundidee ist dabei folgende. Eine Aussage hat einen Wahrheitswert immer nur bezüglich einer bestimmten Situation. Dies ist offensichtlich für Aussagen, die sich auf die aktuale Situation beziehen: “Es regnet.” ist wahr in einer Situation in der es regnet, sonst ist die Aussage falsch. Bei modalen Aussagen ist dies grundsätzlich nicht anders, nur beziehen sich modale Aussagen inhaltlich auf andere, potentiell nicht-aktuale und lediglich mögliche Situationen. Wir müssen also Situationen in Beziehung setzen in der Hinsicht, dass manche Situation aus einer gegebenen Ausgangssituation aus möglich sind, andere wiederum nicht. Etwa ist es in der gegebenen Situation möglich, dass ihr eine Klausur in philosophischer Logik Ende dieses Semesters schreibt, in der alternativen Situation in der ihr den Kurs philosophische Logik nicht in diesem Semester belegt habt, wäre dies unmöglich. Damit haben wir die beiden zentralen Teile unserer Semantik bereits beschrieben:
- eine Menge möglicher Situationen : meist genannt die Menge möglicher Welten
- eine Relation , die Welten in Verbindung setzt: die sogenannte Erreichbarkeitsrelation.
Eine Frage ist noch, wie die möglichen Welten mit Inhalt gefüllt werden. Dies geschieht, wie wir das aus der Aussagenlogik bereits kennen, mithilfe von Belegungen. Wir benutzen dazu eine Funktion , die jedem Atom in jeder Welt einen Wahrheitswert zuweist.
Zusammenfassend ist ein Modell in der Mögliche-Welten-Semantik ein Tripel
bestehend aus einer nicht-leeren Menge von Punkten (die möglichen Welten), einer Erreichbarkeitsrelation und einer Belegungsfunktion .
Wie üblich, gilt es zu klären, wie in einem Modell Formeln interpretiert werden. Wie bereits motiviert, gelten Aussagen immer bzgl. gegebener Situationen: die Frage ist also, wann gilt eine Formel in einer gegebenen Welt in einem Modell . Wir schreiben: , falls im Modell in der Welt gilt.
Wir definieren dies wie üblich in induktiver Weise, beginnend mit den Atomen:
- genau dann wenn .
Der Wahrheitswert eines Atoms ist also gegeben durch die Belegung: genau wie wir das aus der Aussagenlogik kennen.
Auch die Junktoren verhalten sich wie erwartet:
- gdw und
- gdw oder
- gdw nicht gilt .
- etc.
Die zentrale Frage ist nun: was sind die Wahrheitsbedingungen unserer Modaloperatoren? Die Idee ist, dass in gilt, falls in allen von aus erreichbaren (also in allen von aus möglichen Situtationen) gilt.
- gdw für alle , für die , gilt .1
Ähnlich gilt in , falls in mindestens einer von aus erreichbaren Welt gilt.
- gdw es gibt ein so dass und .
Beispiel. Angenommen wobei
ist gegeben durch folgende Tabelle:
0 1 1 1 Das Modell lässt sich wie folgt visualisieren als gerichteter Graph:
Es gilt etwa:
aber es gilt nicht: , da , aber .
In künftigen Sitzungen werden wir uns noch vertiefter mit Eigenschaften der Erreichbarkeitsrelation, und dem Beweisen in Modallogiken beschäftigen.
Übungen
Übung (): Gegeben sei folgendes Modell wobei und die Erreichbarkeitsrelation sei durch folgenden Graph gegeben:
Die Belegung ist durch folgende Tabelle gegeben:
1 1 1 1 1 0 Welche der folgenden Aussagen gelten?
- für jede Formel
Übung ():
Ein modallogischer Rahmen ist gegeben durch ( für “frame”) wobei eine nicht-leere Menge von Punkten ist. Ein Modell ist ein Modell im Rahmen .
Eine Formel gilt in einer Menge von Rahmen , falls in jeder Welt jedes Modells eines Rahmens gilt: in Zeichen, falls für alle und alle .
Gegeben seien drei Mengen von Rahmen:
- beinhaltet alle alle Rahmen wobei und beliebig sind
- beinhaltet alle Rahmen wobei reflexiv ist
- beinhaltet alle Rahmen wobei transitiv ist
- .
Füllen Sie folgende Tabelle ( falls die Formel im Rahmen gilt, falls sie nicht gilt):
Rahmenklasse Falls ihre Antwort negativ ausfällt, versuchen Sie ein Gegenmodell in der gegebenen Rahmenklasse anzugeben.
(Einleitende) Literatur
- Modal Logic (Stanford Encyclopedia of Philosophy)
- Humberstone, L. 2015, Philosophical Applications of Modal Logic, College Publications, London.
- Chellas, B., 1980, Modal Logic: An Introduction, Cambridge: Cambridge University Press.
- Hughes, G. and M. Cresswell, 1996, A New Introduction to Modal Logic, London: Routledge.
Updates
- Übungen wurden hinzugefügt.
- beinhaltet alle Rahmen mit transitiven , nicht notwendigerweise reflexiven . Tippfehler:
- In der Kontext der Modallogik wird oft die Infix-Schreibweise anstatt benutzt. [return]