Zum Impressum Michael Lütge                                                                                                       11. Februar 2023

Die Fehlbarkeit Jesu als Menschlichkeit Gottes

 

Lüdemann hat Jesus als Spinner abgetan, der sich vollständig geirrt hat in der von ihm noch zu Lebzeiten angenommenen Ankunft des Reiches Gottes. „Jesus ist das Beispiel eines Menschen, der ernst damit macht, einen einmal eingeschlagenen Weg bis zum Ende zu gehen. Aber bei seiner Gesetzesauslegung, welche die Thora gleichzeitig verschärft und aushebelt, wird er mir zuweilen zu ernsthaft, und in seinem Schwärmertum, das die Vernunft mit Füßen tritt, kann ich ihn nicht mehr ernst nehmen, denn das von ihm angekündigte Reich Gottes ist ausgeblieben. Schließlich: In seinem vertrauten Umgang mit Gott wirkt Jesus auf mich geradezu lächerlich, denn damit teilt er einen Fehler vieler religiöser Menschen: sich selbst im Mittelpunkt der Welt zu sehen. Als ganze Person bleibt Jesus daher ein Problem, und von einem Problem können wir nicht Antwort auf die uns bedrängenden Fragen erwarten. Ich lege ihn deshalb mit diesem Buch zu den Akten.“[1] Auch wenn dies Fakt ist und Jesus nichts vorhersagen konnte über die Wirksamkeit Gottes in der Durchdringung seiner jüdischen Gesellschaft mit dem Geist der Liebe, Vergebung und gegenseitigen Für­sorge, so hat er doch in seiner Art des Lebens ein tragfähiges Modell entwickelt, wie so­ziale Verbände friedlich miteinander leben können, die Utopie eines Menschenmöglichen.[2] Das wenigstens darf bleiben als ethi­sche Grundlage für Miteinander der Menschen und Staaten.[3] Leider erleben wir zur Zeit das genaue Gegenteil dessen, was Jesus vorgelebt hat. Die Staaten werden immer autoritä­rer und dies sogar durch freie Wahlen. Der Glaube der Bevölkerung an die Effizienz de­mokratischer Entscheidungsbildungen läßt immer mehr nach und Diktatoren kommen weltweit zu Hauf an die Macht. Auch die CDU in Deutschland hat immer auf das Prinzip der Macht des Stärkeren gesetzt und die Ideen Jesu mit Füßen getreten. Das gilt in beson­derer Weise auch für die Kirche.

Jesus im Kindergottesdienst

Jesus mit den Geschichten über ihn in den Evangelien war seit den Tagen des Kindergot­tesdienstes für mich persönlich immer ein großes Vorbild und eine Art Freund, zu dem ich beten konnte und von dem ich mich verstanden gefühlt habe, auch wenn ich inzwischen denke daß diese Gespräche und Gebete und das Grundgefühl der Geborgenheit und Soli­darität in Gott eine rein virtuelle Realität gewesen ist. Gleichwohl hatte sie ein Grundge­fühl der Geborgenheit und Beschütztheit in den Konflikten meines Lebens bewirkt; auch in den Konflikten mit der Kirche, bei denen ich mich in bester Gesellschaft mit Jesus ge­fühlt habe.

Dietrich Bonhoeffers Jesusfrömmigkeit und Ambiguität der Gotteswelten

Es war Bonhoeffers Erfahrung, daß Gott noch aus dem Bösesten Gutes schaf­fen kann. Es hat ihn wie Jesus nicht vor dem Galgen gerettet. Wir hätten gerne noch lange Jahrzehnte etwas über die Diesseitigkeit Gottes von seinem Lehrstuhl hören wollen. So müssen wir uns begnügen mit den wenigen Hinweisen aus seinen Briefen aus der Haft. Was dort aber verständlicherweise nicht zu finden ist: Nach der Zerschlagung des Predigerseminars durch die Nazis, weil es als Untergrund-Kirche mit jesuanischer Einfachheit zu subversiv war, bewahrte Hans von Dohnanyi seinen Schwager Bonhoeffer vor der Einberufung, indem er ihn in das Amt Ausland-Abwehr beim Oberkommando der Wehrmacht verpflichtete, in den engsten Kreis der Verschwörer um Hans Oster. Damit war zugleich die Zeit der Unschuld vorbei, denn Bonhoeffer gehörte nun einem staatlichen Apparat an. Er war gefährdet durch die stets drohende Einberufungsgefahr. Hier knüpfte Bonhoeffer in vielen Reisen nach Schweden, England und die Schweiz Kontakte zu Geheimdiensten der Allierten, um deren Eingreifen nach dem geplanten Attentat auf Hitler zu organisieren. Nach dem 20. Juli 1944 wurde diese Korrespondenz von der Gestapo gefunden, zusammen mit dem Tagebuch von Canaris. Damit war das Todesurteil besiegelt. Wenn man dies, die Mitwirkung am Mord an Hitler, der leider gescheitert ist, als Konkretion der Diesseitigkeit Gottes mitschwingen hört, bekommt die akademische Frage ein völlig anderes Gesicht und Gewicht. Grunewald-Villa der Bonhoeffer-Dynastie, Habilitation mit 24 Jahren, Auslandsstudien, die steile Karriere eines mit allen Mitteln einer wohlhabenden Familie ausgestatteten Intellektuellen hat er nachgerade franziskanisch aufgegeben und ebenso die wortreiche Schwülstigkeit der Bekennenden Kirche, in deren Fahrwasser er anfangs seine fast pietistische Frömmigkeit formuliert hatte.

Karl Barth hat Bonhoeffers Doppelagenten-Tätigkeit für falsch gehalten und Tyrannenmord wurde in kirchlichen Kreisen als Verstoß gegen das 5. Gebot so mißbilligt wie Abtreibung. Aber als Soldat für´s  Vaterland töten und sterben wurde nicht angeprangert. Genau dort sind wir heute schon wieder: Russen abschießen mit dem Leopard und der deutschen Panzerhaubitze ist Bürgerpflicht geworden und die Kirche schweigt dazu oder diskutiert es kontrovers. So wie sie 1933 Hitler wegen der großen Gemeinsamkeit mit wehenden Fahnen begrüßt hatte: Autorität und Macht als hohes Ziel einigen beide. Auch heute ist die Befürwortung des Tötens mit deutschen Waffen in der Ukraine in kirchlichen Kreisen die machtpolitische Idee, Putin und seine Armee aus randständigem Kanonenfutter von der europäischen Bühne zu drängen und in einem von Oligarchen und Korruption geprägten Land Anschluß an den westlichen Kapitalismus herzustellen.

Bonhoeffer sah seine Arbeit immer als Nachfolge in der vita communis, wie sein Buch von 1937 über die Bergpredigt Jesu das gemeinsame Leben mit den Vikaren in Finkenwalde begreift, seinem Jüngerkreis. „Diese Gemeinschaft ist ein lebendiges Zeugnis für die leibhaftige Menschheit des Sohnes Gottes. Die leibliche Gegenwart des Sohnes Gottes fordert den leiblichen Einsatz für ihn und mit ihm im täglichen Leben.“[4] Die Pfingstgemeinde mit ihrer Vergemeinschaftung des Besitzes, gemeinsamem Mahl, also ein vorkapitalistischer Urkommunismus schwebt Bonhoeffer vor und er hat als Leiter des Seminars keinerlei Privilegien. Auch das profanste Tun sieht er als Leben in der Nachfolge. Das Reich Christi ist vollständig diesseitig in unserem Leben und braucht keine Kirchen, sondern nur Menschen als Tempel. In allen Punkten, Taufe, Abendmahl, Mitgliedschaft usw. führt dies zu einer beißenden Kritik an der Institution Kirche mit all ihren Verordnungen, die der Bergpredigt entgegenstehen. Selbst die Verbeamtung und staatlich eingezogenen Kirchensteuern sind für Bonhoeffer wider den Heiligen Geist.

1937 konnte Bonhoeffer aber noch mit Rm 13 Gehorsam gegen die Obrigkeit propagieren. Seine Ausführungen dazu[5] lassen sich in ihrer Naivität nachträglich kaum noch verstehen. Die Obrigkeit als Gottes Dienerin, das galt für Paulus auch noch nach seiner Prügelstrafe im römischen Gefängnis, aber unter dem Wissen, daß in kürzester Zeit das Reich Gottes anbrechen werde.[6] Dieser Glaube war ein Irrtum. In aller Verstricktheit in paulinischen Eiertanz, der diesem auch nicht gegen seine Kreuzigung geholfen hatte, betont Bonhoeffer aber sein Grundprinzip: „Der Widerspruch gegen die Welt muß in der Welt ausgetragen werden. Darum wurde Christus Mensch und starb mitten unter seinen Feinden.“[7]

Es folgen Ausführungen in Paraphrase des paulinischen Opus über das Leben in der Welt, die von der Naherwartung ausgehen und das Haben, als hätte man nicht, zum Erlebnis der Freiheit verklären.[8] Arbeit soll nicht Reichtum akkumulieren, sondern der Notdurft dienen, Brot soll ein jeder sich durch Arbeit verdienen. Ehe wird nur in Zucht und Enthaltsamkeit geheiligt.[9] Der Blick der Gemeinde ist auf den Himmel gerichtet, der in Kürze die Welt ablösen wird. „Jeden Augenblick kann das Signal zum Weitermarsch ergehen. Dann bricht sie auf und verläßt alle weltliche Freundschaft und Verwandtschaft und folgt allein der Stimme, die gerufen hat. Sie verläßt die Fremde und zieht ihrer Heimat entgegen, die im Himmel ist. Arm und im Leiden, hungrig und durstig, sanftmütig, barmherzig, friedfertig sind sie, verfolgt und geschmäht von der Welt, und doch sind sie es, um derentwillen allein die Welt noch erhalten wird. Sie schützen die Welt vor dem Zornesgericht Gottes.“[10] Die Ausführungen zur Gemeindezucht überbieten Kants Pedanterie. Sie dient der Verschonung vor der Strafe des letzten Gerichts.[11] Irrige Brüder sollen exkommuniziert werden. „Der Sünder bleibt noch Bruder und erfährt eben darum Strafe und Vermahnung der Gemeinde.“[12] Exkommunikation ist reine Pädagogik, den Sünder zum Heil zurückzurufen. Bonhoeffer sieht auch den Fluch als Vorwegnahme des Endgerichts und so eine passable Möglichkeit der Gemeinde. Im AT wurde der Gebannte getötet, wie in der Inquisition dann eskalierend betrieben. Seine Überlegungen zur Lehrzucht könnten ihn zum Oberkirchenrat machen: „So steht vor aller Gemeindezuchtübung die Übung der Zucht an den Amtsträgern… Wo offenbare Irrlehre einzieht, dort soll der Amtsträger gebieten, ‚daß sie nicht anders lehrten‘ (1Tim1,3); denn er trägt das Lehramt und kann gebieten… Ist einer als Irrlehrer offenbar, so soll er ‚einmal und abermals ermahnt’ werden. Hört er nicht, so soll mit einem ketzerischen Menschen die Gemeinschaft abgebrochen werden“.[13] Daß der Amtsträger gebieten kann, ist nach wie vor Usus der Kirche und absolut unvereinbar mit der Idee herrschaftsfreier Bruderschaft einer Solidargemeinschaft im allgemeinen Priestertum aller Gläubigen.

Bonhoeffer glaubt fest an das baldige Ende und Kommen des Weltgerichts. Unter dieser Prämisse wird die rigide Selbstkasteiung und die harte Moral der Gemeinde verständlich, die nachgerade schwarze Pädagogik zelebriert. Ironischerweise wird er selbst Opfer dieser Härte. Witzigerweise hat genau diese Intoleranz der Kirche mir ein neues Leben nach dem Pfarramt eröffnet.

Verwandlung von Widrigkeiten in Chancen als Verborgenheit sub contrario

Ohne die reaktionären Widerstände in der Kirche gegen meine politische Gemeinde­arbeit mit Friedensgruppen, Eine-Welt-Gruppen, Ostermarsch und ökologischen Veran­staltungen hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt zur Forschungsarbeit an den Wahrheits­gehalten bi­blischer Texte, ihrer willigen Aufnahme iranischer, ägyptischer und phönizi­scher Mytho­logie, zu einem im Vergleich zum Pfarramt viel freieren und kreativeren Le­ben. Die Feindseligkeit reaktionärer Kollegen hat mir zum Besten gedient und eine Lebensgestaltung eröffnet, die wirklich alle meine Träume und Ideale realisieren konnte: Musik machen mit einem Konzertflügel und meinem Bösendorfer, den Saxophonen, dem selbst gebauten Cembalo, den fast 100 virtuellen Orgeln, die die kalten Kirchenräume ins warme Wohnzimmer holen mit teils noch besserer Akustik, mit den psychedelischen Sounds meiner vielen Synthesizer, den Barockflöten und mit Petra, meiner Traumfrau, die mich mit ihrem Cello entzückt. Ich hätte im Pfarrhaus keine Wärmedämmung bauen können, keine Photovoltaik aufs Dach setzen, keinen Solar-Speicher im Keller montieren kön­nen, der nahezu autark im Stromnetz macht. Ich hätte meine handwerklichen Fähigkeiten nicht so ausfahren können wie jetzt. Die Kollegen und Presbyter, die 1987 meine Vertreibung betrieben haben, um ihren deistischen Alltagstrott zu perpetuieren, hätten sich nicht träumen lassen, welche Möglichkeiten sie mir in ihrem intriganten und böswilligen Vernichtungswunsch eröffnet haben. Bonhoeffers Credo, daß Gott aus dem Bösesten noch Gutes wirken kann, hat sich als mein Lebensmotto erwiesen.[14]

Fehlbarkeit als Motor des Fortschritts

Gerade die Tatsache, daß Jesus sich in Timing des Reiches Gottes so grundsätzlich geirrt hat, zeigt seine Fehlbarkeit und damit seine Menschlichkeit. Das ist die Nagelprobe auf die Rede vom wahren Menschen. Jesus ist nicht dadurch Sohn Gottes, daß er immer recht hat­te und immer richtig gehandelt hat, sondern darin, daß er die Idee der Vergebung als Grundlage menschlichen Handelns in seinem Tun umgesetzt hat. Diese Idee der Barmher­zigkeit und Gnade in dem Sinne, jedem Menschen das zukommen zu lassen, was dieser zum Leben benötigt, ist letztlich auch das Prinzip unsere Sozialstaaten ge­worden. Es deckt sich mit Ciceros Dictum einer Verteilungsgerechtigkeit: suum cuique. Es ist Grundlage der matriar­chalen Gesellschaft. Und es war nicht neu: Zu allen Zeiten wurde für Witwen und Waisen gesorgt, für Menschen, deren materielle Versorgung mit lebenswichtigen Gütern zusam­menbrach. Die Geschichte des Glaubens als permanentem Paradigmenwechsel der menschlichen Vermutungen über das werdende Sein Gottes offenbart die Religion als Lerngeschichte. Aus Irrtümern über Gott und die Welt lernen die Gesellschaften im Lauf der Zeit und entwickeln weniger falsche und unmenschliche Gottesvorstellungen. Am Ende könnte die Wahrnehmung des Gottessohnes Jesus als wahrem Menschen stehen, der nicht aufgrund mysteriöser Wunderkräfte hilft, sondern durch seine vollkommene Menschwerdung. Vollkommen Mensch aber ist Jesus, wenn er keinerlei göttliche Zusätze und Sonderausstattungen mehr benötigt, um die Intentionen der Liebe untereinander zu befördern. Wenn er frei ist von aller göttlichen Extrawurst. Wenn er Fehler macht, Widersprüche in sich trägt und sich daraus weiterentwickelt. Wenn er Angst hat vor dem Kreuz. Die vollkommene Menschlichkeit Gottes in Jesus ist der Verzicht auf Vollkommenheit im Sinne von Perfektion. Die Kenosis Christi ist das Loslassen vom Vorsatz der Vollkommenheit. Sie ist die Demut, die uns allen gemeinsame Fehlbarkeit anzunehmen, sich mit allen Unwissenheiten, Irrtümern und Schwächen anzunehmen und gerade so sich selbst als Sünder in der Akzeptanz durch Gott auch selbst zu akzeptieren. Sie ist die Demut, die eigene Bedürftigkeit durch die Gemeinschaft des Heiligen Geistes als Lerngemeinschaft und Wirkgemeinschaft zu stillen. Einsam bist du klein, aber gemeinsam werden wir Anwalt des Lebendigen sein.

Die Entwicklung der Moral als Prozeß der globalen Aufklärung

Kants Kategorischer Imperativ ist auf dem Hintergrund seiner frommen Erziehung als Neuauflage der Goldenen Regel (Mt 7,12 „Alles, was ihr wollt, daß euch die Menschen tun, das tut auch ihnen!“) zu verstehen. „Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger, und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.“[15] Er kann als die Forderung der universalen Geltung universalisierbarer Interessen geradezu naturgesetzhaft verbindlich gemacht werden. „Weil die Allgemeinheit des Gesetzes, wonach Wirkungen geschehen, dasjenige ausmacht, was eigentlich Natur im allgemeinsten Verstande (der Form nach), d.i. das Dasein der Dinge, heißt, sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist, so könnte der allgemeine Imperativ der Pflicht auch so lauten: handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte.“[16]

Heute wird immer mehr dessen ökologische Implikation überlebenswichtig, nachdem Adornos Maxime einer Moralität, in der Auschwitz nicht sich wiederholen dürfe, lange noch nicht eingelöst ist.[17] „Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden; oder negativ ausgedrückt: ‚Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die künftige Möglichkeit solchen Lebens‘; oder einfach: ‚Gefährde nicht die Bedingungen für den indefiniten Fortbestand der Menschheit auf Erden‘; oder wieder positiv gewendet: ‚Schließe in deine gegenwärtige Wahl die zukünftige Integrität des Menschen als Mit-Gegenstand deines Wollens ein.“[18] Damit zählt der Kampf gegen den Klimawandel zu der heute wichtigsten Maxime persönlichen und politischen Handelns und muß zum Mittelpunkt aller kirchlichen Aktivitäten werden.

 

Die Krankenheilungen Jesu als Heilsverkündigung

Lüdemann spricht davon, daß Jesus nur psychisch Kranke heilen konnte.[19] Als Gestalttherapeut weiß ich, wissen wir alle inzwischen mehr um die multiplen Verflechtun­gen des Seelischen mit dem Körperlichen. Beides gehört zum Leib und als Leib ist fast nichts Körperliches nicht auch von den Strömungen des Geistes und des Seelischen beeinflußt. Die Forschung über Placebo-Effekte zeigte, daß oft nicht die pharmakologische Wirkung, die sicherlich nicht zu unterschätzen ist, heilsam war, sondern bereits die Erwar­tung ihrer Wirkung, etwa im Stillen von Schmerzen, genau den Effekt hatte, der von der Droge auszugehen prophezeit war. Damit haben wir begriffen: die Prophezeiung hat eine Wirkung bei den Hörern, die zu ihrer Erfüllung führen kann. Sowohl im politischen Ge­schehen als auch an der Börse und gewiß in der Leibesgesundheit. Sie ist wirkmächtig, Magie der Sprache und ebenso der Performanz, der gesturalen Kommunikation. Sie kann Angst schüren, im Voodoozauber Leben vernichten, beleidigen und mit Leid über­schwemmen. Und sie kann befreien, Erlaubnis zur Freiheit geben, Sympathie und Liebe ausdrücken, leidenschaftliches Begehren offenbaren und auch wecken. Ernst Fuchs hat insofern einen zentralen Kern des Wirkens Jesu getroffen, daß das Sprachereignis, also das, was jemand sagt und wie er es sagt, wirkmächtig ist und daß Gott genau so wirkt, wenn irgend noch die Rede von Gott Sinn machen sollte. Es ist der Zuspruch, der heilen kann, nicht der von der Kanzel, der vielleicht ja auch, sondern der jedes Menschen zu je­dem anderen und genau darin hat Luther Recht mit seinem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen (und Ungläubigen, wie ich meine), daß wir alle einander Christusse sein kön­nen. Und im Wissen um diese helfend-heilende Kraft guter Worte, Blicke, Berührungen, Tonfälle damit verschwenderisch durch die Welt ziehen. Das Gesamt der menschlichen Ausdrucksmöglichkeiten bis hinein in die Kunst und Musik und religiösen Budenzauber der Kirche hat diese vivifikatorische Potenz, die Paulus als Glaube, Hoffnung und Liebe beschreibt und damit das Wirken Gottes in der Geschichte der Menschen. Damit findet die Abkehr von den Mythen über einen Gott statt, der die Welt, den Kosmos, die Galaxien geschaffen hat und alles Geschehen vom Urknall über die Frühjahrsüberschwemmung Mesopotamiens in Gen 1 bis zum starken Nilpferd arrangiert.

Die Wachstumsgleichnisse Jesu über das Reich Gottes erzählen von einem Gott, der in den Ähren sich selbst vermehrt, der nachgerade nach dem Muster biologischer Vermehrung seinen Geist, seine Praxisfiguren der Vergebung, der Akzeptanz feindlichen Lebensrechts die Idee der Versöhnung und des Friedenschaffens mit gerechten sozialen Verhältnissen auf den Weg bringt, ins Werk setzt, Wirken macht, verwirklicht. Damit hat Jesus die ein­zige Möglichkeit entdeckt, wie überhaupt ein Wirken des Guten möglich ist. Er hat dies angenommen als irdisches Wirken eines himmlischen Subjekts. Er hat in seiner bäuerli­chen Heimat das Prinzip des Lebens begriffen als das Prinzip des göttlichen Wirkens: Wachstum. Seine Gleichnisse zeigen an vielen Stellen diese Selbstvermehrung des göttli­chen Geistes in der gesamten Natur und aus der Unbeirrbarkeit der Vegetation folgert er auf die Unbeirrbarkeit des göttlichen Versöhnungswillens, der über allen seine Sonne auf­gehen läßt. Die Basis seines Gottvertrauens ist diese permanente Auferstehung in der Na­tur. Daraus lebt die ährenraufende Jesusbewegung, sein Jüngertrupp, die ohne geregelte Arbeit im Stile iranischer Reinigungspriester von Dorf zu Dorf zogen und dort durch Jesu Heilungen Gastfreundschaft erfuhren. Sie hatten keine Nester wie Vögel, sondern waren auf die Gnade der Dorfbewohner angewiesen, die umgekehrt beim Auftauchen dieser 13 Wanderer sich Heilung erhofften und vielleicht auch etwas Abwechslung im eher langwei­ligen Dasein dörflichen Lebens. Der Unterhaltungsfaktor des Jüngerkreises mit Jesus darf nicht unterschätzt werden. Als Rabbi hatte er ein hohes Ansehen in Fragen der Lebensfüh­rung. Er war eine Institution geworden. Zudem hatte sich die Kunde von der Heilungskraft Jesu herumgesprochen und von daher war er meist willkommen. Die Erfahrung, daß er durch den Glauben der Kranken an seine Heilkräfte schwere Krankheiten heilen konnte, brachte ihn zur Aussage, daß Glaube Berge versetzen kann. Von daher wuchs ihm die Zu­versicht, daß durch den Glauben an seine Heilandskraft sich in seiner Welt vieles zum Gu­ten wendete. Darin lag sicherlich eine gewisse hybride Selbstüberschätzung, aber genau dieses Vollmachtsbewußtsein war umgekehrt auch der Schlüssel für seine Heilungskraft. Es war Suggestion und deren Basis die Autosuggestion Jesu selbst, ohne die das Bergever­setzen nicht funktioniert hätte. Genau von diesem Effekt lebt auch jeder heutige Arzt: Schon die Erwartung, daß er kompetent ist und die Krankheit zu diagnostizieren fähig ist und dann therapieren kann, involviert die Selbstheilungskräfte des Patienten, solange er an die Wirksamkeit von Therapie glaubt. Ein Arzt ist nur so gut wie ein Patient sich ihm öff­net. Oder wie die Geräte, mit denen er in den Patienten hineinkommt, vom Sonographen bis zum Herzkatheter. Für Gott gilt ähnliches: Ohne den Glauben an seine Heilkraft kann Jesus nicht heilen. Gott ist auf unseren Glauben angewiesen, ohne unsere Hoffnung hat Gott keinen Einfluß in der Welt und im All kann er keinen einzigen Steinbrocken aus sei­ner Umlaufbahn wegfliegen lassen.

Die Macht Jesu lag im Glauben der Menschen an ihn. Ohne sie konnte er nicht heilen: Mt 9,22 Da wandte sich Jesus um und sah sie und sprach: Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Und die Frau wurde gesund zu derselben Stunde. Mk 10,52 Und Jesus sprach zu ihm: Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen. Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege. Lk 7,50 Er aber sprach zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden! Lk 8,48 Er aber sprach zu ihr: Meine Tochter, dein Glau­be hat dir geholfen. Geh hin in Frieden! Lk 17,19 Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.

Medizin und Priestertum in Israel zur Zeit Jesu

Offenbar gab es auch weitere Ärzte in Israel zur Zeit Jesu, wie die blutflüssige Frau Mk 5,25-34 zeigt, die ihr gesamtes Vermögen seit 12 Jahren Bluterkrankheit ohne Heilerfolge an diverse Ärzte aufgebraucht hatte. Die persischen Magier hatten eine beachtliche medi­zinische Heilkunst entwickelt; ägyptische Mediziner hatten bereits komplizierte Operati­onstechniken entwickelt und eine differenzierte Pharmakologie. Hippokrates (460-370 v.Chr.) hatte um 400 v.Chr. eine hochdifferenzierte Medizin entwickelt mit einer Theorie der 4 Körpersäfte, die über Jahrhunderte die abendländische Medizin prägte. Wie weit die griechisch-hippokratische oder ägyptische Pharmakologie im Hellenismus in Israel ver­breitet war, ist m.W. nicht erforscht. Man kann aber annehmen, daß es auch Ärzte in Je­rusalem gab, wenn dort auch ein griechisches Gymnasium existierte. Galenus weiß von einem jüdischen Arzt Rufus Samaritanus in Rom. Der Arzt und Anatom Theudas aus Laodicea am Lycos, wird in der Mishna in Bekhorot 4,4 als berühmter Tierarzt bei der Feststellung der Makellosigkeit erstgeborenen Viehs für Opferzwecke erwähnt. Viele Talmudgelehrte waren Ärzte und daß Jesus geheilte Leprakranke auffordert, sich den Jerusalemer Priestern vorzustellen, um ihre Genesung vom Aussatz zu bescheinigen, weist auf das Erstarken der Medizin innerhalb der jüdischen Priesterschaft hin. Mk 1,44: „Sieh zu, daß du niemandem etwas sagst; sondern geh hin und zeige dich dem Priester und opfere für deine Reinigung, was Mose geboten hat, ihnen zum Zeugnis.“ Schon Lev 14,2-32 zeigen die Reinheitsgebote den alten persischen Einfluß der Reinigungspriester und der persischen Medizin. Wie sehr die Heilung durch Worte, Zauberworte, Beschwörungen oder Besprechungen eine besonders hohe Kunst innerhalb der Medizintechniken war, können wir aus der persischen Medizin lernen. Dieses Wissen legt nahe, Jesu Heilungspraxis in enger Verbindung mit den Traditionen der persischen Magier zu verstehen.

Der jahrhundertelange Einfluß persischer auf jüdische Medizin

Es hat sogar eine Chirurgie in der avestischen Medizin gegeben. Angehende Chirurgen sollen an Daēva-Anbetern ihre schnittigen Fähigkeiten erproben. Erst wer drei Daēva-Anbeter durch Kunstfehler liquidiert hat, ist durch die Prüfung gefallen und darf nicht bei Mazda-Anbetern praktizieren; wer hingegen drei Daēva-Anbeter so operiert hat, daß sie überlebten, darf unbefristet hinfort Mazda-Anbeter behandeln. (Vd 7,36-40) Das Honorar richte sich nach den Einkommensverhältnissen der Patienten, vom Segen des Priesters über den Preis eines Stiers beim Dorfherrn und eines Hengstes beim Gauherrn bis zum Vierspännigen Wagen beim Landesherrn. Deren Frauen zahlen die Preise für Eselin, Kuh, Pferdestute und Kamelstute. (Vd 7,41f) Kinder und Tiere haben noch niedrigere Tarife. (7,43) Neben dem Chirurgen gab es Ärzte mit Heilpflanzentherapie, also Medikamenten, und solche, die durch Besprechung mit dem heiligen Wort heilen. Diese können sogar Eingeweide heilen, weil das Wort über Sympathicus und Parasympathicus den inneren Stoffwechsel beeinflussen kann, und gelten darum als die besten Ärzte. Die schamanische Medizin hat also gegenüber Messer und Säften den ungleich höheren Stellenwert behalten. (7,44) Bei Fieber und Schüttelfrost soll Wasser getrunken werden, da es aber auf eine Daēva-Infektion und also ein Verstoß gegen die Reinheitsgebote schließen läßt, soll nach Genesung eine Strafe von 200 Peitschenhieben verabreicht werden. (7,60-72) Hier deutet sich bereits an, daß Krankheiten insofern Sünde sind, als man die Ansteckung hätte vermeiden können durch Meidung der infektiösen Orte und Lebewesen. Zur Hygiene gehört auch die 1-6malige Reinigung des mit Leichen kontaminierten Geschirrs durch die drei Waschgänge Rinderharn - Erde - Wasser, gestaffelt nach dem Material der Schalen von Gold über Silber, Eisen, Stahl bis Steingut, welches 6mal den Dreierdurchgang benötigt, ehe es rein geworden ist. (7,73-75) Mit Leichen kontaminierte Rinder dürfen ein Jahr lang nicht verwertet werden als Milch-/Fleischquelle für Opferzwecke oder als Nahrung. (7,76f) Nur wer schon von den Druj-Daēvas besessen ist, ist imstande, leichenkontaminiertes Wasser im Opfer zu verwenden. (7,78f)

Thrita war der erste Arzt nach dem Mythos von Vendidad 20. Er soll als erster die Stichwunde, also Wunden überhaupt, und das Fieber geheilt haben. (20,2) »Er bat um eine Quelle von Mitteln; er erhielt sie von Khšathra-Vairya, Mittel gegen Krankheit und Tod, Schmerz und Fieber, Sarana und Sarastya, Azana und Azahva, Kurugha und. Azivaka, Duruka und Astairya, gegen das böse Auge, Fäule, und Infektion, die Angra Mainyu gegen die Körper von Sterblichen geschaffen hatte.«(20,3) Ahura Mazdā brachte die unzähligen Heilpflanzen, die überall wachsen.(4) Wesentlich sind die Gebete, ja Beschwörungen, mit denen die Krankheit beim Namen angesprochen wird und ihr ein „Verschwinde!“ entgegengeschleudert wird.(5+7) Denn sie sind ein Machwerk Ahrimans, der hinter jeder Krankheit steckt und somit selbst bekämpft wird durch die Heilung.(8) Der Heiler ist ein Dämonen-Terminator.(9f) So betet der Arzt sein :Yatha ahu vairyo »Wer ist siegreich und wer wird schützen die eingeweihten Deinen? Hilf mir aufzuräumen, daß ich der Führer für beide Welten bin. Möge Sraoša mit Vohumana zur Hilfe kommen, wem auch immer Du es wünschst, O Mazda! Schütze uns von unserem Hasser, O Mazda und Armaiti Spənta! Stirb, O teuflischer Druj! Stirb, O Brut des Satans! Stirb, O Welt des Satans! Stirb weg, O Druj! Stirb weg zu den Gebieten des Nordens, nie wieder sollst du die lebende Welt der Gerechtigkeit in den Tod geben!«(13) Der Mediziner versteht sich hier als Führer beider Welten, der materiellen und der geistigen. Die schamanische Herkunft dieses Zunftverständnisses liegt schlagend zutage.

Die Religion der parsischen Magier übte »eine sehr spürbare Wirkung auf die Entstehung des Judentums aus, ja, einige seiner Hauptlehren verbreiteten sich durch Vermittlung der jüdischen Kolonien im ganzen Mittelmeerbecken und wurden später von der katholischen Orthodoxie übernommen.«[20] Im Achämenidenreich war der Mazdaismus Staatsreligion geworden und die Diadochen verehrten in ihren Satrapien neben Ahura Mazdā den Miθra als Siegesgott der Herrscher.[21]

Schon in assyrischen Keilschrifttexten aus Bibliothek Assurbanipals wird Miθra mit Šamaš als Sonnengott identifiziert.[22] Also war 630 v.Chr. Miθra in Mesopotamien schon bekannt, längst bevor er der Gott der persischen Sieger war. Susa liegt ca. 300 km von Ur in Chaldäa entfernt, Perser und Chaldäer lebten seit dem 9. Jh.v.Chr. in enger Nachbarschaft. Beim Sieg über die Assyrer 614 sind Perser und Babylonier Verbündete und hatte so sicherlich auch Verbindungen in Diplomatie, Handel und Religion. Mit dem Sieg von Kyros II. über die Babylonier 539 v. Chr. kommen Magier in Massen ins Euphratgebiet und bilden Artaxerxes' (Artaxšatra) Verwaltungsstab.[23] In diesen 200 Jahren persischer Herrschaft kommt es zur Fusion mit der chaldäischen Theologie, in der der medische Zervanismus durch die Astrologie der Chaldäer trotz offizieller Ächtung der Perserkönige Aufwind erhält. »Die Legenden der beiden Religionen wurden einander näher gerückt, ihre Gottheiten identifiziert, und die semitische Astrolatrie, das monströse Produkt langer wissenschaftlicher Beobachtung, begann sich über die naturalistischen Mythen der Iranier zu breiten. Ahura-Mazda wurde mit Bel verschmolzen, der über den Himmel herrscht, Anāhītā der Ishtar assimiliert, welche den Planeten Venus regiert, und Mithra wurde die Sonne, Shamash.«[24] Mit der Hellenisierung durch Alexander wird die persische Religion ebenfalls hellenisiert. Ahura Mazdā wird Zeus, Miθra Apollo, etwa am Nemrud Dagh; Anāhītā wird Artemis. Die mazdaistische Substanz ist nicht an Gottesnamen gebunden. In Kleinasien gab es infolge der seleukidischen Umsiedlungspolitik von Antiochos III. ab 200 v.Chr. neben jüdischen Gemeinden auch Kolonien von Magiern, die aus Babylon ausgesiedelt ihre mazdäisch-chaldäisch-zervanistischen Gedanken mit hellenischen Traditionen vermischten.[25] Grundlegend ist der indoiranische Götterdualismus: Mitrae und Varunae, die beiden Herrengötter der irdisch-sozialen Sphäre, Asuras (=Ahura: Herren) gegenüber den eher kosmischen Daēvas wie Indra, Vayu oder Agnie, bilden ein komplementäres Paar: Mitra schafft in lichter Morgenröte neue Kraft zur Entfaltung des Lebens, schafft ausgedehntes Weideland und so Reichtum, Freiheit, Bewegung; Varuna dagegen herrscht im ungestalteten Urmeer und der Nacht und wacht strafend und zurückhaltend über die kosmisch-soziale Ordnung, Rita.[26] Hier findet der indo-iranische Dualismus von Licht und Finsternis seinen Ausdruck. Varuna ist im Iran »als Ahura, der Herr, schlechthin geehrt worden, und Mithra ist überall geehrt worden, solange die alte iranische Religion bestanden hat. Die Dämonennamen Indra und Nanghathya im Vendīdād sind sicher ein Zeugnis dafür, daß die Iraner einmal Indra und jedenfalls den einen Nāsatya als Gottheiten verehrt haben... Den beiden indischen Göttergruppen, den Asuras und den Devas, entsprechend finden wir im Iran Ahuras und Daēvas.«[27] Beide werden als Ganzheit verehrt, als Einheit der Gegensätze. Dieser Gegensatz wird die zentrale Kategorie der Apokalyptik. Vayu, Atar (indisch: Agni) und Haoma (indisch: Soma) sind ebenfalls gemeinsam: »Das heilige Feuer ist Zeuge der Opferzeremonie und manifestiert die Gegenwart der Gottheit. Der Opfertrank war der gefilterte, mit Wasser und Milch vermischte Saft einer Pflanze, die die Inder Soma nennen und die Iraner Haoma.«[28]

Kyros II. (539-29) hatte nach Sieg über Babylon 538 eine außergewöhnliche Milde an den Tag gelegt. Tatsächlich begleiteten diesen Machtwechsel nicht wie gewöhnlich Deportationen und Hinrichtungen, sondern Kyros ordnete »eine weitgehende Restitution der verschiedenen alten Kulte und eine Repatriierung von Göttern und Kultgeräten der Länder Babyloniens und Sumers an« (Kyroszylinder).[29] Vermutlich wurde dies aber erst nach Konsolidierung der 20 persischen Satrapien unter Dareios I. (521-485) realisiert, als nach Kambyses' Tod während der Revolte der Magier Smerdis und Gaumata[30] gegen Kyros II. um 520 Haggai und Sacharja die Wiederherstellung des Jerusalemer Tempels forderten.[31] Er wurde 515 fertig.[32] Die desolate Situation im Zentrum der persischen Satrapien löst sofort nationalistisch-eschatologische Hoffnungen und Separationen bei den Exilheimkehrern aus, die ja zur Oberschicht Judas gehörten und entsprechende Machtgelüste hatten entwickeln können.[33] Da eine nationale Autonomie im Spannungsfeld der Großreiche unmöglich war, formierte sich die messianische Hoffnung Theokratie, in der die Priesterschaft einen Machtzuwachs erzielte.[34] Die Zadokiden als Hohepriester füllen die Lücke des völkischen Königs, der durch den persischen Satrapen ersetzt war. Xerxes hatte nach den Feldzügen gegen Griechenland 480f v.Chr. Babylon grausam zerstört, den Marduktempel Esagila mit der Zikkurat geschleift und die Satrapie Babylon zu Assyrien geschlagen. Juda gehörte danach zur Satrapie Transeuphratene und war zufrieden mit dieser späten Rache an Babylon.

Die Magier werden als Lehrer der Brahmanen gesehen: »Klearch von Soli sagt in seinem Werk „Über Erziehung“, die Nacktweisen (= indische Brahmanen) seien die Nachfahren der Magier. Einige halten dafür, daß ebenfalls die Juden von diesen abstammen.«[35] Von den Brahmanen stammen laut Josephus die Juden ab.[36] Hier ist die indoeuropäische Wurzel von Avesta und Rigveda erfaßt. Was aber ist an der Bemerkung triftig, auch die Juden stammten von den Magiern ab? Hier kann keine ethnische, sondern nur religiöse Beeinflussung gemeint sein. Diese kam nicht direkt aus Persien nach Israel, sondern über das Exiljudentum Babylons, wohin sich im Troß von Kyros II. persische Magier in beachtlicher Zahl begaben. Die chaldäische Astrologie wurde von ihnen zum zervanistischen Periodenschema resorbiert, welches bereits im Danielbuch erkennbar ist. Wenn in allen Satrapien des persischen Großreiches schreibkundige und gebildete Magiergruppen als Verwaltungsstab die Loyalität der Reichsteile sicherten, war es undenkbar, daß nicht mit den rückgesiedelten Exiljuden Babylons auch Magiergruppen zur Neugestaltung Israels mitgekommen sind, deren Einfluß wohl wesentlich höher zu veranschlagen ist, als in Esra und Nehemia deutlich wird. Esra 4,7 schreibt ein Jerusalemer Gremium an Artaxerxes I. (464-423 Artaxšatra  = )fT:&a$:xaT:ra) Esra 7,11ff) in dem ein anderer Mithridates (tfd:r:+im) eine zentrale Stellung hat als der 1,8 erwähnte Schatzmeister des Kyros II. Dies war sicherlich ein hochrangiger Perser. Die von den Babyloniern in Jerusalem angesiedelte Verwaltungselite aus Erech, Babylon und Susa (4,9f) amtiert nach dem Fall Babylons weiter in Jerusalem in persischem Dienst, und äußert 4,12-16 Besorgnis über den erstarkenden jüdischen Nationalismus, der bis zur Verweigerung von Steuerzahlungen an die Perser zu gehen droht. Wenn aus dem seit Dareios I. um 500 zur Perserhauptstadt ausgebauten Susa „Elamiter“ in Jerusalem regieren, sind dies keine von Nebukadrezar umgesiedelten Elamiter, sondern Paraši, die seit dem 9. Jh.v.Chr. die Elamiter übervölkert und verdrängt haben. Die Elamiter sind persische Hofbeamte und Magier, die nach 500 als loyale Verwaltungskräfte nach Jerusalem entsandt worden sind.

Genau so ist auch der Diasporajude Nehemia in Susa aufgewachsen und vom Mundschenk des Artaxerxes von 445-425 zum Statthalter von Juda und Jerusalem aufgestiegen, wo er einen Schuldenerlaß für die Verarmten und die Ausbesserung der Stadtmauern veranlaßt.[37] Wer den persischen Hof kennt, weiß, daß keiner eine derartige Vertrauensposition bekommt, der nicht in der Tradition der Magier erzogen ist. Nehemia muß die persische Priesterausbildung durchlaufen haben. Dieses Schreiben der Jerusalemer persischen Verwaltung in Esra 4,12-16 von ca. 460 v.Chr. in der persischen Amtssprache Aramäisch, was vermutlich die Entsendung Esras ausgelöst hat, wird vom Chronisten einfach vor 519 datiert zum Grund für Verzögerungen im Tempelbau gemacht, der im 2. Jahr von Dareios I. 519 weitergebaut und 515 eingeweiht wird. In Ekbatana fand sich der Baubefehl von Kyros II.

Esra war Schriftgelehrter, den Artaxerxes I.  als Gesetzeslehrer 458 v.Chr. von Babylon nach Israel sandte. »Esras Werk bestand darin, in Juda und Jerusalem klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Das entspräche der auch sonst bezeugten persischen Politik, welche nicht bestrebt war, ein für das ganze Reichsgebiet gültiges Recht zu erlassen, sondern die lokalen, angestammten Rechtssysteme reichsrechtlich zu sanktionieren.«[38] Neh 8 verliest Esra vor dem vollversammelten Volk im Tor feierlich das wiedergefundene Gesetz des Mose, aber weder in der persischen Amtssprache Aramäisch noch hebräisch. Man darf vermuten, daß es pahlavi geschrieben war. Mischehenverbot[39] und die Reinheitsgesetze sind Übernahmen aus Dēnkard und Vendidad.[40] Sie sind nicht mit der avestischen Gewichtung von Hund und Geier[41] versehen, sondern israelischen Verhältnissen angepaßt. Das neueingeführte Laubhüttenfest ist der zoroastrische Feiertag des Ayātrəm am 4. Gahambar.[42] Wenn Esra in 7,1-10 als schriftgelehrter Jude von Artaxerxes I. 458 aus Babylon mit einem ganzen Verwaltungsstab nach Jerusalem geschickt wird, um antipersische Strömungen einzudämmen, war dieser sich der Loyalität seines Gesandten sicher, den das Esrabuch als zweiten Salomon stipuliert, der aber als babylonischer Diasporajude nach 80 Jahren starker persischer Magiereinflüsse in Babylon sicherlich viel stärker persisch geprägt war. Etwa zeitgleich regiert Ostanes in Memphis die ägyptischen Tempel mit seinem Seminar, wo auch Demokrit Mitarbeiter einer Amalgamierung von Zoroastrismus und ägyptischer Priestertradition wird.[43]

Es ist oft vom Gott des Himmels ({iyfmf$ah y"hOlE) oder a)fyam:$ hflE)) die Rede.[44] Der phönizische }Oy:lA( ist dessen ältester Vorläufer, cf Jes 14,14; Ps 83,19. Er ist in Ugarit zu l") geworden und in Kanaan zu {yimf$ la(ab und so in die Jahwegestalt eingeflossen.[45] In persischer Zeit ist in diese phönizische Tradition Ahura Mazdā eingeflossen und so mit hfwoh:y identifiziert wird, was wohl zur theologischen Leistung Esras gehört, der damit das Judentum als eine Spezialform des Mazdaismus legitimieren konnte und so vor einer harten Religionsverfolgung schützen, wie sie nach dem Aufstand des Inaros (460-456) gegen Artaxerxes I. in Ägypten stattfand. Wenn dort gerade auch Phönizier als Besatzer eingesiedelt werden, zeigt dies das Vertrauen der Perser in die Phönizier. Ištar wird in Arapha neben Zurvan verehrt. Sie bildet eine Verbindung zwischen Medern, Assyrern, Babyloniern, Phöniziern und Kanaanäern. Die Verschmelzung von El und Ahura Mazda war wegen der strukturellen Affinitäten beider besonders evident zu machen: Alter richtender Schöpfervater auf Thronsitz mit regierenden Söhnen in Götterversammlung auf seinem Berg mit heiliger Quelle will Weisheit und Gerechtigkeit auf Erden. Mischehen von Magiern und Juden werden auf Drängen konservativer Magier verboten, Esra münzt dies 9,1-4 um zur Entflechtung von Judäern und Samaritanern.[46] Neh 8,6ff wird das Gesetz mit Erklärungen vor der Gottesdienstversammlung verlesen, die mit erhobenen Händen und Proskynese singt, also Zaraθuštras Gebetshaltung. Diese Erklärungen entsprechen den iranischen Zand-Lederbänden, die gottesdienstlich rezitiert wurden. Im davidischen Königtum wurden Psalmen gesungen, hier kommt das iranische öffentliche Rezitieren und Kommentieren hinzu, die Wende vom Hymnus zur Predigt von einer Holzkanzel als aktiver, teilnahmepflichtiger Volksmission.

Wenn schon die Vortragsform iranisch ist, haben iranische Inhalte kaum gefehlt unter der restriktiven Religionspolitik von Artaxerxes I. So müssen die Reinheitsgesetze Lev 10-22; Num 5f; 9; 19; Dtn 14f; 21; 24 als judaisierte Vendidad verstanden werden, markant bei Speiseregeln reiner Tiere, Priesterreinheit, Totenunreinheit, Schutz der Reinheit der Erde.[47] Auch Ez 20,26ff; 22-24; 44,25 und Dan 1,8 basieren auf iranischen Reinheitsregeln, die die babylonischen Diasporajuden selbstverständlich übernommen hatten und in Israel einführten. Die vorexilischen Schichten des AT, Sagenkränze, Annalen und Patriarchengeschichten enthalten die Kategorie der Unreinheit nicht.

 

Magische Wurzeln in den Heilungswundern Jesu

Man darf also von ei­ner frühen persisch, ägyptisch und griechisch geprägten Schulmedizin auch in Israel sprechen, die bei dieser blutflüssigen Frau Mk 5,25-34 ihren Blutfluß nicht hat heilen kön­nen. Weil das Wort über Sympathicus und Parasympathicus den inneren Stoffwechsel beeinflussen kann, hat es gegenüber chemischen Wirkstoffen mit ihren Nebenwirkungen den Vorzug des Zugriffs auf die Selbstheilungskraft des Leibes.

Das Verfahren Jesu basiert nicht auf pharmakologischen Applikationen, sondern auf der Freisetzung der körpereigenen Selbstheilungskräfte durch Magie. Es arbeitet mit dem Placebo-Effekt. Die Heilung ist bei Markus wie ein Energiefluß vom Heiler zum Kranken dargestellt. Zaubern kostet den Zauberer eine seelische Kraft, ähnlich wie sie den Psychotherapeuten Kraft kostet. Das Glaubensgeschehen der Heilungen Jesu wird in vielen Perikopen ge­schildert als Kraftfluß und Glaube begriffen als eine Lebenskraft in der Seele der Men­schen.

Die Perikopen über die Dämonenaustreibungen Jesu Mk 3,22-27par; Mt 10,25; Joh 7,20; 8,48.52; 10,20 zeigen Jesus als Magier.[48] Die Beurteilungen der Zuschauer reichen vom „Er ist von Sinnen.“ bis zu „Er hat einen unreinen Geist.“ Wahrscheinlich hat Jesus bei seinen Heilungen nicht nur segnend Hände aufgelegt, sondern in der schamanischen Tradition der Geistanrufung laut gebrüllt oder gesungen und andere Ekstasetechniken praktiziert. Mk 3,22: »Die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabgekommen waren, sagten: Er ist von Beelzebul besessen; mit Hilfe des Anführers der Dämonen treibt er die Dämonen aus.«[49] Die Austreibung der Daēvas in der Vendidad geschah unter Anrufung der Yazata als Hilfsgeister, die die Dämonen vertreiben sollten.

Unter Dämonen verstehen die Evangelien böse, unreine Geister, die in Menschen oder Tieren hausen, schwere Krankheiten seelischer oder leiblicher Art verursachen und so die Menschen versklaven (vgl. Mk 5,9.11; 6,13; Mt 9,32; 12,45; Lk 10,17-20; 13,11 u. ö.). Diese Dämonologie der Besessenheit von Geistern ist dem AT fremd. Sie ist Zentralthema der avestischen Vendidad. Beelzebul ist Mk 3 (cf Mt 10,25) der Dämonenführer. Er ist ein alter samaritanischer Gott laut 2 Kön 1,2 »Ahasja war in Samaria durch das Gitter seines Obergemachs gefallen und hatte sich verletzt. Er sandte Boten ab mit dem Auftrag: Geht, befragt Beelzebul, den Gott von Ekron, ob ich von diesem Leiden genesen werde.« Die Bezeichnung Zebul (= Fürst) wurde Baal und anderen Göttern als Ehrentitel gegeben: Fürst Baal. Jesus wird also mit den samaritanischen Traditionen des Baal Zebul als oberstem Gott aller Geister in Verbindung gebracht von seinen Gegnern. Man darf davon ausgehen, daß an den Vorhalten der Gegner oft mehr historische Wahrheit ist als an der evangelischen Anti-Pointe. Wie kommen die Pharisäer auf die samaritanische Tradition des Baal Zebul, wenn nicht dadurch, daß das gesamte Setting der Dämonenaustreibungen Jesu diesen Traditionen ähnelte und sich hieraus entwickelt hatte. Diese Baal-Zebul-Tradition dürfte ein kanaanäisches Heiligtum mit einer etablierten Prophetenschule als Sitz im Leben haben. Die Mantiker von Ekron scheinen sich im samarischen Volk lange gehalten zu haben, wenn über Dan 7,13 dann die Auferstehung des Baal zum Prototyp des kommenden Menschensohns wird, an den Jesus gut geglaubt haben kann, auch ohne sich mit ihm zu identifizieren. Die Passung der Baal-Wiederkunft und des kommenden Saošyant war so wahlverwandt günstig, daß die zervanistische Theologie der Magier, die von Damaskus[50] und anderen syrischen Städten nach Samaria kamen, auf sehr große Aufgeschlossenheit stieß, weil sie autochtonen Traditionen entsprach.

Mt 12,28 ist der in der Taufe von oben auf ihn herabgerieselte Heilige Geist die Kraft, mit der Jesus Geister austreiben kann. Mt 12,43-45 par Lk 11,24-26 berichtet Jesus aus seiner Austreibungspraxis: »Wenn der unreine Geist von einem Menschen ausgefahren ist, so durchstreift er dürre Stätten, sucht Ruhe und findet sie nicht. Dann spricht er: Ich will wieder zurückkehren in mein Haus, aus dem ich fortgegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er's leer, gekehrt und geschmückt. Dann geht er hin und nimmt mit sich sieben andre Geister, die böser sind als er selbst; und wenn sie hineinkommen, wohnen sie darin; und es wird mit diesem Menschen hernach ärger, als es vorher war.« Der Dämon kann wie die Schamanenseele in der Wüste herumstreifen und später wieder in den Körper zurückkehren. Mehrere Dämonen können sich zu einer Körperbesetzung verbünden. Mk 5,9ff sind es sogar 2000 als Echo der Foltererfahrung der Legionäre in der Seele des Geraseners, die in Schweine fahren und an ihnen die autoaggressiv in Selbststeinigung umgeleitete vernichtende Inskription der Folterer auslassen, indem die Schweine, die Legionäre, in den See rasen und ertrinken. An Mk 5 erkennt man, wie die Dämonen oft traumatische Inkorporationen anderer Menschen sind, was von der Schizophrenieforschung bestätigt wird. Es sind fehlgeleitete innere Objekte, demütigende und krankmachende Einschreibungen übergriffiger, böser Menschen. Der Gerasener wird erster Apostel Jesu in der Dekapolis. Er wird Medium des göttlichen Geistes. Der Geist Jesu ist den bösen Geistern hierbei wohlbekannt und hat Macht über sie alle. Es ist ein Kampf der Geister, den Jesus immer wieder gewinnt.

Diese Wunder haben die Schamanen und in ihrer Tradition die medischen Magier entwickelt, über die Thraker ist natürlich auch die griechische Orphik davon geprägt und Pythagoras hat viele Wunder getan. Die Magier haben in ihrer zervanistischen Ausprägung nach Rezeption babylonischer Astrologie einen entscheidenden Einfluß auf die Täuferbewegungen gehabt. Elchasai ist dafür ein Beispiel und die die 30 Monatstage symbolisierende Jüngerzahl der Johannestäufersekte mag ein weiteres Beispiel sein, wie nah Jesus an der Astrologie war. Der zervanistische Ursprung des apokalyptischen Äonenmodells mit dem Sieg über die finsteren Mächte und Knechte Ahrimans, den kommenden Saošyants und der Verwandlung der Welt ist unbestreitbar. Ohne Kontakte mit Magierkolonien wäre die Apokalyptische Idee nicht so tief in das Judentum und besonders die Täufersekten und Essener eingedrungen. Die gesamte Idee der Taufe als Reinigungsritus ist nur sinnvoll im Kontext einer Dämonologie iranischen Ursprungs: Die Daēvas sollen durch das Untertauchen im Flußwasser aus dem Körper entfernt werden.

Simon Magus war ein Mitbruder Jesu in der Täufersekte des Johannes, von der Jesus sich später gelöst hat. Simon ist nach Alexandrien gereist, um dort bei Magiern zu studieren. Dies dürfte keine einzigartige Begegnung gewesen sein, so daß man gerade bei angehenden Sektenführern von einer intensiven Auseinandersetzung mit den persischen Traditionen ausgehen kann, durch die die gefragten medizinischen, mantischen und theologischen Kenntnisse eines Wunderheilers vertieft werden konnten. Wenn Johannes der Täufer seinen Lieblingsjünger Simon nach Alexandria zu Magiern ins Studium entließ, hatte er auch selbst dazu eine sehr intensive Bindung. Diese muß auch Jesus geprägt haben. Nach Mt 2,13-19 hat Jesus seine Jugend in Ägypten verbracht und könnte dort auch mit der Magie in Berührung gekommen sein, wenn man Mt glauben darf.[51] Jesus wird in den verschiedenen Büchern der Toledot Jeschu der jüdisch-antichristlichen Polemik als Magier und Schwindler (pla/noj) dargestellt.[52]

Auch Justin kennt diese Beschuldigungen. Für die Juden ist Jesus »ein von Menschen geborener Mann, der diese „Kunststücke“, die wir Wunder nennen, durch magische Kunst vollführte und daher für einen Sohn Gottes gehalten wurde.« Die Nähe zum Magiertum dürfte dabei zu Recht getroffen sein. In seiner Apologie an den römischen Caesar schreibt er über die christliche Kehre: »Die wir einst an käuflicher Liebe Freude hatten, heißen jetzt allein die Besonnenheit willkommen. Die wir auch magische Techniken anwendeten, stellen uns nun zum guten und ungewordenen Gott.«[53] Heute würden wir es Sparsamkeit nennen, sein überschüssiges Geld und Sperma nicht einer Sex-Arbeiterin anzuvertrauen.

Auch die Gestalttherapie und Integrative Therapie arbeitet mit Magie und weiß um diese der Rationalität des Alltagsdenkens noch nicht vollständig erschlossenen Prozes­se im Gehirn und im gesamten Leib. Das Hohelied beschreibt die Kraft des Begehrens, der Geilheit, des Verlangens als Weisen göttlicher Liebeskraft und trennt die sexuelle Libido noch nicht viktorianisch-kirchlich von der Gottesliebe ab. Die ägyptischen Zauberpapyri zeigen neben Liebesdrogen auch magische Besprechungen und Zauberrituale, die das Ziel haben, das Objekt der Begierde in ebensolcher Leidenschaft entbrennen zu machen. Schon Gen 1 wird Gott als ein Zauberer dargestellt, dessen Worte magische Schöpferkräfte haben, wenn man sie nicht als königliche Kommandos verstehen will, die die Schar der Bediensteten dann auszuführen hätte.

Bei Jesu Heilungen spielen Worte und Berührungen eine entscheidende Rolle. Wenn man den Begriff Sprachereignis von Ernst Fuchs aufweitet auf das Gesamt der zwischenmenschlichen Kommunikation, würde es Jesu Tun besser gerecht. Hier kommt doch immer noch die kirchliche Beschnei­dung des Leibes zum Tragen, die die Theologie nach dem Faschismus geprägt hat. Mit der Sprechakttheorie Austins darf man den illokutionären, performativen Aspekt, die gesturale Expression, nicht vom lokutionären des reinen Sprechens trennen. Ähnlich wie Jesus arbeitete auch Simon Magus mit seinem Jüngerkreis. Und an ihm sehen wir besonders klar, wie die Heilverfahren der persischen Magier in Israel etabliert waren zur Zeit Jesu. Zentrale Einsichten liefern die Pseudoklementinen.[54]

Die Magie der Sprache ist auch in den Gottesdiensten und der Seelsorge wirkmächtig. Sie kann in Krisen aller Art sehr stabilisierend und hilfreich wirken. Diese Dimension im Leben Jesu hat ihm den Beinamen Heiland eingetragen.

Jesu Irrtum über das lebzeitige Anbrechen des Himmelreiches

Das von Jesus noch zu seinen Lebzeiten erhoffte und angekündigte Reich Gottes ist in der von ihm erhofften Totalität nicht eingetroffen bis heute. Damit verbinden sich die Hoffnungen auf eine Wiederkunft zum Weltgericht. Auch diese Parusie ist nicht geschehen. Die Welt ist nicht gerechter geworden und das Handeln der Kirchen hat die teilweise von der Arbeiterbewegung geforderte und erkämpfte Gerechtigkeit nicht befördert und nicht einmal im eigenen Raum unterstützt. Als dritten Weg propagiert die Kirche eine besondere Form der Ausbeutung ihrer Mitarbeiter in den unteren Etagen der Hierarchie. Reich Gottes sähe auch in der Kirche deutlich anders aus. Je höher in der kirchlichen Hierarchie, desto fetter die Ephoralzulagen zum Grundgehalt.

Nun kann man dies nicht Jesus anlasten. Aber es zeigt doch deutlich, wie wenig er auferstanden ist in das Handeln und Leben seiner Kirche. Jesu Auferstehung ins Kerygma hinein, wie Bultmann es nannte, war ebenfalls ein Flopp. Jesus wäre mit dem Handeln der Kirche in seinem Geist sehr unzufrieden, so wie er über Jerusalem geweint hat. Wenn nach 2000 Jahren dieses Senfkorn Christus nicht aufgegangen ist, sondern immer noch als kleine Kraft in den Schwachen herumkrebst, während die Mächtigen der Kirchen sich das Leben mit Abendmahlswein schöntrinken, dann sind alle Hoffnungen Jesu auf das Kommen des Reiches Gottes im Wüstensande versiegt.

Zum Tod Gottes in seinem Sohn am Kreuz gehört auch, daß er im neuen Leib Christi, in der Kirche, als Tröstergeist nicht korrekt reüssiert hat. Allein schon die große Beliebtheit des Johannes-Evangeliums mit seiner gnostischen Wende zu einer Trinität Vater – Sohn – Geist kann als Abkehr von dem Jesus der früheren Evangelien verstanden werden, als Desinteresse an dem Menschen Jesus, als Empathieschwund mit Jesus. Die Steigerungen der Grandiosität Jesu sind purer Narzißmus der Gläubigen: Je größer ihr Gott, desto gewaltiger die Abstrahlung seines Glanzes auf sie selbst, desto größer ihr Trost in einer feindlichen oder sie milde belächelnden Umwelt.

Stellen wir uns einen liebenden Gott vor, der nicht seinen Sohn ans Kreuz geschickt hat, um die Menschen von ihren ansonsten todwürdigen Sünden zu befreien. Stellen wir uns weiter vor, daß er eine Vorliebe hatte für die Mühseligen und Beladenen, genau wie Jesus. Stellen wir uns vor, daß er miterleben muß, was seit Jahrtausenden seit dem Auftreten seines Sohnes Jesus auf Erden geschieht und wie sich seine Kirche, also die Kirche, die ihn verehrt als Gott der Liebe, in dieser Zeit entwickelt hat zu einer Weltmacht, die mit ihren Impulsen unendliches Leid über diesen Globus gebracht hat. Muß es für diesen Gott, der wohl nicht allmächtig ist, der wohl nicht eingreifen kann und die Menschen vor schlimmerem bewahren kann, der vollständig ohnmächtig und hilflos mit ansehen muß, wie dieses seine Menschheit sich immer schrecklicher zugrunde richtet – muß es für diesen Gott nicht furchtbar sein, zur Machtlosigkeit verdammt zu sein und diese Geschichte des nicht enden wollenden Leidens zu erdulden? Muß es für ihn nicht grauenvoll sein, wenn in seinem Namen Kriege geführt werden?

Bonhoeffer spricht mir aus dem Herzen: „Oft frage ich mich, warum mich ein »christlicher Instinkt« häufig mehr zu den Religionslosen als zu den Religiösen zieht, und zwar durchaus nicht in der Absicht der Missionierung, sondern ich möchte fast sagen »brüderlich«. Während ich mich den Religiösen gegenüber oft scheue, den Namen Gottes zu nennen - weil er mir hier irgendwie falsch zu klingen scheint und ich mir selbst etwas unehrlich vorkomme (besonders schlimm ist es, wenn die anderen in religiöser Terminologie zu reden anfangen, dann verstumme ich fast völlig und es wird mir irgendwie schwül und unbehaglich) -, kann ich den Religionslosen gegenüber gelegentlich ganz ruhig und wie selbstverständlich Gott nennen.“[55]

Jesus mußte nicht durch Passageriten der Täuferkreise in die essenische Denkform aufgenommen werden, ich würde eher eine schleichende Entkulturation ins Judentum annehmen, in der er immer mehr die Unzulänglichkeiten der Tora erlebte und verstand, daß ihr ursprünglicher Sinn das Wohl der Menschen intendierte. Die Gleichnisse von Senfkorn und Sauerteig zeigen die Allmählichkeit dieser Entwicklung des göttlichen Geistes im Hirn Jesu Christi, der auch erst langsam in seine Mission als Verfechter einer nationale Grenzen übersteigenden Ordnung der Gerechtigkeit, Sanftmut und Geschwisterlichkeit hineinwuchs. Das Irrewerden Jesu am Sabbatgebot ist ein Lernprozeß in der Erfahrung, daß es Heilung und Heilwerden als Resurrektion des von Arbeit geschundenen Leibes nicht fördert, was ursprünglich der Sinn dieses freien Tages der Ruhe war, sondern regelrecht behindert in der Form des Umschlages von einer anfänglichen Erlaubnis zum Verbot spontaner Menschlichkeit. Der Durchbrecher aller Banden prüft die Tora auf die Frage, ob sie noch ihren ursprünglich intendierten Sinn gewährleistet. Juristisch gesehen bedeutet sein eigenmächtiges Verhalten, gerne Vollmachtsanspruch genannt, ein Versuch einer Rechtsreform, einer Anpassung geltenden Rechts an eine neue und veränderte soziale Situation, in der bestimmte einzelne Regeln kontraproduktiv geworden sind und das Wohlergehen einer Kommunität behindern, was sie zu einem früheren Zeitpunkt einmal fördern sollten. In alter prophetischer Tradition wird Jesus so zu einem vehementen Kritiker einer absurd gewordenen Gebote-Auslegung und –Anwendung. Dies gilt nicht undifferenziert für die gesamte Tora, sondern sehr gezielt nur für einige Gebote, quasi in bestimmter Negation punktgenau. Das oberste Kriterium ist und bleibt die Liebe als das alles bestimmende Ziel aller Gesetze. Und es geht Jesus keineswegs um das Außerkraftsetzen der Tora, sondern um die Durchbuchstabierung der Einzelgebote auf ihre Tauglichkeit zur Verwirklichung der Liebe und der Gerechtigkeit. Er konstatiert damit, daß der im Gesetz engrammierte Wille Gottes für ein friedvolles Miteinander in Liebe und Gerechtigkeit durchaus fehlerhaft werden kann. Was einmal richtig war, kann unter veränderten Bedingungen falsch geworden sein. Diese Fehlbarkeit alles geschichtlichen Werdens, in welchem sich Gott als Wille zur Liebe manifestiert, diese Fehlbarkeit Gottes als eines Lernenden, eines mit der Menschheit lebenslang lernenden Geistes der sich diversifizierenden und immer weiter auffächernden Wahrheit, ist prägnant an Jesu Fehlbarkeit, seinen Irrtümern und seiner geschwisterlichen Sündhaftigkeit zu studieren.



[1] Gerd Lüdemann, Jesus nach 2000 Jahren. Was er wirklich sagte und tat. Mit Beiträgen von Frank Schleritt und Martina Janßen, Springe; zu Klampen, 22004,886f

[2] Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung. Bd. 2, Frankfurt; Suhrkamp, 1959,1482 „Nicht den vorhandenen Menschen setzte Jesus ein, sondern die Utopie eines Menschenmöglichen, dessen Kern und eschatologische Brüderlichkeit er vorgelebt hat.“

[3]   Immanuel Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Werke in zwölf Bänden. Band 8, Frankfurt am Main; Suhrkamp, 1977, 713: „Diese Vereinigung mit uns kann also als ein Stand der Erniedrigung des Sohnes Gottes angesehen werden, wenn wir uns jenen göttlich gesinnten Menschen, als Urbild für uns, so vorstellen, wie er, ob zwar selbst heilig, und als solcher zu keiner Erduldung von Leiden verhaftet, diese gleichwohl im größten Maße übernimmt, um das Weltbeste zu befördern“. aaO 714 sieht Kant in Jesus die „Idee eines Menschen, der nicht allein alle Menschenpflicht selbst auszuüben, zugleich auch durch Lehre und Beispiel das Gute in größtmöglichem Umfange um sich auszubreiten, sondern auch, obgleich durch die größten Anlockungen versucht, dennoch alle Leiden bis zum schmählichsten Tode um des Weltbesten willen, und selbst für seine Feinde, zu übernehmen bereitwillig wäre.“

[4] Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, München; Kaiser, 10 1971,226

[5] Nachfolge S. 234ff

[6] aaO 237

[7] aaO 238

[8] aaO 241 mit 1Kor 7,29-32

[9] aaO 243

[10] aaO 244

[11] aaO 265

[12] aaO 266

[13] aaO270

[14] Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. v. Eberhard Bethge, Hamburg; Siebenstern, 71971,18f „Ich glaube, daß Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müßte alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, daß auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und daß es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube, daß Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern daß er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“

[15] Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Werke in zwölf Bänden. Band 7, Frankfurt am Main; Suhrkamp, 1977,51

[16] aaO 51

[17] Theodor Wiesengrund Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt; Suhrkamp, 1970,356

[18] Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt; Suhrkamp, 1984,36

[19] Lüdemann 2004,882

[20]     Franz Cumont, Die Mysterien des Mithra. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit, Leipzig (Teubner) 1911,IV,178ff. Für das Christentum wurden dabei die Vorstellung von der Hölle und vom Ende der Welt wesentlich: aaO V&VI. Zum Judentum in Babylon und im Iran cf Jacob Neusner, Judaism, Christianity, and Zoroastrianism in Talmudic Babylonia, Lanham (University Press of America) 1986; Jacob Neusner, Das pharisäische und talmudische Judentum, Tübingen (Mohr/Siebeck) 1984; Jacob Neusner, Judaism and Zoroastrianism at the Dusk of Late Antiquity. How Two Ancient Faiths Wrote Down their Great Traditions, Atlanta/Georgia (Scholars Press) 1993

[21]     Cumont 1911,14. Cf aaO 8: »Nur mit der Göttin Anāhitā zusammen wird er in den Inschriften des Artaxerxes neben Ahura-Mazda angerufen. Die Großkönige hegten jedenfalls für ihn eine spezielle Verehrung... Ohne Zweifel sah man in ihm den Gott, welcher den Monarchen den Sieg verlieh.« Der Adel pflegte Namensgebungen mit Mithra darin. Bis in islamische Zeit hielt sich das Mithrafest als Mithrakana in Vorderasien, die Mihragān wird noch heute in Persien am Winteranfang gefeiert. In Susa A2Sa&d und Hamadan A. (A2Ha) Ahuramazda, Anāhītā und Mithra, Hamadan B. (A2Hb) und Persepolis A, B, C, D. (A2Pa-d) ohne Anāhītā

[22]     Cumont 1911,11 zit R. III,69, Nr. 5, Z. 72

[23]     Cumont 1911,10: »Babylon namentlich, die Winterresidenz des Herrschers, war von einem zahlreichen beamteten Klerus von "Magiern" bevölkert, welche den Vorrang vor den eingeborenen Priestern hatten.« Die Königsfolge nennt das jeweilige Inthronisationsjahr: Im Achämenidenreich: 529 Kambyses / 521 Darius I. ( 500 Jonischer Aufstand, 492 Eroberung Thrakiens und Makedoniens) / 465 Artaxerxes (ArtaXšaθra) I. (Esra und Nehemia)/ 423 Darius II. / 404 Artaxerxes II. / 358 Artaxerxes III. / 338 Arses / 335 Darius III. (333 Issos-Keilerei). Dann Alexander der Große und Ptolemäerreich: 323 Ptolemaios I. Soter, 283 Ptolemaios II.Philadelphos, 246 Ptolemaios III. Euergetes, 221 Ptolemaios IV. Philopator, 203 Ptolemaios V. Epiphanes, 198 Phönikien, Südpalästina und Ägypten werden von Antiochos III. dem Großen besiegt und einverleibt ins Seleukidenreich.

[24]     Cumont 1911,10.  Cf Stig Wikander, Der arische Männerbund. Studien zur indo-iranischen Sprach- und Religionsgeschichte, Lund (Ohlsson) 1938; Wikander, Feuerpriester in Kleinasien und Iran, Lund (C.W.K. Gleerup) 1946,52ff,102ff,211ff

[25]     Dēnkard 5,1 berichtet von der Mission Kavi Loharasp in Jerusalem, die durch militärische Operationen ermöglicht wurde. Magiere zogen im Troß der persischen Heere mit. Cumont 1911,VI und 10ff; Reitzenstein, Die hellenistischen Mysterienreligionen nach ihren Grundgedanken und Wirkungen, Leipzig/Berlin (Teubner) 1910 [19202 19273 ND Darmstadt(WB) 1956],215ff: Kappadozien; Guy G. Stroumsa, Philosophy of the Barbarians. On Early Christian Ethnological Representations, in: Hubert Cancik (Hg), Geschichte - Tradition - Reflexion. Festschrift für Martin Hengel zum 70. Geburtstag Bd.II: Griechische und römische Religion, Tübingen (Mohr) 1996,339-70,363; Josephus Antiquitates XII,147f

[26]     Kaj Barr, Die Religion der alten Iranier, in: Jes Peter Asmussen, / Jørgen Læssøe, / Carsten Colpe, , Handbuch der Religionsgeschichte I, Göttingen (Vandenhoeck) Bd. II 1972,263-318, besonders 310-14

[27]     Barr 1972,315

[28]     Barr 1972,317 Soma ist Lebenserneuerer, cf Yasna 9-11; 20; Yašt 10,23 Wikander 1941 & 1946

[29]     cf ANET 1955,315 f; Kurt Galling (Hg), Textbuch zur Geschichte Israels, Tübingen2 (Mohr/Siebeck) 1968,82 ff; Antonius H.J. Gunneweg, Geschichte Israels bis Bar Kochba, ThW 2, Stuttgart2 (Kohlhammer) 1976,124; Heinz Kreißig, Die sozialökonomische Situation in Juda zur Achämenidenzeit, Schriften zur Geschichte und Kultur des Alten Orients 7, Berlin ( Akademieverlag) 1973; - Amélie K. Kuhrt, The Cyrus Cylinder and Achaemenid Imperial Politics, in: JSOT 25/1983,83-97

[30]     Herodot III,61-88; Gunneweg 1976,129

[31]     Gunneweg 1976,128 Konservative Religionspolitik der Perser duldet lokale Kulte und Gesetze.

[32]     Esra 6,15-18

[33]     Sacharja 6,9ff Krone für Davididen und Babylonheimkehrer Serubbabel, der als Messias gilt.

[34]     Gunneweg 1976,130; Otto Plöger, Theokratie und Eschatologie, WMANT 2, Neukirchen-Vluyn3 1968: Besonders Tritojes 56-66 und Deuterosacharja 9-11 und Tritosacharja 12-14 entwickeln diesen nationalistischen Messianismus einer jüdischen Autonomiebewegung.

[35]     Diogenes Laertius, Vitae philosophorum I,9.5-11: Kle/arxoj de\ o( Soleu\j e)n t%= Peri\ paidei/aj kai\ tou\j gumnosofista\j a)pogo/nouj ei)=nai tw=n Ma/gwn fhsi/n! e)/nioi de\ kai\ tou\j  ¹Ioudai/ouj e)k tou/twn ei)=nai. Albert de Jong, Traditions of the Magi. Zoroastrianism in Greek and Latin Literature, Religions in the graeco-roman world 133, Leiden/ New York/ Köln (Brill) 1997,226; Wilhelm Schubart, Glaube und Bildung im Wandel der Zeiten, München (Münchener Verlag) 1947,44f

[36]     Josephus, Contra Apionem 1,179 ka)kei=noj toi/nun to\ me\n ge/noj h)=n  ¹Ioudai=oj e)k th=j koi/lhj Suri/aj. ou(=toi de/ ei)sin a)po/gonoi tw=n e)n  ¹Indoi=j filoso/fwn Martin Hengel, Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2.Jh.s v.Chr., WUNT 10, Tübingen2 (Mohr) 1973,467f

[37]     Hans Gerhard Kippenberg, Religion und Klassenbildung im antiken Judäa. Eine religionssoziologische Studie zum Verhältnis von Tradition und gesellschaftlicher Entwicklung, Studien zur Umwelt des NT 14, Göttingen (Vandenhoeck) 1978,42-77 zur postexilischen Perserzeit 539-332 v.Chr.: »Die persische Zentralmacht unterstützte in Gestalt von Nehemia Bauern und Tempelangehörige gegen eine städtische Zivilisation vom griechischen Typ.« (aaO 77)

[38]     Gunneweg 1976,136

[39]     Dēnkard 3,80:Antwort eines Herbads aus dem Wissen der mazdayasnischen Religion, als er gefragt wurde nach dem Grund, weshalb einem Herbad verboten ist, eine heißgeliebte Yahudi (Jüdin) zu heiraten: alle werden paarweise von Ahuramazda geschaffen mit Passung wie Mašya und Mašyani, die Geschwisterzwillinge, Sohn und Tochter von Gayōmard und Spandarmad. Es gibt edle Pferde und minderwertige und bei Fehlmischungen kommen böse Geister, Mißgunst, Habsucht und Jüdinnen wollen verwöhnt werden mit Parfüm etc. und die Schönheitsideale bezüglich Flachnase sind auch divergent. Dann sind die Exogamieregeln verschieden, was gegenseitig Unsittlichkeitsverdacht weckt. Das schlimmste aber: Jüdinnen machen es lieber nackt und das stößt Priester ab.

[40]     Die Unterscheidung reiner von unreinen Tieren und das Reinheitsgesetz Leviticus 11-15 entsprechen bis in Einzelheiten den Reinheitsregeln der Vendidad, cf Wilhelm Schubart, Glaube und Bildung im Wandel der Zeiten, München (Münchener Verlag) 1947,44; August Freiherr von Gall, BASILEIA TOU QEOU. Eine religionsgeschichtliche Studie zur vorkirchlichen Eschatologie, Religionswissenschaftliche Bibliothek 7, Heidelberg (Carl Winter) 1926,204ff. Von Gall hat als einer der ersten Theologen nach Bousset und Reitzenstein die persischen Einflüsse systematisch untersucht.

[41]     Totenaussetzung an Geier nicht nur im Iran, sondern auch 1 Sam 17,44-46; Jer 7,33; Ez 39,17; Apk 19,21 - Hunde als Totenfresser 1 Kön 21,19-23; 22,38; Hunde als unrein Mt 7,6; Phil 3,2; Hunde mit Magiern und Sexlustigen Apk 22,15 e)/cw oi( ku/nej kai\ oi( fa/rmakoi kai\ oi( po/rnoi kai\ oi( fonei=j kai\ oi( ei)dwlola/trai kai\ pa=j filw=n kai\ poiw=n yeu=doj. Traten die Magier mit ihren heiligen Tieren, den Hunden auf, daß sie hier unter dem Abschaum zusammen kommen, wobei mit Pornoi evt. der iranische Inzest gemeint ist.

[42]     Laubhüttenfest Neh 8,9-18

[43]     Zu Ostanes cf 1.5.2.33/37/43/50 & 1.5.7 & 3.1.3

[44]         2Chr 36,23 = Esra 1,2; 5,12; 6,9f; 7,23; Neh 1,4f; 2,4.20; Ps 136,26; Dan 2,18f.37.44; 5,23. hfwoh:y kommt 60mal in Esra und Neh vor.

[45]     Wolfgang Fauth, Der Alte der Tage (Dan 7,9-14.22), in: Oswald Loretz/ Kai A. Metzler/ Hanspeter Schaudig (Hg), Ex Mesopotamia et Syria Lux. Festschrift für Manfried Dietrich, Alter Orient und Altes Testament 281, Münster (Ugarit-Verlag) 2002,133-58,149f

[46]     Dēnkard 3,80 verbietet Ehe von Herbad und Jüdin, weil diese gern nackt beischläft.

[47]     von Gall  1926,204ff; cf 1.4.7 - 1.4.9

[48]     Morton Smith, Jesus der Magier, München (List) 1981,59ff

[49]     cf auch Mt 9,34; 10,25; (22-30) Mt 12,24-29.31f; Lk 11,15-22

[50]     Justin Dialog mit Trypho 77ff spricht vom Oberdämon der Magier mit Wohnsitz in Damaskus

[51]     Morton Smith, Jesus der Magier, München (List) 1981,87

[52]     Smith 1981,61ff,87ff; Justin, Dialog mit Trypho 69.7 und Vettius Valens, Anthologiae II,16, (Wilhelm Kroll, Vettii Valentis anthologiarum libri, Berlin (Weidmann) 1908 [1973],1-363,74 Zeile 17-20): poiei= ga\r ma/gouj pla/nouj qu/taj i)atrou\j a)strolo/gouj o)xlagwgou\j trapezi/taj paraxarakta\j o(moiogra/fouj dia/ te panourgi/aj kai\ e)piqe/sewj kai\ do/lou ta\j pra/ceij dioikou=ntaj! 2 Joh 7 ist pla/noj der Antichrist: o(/ti polloi\ pla/noi e)ch=lqon ei)j to\n ko/smon, oi( mh\ o(mologou=ntej  ¹Ihsou=n Xristo\n e)rxo/menon e)n sarki/! ou(=to/j e)stin o( pla/noj kai\ o( a)nti/xristoj. cf 2 Thess 2,9-11; Didache 16.4

[53]     Apologia 14.2: oi( pa/lai me\n pornei/aij xai/rontej, nu=n de\ swfrosu/nhn mo/nhn a)spazo/menoi! oi( de\ kai\ magikai=j te/xnaij xrw/menoi, a)gaq%= kai\ a)gennh/t% qe%= e(autou\j a)nateqeiko/tej!

[54] Michael Lütge, Der Himmel als Heimat der Seele II. Visionäre Himmelfahrtspraktiken in Henocha, Hermetik, im Mithraskult, bei Täufern und Sethianern, Saarbrücken (Südwestdeutscher Verlag für Hochschulschriften) 2010,403-445

[55] Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung aaO 134