Niels Werber
Vorlesung: Friedrich Hebbels "Maria Magdalena" (22.
1. 98)
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Biblischer Kontext
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Schuld als Problem der Zurechenbarkeit
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Verdacht und Verantwortung
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Tat und Umstände
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Unschuld oder Unzurechnungsfähigkeit
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"Alle sind im Recht"
Die erste Frage heute ist wohl: wer ist das, Maria Magdalena?
Sie ist eine Frau, die eine ausgezeichnete Rolle in der biblischen Geschichte
spielt, denn nach seiner Wiederauferstehung von den Toten erscheint Jesus
Christus ausgerechnet ihr zuerst (Markus 16, 9). Sie gehörte neben
den zwölf Jüngern zur Entourage, die Christus bei der Verkündigung
des Evangeliums begleitet hat (Lukas 8, 2). Diese Maria Magdalena, die
unter die ersten Anhängerinnen Christi zählt, wird nach der katholischen
Überlieferung aber auch mit einer gewissen Sünderin identifiziert,
deren Geschäft die wohlfeile Unkeuschheit gewesen sei. Das Evangelium
nach Lukas berichtet:
"Und siehe, eine Frau war in der Stadt, die war eine
Sünderin. Da sie vernahm, daß er zu Tisch saß in des Pharisäers
Hause, brachte sie ein Glas mit Salbe und trat zu seinen Füßen
und weinte und fing an, seine Füße zu netzen mit Tränen
und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küßte seine
Füße und salbte sie mit Salbe." (Lukas 7, 37ff)
Daß Jesus diesen ehrenvollen Dienst von einer Frau
verrichten läßt, die offenbar als käuflich galt, empört
den Pharisäer derart, daß er mutmaßte, Christus könne
kein Prophet sein, da er sonst gewiß wüßte, "wer und welch
eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin."
(39) Niemals hätte sich ein Prophet beschmutzen lassen durch die Berührung
einer Prostituierten. Jesus entgegnet darauf, daß er den mehr liebe,
dem er mehr zu vergeben habe, und folgert daraus, daß auch der umgekehrte
Fall gelte: daß der mehr liebe, dem viel vergeben werde. Für
Maria Magdalena gilt dann:
"Ihr sind viele Sünden vergeben, darum hat sie
mir viel Liebe erzeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.
Und er sprach zu ihr: Dir sind Deine Sünden vergeben." (47f)
Seine Tischgenossen wundern sich sichtlich darüber,
daß derart die Sünden bevorzugt den großen Sündern
vergeben werden, doch Jesus entläßt die Frau mit einem "gehe
hin in Frieden". Anscheinend hat er sie bekehrt, denn Maria Magdalena gibt
ihr Gewerbe auf und gehört bald zu den "Nachfolgerinnen Jesu" (Lukas
8, 2). In Goethes Faust II trägt sie den Titel einer Magna
Peccatrix und zählt zum Chor der von Christus erlösten Sünderinnen.
In mittelalterlichen Volksliedern wird Maria Magdalena auch mit jener Ehebrecherin
identifiziert, deren Steinigung Christus mit den bekannten Worten "Wer
unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein" verhindern
konnte (Johannes 8, 7).
Diese Frau aus dem Evangelium hat Friedrich Hebbels Bürgerliches
Trauerspiel in drei Akten aus dem Jahre 1844 zu seinem Namen verholfen.
Daß es bisweilen auch Maria Magdalene heißt,
mit einem "e" statt mit einem "a" am Ende, ist auf einen Druckfehler der
Erstausgabe zurückzuführen. Wir können davon ausgehen, daß
die noch bibelfesten Zeitgenossen Hebbels bestimmte Erwartungen mit einem
Drama verbinden, das den Namen der berühmt-berüchtigten Sünderin
trägt. Die Frage wäre nur, ob diese Erwartungen von Hebbel bedient
oder vielmehr enttäuscht werden.
Keine der Figuren des Trauerspiels heißt Maria,
geschweige Magdalena, das Drama sollte eigentlich Klara heißen,
nach der weiblichen Hauptfigur des Stücks. Wenn man sich persönlicher
Deutungen enthält, dann ist die Geschichte dieser Klara noch schneller
erzählt, als die zehn Verse des Lukas zu Maria Magdalena zitiert sind.
Die Geschichte ist die: Klara ist schwanger, aber nicht verheiratet. Als
auf ihre Schwangerschaft nicht in ausreichender Frist eine Hochzeit folgt,
fällt sie in einen Brunnen und stirbt.
Folgen wir nun für einen Moment den Erwartungen,
die der Titel zu wecken imstande ist: Auf den ersten Blick scheint es dann
wohl, daß niemand die Sünde Klaras, unverheiratet schwanger
zu sein, vergeben hat, denn sie geht nicht "in Frieden", sondern sie "zerschmettert"
sich "gräßlich den Kopf am Brunnenrand" (3, 11, S. 93). Läßt
man sich vom Titel des Trauerspiels dazu verleiten, in Klara eine andere
Maria Magdalena zu sehen, die im Unterschied zu ihrem biblischen Vorbild
nicht auf den verzeihenden Menschensohn, sondern auf einen Haufen selbstgerechter
Pharisäer getroffen ist, dann könnte man sich nun im Stück
nach denjenigen umschauen, die Schuld an ihrem Tode tragen, da sie es nicht
mit Christus gehalten und ihr Gelegenheit zur Reue gegeben haben, um ihr
dann zu verzeihen und sie wiederaufzunehmen, sondern sie in Nachfolge des
Pharisäers und seiner Gäste verachtet und in den Selbstmord getrieben
haben. Wenn man diese religiöse Perspektive einnimmt, dann finden
sich schnell die biblischen Muster, nach welchen sich die Protagonisten
des Dramas ordnen lassen: man findet den Verführer Klaras, Leonhard,
und vor allem ihren strengen Vater, Meister Anton, der ihre öffentliche
Schande nicht zu überleben gedenkt und der sie durch dieses Gelübde
noch tiefer in die Sünde, zu Selbst- und Kindesmord treib. Den anonymen
Gästen, die am Tisch des Pharisäers sitzen und darüber murren,
daß einer Sünderin vergeben wird, entsprächen dann qua
Analogie die anonymen bösen "Zungen", die in Hebbels Stück hinter
den Sündern "herzischeln" wie "Schlangen" (III, 11, S. 93). Wir hätten
es in dieser Optik also mit einem Verführer zu tun, einer verführten
Frau, einer Menschenmenge, die verdammt, statt zu vergeben, und einem Vater,
der nicht neutestamentarisch verzeiht, sondern alttestamentarisch verdammt.
Die Mutter als einzige Kandidatin für christliche Verzeihung stirbt
schon im zweiten Akt, für sie scheint kein Platz zu sein in einer
Welt, die nicht dem Evangelium folgt, sondern getrost den ersten Stein
wirft.
Heutzutage wäre einer Frau in Klaras Lage die Meinung
ihres Vaters wohl herzlich egal, alles funktioniert also nur, wenn der
christliche Glaube tatsächlich eine entscheidende Rolle im Leben der
Protagonisten spielt, denn ohne dem könnte Klara sich selbst kaum
als "schuldig" bezeichnen und ihr Vater würde eine uneheliche Schwangerschaft
kaum für eine tödliche Schande halten; Hebbel läßt
denn auch keinen Zweifel an ihrer überzeugten Religiösität.
Das Drama wäre so vielleicht zu deuten als ein Plädoyer für
eine andere Behandlung jener unglücklichen Frauen, denen bisher die
Geburt eines unehelichen Kindes nichts anderes zu tun übrig ließ
als Selbstmord und/oder Kindesmord zu begehen. Das Stück würde
sich dann einreihen in eine Tradition von Dramen, welche die Zwangslage
einer verführten, schwangeren Frau thematisieren, etwa Heinrich Leopold
Wagners Kindermörderin (1776) oder Goethes Faust I.
Die Maria Magdalena wäre aber kein aufklärerischer Beitrag
zum Thema wie Wagners Stück, sondern eine Warnung vor einem protestantischen
Rigorismus, der weder die Beichte noch das Vergeben der eher milden katholischen
Religion kennt. Hebbel, der übrigens höchstpersönlich die
Welt mit zwei unehelichen Kindern bevölkern half, würde – so
gesehen – auch zu seiner Selbstexkulpierung beitragen.
2. Schuld als Problem der Zurechenbarkeit
Liest man das Drama jedoch genauer, so sieht man, daß
es so schlicht nicht gestrickt ist. Hebbel erzählt keine Geschichte
von Verführung und Vergebung, von Schuld und Sühne. Meine These
ist, daß er im Gegenteil systematisch die Voraussetzung für
das Erzählen einer solchen Geschichte demontiert: nämlich die
eindeutige Zurechenbarkeit von Schuld. Dieser Verzicht auf die moralische
Zurechnung von guten oder bösen Handlungen auf gute oder böse
Charaktere würde die von Aristoteles gezogenen Gleise der Dramatik
verlassen.
In der Poetik des Aristoteles heißt es, daß
ein Drama "Handlungen" nachahme, die "notwendigerweise entweder edel oder
gemein" seien; auch die "Charaktere" folgten "nahezu immer ausschließlich"
diesen beiden Kategorien, da ja "Charaktere von allen Menschen nach Tugend
und Schlechtigkeit unterschieden" würden. So ahme der Dichter entweder
Menschen nach, "die besser sind als es bei uns vorkommt, oder schlechtere
oder solche wie wir selber." (S. 392f) Der "Charakter" ist aber nun für
Aristoteles keine prinzipielle Eigenschaft einer Person, sondern nichts
anderes als "das, was die Entscheidung offenbart, was nämlich
einer in einer unklaren Situation wählt oder meidet" (S. 400f). Nur
in der als Handlung sichtbaren Entscheidung für das Gute oder Böse
zeigt sich der edle oder gemeine Charakter. Diese Entscheidung erlaubt
also Aristoteles zufolge eine eindeutige Zurechnung – jemand hat etwas
getan oder nicht getan, und alle Taten sind entweder edel oder gemein.
So hat Ödipus bekanntlich unabsichtlich seinen Vater erschlagen und
mit seiner Mutter geschlafen – und sich dennoch dafür grausam bestraft.
Mit Hegels Worten: Ödipus
"erkennt sich die Gesamtheit dieser Frevel zu und straft
sich als Vatermörder und Blutschänder", und dies obwohl, wie
Hegel betont, obwohl diese Taten "weder in seinem Wissen noch in seinem
Wollen gelegen" haben. Der antike Held, so Hegel weiter, "weiß von
diesem Gegensatz der subjektiven Absichten und der objektiven Tat und ihrer
Folgen nichts, während bei der Verwicklung und Verzweigung des
heutigen Handelns jeder auf alle anderen rekurriert und die Schuld soweit
als möglich vor sich zurückschiebt."
Der letzte Nebensatz beschreibt Hebbels Stück genau.
Die Antike aber schloß ohne weiteres von "gemeinen" Taten auf einen
"gemeinen" Charakter. Ganz anders heißt es 1793 bei Immanuel Kant
in seinen Ausführungen zur Religion innerhalb der Grenzen bloßer
Vernunft:
"Man nennt aber einen Menschen böse nicht darum,
weil er Handlungen ausübt, welche böse (gesetzwidrig) sind; sondern
weil diese so beschaffen sind, daß sie auf böse Maximen schließen
lassen."
Dies stellt laut Kant den Beobachter vor das Problem, daß
"man zwar gesetzwidrige Handlungen durch Erfahrung bemerken" könne,
es sich aber "nicht beobachten" lasse, "daß sie mit Bewußtsein
gesetzwidrig sind". Diese offenbar erheblich komplizierter gewordene Moralphilosophie,
die nun zwischen inneren Maximen und äußeren Handlungen trennt,
stellt für die Literatur ein reizvolles ästhetisches Problem
da. Friedrich von Blanckenburg betont 1774, daß das eigentlich Interessante
an der Literatur nicht die Reihenfolge von noch so spektakulären Taten
sei, sondern ihr Anlaß: nämlich das "Innere der Personen", das
derart "in Handlung, in Bewegung" gesetzt werde (S. 58). Und der Begründer
des bürgerlichen Trauerspiels in Deutschland, Lessing, zitiert den
französischen Kunstrichter Charles Batteux, der eine "Handlung" als
eine "Unternehmung" definiert hat, "die mit Wahl und Absicht geschiehet",
also Freiheit voraussetzt und daher nur "vernünftigen Wesen" zukommt;
Lessing stimmt dem zu und ergänzt Batteux um den entscheidenden Punkt,
daß nicht nur eine Unternehmung, sondern auch der "innere Kampf von
Leidenschaften [...] eine Handlung" sei, und zwar besonders im "Trauerspiele".
Handlungen seien eben nicht nur die "materiellen" Bewegungen von "Körpern"
im physischen "Raum", sondern auch die Veränderungen von "Gedanken"
in der psychischen Innenwelt (S. 373). Diese Differenz aber, die Hegel
der antiken Tragödie abspricht, setzt das bürgerliche Trauerspiel
gerade voraus.
Von Schuld und Verantwortung im moralischen Sinne oder
auch von Sünde und Vergebung im christlichen kann in der Moderne also
sinnvoll nur dann gesprochen werden, wenn die zur Debatte stehenden Handlungen
vom Täter oder Sünder bewußt und in Kenntnis der Folgen
begangen worden sind. Nur wer weiß, was er tut, kann Böses oder
Gutes tun. In der schönen Formulierung des romantischen Philosophen
Schelling aus dem Jahre 1809 klingt das so: "Der reale und lebendige Begriff
[der Freiheit] ist, daß sie ein Vermögen des Guten und Bösen
sei." Das Gute oder das Böse zu unterscheiden und sich für
eines von beiden wissentlich zu entscheiden, bildet den Kern der
menschlichen Freiheit – aber nicht nur. Denn dieses Vermögen legt
auch das Fundament für moralische, christliche und auch juristische
Urteile. Nur wem eine böse Handlung zuzurechnen ist und wer diese
in der Freiheit seines Willens begangen hat, ist schuldig, andernfalls
haben wir es mit einem Fall von Unzurechnungsfähigkeit, Schuldunfähigkeit,
verminderter Zurechnungsfähigkeit oder mildernden Umständen zu
tun. Vor Gericht reicht es nun nicht mehr aus, den Tatbestand festzustellen,
man muß nun auch die Tatumstände und Motive ergründen,
um sicher sein zu können, wie dem Täter die Tat zugerechnet werden
kann. Psychiatrische und medizinische Gutachten gehören bald zum Gerichtsalltag.
Nur wenn bei einer "Tat" ein "Vorsatz" des Subjekts vorliegt, der "in seinem
Wissen und Willen lag", kann die Rede von "Schuld" sein, ist in Hegels
Enzyklopädie zu lesen. Die Philosophen sind sich hier einmal
erstaunlich einig. Schuld setzt immer moralische Freiheit voraus, und Freiheit
besteht in der Möglichkeit, sich wissentlich und willentlich für
das Gute oder Böse zu entscheiden. Es ist, wie Mephistopheles dem
Schüler ins Stammbuch schreibt: "Eritis sicut deus, scientes bonum
et malum". Das Göttliche am Menschen, nämlich aus freiem Willen
gut oder böse zu sein, stellt nun aber nicht für die Religion
oder die Philosophie, wohl aber für Moral und Jurisprudenz ein erhebliches
Problem dar. Denn während Gott alles sieht und der Philosoph sich
mit dem Beweis begnügen kann, daß das "Moralisch-Gute" wie das
"Moralisch-Böse" im "Innern des Willens" des Menschen "Vorsatz und
Absicht" voraussetzen, steht die moralisch verurteilende Gesellschaft wie
die Urteile fällende Justiz vor der Unmöglichkeit, dieses Innere
des Willens unmittelbar beobachten zu können. Die Gesellschaft,
die bei Verstößen gegen die Sitten den Unmoralischen ihre Achtung
entzieht und so jenseits der Gerichte mit Verachtung straft, sieht lediglich
die Handlung und ihre Folgen, nicht aber den Willen des Täters und
seine Motive. Man sieht die schwangere Frau ohne Ehemann und zeigt auf
sie "mit Fingern", wie es bei Hebbel heißt (2, 1, S. 65), weil die
Schuld eine sichtbare Form angenommen zu haben scheint. Ob Klara aber mit
"Vorsatz und Absicht" mit Leonhard vor der Eheschließung geschlafen
hat, bleibt für diese moralische Ächtung völlig gleichgültig,
obschon nur hier, in der freien Entscheidung für eine straf- oder
verachtenswerte Tat, Klaras Schuld liegen könnte. Das "Innere des
Willens", wie Hegel es ausdrückt, ist aber den externen Beobachtern
von Handlungen grundsätzlich verschlossen. Wie könnte man also
über Klara richten, wenn man nicht über die göttliche Macht
verfügt, in der Seele selbst zu lesen?
Hebbel hat dieses Problem in seinem Vorwort zur
Maria Magdalena reflektiert. Dort heißt es im Zusammenhang
grundsätzlicher Überlegungen zur "dramatischen Kunst":
"Darstellbar ist nur das Handeln, nicht das Denken
und Empfinden." (S. 16)
Auf der Bühne sind also nur Handlungen zu sehen: Aktionen
und Sprechakte, das Denken und Empfinden der Protagonisten selbst bleibt
dagegen im Dunkeln und kann allenfalls aus den beobachtbaren Taten und
Reden rekonstruiert werden. Das Drama läßt seine Zuschauer also
primär Handlungen der dramatis personae erleben, so
könnte man Hebbels Diktum prinzipiell formulieren, während ein
Romanautor dagegen auch die Möglichkeit hat, das Erleben der
Protagonisten von den Rezipienten miterleben zu lassen, etwa indem
er den Erzähler direkte Auskunft über das Innenleben, ja sogar
das Unbewußte geben läßt, oder indem er erlebte Rede verwendet
oder aus dem Gedankenstrom zitiert. Wenn wir im Roman lesen, "sie gab sich
ihm mit größten Bedenken hin und bereute ihre Schwäche
schon im voraus", dann sind wir über das Erleben der Heldin sicherer
informiert, als wenn sie auf der Bühne behauptet: "ich hatte die größten
Bedenken". Im ersten Fall erhielten wir einen Einblick in das Bewußtsein
der Heldin und erlebten ihr Erleben, im zweiten Fall hätten wir es
mit Kommunikation zu tun, deren Verhältnis zum Bewußtsein fragwürdig
bliebe: sie könnte lügen, untertreiben, übertreiben, sich
täuschen etc. Nur der Roman stellt auch das Bewußtsein seiner
Protagonisten dar, im Drama geht es ausschließlich um Kommunikation.
Da nach Hebbels Diktum das Drama nichts anderes als Handlungen darstellen
kann, Denken und Empfindungen aber keineswegs, hätte man folglich
entweder auf jedes Thema zu verzichten, das auf der moralischen Zurechenbarkeit
von Handlungen auf das Bewußtsein der Protagonisten beruht, oder
man müßte versuchen, der Darstellungsform zum Trotz Erleben
zu kommunizieren. Und genau diese Aufgabe ist es, der sich meiner Auffassung
nach Hebbel stellt. Im Vorwort heißt es weiter:
"Gedanken und Empfindungen gehören also nicht an
sich, sondern immer nur so weit, als sie sich unmittelbar zur Handlung
umbilden ins Drama hinein; dagegen sind aber auch Handlungen keine Handlungen,
wenigstens keine dramatische, wenn sie sich ohne die vorbereitenden
Gedanken und die sie begleitenden Empfindungen, in nackter Abgerissenheit
wie Naturvorfälle, hinstellen, sonst wäre ein stillschweigend
gezogener Degen der Höhepunkt aller Aktion." (S. 16)
Hebbel wiederholt hier im Wesentlichen die schon zitierten
Überlegungen Lessings: Ein gezogener Degen, von dem man das warum
und wieso nicht wüßte, wäre keine dramatische Handlung.
Ohne Einbettung in einen motivierenden Kontext weckte die "Aktion" sonst
den Eindruck eines "Naturvorfalls", wäre also keinesfalls eine dem
freien Subjekt zurechenbare Handlung, sondern – mit Hegels Worten – "das
Gedankenlose" schlechthin: nämlich ein "Zufall", für den niemand
die Verantwortung übernähme. Die Aktion ohne Blick auf die "vorbereitenden
Gedanken und die sie begleitenden Empfindungen" ist für Hebbel bloß
ein "Naturvorfall", also unmenschlich und mithin ungeeignet für das
Drama. Dagegen gilt es, im Drama auch den psychischen Kontext der Handlungen
zu kommunizieren. Hebbel fordert vom Drama, daß es "das innere
Ereignis nach allen seinen Entwicklungsstadien in einer äußeren
Geschichte" entfalte (S. 19). Was grundsätzlich nicht beobachtet zu
werden vermag, nämlich die Emotionen und Gedanken der Protagonisten,
welche die Handlungen motivieren und begleiten, sollen also dennoch mitkommuniziert
werden – man sieht, Hebbel stellt sich einer Herausforderung, die die Form
eines Paradoxes hat: Der Geschichte der Verführung, Verachtung und
Vernichtung Klaras wird so eine Differenz von Bewußtsein und Kommunikation,
von innerem Erleben und äußerer Handlung eingeschrieben, die
gleichwohl nichts anderes als kommuniziert oder dargestellt werden kann.
3. Verdacht und Verantwortung
Nach seiner eigenen Einschätzung geht es Hebbel darum,
"die Verwirrung der Motive der Heldin [...] und die Ableitung der Tat aus
eben dieser Verwirrung" (S, 25) darzustellen. Ohne diesen Blick auf die
Motive bleibe von der Heldin nichts übrig als eine "Katze", ein schuldunfähiges
Tier also. Hebbels dramentheoretisches Programm, das er in seinem Vorwort
entfaltet, lädt uns zu einer zweiten Lektüre des Dramas ein,
die auf die doppelte und paradoxe Struktur der Form der Darstellung und
des Motivs der Darstellung zu achten hätte. Mein zweiter Durchgang
durch die Maria Magdalena wird nun ein wenig komplizierter werden.
Zwei Sätze reichen nicht mehr aus.
Ich möchte Sie zunächst mit dem gesamten Personal
und dem Plot des Dramas näher bekannt machen:
Klara ist die einzige Tochter des Tischlermeisters Anton.
Sie wird umworben vom Schreiber Leonhard, der soeben jenen Karrieresprung
gemacht hat, der ihn zu der Hoffnung berechtigt, von Meister Anton die
Hand seiner Tochter zu erhalten. Antons Sohn Karl arbeitet, wie üblich,
in der Werkstatt seines Vaters. Die Familie hat sich einen sehr bescheidenen
Wohlstand erworben, den die kürzlich von einer schweren Krankheit
genesene Mutter mit Bedacht verwaltet, ohne dabei die Pflichten der Nächstenliebe
den "Armen" gegenüber zu vernachlässigen (I, 2, S. 38). Wenn
ein neues "weißes Kleid" für Klara angeschafft werden soll,
dann wird der "Eierkuchen vierzehn Tage lang etwas magerer" gebacken (I,
3, S. 39). Obschon das Geld knapp ist und gerade "zur Haushaltung" (I,
3, S. 39) reicht, hat der fleißige Meister Anton 1000 Taler gespart,
die er "in der Apotheke" der Kleinstadt angelegt hat (I, 5, S. 47). In
der Stadt genießt Meister Anton den Ruf absoluter Integrität.
Er könnte zufrieden sein. Die vierköpfige Kleinfamilie scheint
nur geringfügige Sorgen zu haben.
Eine Kleinigkeit stellt sich aber schon im ersten Akt
heraus: Karl wird von seinem Vater knapp gehalten und von seiner Mutter
verwöhnt. Karls Unverschämtheiten werden von seiner Mutter aber
nicht ihm selbst, sondern seiner Erziehung zugerechnet. Dies ist nun alles
andere als selbstverständlich: Während beispielsweise Goethe
in seinem Lebensrückblick Dichtung und Wahrheit seine eigene
Biographie noch – wenn auch mit Augenzwinkern - in den Kontext einer "glücklichen
Konstellation" stellte: "die Sonne stand im Zeichen der Jungfrau und kulminierte
für den Tag; Jupiter und Venus blickten sich freundlich an; Saturn
und Mars verhielten sich gleichgültig...", als sei seine Laufbahn
den "guten Aspekten" der Sterne zu verdanken – oder während üblicherweise
in den Dramen des Sturm und Drang Charaktere humoralpathologisch
auf die Dominanz bestimmter Säfte zurückgeführt wurden,
welche die Menschen unwiderstehlich zu Melancholikern, Sanguinikern, Phlegmatikern
oder Cholerikern machten, so wird das Verhalten Karls als Produkt der
Sozialisation betrachtet:
"Ach, er macht mir Herzeleid", räsonniert die Mutter,
"Ja, ja, der Vater hat recht, das sind die Folgen! So allerliebst, wie
er als kleiner Lockenkopf um das Stück Zucker bat, so trotzig fordert
er jetzt den Gulden! Ob er den Gulden wirklich nicht fordern würde,
wenn ich ihm das Stück Zucker abgeschlagen hätte? Das peinigt
mich oft!" (1, 3, S. 39f)
Die Frage der Zurechenbarkeit, welche die Mutter hier peinigt,
beschäftigt noch heute die Pädagogik in Form des Streits zwischen
Theorien der Vererbung und Theorien der Erziehung. Ob aber nun die schlechten
Gene oder die schlechte Erziehung dafür verantwortlich ist - in beiden
Fällen müssen sich die Eltern das Verhalten ihres Kindes zurechnen,
denn den Sternen kann man diese Last nicht länger aufbürden.
Umso mehr müssen daher die Kinder der elterlichen Kontrolle unterworfen
werden, denn jeder Fehler schlägt auf die Erzeuger und Erzieher zurück.
Mit enger Kontrolle soll jede Entgleisung der Kinder verhindert werden
- vergeblich: "Hier im Hause", so Karl, "glauben sie von mir ja doch immer
das Schlimmste; wie sollt’ es mich nicht freuen, sie in der Angst zu erhalten?"
(I, 3, S. 39).
Auch Klara reagiert sehr empfindlich auf eine Bemerkung
der Mutter, die ihren Anlaß darin findet, daß Klaras Leonhard
seit einiger Zeit nicht mehr wie üblich im Haus verkehre: "Ich will
nicht hoffen", so die Mutter, "daß du ihn anderswo siehst als hier
im Haus." Klara gibt darauf keine eindeutige Antwort, sondern entgegnet:
"Bleib ich etwa zu lange weg, wenn ich abends zum Brunnen gehe, daß
du Grund zum Verdacht hast?" (I, 3, S. 40) Klara rekurriert also auf mögliche
Indizien für eine mögliche Verfehlung, sie fühlt sich offenbar
mißtrauisch beobachtet.
Klaras Mutter wünscht sich durchaus eine Heirat ihrer
Tochter mit Leonhard, den sie "wohl leiden" mag, da "er so gesetzt ist".
Leider habe der Schreiber noch keinen adäquaten Posten. "Wenn er nur
erst etwas wäre," wünscht sich die Frau Mama (I, 3, S. 40). Nun
spricht dieser Leonhard seit zwei Wochen erstmals wieder bei Klara vor,
um bei Meister Anton "um dich anzuhalten!" (I, 4, S. 45) Klaras Reaktion
zeigt, daß sie die Heirat zwar für notwendig, doch leider auch
für unmöglich hält.
"Mein Tod wär’s, wenn ich nicht bald dein Weib
würde, aber du kennst meinen Vater nicht! Er weiß nicht, warum
wir Eile habe, er kann’s nicht wissen, und wir können’s ihm nicht
sagen, und er hat hundertmal erklärt, daß er seine Tochter nur
dem gibt, der [...] nicht bloß Liebe im Herzen, sondern auch Brot
im Schrank für sie hat. Er wird sprechen: wart noch ein Jahr, mein
Sohn, oder zwei, und was willst du antworten."
"Närrin", antwortet Leonhard, "der Punkt ist ja gerade
beseitigt!" (I, 4, S. 45)
Dieses sehr konventionelle, finanzielle Hindernis einer Verbindung
hat Leonhard soeben ausgeräumt: "Ich habe die Stelle, ich bin Kassierer",
verkündet er Klara, die dies kaum glauben mag, weil er keinen mächtigen
Fürsprecher hatte; und doch konnte er sich gegen seinen Konkurrenten
durchsetzen, obschon dieser als "Neffe vom Pastor" erhebliche Protektion
genoß (I, 4, S. 45). Ein "paar Kameraden" Leonhards verleiteten diesen
Neffen am Abend vor dem Bewerbungsgespräch zum Trinken, dessen Benehmen
am Morgen ließ dann zu wünschen übrig, er verrechnete sich,
Leonhard wurde ihm daher vorgezogen. Man könnte nun heiraten.
Wir erfahren aber nicht nur, daß das Paar "Eile"
mit der Ehe hat, sondern auch, wie es in diese heikle Lage gekommen ist.
Auf einer Tanzveranstaltung, die Klara mit Leonhard besucht, trifft sie
auf einen alten Verehrer, den "Sekretär", mit dem sie nach der Behauptung
Leonhards "stille Blicke" wechselte (I, 4, S. 43). Im Dialog rekapituliert
man den Abend. Leonhard gibt sich eifersüchtig, Klara leugnet jeden
Gund dafür. Sie sei nur rot geworden, als der Sekretär sie ansah,
weil sie glaubte, ihre Warze wachse, solange einer darauf schaue (I, 4,
S. 44). Auf diese, man darf doch sagen: Ausflüchte, entgegnet Leonhard:
"Sei’s, wie es sei, mich überlief’s, und ich dachte:
noch diesen Abend stell ich sie auf die Probe! Will sie mein Weib werden,
so weiß sie, daß sie nichts wagt. Sagt sie nein, so –"
Leonhard meint, er habe so sein "höchstes Gut" – nämlich
Klara – durch "das letzte Band an [sich] zu knüpfen" gesucht in "dem
Augenblick, wo" er "in Gefahr stand, es zu verlieren" ( I, 4, S. 43). Nun
wolle er dieses schon geknüpfte Band auch vor dem Altar einsegnen
lassen. Er will also Klara keinesfalls sitzenlassen, nachdem er sie verführt
hat, sondern sie tatsächlich heiraten. Er ist kein Don Juan.
Klara ruft die Szene der Verführung ganz anders in
Erinnerung. Sie erzählt:
"Du sprachst ein böses, böses Wort, als ich
dich zurückstieß und von der Bank aufsprang. ... ich wollte
forteilen, doch ich fühlte mich zurückgehalten, ich glaubte erst,
du wärst es, aber es war der Rosenbusch, der mein Kleid mit seinen
Dornen, wie mit Zähnen, festhielt, du lästertest mein Herz, und
ich traute ihm selbst nicht mehr, du standst vor mir wie einer, der eine
Schuld einfordert, ich – ach Gott!" ( I, 4, S. 44)
Klara ist offenbar genötigt worden. Diese Szene hat
Jürgen Kruse dazu bewogen, in seiner Inszenierung des Stücks
für das Schauspielhaus Bochum schon vor Beginn des ersten Aktes von
einem Tonband Schreie einer Frau einzuspielen, welche offensichtlich eine
sexuelle Handlung begleiten, vermutlich ihre Vergewaltigung. Kruses Regietheater
nimmt damit eine wichtige Interpretation vor und gibt sie an den Zuschauer
schon vor dem ersten Akt weiter. Der Verdacht nämlich, daß Klara
ein Opfer sei, wird im Theater die weitere Rezeption orientieren – bei
der Lektüre des Stücks stellt sich diese Vermutung erst später
ein, und ich bin mir nicht sicher, ob sie sich wirklich bestätigen
läßt.
Leonhard jedenfalls "kann’s nicht bereuen", was er getan
hat – schließlich glaubte er, sie andernfalls an ihre "alte Jugendliebe"
zu verlieren, und immerhin hat er unterdessen eine beachtliche Stellung
errungen und ist nun hier, um Vater Anton um ihre Hand zu bitten. Klara
dagegen kehrt von ihrem fatalen Treffen mit Leonhard nach Hause zurück,
um ihre Mutter "plötzlich" krank, ja "todkrank" vorzufinden. Sie fühlt
sich zu einem "Geständnis" gedrängt, da sie annimmt, die Mutter
liege "meinetwegen [...] so da" (1, 4, S. 44f). Nicht nur glaubt die Mutter
für die Verfehlungen ihrer Kinder verantwortlich zu sein, umgekehrt
meint auch Klara, an der Krankheit ihrer Mutter die Schuld zu tragen. Die
strenge protestantische Lehre eines direkten Zusammenhanges von Tun und
Ergehen wird so quasi auf zwei Generationen aufgeteilt: die eine tut das
Schlechte, der anderen ergeht es schlecht. Doch jetzt ist "sie wieder gesund",
wie Leonhard feststellt, und er will nun "um [Klara] anhalten". Der physischen
Wiederherstellung würde also die Wiederherstellung der gestörten
sittlichen Ordnung folgen, wie vorher umgekehrt die physische Krankheit
eine Folge des moralischen Übels zu sein schien. Aber dem scheint
nur so.
Genau wie die Eltern Klaras von einem Ehemann erwarten,
daß er "etwas wäre", so erwartet Leonhard von Klaras Eltern
eine Mitgift. 1000 Taler sollen es sein, und die sind in Gefahr. Leonhard
weiß, daß der "Apotheker [...] nah am Konkurs sein" soll (I,
5, S. 47), dessen Gläubiger, Meister Anton nämlich, will er warnen.
Doch Anton reagiert auf diesen Hinweis zunächst mit der Bemerkung,
er sei ein "Christ", und der Apotheker habe "viele Kinder" (I, 5, S. 51).
Dann stellt sich aber überraschend heraus, daß sein Geld schon
längst nicht mehr in der Apotheke steht. Leonhard kommentiert:
"Er ist ein vorsichtiger Mann. Er hat sein Geld gewiß
gleich eingefordert, als er sah, daß es mit dem Krauthändler
rückwärts ging!" (I, 5, S. 51)
"Ja", bestätigt Meister Anton. Vom Konkurs des Apothekers
ist sein Geld nicht bedroht, offenbar sind seine 1000 Taler "eingefordert".
Anton hat also den Konkurs des Apothekers erheblich beschleunigt, seinem
Christentum zum Trotz. Der Dialog nimmt aber sogleich eine andere Wendung,
die eine Bewertung dieser Handlung erschwert. "Ja", sagt Meister Anton
und erläutert, "ich brauche nicht mehr zu zittern, daß ich es
verliere, denn ich habe es längst verloren." – "Spaß!" fragt
Leonhard, "Ernst!" bestätigt der Tischler (I, 5, S. 51). Für
sein Geld hat er seinen alten Lehrherrn vor dem Ruin gerettet und vor der
Schande, als Schuldner sterben zu müssen: "Die [Schuld-]Verschreibung
hab ich dem Toten, bevor sie den Sarg zunagelten, unter den Kopf geschoben,
wenn ich schreiben könnte, hätt‘ ich vorher ein: ‚Ehrlich bezahlt‘
darunter gesetzt." (I, 5, S. 55) Das Geld, das dem Apotheker so dringend
fehlt, daß er Konkurs macht, hat die bürgerliche Ehre eines
anderen gerettet.
Leonhard wird "ordentlich blaß", als er hört,
daß die Mitgift verloren ist, Anton dankt ihm daraufhin ironisch
für seine "Teilnahme". Aber trotz der verlorenen Mitgift beginnt Leonhard,
wie geplant, damit, um Klara anzuhalten. "Halt er ein! Vielleicht sag ich
nicht nein!", unterbricht ihn Meister Anton, doch Leonhard hofft auf des
Meisters Zustimmung, rechtfertigt zugleich aber seine Erwartungen bezüglich
einer Mitgift, indem er die "heiligen Erzväter" als Vorbilder anführt.
Schon Jacob habe Rahel geliebt und sich zugleich auch "über die fetten
Widder und Schafe" gefreut:
"Ich hätte es gern gesehen, wenn Seine Tochter
mir ein paar hundert Taler zugebracht hätte, und das war natürlich,
denn um so besser würde sie selbst es bei mir gehabt haben... Es ist
nicht der Fall – was tut’s? Wir machen aus der Fastenspeise unser Sonntagsessen
und aus dem Sonntagsbraten unsern Weihnachtsschmaus! So geht’s auch!" (I,
5, S. 52)
Darauf reicht ihm Anton die Hand und begrüßt Leonhard
als "Schwiegersohn" (I, 5, S. 53). Daß Leonhard Klara ohne Mitgift
nehmen muß, kommentiert dieser so: "Also doch weg! Nun, so brauch
ich mir von dem alten Werwolf auch nichts gefallen zu lassen, wenn er mein
Schwiegervater ist!" (I, 5, S. 53) Obschon Leonhard Meister Anton vorwirft,
ohne Rücksicht auf seine Familie sein Geld geopfert zu haben, scheint
der Heirat nichts im Wege zu stehen. Leonhard hat schließlich seine
Stellung und ist offenbar kein Mitgiftjäger. Alles könnte gut
ausgehen. Doch Sohn Karl macht anscheinend Schwierigkeiten.
Klara holt ein "Wochenblatt" in die Stube, Leonhard liest
darin. "Was Neues?", erkundigt sich Meister Anton. "Die Polizei macht einen
Juwelendiebstahl bekannt", lautet die Antwort. "Beim Kaufmann Wolfram"
seien die Juwelen aus "dem Sekretär verschwunden". Meister Anton erinnert
sogleich daran, daß sein Sohn "Karl vor ein paar Tagen [dort] einen
Sekretär poliert" habe, sein Verdacht fällt sofort auf seinen
eigenen Sohn. Seine Frau mahnt "Vergebe dir Gott dies Wort!" Und Meister
Anton korrigiert sich selbst: "Du hast recht, es war ein nichtswürdiger
Gedanke!" Das Gespräch beruhigt sich wieder, man erwartet Karl zum
Mittagessen. Und schon läutet die Türklingel.
Herein kommt aber nicht Karl, sondern die Polizei. Sie
tritt in Person des Gerichtsdieners Adam äußerst triumphierend
auf. Statt zu grüßen, beginnt Adam wie folgt:
"Nun geh er hin und bezahl er seine Wette! Leute
im roten Rock mit blauen Aufschlägen sollten Ihm nie ins Haus
kommen? Hier sind wir unsrer zwei!" (I, 7, S. 58)
Anton scheint eine Wette darauf verloren zu haben, von niederen
Gerichtsdienern niemals behelligt zu werden. Nun läßt ihn Adam
wissen, daß Anton nicht nur ihresgleichen sei, sondern nicht einmal
das: "Er hat recht, wir sind nicht bei unsersgleichen, Schelme und Diebe
sind nicht unsersgleichen!" (I, 7, S. 58) Adam erklärt sein rabiates
Verhalten: "Sein Sohn hat Juwelen gestohlen", verkündet Adam. "Den
Dieb haben wir schon. Nun wollen wir Haussuchung halten!" Die Mutter hört
dies und stirbt. "Jesus!" (Fällt um und stirbt.) Meister Anton
kommentiert: "Gute Nacht, Therese! Du starbst, als du’s hörtest! Das
soll man dir aufs Grab setzen!" (I, 7, S. 59) Leonhard, der sich immer
noch im Raum befindet, ruft "Schrecklich! Aber gut für mich!",
um dann das Zimmer zu verlassen. Wenig später erhält Klara einen
Brief von "Herrn Kassierer Leonhard", dessen Inhalt Anton errät: "Du
brauchst ihn nicht zu lesen! Er sagt sich von dir los! Bravo! Lump" (I,
7, S. 60). So ist es auch, und der Vater empfiehlt seiner Tocher, die Auflösung
der Verlobung zu gestatten, doch Klara insistiert: "Vater, Vater, ich kann
nicht!" (I, 7, S. 60) Wir wissen schon, warum, der Vater schöpft aber
erst hier Verdacht: "Kannst nicht? Kannst nicht? Was ist das? Bist du –
" Meister Anton, der die Unschuld seines Sohnes nicht einen Augenblick
in Erwägung zieht, Meister Anton verdächtigt nun sogleich seine
Tochter, welche anscheinend die wahre Schwester ihres Bruders, des "Muttermörders"
ist. Er spricht zu ihr:
"Liebe Tochter, der Karl ist doch nur ein Stümper,
er hat die Mutter umgebracht, was will’s heißen? Der Vater blieb
am Leben! Komm ihm zu Hilfe, du kannst nicht verlangen, daß er alles
allein tun soll, gib du mir den Rest, der alte Stamm [...] wackelt schon
[...] Du brauchst nicht nach der Axt zu greifen, du hast ein hübsches
Gesicht, ich hab dich noch nie gelobt, aber heute will ich’s dir dagen,
damit du Mut und Vertrauen bekommst, Augen, Nase und Mund finden gewiß
Beifall, werde – du verstehst mich wohl, oder sag mir, es kommt mir so
vor, als ob du’s schon bist!" (I, 7, S. 60)
Klara stürzt daraufhin "fast wahnsinnig" der Toten zu
Füßen und ruft verzweifelt "Mutter! Mutter!" Ihr Vater wird
hierauf deutlicher: "Faß die Hand der Toten und schwöre mir,
daß du bist, was du sein sollst!" Klara schwört, aber
schwört eben etwas anderes: "Ich – schwöre – dir – daß
– ich – dir – nie Schande – machen – will!" Doch der Vater ist es zufrieden:
"Gut! Es ist schönes Wetter! Wir wollen Spießruten laufen, straßauf,
straßab!" (I, 7, S. 61)
4. Tat und Umstände
Der zweite Akt handelt ein paar Tage später im Eßzimmer
des Tischlermeisters. Klara will das Geschirr abräumen, hat aber anscheinend
nichts gegessen. Sie sei satt, behauptet sie. Meister Anton nimmt dies
zum Anlaß, seinen Verdacht erneut zu äußern – trotz des
Schwurs seiner Tochter:
"Wer keinen Appetit hat, der hat ein schlechtes Gewissen!
Nun, alles wird sich finden! Oder war Gift in der Suppe, wie ich gestern
träumte? Einige wilder Schierling, aus Versehen beim Pflücken
ins Kräuterbündel hineingeraten? Dann tatst du klug!" (II, 1,
S. 62)
Meister Anton erwartet, in getreuer Analogie zum Tod seiner
Frau durch seinen Sohn, von der Hand seiner Tochter zu sterben. In seinen
Unterstellungen kombiniert er den vermeintlichen Vorsatz seiner Tochter,
die ihn "klug" vergiftet habe, mit dem Anschein der Fahrlässigkeit,
welche die Handlung in der Außensicht haben wird – das Gift sei "aus
Versehen" erst ins "Kräuterbündel" und dann in die Suppe geraten.
Genau in dieser Differenz von intrapsychischer Motivation und der externen
Beobachtbarkeit von Handlungen besteht ja das darstellerische und thematische
Problem dieses Dramas. Diese Vermutung läßt sich an einer weiteren
Stelle bestätigen, an der Meister Anton seine Tochter erneut über
die sicheren Folgen ihrer möglichen Schuld ins Bild setzt:
"..ich will dir die Sache leichter machen als den übrigen.
In dem Augenblick, wo ich bemerke, daß man auch auf dich mit Fingern
zeigt, werd ich – (mit einer Bewegung an den Hals) mich rasieren,
und dann, das schwör ich dir zu, rasier ich den ganzen Kerl
weg, du kannst sagen, es sei aus Schreck geschehen, weil auf der
Straße ein Pferd durchgegangen, oder weil die Katze auf dem
Boden einen Stuhl umwarf, oder weil mir eine Maus an den Beinen
hinauflief." (II, 1, S. 65)
Die Konjunktion "weil", die sonst Kausalität indiziert,
verliert hier ihren Sinn. Meister Anton kündigt seinen Selbstmord
an und liefert die Argumente für einen Etikettenschwindel gleich mit.
Man sieht, die Tat wäre kalten Blutes und mit Vorsatz geplant und
ausgeführt, während die Tatumstände die Tat verstellen würden.
Bei Klara und Karl verhält es sich exakt umgekehrt: Karl scheint ein
Juwelendieb und Klara scheint ein leichtes Mädchen zu sein, doch die
genaue Ermittlung der Umstände könnte sie entlasten. Klara hat
keinesfalls vorsätzlich ihren Fall so geplant, wie ihr Vater nun seinen
Selbstmord für den Fall ankündigt, daß sie nicht ist, was
sie sein soll.
Meister Anton rechnet sich offensichtlich die Vergehen
seiner Kinder unumschränkt selbst zu. Dies ist so auffällig,
daß der Pfarrer des Ortes ihn zurechtzuweisen sucht:
"Der Pfarrer, der mitleidige Mann, der mich gestern
besuchte, meinte zwar, ein Mensch habe niemanden zu vertreten als sich
selbst, und es sei unchristlicher Hochmut von mir, daß ich auch noch
für meinen Sohn aufkommen wolle" (II, 1, S. 66).
Doch weist Anton diese Mahnung zurück. Er könne
"alles, alles" ertragen, "nur nicht die Schande. Legt mir auf den Nacken,
was ihr wollt, nur schneidet den Nerv nicht durch, der mich zusammenhält"
(II, 1, S. 66). Die Schande seiner Kinder würde ihm das Rückrat
brechen. Und da er überzeugt ist, daß Klaras "Bruder der schlechteste
Sohn" ist, soll ihm zum Ausgleich Klara "die beste Tochter" sein (II, 1,
S. 64). Mit seinem diebischen Sohn stehe er "vor dem Angesicht der Welt"
als ein "nichtswürdiger Bankerottierer", doch wenn Klara ein "Weib"
werde, wie ihre
"Mutter war, dann wird man sprechen: An den Eltern
hat‘s nicht gelegen, daß der Bube abseits ging, denn die Tochter
wandelt den rechten Weg und ist allen anderen vorauf." (II, 1, S. 64)
Erneut zeigt sich hier das Problem der Zurechenbarkeit im
Paradigma von Vererbungs- und Sozialisationstheorien, ein Paradigma, in
dem der Pfarrer keine Kompetenz besitzt. Schuld ist für den Tischlermeister
kein christlicher Begriff, sondern eher ein Modus des Beobachtetwerdens
durch andere, also ein Begriff der öffentlichen Moral. Daher will
er sich genau dann töten, wenn die Schuld Klaras dadurch sichtbar
wird, daß man "mit Fingern" auf sie zeigt; und immerhin reicht ihm
nun schon der "Gaudieb" frech die Hand (II, 1, S. 65). Unschuld ist entsprechend
kein Zustand einer Seele ohne Sünde, sondern wiederum ein sichtbarer,
äußerlicher Zustand. Dies wird auch deutlich, als Klara ihren
Vater erneut in Erinnerung ruft, daß Karl "nichts gestanden" habe
und auch "nichts bei ihm gefunden" worden sei (II, 1, S. 66), er also noch
unschuldig sein könnte. Wenn dies der Fall wäre, Karl "freigesprochen"
würde und die "Juwelen" sich fänden, dann wolle Anton einen Anwalt
nehmen "und [s]ein letztes Hemd daran setzen, zu erfahren, ob der Bürgermeister
den Sohn eines ehrlichen Mannes mit Recht ins Gefängnis warf oder
nicht." (II, 1, S. 66) Die Schande, die er nicht dulden mag, ist öffentliche
Schande und kann nur öffentlich, in einem Gerichtsverfahren, wieder
ausgetilgt werden. Doch seien dies alles ohnehin "unnütze Reden",
da Karl "so wenig rein aus diesem Prozeß hervorgehen" werde wie die
"Mutter lebendig aus ihrer Gruft" (II, 1, S. 67). Daher sei des Meisters
einzige Hoffnung seine Tochter, die ihren "Schwur" halten solle, damit
er "den [s]einigen nicht zu halten brauche!" (II, 1, S. 67) Auf diese Exkurse
ihres Vaters reagiert Klara mit beschwörenden wie hilflosen Exklamationen:
"Allmächtiger Gott!" (S. 62) – "Barmherziger Gott, was soll ich tun!"
(S. 65) – "O Gott, o Gott! Erbarme dich!" (S. 67) Anders als im Falle der
Maria Magdalena bleibt aber jede himmlische Intervention aus.
5. Unschuld oder Unzurechnungsfähigkeit
Die Wende bringt nicht das himmlische Kind, sondern der
Kaufmann Wolfram. Der besucht die Tischlerswohnung und teilt Klara mit,
daß sich die "Juwelen [...] wiedergefunden" haben (II, 3, S. 68).
"O Vater, wärst du da", wünscht sich Klara, da mit er die frohe
Botschaft mit ihr teile, die die Unschuld seines Sohnes beweist. Karl ist
unschuldig – aber wer trägt dann die Schuld? Wolfram macht uns nun
mit der Geschichte seiner Frau bekannt, die "nicht recht bei sich" sei.
Sie, eine Irrsinnige, hat ihre eigenen Juwelen geraubt: "Den Diebstahl,
wegen dessen Ihr Bruder im Gefängnis sitzt, hat der Wahnsinn begangen!"
(II, 3, S. 68) Die geisteskranke Frau sei "boshaft und schadenfroh" geworden,
sie weide sich am Unglück anderer, neben den Juwelen habe sie die
verschiedensten Dinge entwendet und verborgen, um damit Unfrieden zu stiften
(II, 3, S. 69). Wolfram bedauert die fatalen Konsequenzen der falschen
Anschuldigung gegen Karl, die zum Tod von Klaras Mutter geführt hat,
behauptet aber auch: "nicht ich bin schuld!" Er habe, trotz des naheliegenden
Verdachts gegen Karl, der ja immerhin im Verlauf seiner Arbeit Zugang zu
den Juwelen hatte, keinesfalls "gleich strenge Maßregeln" gegen ihn
eingeleitet, sondern "die Sache nur vorläufig dem Gerichtsdiener Adam"
mitgeteilt und ihn ersucht, "ganz in der Stille Nachforschungen anzustellen".
Adam aber wollte "von keiner Schonung wissen", sondern in aller Härte
vorgehen (II, 3, S. 69). Wolfram vermutet, daß Adam "bis aufs äußerste
gegen Ihren Vater aufgebracht zu sein" schien, so daß es "nicht möglich"
gewesen sei, "ihn zu beschwichtigen" (II, 3, S. 70). Klara bestätigt
diese Vermutung und referiert nun ausführlich die Hintergründe.
Ihr Vater hat sich einst geweigert, mit Adam anzustoßen, und stattdessen
daran erinnert, daß "Leute mit rotem Rock mit blauen Aufschlägen
ehemals aus Gläsern mit hölzernen Füßen trinken mußten,
auch mußten sie draußen vor dem Fenster oder [...] vor der
Tür stehenbleiben und bescheiden den Hut abziehen"; anstoßen
könnten sie nur mit dem Abdecker (II, 3, S. 70). Diese Erniedrigung
des Gerichtsdieners, so mutmaßt Klara, "hat meine Mutter mit einem
jähen Tod bezahlen müssen" (II, 3, S. 70).
Als nächstes betritt der Sekretär, der alte
Verehrer und Grund der mutmaßlichen Eifersucht Leonhards, die Szene,
anscheinend um gleichfalls die "fröhliche Botschaft" von der Unschuld
Karls zu verkünden (II, 5, S. 68), tatsächlich aber, um die alte
Beziehung zu Klara wieder aufzunehmen. Er hat damit guten Erfolg, aber
natürlich kann Klara ihn nicht wählen. Da sie nicht länger
"die Schwester eines Diebes" ist, will sie vielmehr Leonhard darum bitten,
sie doch noch zu heiraten und ihr Kind zu legitimieren. Als der Sekretär
fragt, ob sie Leonhard denn noch so sehr liebe, antwortet sie:
"Lieben? Er oder der Tod! Wundert’s wen, daß ich
ihn wähle? Ich tät’s nicht, dächt‘ ich an mich allein!"
(II, 5, S. 74)
Dies ist deutlich genug, um den Sekretär ins Bild zu
setzen:
"Er oder der Tod? Mädchen, so spricht die Verzweiflung,
oder-" Klara unterbricht: "Mach mich nicht rasend! Nenne das Wort nicht
mehr! Dich! Dich lieb ich! Da! Da! Ich ruf’s dir zu, als ob ich schon jenseits
des Grabes wandelte, wo niemand mehr rot wird..." - "Mich ? Noch immer
mich? Klara, ich hab’s geahnt als ich dich draußen im Garten sah!"
– "Hast du? Oh, der andere auch! Und er trat vor mich hin! Er oder ich!
Oh, mein Herz, mein verfluchtes Herz! Um ihm, oder um mir selbst zu beweisen,
daß es nicht so sei, oder um’s zu ersticken, wenn’s so wäre,
tat ich, was mich jetzt – Gott im Himmel". (II, 5, S. 74)
Offensichtlich hatte Leonhard recht mit seiner Vermutung,
daß die Flammen der alten Liebe wieder aufzulodern drohten. Klaras
Versuche, seinen Verdacht zu zerstreuen, waren Täuschungen. Auch scheint
es jetzt ungewisser denn je, ob die sexuelle Handlung, die dann folgte,
eine Vergewaltigung war, wie die Inszenierung Kruses glauben macht, da
Klaras Wille zustimmend an der Handlung beteiligt gewesen zu sein scheint.
Dennoch will der Sekretär sie zur Frau nehmen. Sie
teilt ihm mit, daß sie ihr Wort längst zurück habe, aber
dennoch Leonhard und keinen anderen heiraten müsse. Der Sekretär
muß nun die ganze Wahrheit ahnen: "Unglückliche, verstehe ich
dich?" Ja!" "Darüber kann kein Mann weg! ... Ärmste! Ärmste!"
(II, 5, S. 76) Eine von einem anderen Mann Schwangere kann er nicht heiraten.
Und doch zeichnet sich für den Sekretär noch ein letzter Ausweg
ab, Klara zur Frau zu erhalten. Leonhard, der einzige der Klaras Geheimnis
kennt, müßte sterben. Ohne daß Klara es hören kann,
murmelt der Sekretär "brütend" vor sich hin:
"Oder man müßte den Hund, der’s weiß,
aus der Welt wegschießen!"
Zu Klara spricht er dann:
"Mädchen, du stehst vor mir - - Tausende ihres
Geschlechts hätten’s klug und listig verschwiegen und es erst dem
Mann in einer Stunde süßer Vergessenheit in Ohr und Seele eingeschmeichelt!
Ich fühle, was ich dir schuldig bin!" (II, 6, S. 76)
Der Zuschauer weiß, was das bedeutet, Klara nicht.
Bevor aber der Sekretär Leonhard zum Duell forden kann, läuft
Klara zu ihm, um ihn zu bitten, sie zu seiner Frau zu machen – im Falle
eines Mißerfolgs warte der Brunnen auf sie.
Leonhard gehört die erste Szene des dritten und letzten
Aktes. In einem Monolog räsonniert er über sein Verhältnis
zu Klara, das sein gutes Gewissen doch in "Verlegenheit" bringt:
"Die arme Klara! Sie dauert mich, ich kann nicht ohne
Unruhe an sie denken! Daß der verfluchte Abend nicht wäre! Es
war in mir wirklich mehr Eifersucht als die Liebe, die mich zum Rasen brachte,
und sie ergab sich gewiß nur darein, um meine Vorwürfe zu widerlegen,
denn sie war kalt gegen mich wie der Tod." (III, 1, S. 78)
Im Nachhinein bereuen also beide Seiten das fatale rendez-vous
– und beide erhalten Recht in ihrem Verdacht, daß die Motivation
des Anderen zur Vereinigung nicht Liebe gewesen ist, sondern von einem
Dritten ausgelöst wurde. An diesem Abend trafen sich nicht die zwei
Teile einer intimen Dyade, deren romantische Liebe aus einer eigenen, inneren
Logik heraus zur sexuellen Vereinigung treibt, wie dies etwa Friedrich
Schlegel in seiner Lucinde beschrieben hat, vielmehr begehrt Leonhard,
was der Sekretär begehrt, und Klara läßt sich darauf ein,
um sich selbst zu beweisen, daß sie den Sekretär nicht begehrt.
Daß sie sich weder lieben noch geliebt werden, ist
also nun beiden klar. Nun kommt Klara zu Leonhard, weist darauf hin, daß
ihr Bruder "unschuldig" und "freigesprochen" ist, der Grund für die
Entlobung also hinfällig geworden sei (III, 2, S. 79). Leonhard fragt
sie aber nur: "Und du willst?" Worauf Klara antwortet: "Du kannst fragen?
Oh, daß ich wieder gehen dürfte! Mein Vater schneidet sich die
Kehle ab, wenn – heirate mich!" – "heirate mich, nachher bring mich um,
ich will für das eine noch dankbarer sein wie für das andere!"
(III, 2, S. 79) Dies ist deutlich. Leonhard weist sie nicht unmittelbar
ab, sondern kontert zynisch im Vokabular der romantischen Liebe:
"Liebst du mich? Kommst du, weil dich dein Herz treibt?
Bin ich der Mensch, ohne den du nicht leben und sterben kannst?" – "Antworte
dir selbst!" – "Kannst du schwören, daß du mich liebst? Daß
du micht so liebst, wie ein Mädchen den Mann lieben muß, der
sich auf ewig mit ihr verbinden soll?" (III, 2, S. 79)
Da Klara ein ehrliches Mädchen ist, wie schon der Sekretär
bewundern mußte, erwidert sie Leonhard, daß sie dies "nicht
schwören" könne, er solle dies aber aus ihrem Handeln nie erfahren.
Diese Behauptung führt uns wieder zum Kernproblem des Dramas zurück,
dem Problem der Zurechenbarkeit und der Differenz von beobachtbaren Handlungen
und im Bewußtsein verschlossenen Empfindungen:
"Aber dies kann ich schwören: ob ich dich liebe,
ob ich dich nicht liebe, nie sollst du’s erfahren."
Um Leonhard die Entscheidung einfacher zu machen, verspricht
sie, ganz nach dem Vorbild der Totalrasur ihres Vaters, "Gift" für
"zerstoßenes Zucker" zu halten, so daß Leonhard durch ihren
schnellen Tod bald von ihr "loskommen" werde und auf eine teure Scheidung
verzichten könne (III, 2, S. 80). Auf diesen Monolog versetzt Leonhard
schlagfertig:
"Ein Mensch, von dem du dies alles erwartest, überrascht
dich doch nicht, wenn er nein sagt?" (III, 2, S. 80)
Leonhard rechtfertigt sich nun ausführlich in einem
legalistischen Diskurs. Er habe die Verlobung zurecht gelöst, da Klaras
Bruder als Verbrecher galt. Gegen den Brief, den er vor acht Tagen geschrieben
habe, wurde "nicht zur rechten Zeit [...] protestiert" (III, 2, S. 82).
Also war Leonhard "frei in [s]einem Gefühl, wie vor dem Gesetz". Jetzt
komme Klara erneut zu ihm, doch inzwischen habe er "ein neues Verhältnis"
geknüpft, mit der Tochter des Bürgermeisters, und diese Beziehung
sei nicht zu lösen, da "mit dem Bürgermeister [...] nicht zu
spaßen" sei. Im übrigen ist er der Ansicht, man solle eben nicht
die "Aussteuer seiner Tochter wegschenken", der Tischlermeister sei selbst
schuld daran, daß er nun so grausam sein müsse: "Was auch daraus
entsteht, er hat’s zu verantworten, das ist klar!" (III, 1, S. 82) Immerhin
bietet Leonhard an, Klara nach Hause zu begleiten und vor Meister Anton
für sein Verhalten gerade zu stehen. Klara aber bittet ihn, ihr Geheimnis
für sich zu behalten, daß sie nun mit in den Tod nehmen wolle:
"damit er nie etwas erfährt, geh ich noch heute aus der Welt" (III,
4, S. 83). Leonhard erinnert sie daran, daß sie "Kindesmörderin"
sei, wenn sie zur "Selbstmörderin" werde, doch Klara will beides lieber
sein als "Vatermörderin" (III, 4, S. 83). Klara geht ab, Leonhard
bleibt zurück. Er spricht für sich:
"Ich muß! Ich muß sie heiraten!" Es mag
gute und "gescheit klingende" Gründe dagegen geben: "und doch – Ich
muß ihr nach!" (III, 5, S. 84)
Er eilt ihr jedoch nicht hinterher, da ihn jemand aufhält.
Es ist der Sekretär, der ihn zum Duell fordert. Die Entscheidung,
Klara doch noch zu heiraten, wird ihm abgenommen – wie er sich entschieden
hätte, bleibt letztlich offen. Unter dem Eindruck, sich wegen Klara
schießen zu müssen, verspricht Leonhard allerdings, er wolle
sich noch am selben Abend verloben, doch der Sekretär will lieber
selbst Bräutigam werden: "Das tue ich oder keiner." Er zwingt Leonhard
in den Wald, zum Duell (III, 6. S. 85f).
Klara unterdessen geht nicht sofort ins Wasser, sondern
nach Hause, wo sie auf ihren Bruder trifft, der soeben aus seiner Haft
entlassen worden ist. Bei seiner Schwester erkundigt sich Karl nach dem
Betragen der "Gerichtsdiener [...] hier im Hause" (III, 8, S. 88). "Wie
in einer Diebsherberge", lautet die Anwort. Karl rät, Klara solle
sich nicht wundern, wenn sie morgen früh höre, "daß der
Kerl erschlagen gefunden worden" sei. "Karl! Du wirst doch nicht", entsetzt
sich Klara, und Karl gibt nach dem bewährten Vorbild zur Anwort, daß
es keine eindeutige Zurechenbarkeit geben werde:
"Bin ich sein einziger Feind? Hat man ihn nicht schon
oft angefallen? Es dürfte schwerhalten, aus so vielen, denen das Stück
zuzutrauen wäre, den rechten herauszufinden" (III, 8, S. 88).
Im übrigen wolle er "zur See" gehen, um der furchtbaren
Enge des Haushaltes endlich zu entkommen (III, 8, S. 88f). Auch Klara will
ins Wasser gehen, zum unvermeintlichen Brunnen. Ihr Bruder gibt ihr unabsichtlich
einen Vorwand damit, daß er sie um ein "Glas Wasser" bittet, daß
sie ihm frisch "vom Brunnen" holen will (III, 8, S. 90).
"Dank! Dank! Das war das letzte, was mich noch drückte!
Die Tat selbst mußte mich verraten! Nun werden sie doch sagen: sie
hat ein Unglück gehabt! Sie ist hineingestürzt!" (III, 8, S.
91)
Klara geht ab, Meister Anton tritt ein. Seinen Sohn, den
er ohne weiteres des Diebstahls für fähig gehalten hat, begrüßt
er wie folgt:
"Dir hätt‘ ich was abzubitten, aber wenn ich’s
dir verzeihe, daß du heimlich Schulden gemacht hast, und sie noch
obendrein für dich bezahle, so werd ich’s mir ersparen dürfen!"–
"Das eine ist gut, das andere nicht nötig, wenn ich meine Sonntagskleider
verkaufe",
entgegnet Karl, der auf eine Entschuldigung seines Vaters,
nicht aber auf sein Geld wert legt (III, 10, S. 91). Einig sind sich Vater
und Sohn aber darüber, daß der Gerichtsdiener besonders schändlich
an Karl gehandelt habe, als er ihn als Gefangenen öffentlich wie einen
"Fastnachtsochsen" durch die Straßen und den Markt der Stadt geführt
habe, statt direkt zum Bürgermeister; Uneinigkeit besteht jedoch darüber,
wie man Adam dafür strafen könne. Karl ist fürs Lynchen,
Anton für den Rechtsweg.
Diese Debatte wird vom Sekretär unterbrochen, der
angeschossen in die Stube taumelt. Leonhard ist erschossen, der Sekretär
fragt nach Klara. Karl macht sich nun Sorgen: "Sie ging zum – Wo bleibt
sie? Ihre Reden – mir wird Angst!" Er verläßt das Zimmer, wohl
um nach seiner Schwester zu schauen. Schwer verwundet bittet der Sekretär
Meister Anton darum, "daß Er seine Tochter nicht verstoßen
will" (III, 11, S. 92). Anton dämmert es nun, daß er Klara mit
seinen Verdächtigungen "nicht unrecht getan" hat – dem Sekretär
verspricht er daher nichts, als daß er seiner Tochter "Platz machen"
werde.
Dies ist nicht nötig: Karl bringt die schlechte Nachricht,
daß sie in den Brunnen gestürzt ist:
"Klara! Tot! der Kopf gräßlich am Brunnenrand
zerschmettert, als sie – Vater, sie ist nicht hineingestürzt,
sie ist hineingesprungen, eine Magd hat’s gesehn!" Darauf antwortet
der Vater umgehend mit Geistesgegenwart: "Die soll sich’s überlegen,
eh sie spricht! Es ist nicht hell genug, daß sie das mit Bestimmheit
hat unterscheiden können!"
Diese Uminterpretation eines Vorsatzes in einen Zufall oder
Unfall ist uns nun schon oft begegnet, sie kann nicht mehr überraschen.
Es geht wieder um die unterschiedliche Fallsubsumtion derselben Tat: Unfall
oder Selbstmord – und dazu müssen die Umstände sorgfältig
abgewogen werden, nur vom Augenschein her könne man nichts "mit Bestimmtheit
unterscheiden". Meister Anton, der bislang nur vom Augenschein her urteilte
und seinen Kindern ohne Interesse an ihren Motiven das Schlimmste unterstellte,
plädiert jetzt selbst gegen schnelle Urteile.
Der Sekretär allerdings bezweifelt den Zweifel an
dem Hergang des Geschehens: "Zweifelt Er? Er möchte wohl, aber Er
kann nicht! Denk Er nur an das, was Er ihr gesagt hat! Er hat sie auf den
Weg des Todes hinaus gewiesen." (III, 11, S. 93) Aber auch er selbst mißt
sich eine Schuld bei, da er sie nicht einfach in seine Arme schloß,
als "ihr Herz in namenloser Angst vor mir aufsprang", sondern "an den Buben
dachte, der dazu ein Gesicht ziehen könnte". Dritte beeinflussen
auf fatale Art das Handeln. Daß er das Duell erzwang, statt Klara
auch schwanger zu heiraten und einen Mitwisser zu dulden, sei ein Fehler
gewesen, den er nun "mit dem Leben" bezahle (III, 11, S. 94). So selbstkritisch
wie der Sekretär am Ende seines Lebens ist Anton bei weitem nicht.
"Sie hat mir nichts erspart – man hat’s gesehen!" ist seine Meinung,
die wiederum auf die Öffentlichkeit des Sichtbaren verweist. Sein
berühmtes Schlußwort lautet: "Ich verstehe die Welt nicht mehr!"
6. "Alle sind im Recht"
Am Ende des dritten Aktes ist die kleine Familie des Handwerkers
völlig zerstört. Mutter und Tochter sind tot, der Sohn verläßt
das Haus, um Matrose zu werden, der Vater allein ist übrig. Mit Klara
ist auch ihr Kind gestorben, das schon vor dem Sprung der Mutter zur Waise
wurde, denn auch Leonhard ist tot, erschossen vom Sekretär, dessen
Ende gleichfalls abzusehen ist. Ein überaus blutiges Familiendrama.
Der Hegel-Schüler Karl Rosenkranz hat das Stück in seiner Ästhetik
des Häßlichen von 1853 erbittert kritisiert:
"Dies Drama ist ein wahrer Rattenkönig von falschen
Kontrasten. Sohn und Mutter, Sohn und Vater, Tochter und Vater, Liebhaber
und Geliebte, alles steht in falschen Beziehungen. Da ist auch nicht ein
Verhältnis, Haustyrannei, Diebstahl, Fall der Unschuld, Untreue, Ehrlosigkeit,
Duell, Selbstmord mit obligatem Kindermord, das nicht eine häßliche
Wendung darböte. Der Mittelpunkt des Ganzen sollte Clara sein. Allein
wie können wir sie für tragisch gelten lassen, da sie einem solchen
Subjekt, wie dieser herzlose Leonhard ist, sich in die Arme wirft! Wäre
derselbe ein edler Mensch, so würde ein tragischer Kontrast zwischen
ihm und dem Doktor möglich sein. So aber fehlt in ihrer Beziehung
auf Clara die Einheit. Oder Clara könnte mit ihm kontrastieren. Aber
wie soll sie es, da sie die wahre Liebe ihres Herzens verraten, ja in einer
frivolen Laune ihm ihre jungfräuliche Reinheit geopfert hat."
Das Stück sei infam, Klaras Probleme seien alltäglich,
aber nicht tragisch, da sie sich "aus einer eigentlich infernalen Berechnung
heraus [...] einem von [ihr] im tiefsten Innern ungeliebten Menschen hingegeben"
habe. Wer das Stück gesehen habe, sehne sich nach den durch "Furcht
und Mitleid reinigenden Schauern der Tragödie" (S. 86). Rosenkranz
empört sich über Hebbels Klara, die so "Edles und Schönes"
sage und doch schwanger und entehrt sei. Der "Widerspruch" zwischen dem,
"was sie sein will und auch wohl sein soll", und dem, "was sie
faktisch ist", lasse das Stück an einer "falschen und damit häßlichen
Disharmonie" scheitern (S. 92).
An dieser Schelte gegen Hebbels Drama läßt
sich immerhin die Beobachtung festhalten, daß es in der Maria
Magdalena nicht um die Art von Konflikten geht, die Lessing oder Schiller
beschäftigt haben. Niemand im Stück ist eine Marwood oder ein
Präsident, niemand eine Emilia oder Luise, deren tragischer, unschuldiger
Tod den Zuschauer kathartisch erschauern ließe. Aber darum geht es
Hebbel auch nicht. Genau auf den offenbaren Gegensatz zwischen Edlem und
Gemeinen, Bösem und Guten, den Rosenkranz anmahnt, wollte Hebbel verzichten.
Hebbel selbst hat in einem Brief die Ansicht geäußert,
Klara werde "aus der Welt herausgedrängt". In einem weiteren Brief
heißt es über die Protagonisten des Stücks. "Alle sind
im Recht – und dennoch entbindet sich durch den Zusammenstoß
dieser einander innerlich entgegen gesetzten Naturen das furchtbarste Geschick."
Darin sieht Hebbel selbst seine formale Leistung.
Die Materialien seien freilich "die Ideen der Familie, der Sittlichkeit,
der Ehre, mit ihren Tag- und Nacht-Seiten, und Consequenzen", aber die
"allerbedeutendsten Vorzüge dieses Werkes" lägen nicht in diesem
Stoff, sondern in der Schöpfung eines Trauerspiels, das ohne die "Beimischung
des positiv-Bösen" auskomme und ohne die eindeutige Zurechnung von
"Schuld" dennoch unaufhaltsam zur Katastrophe führe. Diese Selbsteinschätzung
Hebbels bestätigt unsere Lektüre, die nachweisen wollte, daß
die Handlungs- und Gesprächsführung des Dramas alle Schuldzuweisungen
systematisch sabotiert. Insbesondere ist es nahezu unmöglich, beobachtbare
Handlungen oder Sprechakte und die zu ihnen führenden psychischen
Motive oder die sie begleitenden Empfindungen in ein schlichtes monokausales
Verhältnis zu setzen. Es bleibt bei Mutmaßungen – und selbst
diese werden vom Verlauf des Stücks immer wieder als perspektivisch
relativiert. Der dramatische Konflikt hat damit bei Hebbel eine andere
Gestalt bekommen.
Das "bürgerliche Trauerspiel", so heißt es
im Vorwort zur Maria Magdalena, sei in Deutschland durch "Übelstände"
in "Mißkredit geraten", denn es begnüge sich beim Konfliktaufbau
mit "allerlei Äußerlichkeiten". Es gehe entweder um den "Mangel
an Geld bei Überfluß an Hunger, vor allem aber [um den] Zusammenstoß
des dritten Standes mit dem zweiten und ersten [Stand] in Liebesaffären".
Daraus gehe zwar "unleugbar viel Trauriges, aber nichts Tragisches hervor".
Jedesmal könnte man sagen, "hätte er" doch "dreißig Taler
gehabt" oder "wäre sie" doch kein Bürgerskind, sondern ein adeliges
"Fräulein gewesen", dann wäre alles gut geworden. Alles habe
also auf solchen Äußerlichkeiten beruht, die Dramen solcher
Stoffe seien daher "trivial" zu nennen (S. 26).
In Hebbels bürgerlichem Trauerspiel geht es dagegen
nicht um ein Problem, dessen Lösung allein von derlei äußeren
Umstände abhinge, sondern um das basale Problem der Differenz von
Kommunikation und Bewußtsein. Hebbel übernimmt dieses Problem
aus dem zeitgenössischen Recht, das im 19. Jahrhundert die Frage nach
dem Motiv stellt und aus den beobachtbaren Kommunikationen den Anteil des
Willens des Täters zu ergründen sucht; und er verschärft
dieses Problem, indem er die Möglichkeit einer hinreichenden Zurechnung
einer Tat auf den freien Willen des Täters grundsätzlich in Frage
stellt. Das Bürgerliche an diesem Trauerspiel ist die Tatsache,
daß diese Beobachtung generalisiert zu werden vermag und die gesamte
Gesellschaft als Problem der Differenz von Bewußtsein und Kommunikation
durchzieht. Es ist so, wie Meister Anton es sagt: Wer einmal ein Glas
Wasser durchs Mikroskop gesehen hat, der möchte den ganzen Tag nichts
mehr trinken! Und wer die bürgerlichen Verhältnisse durch
das Vergrößerungsglas der Hebbelschen Dramatik betrachtet hat,
zweifelt auch wohl für mindestens einen Tag daran, daß die Kommunikation
wirklich mitteilt, was das Bewußtsein meint, und auch daran, daß
man von sichtbaren und hörbaren "Handlungen" ohne weiteres auf das
"Denken" und "Empfinden" schließen kann. Die Frage der tragischen
Schuld ist daher nicht mehr mit Gewißheit zu beantworten. Jede Zurechnung
riskiert, ihr Ziel zu verfehlen.