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Professor Dr. Dr. h.c. Heinz H. Menge
Germanistische Linguistik / Mediävistik

Ruhr-Universität Bochum – Weltsprachen-Universität Taschkent

Gründung/Förderungsdauer: 1997 – 2003

Projektleiter:   Dr. Schawkat Karimow (Taschkent) 
                       Prof. Dr. Heinz H. Menge (Bochum)

Am Anfang stand eine "Anbahnungsreise". Diese war im Oktober 1997 auf Anregung der
in Taschkent tätigen DAAD-Lektorinnen Christiane Schlottmann und Karin Schmidt zustande gekommen und fand ihren Abschluss in einem "Vorläufigen Abkommen" zwischen der Deutschen Fakultät der Weltsprachen-Universität und dem Germanistischen Institut der
Ruhr-Universität.
Gemessen am Inhalt dieser Absichtserklärung (u.a. gemeinsame Konferenzen, gemeinsame Projekte, gemeinsame Publikationsreihen) sind die Ergebnisse der Partnerschaft eher bescheiden zu nennen. Gemeinsame Publikationen z.B. sind in den ersten fünf Jahren des Bestehens dieser GIP noch nicht erschienen, und es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis etwa das Manuskript des geplanten deutsch-usbekische Phraseologismen-Wörterbuchs vorliegen wird.
Die Ziele waren also 1997 viel zu hoch gesteckt, und es bedeutete einen schmerzlichen Prozess, sich an den Gedanken gewöhnen zu müssen, dass sich in Ländern Zentralasiens die an sich sehr berechtigten Erwartungen des DAAD an eine GIP nur ansatzweise erfüllen lassen. Nun stand zwar immer im Raume, dass es sich bei bestimmten GIP nur um Paten- und nicht um Partnerschaften handeln könne. Aber bei jeder neuen Antragstellung lag vor einem das Kriterienraster des DAAD, und irgendwie wollte man dem ja gerecht werden. Der Spagat zwischen gefühltem Anspruch und erlebter Realität führte zu manchmal atemberaubender Formulierungsakrobatik. Erst ein Gespräch mit Dr. Berghorn und Frau Katzschmann im Dezember 2001 erbrachte für alle an der GIP Beteiligten die wünschenswerte Klarheit.
Die künftige Perspektive kann eigentlich nur auf den wissenschaftlichen Nachwuchs ausgerichtet sein, und auch da ist eher eine Vorstufe zu avisieren, nämlich die Förderung von Magisterstudierenden und Aspiranten. Hier ist eine gemeinsame Betreuung von Magister- und Diplomarbeiten nicht nur sinnvoll, sondern auch dringend geboten, da die örtlichen Ressourcen etwa im Bibliotheksbereich recht dürftig sind. Neuere linguistische Literatur
ist kaum vorhanden, sodass für fortgeschrittene Studierende ein mehrmonatiger Aufenthalte in Deutschland schon allein für die Vorbereitung ihrer Abschlussarbeiten dringend erforderlich ist, ganz abgesehen davon, dass wissenschaftlichen Denken wohl am besten durch die Teilnahme am deutschen Universitätsleben gefördert wird.
Angesichts der defizitären Lage selbst bei der linguistischen Basisliteratur haben die usbekischen Kolleginnen und Kollegen damit begonnen, mit unserer Unterstützung eigene Handbücher zu verfassen. So ist eine kontrastive Untersuchung zur Wortbildung kurz vor der Fertigstellung. Ähnliche Unternehmungen sind für die Syntax und die Lexikologie in Arbeit.
Nicht nur die Anschaffung wissenschaftlicher Literatur, auch die von modernen Lehrmaterialien stellt für die Taschkenter Fakultät ein großes Problem dar. Glücklicherweise ist in der usbekischen Hauptstadt jetzt ein Goethe-Institut eingerichtet worden. Dessen Räume befinden sich im Gebäude der Fakultät, sodass die vielfältigen Angebote eines Goethe- Instituts leicht zugänglich sind. Das Institut leistete auch umfangreiche Unterstützung bei der Erstellung eines landesweit eingesetzten Lehrwerks, bei der vor allem auch Kolleginnen der Deutschen Fakultät maßgeblich beteiligt waren und sind. Es ist schon bewundernswert, welcher Arbeitseinsatz dabei geleistet wird. Das ist umso erstaunlicher, als alle Kolleginnen und Kollegen neben ihrer Arbeit an der Universität auf weitere Tätigkeiten angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Auch diese Tatsache bestimmt im Übrigen den Rahmen mit, innerhalb dessen sich eine GIP mit einer Universität in Zentralasien bewegen kann.
Außerhalb dieses Rahmens sind leider auch die an sich sehr wichtigen curricularen Diskussionen angesiedelt. Der Anteil fachfremder Komponenten am Curriculum ist recht hoch, und das starre System des in Jahrgängen und Klassen organisierten Unterrichts macht stufenübergreifende Veranstaltungen fast unmöglich. Das bringt Probleme für Gäste aus Deutschland mit sich, deren Lehrangebot in dieses System eingepasst werden muss, zumal sich zusätzliche Veranstaltungen wegen des überreichen Stundenplans der Studierenden kaum organisieren lassen. Auf der anderen Seite ist das Niveau der einzelnen Klassen eines Jahrgangs recht unterschiedlich, sodass davon auszugehen ist, dass die Bochumer Kolleginnen und Kollegen, die bisher in Taschkent gewesen sind, mit den Klassen, in denen sie tätig waren, schon die richtigen Adressaten gefunden haben.
Nun sind die Organisation des Studiums und auch die Aufstellung von Curricula nicht Sache der Fakultät, und auch die Universität hat selbst kaum einen Entscheidungsspielraum. Hier sind staatliche Stellen zuständig, an die sich zu wenden innerhalb des Rahmens einer GIP kaum möglich ist. Art und Umfang von Einflussmöglichkeiten hängen wohl auch weniger von Position und Amt ab als von persönlichen Beziehungen zu wichtigen Persönlichkeiten in den Ministerien. Wer in einer Universität über solche Beziehungen verfügt, ist nicht herauszufinden, wenn man nicht längere Zeit vor Ort lebt.
Da curriculare Veränderungen für die weitere Entwicklung der usbekischen Hochschulen unerlässlich sind, sollten alle Wege - in vertretbarem Rahmen auch die, die einem deutschen Universitätsangehörigen etwas fremd sind - genutzt werden, um Reformvorstellungen lancieren zu können.
Für Deutsche ist der Umgang mit Usbeken sehr angenehm. Das hängt einmal mit der sprichwörtlichen Gastfreundschaft zusammen, zum anderen aber auch damit, dass die Usbeken eine besondere Nähe zu Deutschland empfinden. Die Begründungen dafür reichen teilweise bis in graue Vorzeiten zurück, aber wie immer diese Nähe begründet wird, sie existiert und ist ein gutes Fundament für partnerschaftliche Beziehungen zwischen deutschen und usbekischen Hochschulen. Die Studierenden sind in der Regel sehr interessiert und sehr lernbegierig. Schwer abzusehen ist allerdings, ob ein vorhandenes Interesse für deutsche Sprache und Kultur bei einer ausreichenden Anzahl guter Studierender auf die Dauer auch in ein konstantes wissenschaftliches Interesse einmünden wird. Die Anreize, die Absolventen von einer Universitätskarriere Abstand nehmen lassen, sind immer noch sehr verlockend. Das gilt auch für Mitglieder der Fakultät. In den letzten Jahren haben zwei Professoren die Fakultät verlassen, weil sie in Deutschland Aufnahme fanden. Im Einzelfall wird dafür Verständnis aufzubringen sein, zumal hier auch die derzeitige Bevorzugung von Usbeken bei der Besetzung von Stellen und Ämtern eine Rolle spielt. Aber die Tendenz ist für das usbekische Hochschulwesen natürlich nicht vorteilhaft.
Innerhalb des Bochumer Germanistischen Instituts ist die Partnerschaft mittlerweile sehr gut verankert. Mehrere Kolleginnen und Kollegen sind bereits in Taschkent gewesen, und im letzten Jahr hat auch der Austausch auf der Ebene der Studierenden begonnen. Auf seiten der usbekischen Partner ist das Interesse an einem Deutschland-Aufenthalt verständlicherweise sehr groß. Die Möglichkeit, im Rahmen der GIP nach Bochum zu kommen, erhöht sogar die Attraktivität der Deutschen Fakultät für Lehrkräfte anderer Hochschulen des Landes. Die Auswahl für ein Stipendium stellt erfahrungsgemäß ein großes Problem dar; wir haben es gleich zu Beginn der Partnerschaft dadurch gut gelöst, dass wir mit dem "Vorläufigen Abkommen" eine Auswahlkommision etabliert haben. Diese ist mit zwei Angehörigen der Fakultät und zwei in Taschkent tätigen Mitgliedern deutscher Organisationen besetzt und nimmt nach Sichtung der auf ein konkretes Arbeitsvorhaben gegründeten Bewerbungen eine Auswahl vor. Die Kommission war in ihrer Arbeit bislang sehr erfolgreich und kann als Einrichtung anderen GIP nur empfohlen werden, zumal wenn diese es mit Ländern zu tun haben, in denen die Anwendung auch anderer Kriterien als der fachlichen Qualifikation praktiziert wird.
Ein Aufenthalt in Bochum ist bei unseren usbekischen Partnern auch deshalb so beliebt, weil sie hier nicht nur innerhalb des Germanistischen Instituts Ansprechpartner finden. Methodik und Didaktik des Deutschunterrichts und dessen wissenschaftliche Erforschung ist Gegenstand des Lehrstuhls für Deutsch als Fremdsprache am Seminar für Sprachlehrforschung, der selbst eine GIP unterhält. Im Institut für Deutschlandforschung steht die interdisziplinäre Bearbeitung deutschlandkundlicher Themen im Zentrum des Interesses. Das Institut für vergleichende Bildungsforschung unterhält sogar direkte Kontakte zu Usbekistan, dasselbe gilt für das Seminar für Orientalistik.
Insgesamt dürften die Voraussetzungen für einen Austausch mit der Deutschen Fakultät der Weltsprachen-Universität Taschkent also als sehr gut bezeichnet werden. Und nachdem die anfangs zu hoch angesetzten Ziele jetzt akkomodiert worden sind, dürfte für die künftigen Perspektiven dasselbe gelten.