Prägung
..
Essay über die Welpen-Prägung, speziell in der Phase von 5 bis 8 Wochen.

Was alle intuitiv wissen aber nicht bis in die letzte Konsequenz zu Ende denken:
Welpen sind Babys – und wollen auch als 
solche verstanden und behandelt werden.
Oder: Einige bisher zu wenig beachtete Parallelen zwischen 
der Entwicklung von Hunden und Menschen.
im Sommer 2002 von Diana Lüdemann

.
 
Wer kennt ihn nicht, den Vorwurf an überbehütende Hundehaltern, ihre Tiere zu vermenschlichen
oder gar den wehrlosen Hund als Kinderersatz zu verzärteln und zu missbrauchen?
Es liegt in der Natur des Menschen, insbesondere dem Kindchenschema von Welpen zu erliegen und 
sie wie Menschenbabys verhätscheln zu wollen.
Pfui Teufel, rufen da viele „aufgeklärte, moderne“ Hundehalter und selbsternannte Hundexperten, 
die mit erhobenem Zeigefinger dozieren: der Hund sei ein Wolf im Schafspelz, ein Raubtier, dem der Platz in seinem Ersatzrudel konsequent zugewiesen werden müsse. Zu hören ist von Dominanz, Rangordnung, Alpha-Position usw. Viele Hundehalter hängen immer noch der Vorstellung an, sie müssten ihren hohen Rang immer durch aggressive Methoden sichern, weil sie glauben, dass ihre 
einzige Alternative darin besteht, entweder dominant zu sein oder sich dem Hund zu unterwerfen. 

Aber gehen wir in unserem Eifel, dem Hund seinen „artgerechten“ Platz zuzuweisen, nicht zu weit?
Sind die „weiblichen Instinkte“, einen Welpen vor allem liebeln zu wollen, wirklich so falsch und verwerflich wie so viele selbsternannte Hundexperten uns glauben machen wollen? Richtet das menschliche Bedürfnis, einen Welpen zu knuddeln und verwöhnen zu wollen, tatsächlich so viel Schaden an - wie die über solcher Vermenschlichung stehenden, abgeklärten Fachleute behaupten?

Bitte gestatten Sie mir einen Exkurs in den Sinn des „weiblichen Instinkts“ in der menschlichen Mutterfürsorge:
Ein menschliches Baby wird fast so hilflos geboren wie ein Hundewelpe: mit nicht ausgereiften Sinnen und einem unfertigen Gehirn. Beiden Neugeborenen ist gemeinsam, dass sie die erste Entwicklungsstufe außerhalb Mamas Bauch zur Reifung ihrer Sinne und ihres Gehirns einzig und allein mit Schlafen und Nahrungsaufnahme verbringen. In dieser „vegetativen Phase“ sind beide Babys reine Fress- und Schlafmaschinen. Bei Hundewelpen dauert es drei Wochen, bis sich die Augen und Ohren öffnen, sie ihre Umwelt wahrnehmen und beginnen, sie zu erkunden. Beim Menschenbaby geschieht der Übergang langsamer und fliessender innerhalb des ersten Lebensjahres aber prinzipiell vergleichbar, nämlich der kognitiven Entwicklung der Gehirnkapazitäten folgend.
Ich erspare mir die Darstellung der Entwicklungsphasen im Einzelnen (siehe unten die weiterführenden Literaturtipps) und beschränke mich auf die grundlegende Bemerkung, dass die Babys Schritt für Schritt lernen, ihre Umwelt wahrzunehmen – und zwar abhängig von den physischen Entwicklungsstadien ihres Gehirns zur Verarbeitung der Umweltreize. Wie bei Menschenkindern entwickelt sich auch bei den Hundewelpen über die Erkundung ihrer Umwelt und das Spiel mit den Geschwistern die Persönlichkeit.

Wozu dieser Exkurs in das erste Lebensjahr eines menschlichen Babys?
Leider neigt der Mensch dazu, auch bei der Erziehung seines eigenen Nachwuchses eher auf die Fachmeinung der Experten zu vertrauen als auf seine eigene Intuition. Der Mutterinstinkt sagt: Babys brauchen Geborgenheit und Liebe. Die sogenannten „primitiven Naturvölker“ machen es unserer verkopften zivilisierten westlichen Kultur vor, was eine „natürliche“ Babysfürsorge bedeutet: die indianischen Ureinwohner Nordamerikas, die afrikanischen Ureinwohner, die südamerikanischen Indios und die australischen Aborigines, um nur einige urzeitliche zu nennen, haben alle eine Gemeinsamkeit: die Mütter tragen ihr neugeborenes Baby in einem Tuch direkt am Körper, den ganzen Tag lang. Schreit es, wird sein elementares Bedürfnis sofort gestillt: nach Nahrung oder Sauberkeit. Es kennt nichts anderes als die bestmögliche Fortsetzung von der beruhigenden körperliche Nähe und Geborgenheit, 
die nach Verlassen des Mutterleibes möglich ist, nämlich mit einem Ohr am Herzschlag der Mutter, an der Wärme ihres Körpers, vertraut mit ihren Bewegungen. Diese Kinder lernen eines: Urvertrauen in ihren Fürsorger. Selbst moderne Ratgeber drängen inzwischen darauf, das Baby in den ersten Monaten nicht schreien zu lassen, sondern alle erkennbaren Wünsche unbedingt zu erfüllen. Quasi zu springen, wenn das Kind schreit, hat in diesem frühen Alter, in dem das Urvertrauen gebildet wird, nichts mit Verwöhnen zu tun, sondern ist elementar wichtig für die positive Entwicklung des Selbstvertrauens. 

Zur Gewinnung des Urvertrauens bei Menschenbabys, Zusammenfassung mit stellenweiser Einarbeitung von Textstellen von Ulrich Diekmeyers „Das Elternbuch 1“, überwiegend ab Seite 244: 
Das Neugeborene kann seine Wünsche noch nicht nennen, oft genug kennt es sie auch gar nicht genau. Nur so viel ist sicher: Wenn ein Säugling erst einmal schreit, dann vermisst er etwas, ist unzufrieden und unglücklich. Es ist die Aufgabe der elterlichen Fürsorger, ihm zu helfen. Denn wenn man es in solchen Situationen weiterschreien lässt, kann es kein Vertrauen fassen zur Mutter, zur Umwelt, ja zum Leben überhaupt. 
Leider nicht erwähnt werden die Folgen von Gewalterfahrungen im ersten Lebensjahr: Wird das Kind angeschrien, beschimpft oder sogar körperlich bestraft, kehrt sich der Lerneffekt ins Gegenteil um: Urmisstrauen beherrscht das Kind, das immer negative Reaktionen von der Umwelt erwartet und lernt, sich vor der Welt als unberechenbarer Bedrohung zu fürchten. 
Elternratgeber empfehlen ausdrücklich, sich umgehend um den Schreihals zu kümmern, sein Bedürfnis heraus zu finden, mit ihm zu spielen und es anzulächeln, kurzum ihm ein harmonisches Vorbild an Ruhe und Fürsorge zu bieten, bei dem es sich sicher aufgehoben und geborgen fühlen kann. Nur durch viele solcher freundlichen Eindrücke und Erlebnisse bekommt es eine aktive und optimistische, lebensbe- jahende Einstellung. Nur wenn man ein Kind, das sich meldet, nicht lange warten lässt und sich auch in den Wachpausen liebevoll und entwicklungsfördernd mit ihm beschäftigt, ist die Entwicklung von Selbstbewusstsein möglich – das gilt exakt auch für die Aufzucht von Hundewelpen! Die Hundemutter ist ein Vorbild an Liebe, Fürsorge und Zuwendung. Die Fürsorge beweist dem kleinen Lebenwesen: 
„Du bist eine eigene, selbstständige, wertvolle Persönlichkeit mit Wünschen und Ansprüchen, die ernst genommen werden!“.
Was für die Hundemutter und Primitivstämme selbstverständlich ist, muss man manchen Müttern unserer modernen Gesellschaft erst wieder beibringen: Man soll sich nach dem Tagesablauf des Babys richten und es nicht zu einer künstlichen Ordnung zwingen, die seinen Bedürfnissen nicht entspricht. In den ersten Lebensmonaten wird ausdrücklich darauf hingewiesen, das Baby nicht zu erschrecken oder aufzuregen. Es schreit nicht grundlos, sondern weil es Hilfe braucht oder Anregung und Abwechslung erwartet. Es schreit, weil es das Gefühl des Alleingelassenseins nicht bewältigen kann. Das Kind sollte nicht von seinen Fürsorgern enttäuscht werden. Alle erkennbaren Wünsche sollten unbedingt erfüllt werden. Und ein Appell des Elternratgebers: "Lassen Sie sich bloß nicht einreden, dass Sie Ihr Kind damit verwöhnen würden!“ Mit der Reifung des Gehirns legt sich die Hilfebedürftigkeit von selbst. 
Ein stabiles Urvertrauen ist die unbedingte Voraussetzung für eine selbstbewusste Eroberung der Welt.

Wenn wir in die Tierwelt schauen, wie die Instinkte der Wildtiere die Aufzucht des Nachwuchses sicher stellen, finden wir genau dasselbe wieder: die Mutter liegt bei ihren hilflosen Jungen und bemüht sich, ihnen ihre Wünsche zu erfüllen, also sie zu wärmen, wenn ihnen kalt wird, sie zu füttern, wenn sich der Hunger meldet und sie zu säubern, damit sie behaglich weiterschlafen und sich optimal entwickeln können. Die Tierwelt und die Naturvölker machen uns vor, wie die Evolution sich die Mutterfürsorge am sinnvollsten empfindet: Babys gedeihen dann am besten, wenn ihre elementaren Grundbedürfnisse befriedigt werden und sie in eine friedliche, geborgene Umwelt hinein wachsen.

Aber was sagen die Pädagogen den Müttern unserer westlichen Zivilisation? 
Das Baby mancher emanzipierten, modernen Frau wird im Kinderbett oder Kinderwagen „weggelegt“ und tags wie nachts alleine gelassen, egal wie laut es schreit. Ich möchte mich nicht über die zahlreichen Rechtfertigungen auslassen. Ich bitte nur zu bedenken, dass die Natur nicht an die berufstätige Frau von heute gedacht hat, die tagsüber ihre Arbeiten erledigt und nachts in Ruhe schlafen möchte. Ich möchte mich nicht in unwissenschaftlichen Polemisierungen ergehen, wie sich Kinder entwickeln, denen die von der Natur eingeplante Bedürfnisbefriedigung nach körperliche Wärme, Nähe und Geborgenheit, Nahrung und Pflege verwehrt wird. Dieser Artikel zielt auf die Entwicklung von Hundewelpen ab.

Ich denke, die Übertragung auf den Hund fällt nach diesem Exkurs nicht mehr schwer. Die Hundemutter macht es ja vor und die Verhaltensforscher wissen es seit langem. In kaum einem modernen Hundebuch fehlen die Entwicklungsphasen der Welpen (siehe in meiner Literaturliste).
Zum Glück weisen viele Bücher inzwischen auch darauf hin, dass man als Züchter beachten soll, welche Reize man in welchen Entwicklungsphasen anbringen sollte. Ich möchte mich jetzt nicht in Details ergehen, die man überall nachlesen kann. Mir geht es um zwei spezielle Aspekte, denen meiner Ansicht nach nicht genügend Beachtung geschenkt wird, und die ich deshalb gesondert heraus picken und ausführlich behandeln möchte:

Erstens: Die Entwicklung des „passiven Urvertrauens*“ durch die Befriedigung der elementaren Grundbedürfnisse.
Zweitens: Die Weiterentwicklung des Urvertrauens zu einem „aktiven Urvertrauen*“ durch die Erlernung der arteigenen Kommunikationsformen.
*beide Arten des Urvertrauens fasse ich unter von mir gewählte Arbeitsbegriffe, da sie in der Fachliteratur nicht getrennt behandelt werden

In die erste Phase fasse ich nicht nur die ersten drei Lebenswochen, sondern die Entwicklung bis 
ca. 8 Wochen, also die gesamte klassische „Prägephase“ (zu unterscheiden von der anschließenden "Sozialisierungsphase"). In dieser Zeit opfern sich die Hundeleltern kompromisslos für ihren Nachwuchs auf und erfüllen ihnen alle Wünsche. Wenn ein Welpe schreit, schaut die Mutter sofort nach, woran es fehlt. Die Bedürfnisbefriedigung des Welpen steht an erster Stelle. Jetzt lernt der Welpe das Urvertrauen in die Welt. Die Erfahrung, dass alles, was von außen an ihn herangetragen wird, gut ist, gibt ihm das nötige Selbstvertrauen zur Erkundung und In-Besitznahme der Welt.
Anschließend möchte ich die Aufmerksamkeit auf den Übergang zwischen diesen beiden Urvertrauens- formen lenken: Die Natur setzt die für mich entscheidende Zäsur in der achten Woche, wenn der Für- sorgeinstinkt der Mutter nachlässt und die bisher genossene Narrenfreiheit der inzwischen ziemlich frechen, anstrengenden Welpen durch die beginnende Erziehung des übrigen Hunderudels eingeschränkt wird. Erst jetzt nämlich gehen die erwachsenen Hunde zur Erziehung des Nachwuchses über: die Welpen dürfen plötzlich nicht mehr in Mamas Schwanz beißen, Papa einen Knochen klauen oder ihre Tante beim Spielen über den Haufen rennen.
Erst jetzt ist die Gehirnentwicklung so weit voran geschritten, dass die Welpen reif für das Erlernen
der Rudelregeln werden. Das Erlernen der Regeln des Gemeinschaftslebens mit Artgenossen und Menschen bildet den Kern der klassischen „Sozialisierungsphase“. Die Welpen lernen über die Kommunikationsformen („Hundesprache“) das Zusammenleben in einer Gemeinschaft kennen - und damit das, was ich „aktives Urvertrauen“ nenne. Hierunter verstehe ich das Vertrauen, sich auf die Kommunikation mit den Artgenossen (seien es Hunde oder Menschen) verlassen zu können (z.B. „wenn ich mich unterwerfe, passiert mir nichts“). (Die strenge Hierarchie kommt erst sehr viel später.)

Wie die Hundesprache und die Rudelerziehung im Detail aussieht, möchte ich hier nicht wiederholen. Dazu empfehle ich vor allem das Buch von Turid Rugaas in der Literaturliste.
An dieser Stelle möchte ich auch nicht darauf eingehen, wie wichtig der Kontakt der Welpen zu 
erwachsenen Hunden, möglichst dem gewachsenen Rudel des Züchters, ist, um Sicherheit in der hundlichen Kommunikation zu erwerben. Schade, dass die gesamte Spannbreite von Aufzuchtmethoden (vom mutterlos im einsam isolierten Welpenzwinger aufwachsenden Wurf bis hin zur integrierten Rudelaufzucht) noch vorhanden ist. Die Wichtigkeit des Erlernens innerartlicher Kommunikations- formen ist ein anderes Thema. Zurück zum Urvertrauen.

Ich fasse in diesem Artikel beide Phasen zusammen, also insgesamt den Zeitraum der ersten ca. 
14 Wochen, die in jeder guten Literatur als „Prägung und Sozialisierung“ bekannt sind. Zum Beispiel erklärt Heinz Weidt „Eine Grundvoraussetzung dafür, dass sich die Neugier gegenüber der Angst vor Unbekanntem im richtigen Maß vorsichtigen Erkundens durchsetzen kann [Weidt geht davon aus, dass beim Welpen Neugier und Angst im natürlichen Wettstreit liegen], ist jenes Urvertrauen, das vom Fürsorgekumpan (zunächst von der Mutterhündin, später vom Menschen) geboten wird. Es ist das Gefühl des Geborgenseins durch Nähe, Schutz und Versorgung, das dem Welpen den inneren Freiraum für die Eigenaktivität des notwendigen Erfahrungsgewinns eröffnet.“
Als Fürsorgerqualitäten nennt er: „(1) das Gefühl basaler Sicherheit und Geborgenheit (Urvertrauen); (2) einen vielfältigen Lern- und Entwicklungs-(spiel-)raum; (3) die Vermeidung einengender (Früh-)Erziehung; (4) die Vermeidung von Überbehütung und Verwöhnung, die ein Entwickeln ausreichender Selbstsicherheit verhindern“ (Weidt, Das Wesen des Hundes, 59f) 
„Es liegt in der Natur der Sache, das in der sensiblen Phase höchster Lernbereitschaft (Prägung) der Verletzlichkeitsgrad im Wesen des heranwachsenden Hundes ganz allgemein besonders groß ist. Sicher dürfte auch sein, dass die Störbarkeit der Verhaltensentwicklung durch äußere Einflüsse von Rasse zu Rasse, aber auch für jeden einzelnen Welpen unterschiedlich groß sein kann. Das mag einerseits an der veranlagungsmäßigen Sensibilität und andererseits an dem jeweils unterschiedlichen Reifegrad bei gleichem Alter liegen. ... Wird zum Beispiel durch ein für uns unscheinbares oder auch völlig unerkanntes Ereignis der Prozess der Verhaltensentwicklung überwiegend von Angst angeführt, so kann ein scheinbar geringfügiges Ersterlebnis schnell und oft unausweichlich zu einer verhängnisvollen Selbstverstärkung führen.“ (Weidt, Das Wesen des Hundes, 69f) 
Der Teufelskreis der Unsicherheit, die das verloren gehende Urvertrauen in „Urmißtrauen“ umwandelt, nimmt seinen Anfang.

Heinz Weidt fasst die Wesensentwicklung sehr anschaulich in diesem Diagramm zusammen:
(Weidt, Der Hund mit dem wir leben, 216).

Ich möchte mich auf die Bedeutung der dritten, rot markierten Kurve konzentrieren: "Prägung auf 
das Artbild von Artgenossen und Menschen, Festlegung des jeweiligen Beziehungsverhältnisses"
Diese Prägung ist im Wesentlichen auf die 4.-7. Lebenswoche begrenzt, findet also AUSSCHLIEßLICH beim Züchter statt!! Diese Prägungsphase entscheidet darüber, ob der Welpe später einmal zu einem normalen Leben in der Gemeinschaft (von Tieren und Menschen) fähig sein wird. Dem Züchter obliegt nach Weidt mit der Fürsorgepflicht eine nicht zu unterschätzende Verantwortung. Fehlentwicklungen des Wesen sind kaum mehr gutzumachen, da sie ein Leben lang nicht mehr vergessen werden und die Art der Bindung und Beziehung zu den späteren Sozialpartnern festlegen. 
Der spätere Besitzer, selbst wenn er den Welpen bereits mit 8 Wochen abholt, hat kaum mehr einen nennenswerten Einfluss auf das Artbild des geprägten Welpen. (Weidt, Der Hund mit dem wir leben, 217). Viele in dieser Zeit gemachten Erfahrungen können kaum jemals wieder gelöscht werden und ausgebliebene Lernergebnisse praktisch nicht mehr nachgeholt (Weidt, 77).
Mit dem "Artbild" ist übrigens gemeint, ob der Welpe auf seine Sozialpartner positiv oder negativ eingestellt wird. Kommt nur Gutes von ihnen, werden sie freudig begrüsst und der Welpe entwickelt sich frei und unbeschwert - kommen von ihnen negative Erlebnisse, lernt der Welpe Misstrauen, Angst und Flucht- bzw. Meideverhalten bis hin zur Aggression, um sich vor der drohenden Bedrohung zu schützen. Ein negativ geprägtes Artbild lässt sich niemals in ein positives zurückverwandeln.

In der Praxis bedeutet dies, dass wenn Versäumnisse im Fürsorgeverhalten wie z. B. „durch fehlende Geborgenheit eine überschäumende Angst den Entwicklungsverlauf anführt, die Einstellung des notwendigen Gleichgewichtes der Gefühle und der inneren Antriebe ausbleibt. So ist beispielsweise die Entstehung eines Gemeinschaftsverhaltens mit anderen Lebenspartnern auch dann kaum mehr möglich, wenn sich die ehemals unglückliche Ausgangssituation zum Besseren gewandelt hat. ... Es versteht sich von selbst, dass unter solchen unglückseligen Entwicklungsbedingungen auch die innere Bereitschaft zum Lernen schwerwiegend gehemmt ist. In solchen Fällen wird deshalb die Prägungsphase verstreichen, ohne dass alle notwendigen Lernvorgänge mit ihr einher gehen konnten. In ähnlicher Weise wirken Ersterlebnisse. Negative Ersterlebnisse führen zu einer gewissen Voreingenommenheit. Ein Weiterlernen an einer neuen und negativ bewerteten Situation kann oftmals nicht mehr stattfinden... So weiss man heute sicher, dass fehlende Erfahrungen im frühen Entwicklungsalter eine bleibend eingeschränkte Gehirnentwicklung zur Folge haben. Nach neueren Erkenntnissen deutet sich an, dass in der Prägungsphase ungenutzt gebliebene Gehirnzellen unwiederbringlich absterben. Andererseits stellen sich durch Lernen zustande gekommene Verknüpfungen als feste neuronale Verbindungen dar. Solche neuronale Verbindungen sind als folgerichtig gewachsene Schaltverbindungen zwischen entsprechenden Neuronen (Nervenzellen) zu verstehen. Das heißt, im Gehirn werden durch Lernen feste Verbindungen hergestellt. In die Materie des Gehirns bzw. in die des Nervensystems werden sozusagen regelrecht Lernergebnisse eingeprägt. Insofern spricht man hier auch von einer neuronalen Prägung. Diese kann man sich gewissermaßen auch als „geronnenes Wissen“ vorstellen.“ (Weidt, Der Hund mit dem wir leben, 85f). Was bedeutet das für Prägungsfehler: Der Hund kennt es nicht anders und ist unfähig, anders als nach den eingebrannten Verhaltensmuster und -strategien zu agieren.

Auch in Günther Blochs „Der Wolf im Hundepelz“ wird ausführlich auf die Entwicklungsphasen des Welpen und ihre Bedeutung für die Aufzucht beim Züchter und Erziehung beim späteren Besitzer 
eingegangen. Gudrun Beckmann fasst zusammen: 
„Mit 6 Wochen kennt ein Welpe seine kleine Welt und jedes Rudelmitglied einzeln. Er hat gelernt 
(und im Gehirn abgespeichert), dass jeder anders aussieht, anders spricht, sich anders bewegt, sich anders benimmt. Und er hat gelernt (und im Gehirn abgespeichert), wie man mit diesem Andersartigkeiten - unter dem Schutz der Mutter – sicher zurechtkommt.
UND GENAU ZU DIESEM ZEITPUNKT beginnt die wichtigste, und die kritischste Zeit in der Entwicklung jedes Welpen: Die Neugier und die Unternehmungslust der Kleinen sind auf einem HÖHEPUNKT angelangt. Aber die Mutter beginnt, sie abzustillen, sich langsam zurückzuziehen. In einem natürlichem, wildlebenden Hunderudel würde jetzt der Vater, die Tante, der Onkel die Kleinen übernehmen, ihnen die große weite Hundewelt zeigen, und die Kleinen würden folgen – voller Urvertrauen und mit Begeisterung. Im gemischten Mensch – Hund – Rudel muss jetzt ein den Welpen schon lange vertrauter Mensch das Welpenrudel übernehmen und ihm die Menschenwelt zeigen. Und wenn er das mindestens 2 Wochen lang liebevoll und aufmerksam getan hat, dann haben die Kleinen auch das Programm „Menschenwelt“ eingespeichert, dann sind sie fähig und bereit, sich auch einem bis dahin ganz unbekannten Menschen anzuschließen und mit dem gemeinsam die Welt zu erobern.
Ein guter Züchter weiss auch, dass die 6. bis 8. Woche die kritischste, die sensibelste Zeit ist: In dieser Zeit wird die „primäre Sozialisation“ (Anpassung an das Ausgangsrudel) abgeschlossen. In dieser Zeit wird die so Haushundtypische „sekundäre  Sozialisation“ vollzogen, die das problemlose Zusammenleben Mensch-Hund überhaupt erst möglich macht. [...] Ein Hund, der sich in den ersten 4 Monaten seines Lebens frei und ohne Angst bewegen durfte und lernen konnte, das wird ein kluger Hund.“ (zitiert nach http://members.aon.at/kurt.sagmeister/beckmann.htm vom 19.09.2002)

Welpen in der 6. und 7. Woche (35 – 49 Tage) dürfen auf keinen Fall vom Züchter bestraft werden. 
Das sage nicht ich, sondern schon mehrere Autoren von Hundebüchern vor mir. Das schliesst ein Tabu für Korrekturen des uneingeschränkten Spielverhaltens der Welpen untereinander (auch Kampfspiele!), Fehler bei dem Erlernen der Stubenreinheit oder der Beißhemmung explizit mit ein. Günther Bloch beobachtete an Wölfen: „Insgesamt scheint die Geduld erwachsener Wölfe im Umgang mit Welpen 
oft grenzenlos zu sein, wobei dem Alpharüden keine besondere Erziehungsrolle zufällt. Im Umgang mit Welpen sind meist rangniedrigere Wölfe aktiv, die wir deshalb als „Babysitter“ bezeichnen und deren Art der Tabuisierung bzw. Ignorierung unerwünschter Verhaltensweisen im Vordergrund der Beobachtung stehen. (Bloch, 28) 
Erik Ziemen drückt es auf Seite 447 seines Buches "Der Hund" so aus: "Die Beziehung der Wölfe zu ihren Welpen ist fürsorglich, manchmal auch etwas gequält, aber immer sehr tolerant. Die Welpen wachsen in großer Freiheit und Ungezwungenheit auf. Erst wenn sie älter werden, müssen sie sich langsam in die festgelegte Ordnung des Rudels einfügen, eine Ordnung, die strikt hierarchisch organisiert ist."

Diese Zeit ist ideal, um Vertrauen zu sich selbst, den Sozialpartnern, fremden Menschen und Hunden zu gewinnen. Der Kontakt zur Mutterhündin ist immer noch unverzichtbar. Die Nähe der Mutter gibt dem Welpen jene basale Sicherheit, also jenes tiefverwurzelte Urvertrauen, aus welchem der Welpe die psychische Kraft schöpft, mit Belastungssituationen fertig zu werden. Jedoch treten zur Entlastung der Mutterhündin nun idealerweise andere geduldige Mitglieder des Hunderudels als Babysitter hinzu.

Danach, von 8 bis 12 Wochen, schliesst sich die Phase des schnellsten Lernens an, der für den Züchter oder Besitzer anstrengendsten Phase, weil hier der Welpe an den späteren Alltag gewöhnt werden muss. Was der Welpe in dieser Zeit lernt, prägt sich fest in sein Verhaltensrepertoire ein. Für mein Thema entscheidend: In dieser Phase kommt der Welpe erstmals mit zunehmend geforderter Disziplin gegenüber den Personen seiner Umwelt in Kontakt. 
„Mit zunehmendem Alter leben die Welpen innerhalb einer klargeschaffenen Tabuwelt ... Sie ... lernen ... die Wirkung eines angewandten Schnauzgriffes oder je nach Hartnäckigkeit und Aufdringlichkeit, das Herunterdrücken auf den Boden einzuschätzen.“ (Bloch, 28)
Die Variabilität der Reaktionen zur Tabuisierung reicht „von der Anwendung des weich oder hart ausgeführten Schnauzgriffes, z. B., wenn ein Welpe einen ruhenden erwachsenen Wolf anspringt, einen schlafenden Wolf aufweckt, ein Welpe späterhin an die Zitzen der Alphawölfin will usw., bis zum Herunterdrücken auf den Boden bei zu aufdringlichem und hartnäckigen Körperkontakt, Schwanzziehen oder –beissen, zu massivem Futterbettelverhalten, zu weitem Entfernen vom Höhlenbereich. ... Jedoch werden viele Handlungen bis zum Erlahmen der Motivation ignoriert: Spielverhalten der Welpen, Streitigkeiten unter den Welpen, direkte Spielaufforderungen eines Welpen.“ (Bloch, 31)
Mit sanften Gehorsamsübungen kann begonnen werden, aber inadvertently reinforcing fearful responses sollen vermieden werden. Ein Welpe, der auch in dieser Zeit gut gefördert wird, bringt in die Familie seines neuen Besitzers ein solides Gerüst mit.

Erst nach 12 Wochen beginnt die vielzitierte „Rangordnungsphase“, in der ein Welpe testet, 
wo innerhalb des Rudels sein Platz ist. Erst jetzt verkraftet der bisher in seinem Selbstbewusstsein gestärkte, vertrauensvoll auf Sozialpartner und die Welt zugehende Welpe negative Behandlungen 
(was nicht heisst, dass körperliche Strafe ein adäquates Erziehungsmittel sei, aber sie richtet immerhin keinen tiefprägenden Schaden mehr an.)

Man hört immer wieder, dass Welpen, die vom Besitzer verdorben wurden, wieder hingebogen werden konnten – aber nur, wenn die vorausgegangene Prägung beim Züchter gut war. Im umgekehrten Falle, also bei einer vom Züchter verkorksten Prägung, hat der spätere Besitzer schlechte Karten: wie soll er einem Wesen, das der Welt mit einem tief eingebrannten Urmißtrauen begegnet, Vertrauen einflössen? Die tief verwurzelte Angstreaktion ist neuronal fest verknüpft und nicht mehr zu tilgen – höchstens durch mühseliges Lernen abzumildern. Nicht grundlos wird vor unseriösen Züchtern (und Hunde- händlern) gewarnt: Fehler in der Prägezeit sind nicht mehr gutzumachen.

Heinz Weidt schreibt auch einen längeren Absatz darüber, wie schwer eine Fehlprägung umprogrammiert werden kann: „In diesem Zeitraum [erste bis vierzehnte Woche] legt sich die Innenwelt des Hundes gewissermaßen als Spiegelbild seiner Umwelt fest und wird zu seinem 
eigenen „Ich“. Verhaltensweisen, die in dieser sensiblen Phase wurzeln, können eine derart hohe Unwiderruflichkeit aufweisen, dass sie später nicht nur für den Hund selbst wie angeboren wirken, sondern auch uns als angeboren erscheinen. Entsprechend dem biologischen Sinn der Prägung ermöglicht die in ihm entstandene Innenwelt ein möglichst harmonisches Leben in jener Umwelt, 
die ihn vorher geformt und geprägt hat.
Anders sieht es aber aus, wenn die ehemals prägende Umwelt in ihren wesentlichen Grundzügen 
nicht mit der später zur Verfügung stehenden Umwelt übereinstimmt. Wie wir alle wissen, liegt der biologische Sinn der Prägung in einem Anpassen und Einpassen in die vorhandene Umwelt. Es handelt sich dabei um Vorgänge, die im Leben nur einmal stattfinden. Im Prägungsprogramm der Natur ist folglich ein späteres Umlernen nicht enthalten. Für unseren Hund würde daher jedes Umlernen mehr oder weniger starke Zwangseinwirkungen auf das vorher geprägte Verhalten notwendig machen. Das Maß notwendiger Zwangseinwirkungen würde davon abhängen, wie weit das nun neuerlich verlangte Verhalten von dem vorher frei entwickelten Verhalten abweichen soll.
Es liegt daher auf der Hand, dass im Interesse des Hundes und seines Besitzers derartiges nicht erforderlich ist. Das heisst, die Verhaltensentwicklung darf nicht dem Zufall überlassen sein, sondern 
sie bedarf einer verständnisvollen Lenkung.
Selbstverständlich ist es auch möglich, in bestimmten Verhaltensbereichen durch entsprechende Dressurmethoden eine erfolgreiche Änderung des unbeachtet „gewachsenen“ Verhaltens zu erwzingen. Nachträglich erzwungene Verhaltensweisen unterscheiden sich aber in ihrem inneren Gefüge ganz wesentlich von solchen Verhaltensweisen, die durch gelenkte Entwicklungsbedingungen und gezielte Prägungsvorgänge für den Hund selbst „wie angeboren“ empfunden werden. So fehlt einem durch Dressur erzwungenen Verhalten jene wünschenswerte Stabilität, die sich bei einem geprägten Verhalten aus der hohen natürlichen Unwiderruflichkeit ergeben würde. damit erzwungene Verhaltensänderungen einigermaßen beibehalten werden, bedarf es daher oft einer erheblichen Erhaltungsdressur. In Situationen hoher nervlicher Belastung werden sich aber dennoch immer solche Verhaltenstendenzen durchsetzen, die fester verankert sind – und das sind die, die entweder auf instinktiver oder auf geprägter Grundlage beruhen.
Ferner ist zu bedenken, dass ein gegen sein gewachsenes Verhalten umdressierter Hund im inneren Widerstreit zwischen seiner ursprünglich geprägten Innenwelt und dem ihm jetzt abverlangten Verhalten steht. Der Hund versteht gewissermaßen seine Welt nicht mehr. Sein inneres Gleichgewicht wird gestört, und es kann sich für ihn eine Belastungssituation entwickeln, deren Wirkung wir als Stress kennen. Daraus können nicht nur eine gedrückte Grundstimmung und allerlei Verhaltensstörungen entstehen, sondern auch über den Einfluss des Nervensystems und des endokrinen Systems (Hormonwirkungen) verschiedene Organerkrankungen folgen. Der Schweregrad hängt dabei 
von der Stärke und von der Dauer des zu überwindenden inneren Widerspruchs ab.
Demnach wird das Wesen eines Hundes in dem Maße belastet, wie die in seiner Entwicklung festgelegte Innenwelt im Widerspruch zu den äußeren Anforderungen seines späteren Lebens steht!“ 
(Weidt, Der Hund mit dem wir leben, 91-93)

Wer meint, dass die Notwendigkeit einer „liebevollen Aufzucht“ eine Binsenweisheit sei, die in 
der seriösen Zuchtszene selbstverständliches Allgemeingut sei, hat zwar damit Recht, dass sie normalerweise von jedem Züchter blind herunter gebetet werden kann, aber das garantiert leider nicht, dass sie bis zur notwendigen Konsequenz hin beachtet wird. Für mich gehört sowohl dazu, dass die Bedürfnisse der Welpen (allgemeines Wohlbefinden z.B. durch rechtzeitige und ausreichende Fütterung) befriedigt werden, als auch ein absolutes Verbot negativer Ersteindrücke, einschließlich dem bis heute viel zu sehr verharmlosten Nackenfellschütteln, Klapps auf die Nase, Zeitungsklapps oder Anschreinen. Es gibt leider immer noch Züchter, die zu glauben scheinen, dass bei unter 8 Wochen alten Welpen selbst sehr drastischen Strafen folgenlos vorüber gehen! Selbst gesehenes Beispiel: zwei 7 Wochen alte Welpen spielen (hungrig), der stärkere, oben stehende Welpe knurrt dabei den unten liegenden an. Der Züchter meint, das dominante Verhalten des stärkeren Welpen unterdrücken zu müssen, packt ihn am Nackenfell und wirft ihn zwei Meter weit in eine Ecke, wo er als heulendes Elend jammernd liegen bleibt. Resultat: Welpen, die sich nicht mehr zu spielen ("raufen") trauen und relativ ruhig sind, "ruhiggestellt". 
Bei sensiblen Welpen kann als Lerneffekt solcher Misshandlungen ein tiefes Urmißtrauen heraus kommen: Spielen mit Artgenossen tut weh (Grundunsicherheit vor Hunden überhaupt, Panik vor Körperkontaktspielen) und Menschen sind eine unberechenbare Gefahr (leicht zu erschütterndes Vertrauen in das eigene Menschenrudel und Panik vor Fremden). Nebeneffekt: Weil der Welpe 
hungrig war und quasi ein Grundbedürfnis angemeldet hat, ist er auch dafür bestraft worden (Erschütterung seines Grundvertrauens in die Fürsorgepflichten, psychosomatischer Stress). 
Fehlprägungen zeichnen sich oft dadurch aus, dass nur bestimmte Bereiche fehlgeprägt sind: 
ein gegenüber Artgenossen und Menschen ängstlicher Welpe kann durchaus eine völlig normale Umweltsicherheit (durch die anschließende Sozialisierungsphase beim Besitzer) entwickeln, 
die indirekt beweist, dass der Welpe nicht unter einer genetischen, also angeborenen Wesensschwäche leidet. Umwelteindrücke außerhalb der beiden beim Züchter eingeprägten Feindbilder können durchaus noch positiv belegt werden und der Hund scheinbar selbstsicher, frei und unbeschwert wirken - so 
lange eben, bis sein Urmisstrauen geweckt wird und ihn unter ängstlichen Stress setzt.

Die inzwischen weltbekannte Hundeausbilderin Turid Rugaas fasst in deutliche Worte, wie zerstörerisch Gewalterfahrungen für Welpen im Speziellen sind, so dass ich das im Zusammenhang meines Essays wichtigste Kapitel aus ihrem bahnbrechenden Büchlein „Calming Signals“ ungekürzt zitieren möchte:
Führerschaft und Elternschaft.
Seit vielen Jahren hält sich der Mythos, dass man seinem Welpen gegenüber als Rudelführer auftreten müsse, damit er nicht versucht, die Führungsposition zu übernehmen. Viele traurige Hundeschicksale und viele Probleme entspringen diesem Mythos. Dabei ist es viel treffender, von Elternschaft zu sprechen als von Führerschaft.
Denn wenn sich ein Wolfs- oder Wildhundrudel bildet, dann ist die Ausgangsbasis in der Regel ein Elternpaar, das zusammen einen Wurf Welpen bekommt. Diese Welpen wachsen unter der geduldigen und fürsorglichen Obhut der Elterntiere auf. Kein Tier ist geduldiger und liebevoller zu seinen Jungen als der Wolf oder der Wildhund. Die Welpen können die Eltern piesacken, ohne jemals hart dafür bestraft zu werden. Wenn die Eltern eine Beute erlegt haben, schlingen sie diese herunter, laufen zu ihren Welpen und würgen ihnen den Mageninhalt vor, um sie zu füttern. Erst dann fressen sie sich selber satt. Die ersten Lebensmonate eines Welpen bestehen nur aus Geborgenheit durch fürsorgliche Eltern, Spiel mit den Geschwistern und einem vertrauensvollen Aufwachsen. Bei Fehlverhalten des Welpen wird durch die Alttiere moderat diszipliniert, jedoch niemals grobe Gewalt angewandt.
Wenn der acht bis neun Wochen alte Welpe zu seinem neuen Besitzer kommt und dieser anfängt, ihn am Nacken zu schütteln, um ihm „Pfui“ beizubringen, ihn auf den Boden drückt, ihn anschreit und dergleichen Dinge mehr, die dem völlig unvorbereiteten Welpen eine Todesangst einjagen, bekommt er einen Schock. Er wird ängstlich, unsicher, verliert vollkommen den Boden unter den Füßen. Und damit fangen die Probleme an. Der verängstigte Welpe knurrt, wenn jemand nach ihm greift, weil er fürchtet, wieder einmal bestraft zu werden. Der Mensch ereifert sich, meint, da müsse man doch klarstellen, wer das Sagen habe, müsse den Welpen härter anfassen, und schon sind wir auf einem Weg, der zu immer mehr Problemen führt und zu einem Elendsdasein für den Hund. Der kleine Welpe kommt voller Vertrauen zu Ihnen. Er geht davon aus, dass seine neuen Eltern genauso geduldig und liebevoll sind wie die, von denen er kommt. Vergessen Sie die Führerschaft gegenüber dem Welpen. Seien Sie Eltern.
Natürlich ist es unerlässlich, dass der Welpe die Regeln des täglichen Zusammenlebens lernt und befolgt, aber nach und nach und nicht alles auf einmal! Das funktioniert übrigens wunderbar, wenn Sie den Welpen mit der gleichen Nachsicht behandeln, wie Ihre kleinen Kinder damals, als sie noch sehr klein waren. Vielleicht sogar noch ein bisschen nachsichtiger? Hunde sind nämlich wundervolle Eltern, und wir können viel von ihnen lernen.
Bis zum Alter von vier bis viereinhalb Monaten ist die Toleranzgrenze der Alttiere gegenüber den Welpen (später Junghunden) sehr hoch. Das bedeutet nicht, dass sie so eine Art Narrenfreiheit haben. Aber es bedeutet, dass sie sich eine ganze Menge erlauben können, ehe die erwachsenen Hunde disziplinierend eingreifen. Und wenn sie doch einmal zurechtgewiesen werden, dann auf eine freundliche, gewaltlose Art. Warum nur greifen wir Menschen so schnell zu körperlicher Gewalt? Stellen Sie sich nur einmal vor, wie unglaublich furchterregend es für einen kleinen Hund sein muss, von einem Riesen, der um ein Vielfaches größer ist als er selbst, bedroht und gepackt zu werden.
Dann beginnt der Besitzer darüber zu klagen, dass der Hund nicht gehorcht, dass er nicht kommt, wenn er gerufen wird, und über viele andere dieser kleinen Probleme, die im Alltag tatsächlich ziemlich entnervend sein können. Der Welpe hat gelernt, seinem Besitzer auszuweichen, indem er so tut, als sei er gar nicht da, und er sendet eine Menge beschwichtigender Signale, um zu versuchen, Herrchen oder Frauchen wieder milde zu stimmen. Nützt auch das nichts, kann es passieren, dass der Hund aufgibt, die beschwichtigenden Signale einzusetzen. Der Hund wird dann in einer Welt leben, die keine andere Sprache kennt als die der Gewalt. Seine eigene Sprache kann er nicht anwenden, denn niemand richtet sich danach. Er wird sprachlos. Es gibt unglaublich viele Hunde, die vollkommen passiv sind und sich nicht trauen, irgend etwas auszuprobieren, neugierig zu sein. Das sind dann meist die Hunde, die „brav“ genannt werden. Sie sind nicht brav – sie haben resigniert.
Andere Hunde sind in einem solchen Ausmaß gestresst, dass sie zu einem Problem für ihre Umgebung werden. Die ständige Unsicherheit, in der sie leben, lässt sie ein chronisches Stressniveau aufbauen, das wiederum zur Folge hat, dass sie die Einrichtung demolieren, kläffen, Angst vor Geräuschen, Menschen und anderen Hunden haben, aggressiv werden, an der Leine ziehen und vieles mehr.
Eine geborgene, liebevolle und unbesorgte Welpenzeit und etwas nachsichtige Geduld, wenn die „Flegeljahre“ einsetzen, bei Eltern, die Wert darauf legen, dass der Welpe seine Gefühle offen zeigt, 
die ihm ermöglichen, sich im Zusammenspiel mit dem Rudel zu entwickeln, anstatt ihn durch eine gewaltsame Führerschaft zu unterdrücken – und das gibt dem Hund die Basis, die er braucht, um ein gut sozialisierter, in sich ruhender, erwachsener Hund zu werden.
Denken Sie daran, dass Hunde, die Welpen aufziehen, perfekte Hunde aus ihnen machen. Wölfe, die ihre Jungen aufziehen, machen aus ihnen perfekte Wölfe. Wenn wir Welpen großziehen, bekommen wir meistens Probleme. Es ist an der Zeit, sich umzuschauen und zu sehen, was Führung eigentlich ist. Mit nüchternen Augen betrachtet ist es nichts anderes als eine gute Elternschaft. Wenn der Welpe ins Haus kommt, sind Sie in der Rolle der Eltern, die ein Kind bekommen. Wir versetzen kleine Kinder heute nicht mehr in Angst und Schrecken, zumindestens wird es gesellschaftlich nicht akzeptiert. Wir dürfen das auch nicht mehr akzeptiere, wenn es um Welpen geht.“ (Rugaas, Calming Signals, 72-75)

Turid erwähnt auch an anderer Stelle, für wie fatal sie die Verknüpfung von negativen Erlebnissen 
mit dem Sozialkontakt hält, bezogen auf die Erziehung eines Welpen/Junghundes beim Besitzer:
„Hunde lernen durch Verknüpfung, und deshalb ist es so wichtig, dass wir niemals an der Leine rucken, den Hund anschimpfen oder auf andere Art unangenehm werden, wenn er sich auf andere Hunde oder Menschen konzentriert.“ (Rugaas, Calming Signals, 69)

Vielen Dank, Turid Rugass, für die klaren Worte. Sie bezieht sich zwar auf die Welpenzeit nach der Abgabe des Züchters. Sie geht selbstverständlich davon aus, dass die Welpen beim Züchter optimal behandelt worden sind. Wie viel mehr muss das, was sie sich für den Welpen beim neuen Besitzer wünscht, für die Zeit beim Züchter gelten, wo die Fehler irreversible Folgen nach sich ziehen? Leider 
ist ihr Generalvertrauen in die Züchter meiner Ansicht nach zu optimistisch. Es gibt leider immer noch einzelne „seriöse“ Züchter, die meinen, mit körperlicher Gewalt in die Entwicklung der Welpen eingreifen zu müssen, sogar in dem kritischen Alter vor acht Wochen! Ich hoffe, dass einige Züchter ihre „Welpenerziehung“ überdenken werden, zum Wohle der kleinen Persönlichkeiten, die innerhalb der wenigen Wochen im Verantwortungsbereich des Züchters für ihr gesamtes späteres Leben geprägt werden...

Und nochmals Danke, Turid, für den Vergleich von Hundewelpen mit Menschenbabys. Für beide, Menschenkinder wie Hundekinder, gilt eines gleichermaßen: Strafen, Gewalt, Wut, Drohungen und andere negative Einwirkungen sind kompromisslos zu unterlassen und sollten bei der gesamten Erziehung keine Anwendung finden. Wenn Sie aus Hilflosigkeit dazu greifen, ist nicht das Kind schuld, sondern Sie haben versagt, sich dem Welpen auf artgerechte Weise verständlich zu machen. 
Lassen Sie mich noch die Schlussworte von Turid Rugaas zitieren: 
„Sie können [in der traditionellen Hundeerziehung] über Druck und Starkzwang [einschliesslich des so beliebten Leinenrucks oder Klappses auf die Nase] arbeiten oder über positive Verstärkung [z.B. nach Karen Pryor und "Clickertraining"], Zuwendung und Motivation. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.
Ich wünsche Ihnen allen eine spannende Zeit, wenn Sie die Sprache der Hunde erforschen und allmählich all die ausgefeilten Techniken zur Konfliktlösung erkennen, über die Hunde verfügen; wie tüchtig sie darin sind, Signale einzusetzen, einander zu helfen und wie rasch sie reagieren. Hunde sind schlicht und einfach ein Wunder an Kommunikation und Kooperation. Wir können von ihnen lernen!
Mein Leben hat sich total verändert, als ich heraus fand, wie die Beschwichtigungssignale funktionieren [darüber handelt ihr Buch]. Und vielleicht noch mehr, seit ich weiss, wie ich sie selbst einsetzen kann. Und ich bin nicht die einzige. Hundebesitzer aus der ganzen Welt lassen mich täglich wissen, dass sie ganz genau dasselbe erlebt haben. Willkommen in der Welt der Hundesprache. Ich hoffe, Sie werden dieselben Erlebnisse haben, die ich hatte und immer noch habe. Ihre Hunde haben es verdient!“ (Rugaas, Calming Signals, 97)

Konsequenzen:
Für mich selber ziehe ich daraus die Konsequenz, dass ich mir vom Züchter meines nächsten Welpen eine fürsorgliche, gewaltfreie, dem harmoniebedürftigen Wesen des Hundes Rechnung tragende Aufzucht wünsche und mich davon überzeuge, dass die oft laut tönende "liebevolle Aufzucht" nicht nur ein pauschales Lippenbekenntnis ist, sondern ein fundiertes Wissen über canine Verhaltenskunde und Entwicklungsphasen der Welpen dahinter steht, basierend auf einer fürsorglichen Erziehungauffassung.

Turid Rugaas und Günther Bloch beschreiben, mit welchen Mitteln Hunde sich untereinander verständigen und ihren Nachwuchs erziehen. Ich fasse hier die Positionen bezüglich der Welpenerziehung von Beginn der motorischen Entwicklung mit 4 Wochen bis etwa 12 Wochen zusammen:
- Nackenfellschütteln und anderes Beissschütteln betreiben ausschliesslich die Welpen untereinander. Sie trainieren damit Bewegungsabläufe des späteren Jagdverhaltens an. „Da das Jagdverhalten ausgewachsener Wölfe bereits deutlich ausgeprägt ist und sie ihre Welpen wohl kaum „erbeuten“, kommt der „Nackenschüttler“ im Interaktionsbereich zwischen Erwachsenen und Welpen NICHT vor. Der alte Ratschlag, Hundewelpen durch Schütteln im Nacken bestrafe zu müssen, ist somit aus der Canidenwelt NICHT abzuleiten.“ (Bloch, 26)
Übrigens hat das Spielverhalten noch keinen Ernstbezug, d.h. die Rollen wechseln im Spiel, das zur Einübung der Bewegungskoordination und Handlungsabläufe dient, ständig ab. Es entsteht KEINE feste Rangordnung unterhalb der Welpen.
Schläge mit der Hand kommen – logischerweise – überhaupt nicht vor. Statt des „Klapses“ auf die Nase praktizieren Wölfe und Hunde den Schnauzengriff. Hundegerecht sind die folgenden Disziplinerungen:
- Der Schnauzgriff wird von erwachsenen Wölfen/Hunden angewandt, um ein Verhalten eines Welpen zu unterdrücken. Günther Bloch unterscheidet zwischen einem relativ sanften Über-den-Fang-greifen und einem harten Schnauzgriff, dem ein Knurren oder Brummen mit hochgezogenen Lefzen voraus geht oder nachfolgt. 
- Auf den Boden drücken: Bei massiver Zudringlichkeit packt der erwachsene Wolf den Welpen am Körper und/oder wirft ihn direkt auf den Boden.
Ansonsten mischen sich erwachsene Caniden wenig ein und ignorieren vieles einfach bloß.

Bei einer Wolfsbeobachtung in den Rocky Mountains wurden bei 9 Rudeln im Zeitraum der 
ca. 4/5/6 – 7/9/11 Wochen alten Wolfswelpen folgende Verhaltensregulierungen festgestellt: 
(Bloch, 35-41)
Schnauzgriff leicht: 46 – 15%
Schnauzgriff hart: 69 – 22%
Herunterdrücken: 45 – 14%
Ignorieren: 151 – 49% 
Interaktionen total: 311
Blochs Schlussfolgerung nach Tests mit Hunden: „Der heute noch gebräuchliche „Nackenschüttler“ kann für die Hundeerziehung als überholt betrachtet werden. Ignorieren und/oder Schnauzgriff sind als sinnvolle – und für den Hund artgerechte – Alternative anzusehen.“ (Bloch, 43)

Eine weitere Verständigungsmöglichkeiten stellt Turid Rugaas vor:
Dazwischengehen oder „Splitten“: Diese hundgerechte Möglichkeit, zwei sich bereits im Konflikt befindliche Tiere zu trennen, bietet sich an, wenn man auf welpenverständliche, gewaltfreie Weise zwei raufende Welpen auseinander bringen möchte. „Wenn zwei Hunde spielerisch miteinander raufen und es etwas grob wird, kann ein dritter Hund dazwischengehen und sie trennen, indem er sich von hinten oder von der Seite nähert.“ (Turid, 57) Turid Rugaas beschreibt, dass eine optimale Hundemutter dazwischen geht und die beiden trennt, sobald ein vielleicht etwas stärkerer Welpe auch nur im mindestens grob gegen einen anderen wird. Diese Aufgabe kann auch der Züchter übernehmen und einfach eine Barriere zwischen den beiden Welpen aufbauen. Es sollte nicht nötig sein, immer gleich 
zu strafen – und falls doch, sollten die oben beschriebenen Methoden genügen. 

Ich kann nur meinen Eingangsappell wiederholen: 
Hundewelpen bis 8 Wochen sind in jeder Hinsicht richtige Babys – 
und sollten auch als solche verstanden und behandelt werden...

Diana Lüdemann,
Besitzerin zweier Afghanen-Hündinnen, nicht Züchterin, aber die sich wünschen würde, dass nur züchtet,
wer wirklich Freude an der aufwändigen Aufzucht und optimalen Lebensvorbereitung der Welpen hat.
 

Literatur:
Wer sich intensiver mit der Materie befassen möchte, zum Wohle der Hunde, 
dem sei die von mir verwendete Literatur wärmstens ans Herz gelegt:

Heinz Weidt & Dina Berlowitz, „Das Wesen des Hundes“, Augsburg 1998
Heinz Weidt, „Der Hunde mit dem wir leben: Verhalten und Wesen“, Berlin 1996 (1989) 
Diese beiden Bücher behandeln die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Entwicklungsphasen des Welpen und Folgen für die moderne Welpenerziehung. 

Turid Rugaas, „Calming Signals. Die Beschwichtigungssignale der Hunde“, Grassau 2001 (englisch 1997)
Unverzichtbare Pflichtlektüre, die mit den traditionellerweise auf Aggression und Dominanz beruhenden Hundesprachmodellen aufräumt und das konfliktvermeidend kooperative Wesen des Hundes und seine auf Frieden ausgerichteten Sprache erkennt und erstmals anschaulich begreiflich macht. Hunde sind Rudeltiere, deren Sozialverhalten zu einem wesentlichen Teil durch Konfliktvermeidung bestimmt ist. Die Hundesprache besteht aus zwei Konterpartnern: auf der einen Seite die Drohsignale, deren Zweck es ist, Distanz zu schaffen, jemanden fern zu halten oder zu verscheuchen [kennt jeder als traditionelle Hundesprache] und auf der anderen Seite die bisher so verkannten Beschwichtigungssignale, die zum Ziel haben, zu beruhigen, Angst, Stress, Zorn und andere Gemütszustände abzubauen, die irgendwie zu einem Konflikt führen könnten. Letztere dienen der Vorbeugung von Konflikten, sollen Bedrohungen und Probleme vermeiden, Stress und Unruhe, Nervosität, laute Geräusche und andere beunruhigende Dinge beschwichtigen, Ruhe schaffen und Ärger vermeiden. Wir können sie als friedensstiftend, konfliktlösend, besänftigend bezeichnen. Nachdem Sie dieses Buch gelesen haben, sehen Sie Ihren Hund mit anderen Augen, nämlich als Meister des sozialverträglichen, harmonischen Zusammenlebens.

Günther Bloch, „Der Wolf im Hundepelz“, 1998
Günther Bloch verschreibt sich (nach seiner Selbstzuschreibung) einem Mittelweg zwischen den 
Hardlinern und den antiautoritären „Softis“ (ich persönlich wünschte ihn mit jedoch „softer", allerdings
räumt er mit einigen Fehlern der traditionellen Meinungen auf, daher sinnvoll zur Kenntnisnahme). 
Er beobachtet zuerst das Wolfsverhalten und zieht daraus seine Schlussfolgerungen für die 
Hundeerziehung, wodurch er zu einigen bemerkenswerten Anregungen kommt.

Für Windhunde nur in Einzelfällen (engagierte Besitzer mit konkreten Erziehungszielen):
Werfen Sie Ihre alten Bücher in den Mülleimer und lesen Sie für die Grundausbildung (Sitz, Komm usw.) und die weiterführende Hundeausbildung die einzigen WIRKLICH auf modernen Erkenntnissen der Verhaltenskunde beruhenden Bücher über Clickertraining von Birgit Laser & Martin Pietrella.
Unverzichtbar für das dahinterstehende Verständnis der positiven Verstärkung: Karen Pryor.

Kommentare oder weiterführende Literaturtipps sind willkommen.