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Warum Hausgemeinden
Interview von Klaus Rösler in Die Gemeinde Nr. 24 vom 3. Nov. 2002,
S. 30-31, Das Magazin des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden,
Oncken Verlag Kassel, Rubrik Hintergrund
Warum sich Manfred Hauenschild in einer Hausgemeinde engagiert
Wie in der Urgemeinde
Manfred Hauenschild ist kein Mann der faulen Kompromisse. Wovon er überzeugt
ist, dafür setzt er sich ein. Zur Zeit leitet der 64-jährige eine Hausgemeinde
in Bochum. Wohlgemerkt: Keinen Hauskreis, sondern eine Gemeinde. Er ist davon
überzeugt, dass das Modell der Hausgemeinde dem neutestamentlichen Modell
einer Gemeinde am ehesten entspricht. Zur Begründung verweist er auf die
Apostelgeschichte im Neuen Testament (Apg 2, 46 f.): "...
und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit
Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen
Volk." Die Größe seiner Gemeinde ficht Manfred Hauenschild dabei nicht an.
Dass sich dort derzeit nur neben ihm vier weitere Männer aus der Nachbarschaft
versammeln, sei kein Grund, dieses Konzept nicht weiter zu verfolgen. Der
Unterschied zu einem Hauskreis: Eine Gemeinde ist in allen Belangen für sich
selbst verantwortlich und keiner "Muttergemeinde" rechenschaftspflichtig.
Als Einzelkämpfer indes versteht sich Manfred Hauenschild nicht: Er hat sich
von einer anderen Gemeinde, der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde
Essen-Altendorf, in den Missionsdienst in Bochum unter Handauflegung entsenden
lassen. Dort ist er nach wie vor Mitglied. Die ganze Angelegenheit war zuvor
im Ältestenkreis besprochen worden. Und ganz mit den Altendorfern gebrochen
hat er auch nicht. Zwei bis dreimal im Monat besucht er die Gemeinde, vor
allem, um einen Bibelkreis zu leiten. Seine Frau ist noch stärker in der
Gemeinde verwurzelt. Sie leitet einen Hauskreis der Gemeinde, der sich - wie
die Hausgemeinde ihres Mannes - in der Wohnung der Hauenschilds in Bochum
trifft.
Der inzwischen in Rente gegangene EDV-Fachmann hat eine bewegte Vergangenheit,
die stark geprägt ist von seinen Überzeugungen. Er ist in einer Ravensberger
Erweckungsgemeinde aufgewachsen und versteht sich als Christ, "seitdem ich
mich für irgendetwas entscheiden konnte". Die Eltern gehören zur
Landeskirchlichen Gemeinschaft. Nach einer Schreinerlehre hat er Theologie
studiert und war Vikar in der westfälischen Landeskirche. Doch das kirchliche
Leben in seiner Gemeinde entsprach nicht im Entferntesten seinen Erwartungen:
"Unter den Pastoren war von der Liebe Jesu nichts zu spüren, sondern es
herrschte nur Konkurrenzdenken." Da wollte er nicht länger mitmachen und
schmiss den Beruf hin. Statt dessen studierte er noch einmal: Mathematik und
Physik. Eine neue geistliche Heimat fanden er und seine Frau Erika im
Marburger Kreis.
Beruflich wurde Manfred Hauenschild schließlich im Rechenzentrum der
Universität in Bochum "sesshaft". Auch ehrenamtlich nutzte er seine
Computerkenntnisse, indem er sich in der mit dem Christlichen Internet-Dienst (CID, Berlin)
kooperierenden Arbeitsgruppe "
www.evangelium.de" engagierte.
Mehr als 10.000 "Surfer" nutzen jeden Monat die vielfältigen Foren. Es gab
sogar Pläne, dass Manfred Hauenschild dieses Internet-Projekt wissenschaftlich
im Rahmen einer Doktor-Arbeit begleitete. Er wollte dabei der Frage nachgehen,
wie aus einer virtuellen Gemeinde im Internet eine reale werden kann.
Doch leider ließ sich diese Arbeit nicht verwirklichen, der sein möglicher
Doktorvater nicht mehr lange genug im Dienst gewesen wäre.
Viele Jahre engagierte sich Manfred Hauenschild im Marburger Kreis und
absolvierte dort eine Seelsorgeausbildung. Später kam ein Studiengang der
Biblisch-Therapeutischen Seelsorge (BTS) hinzu. Das war notwendig, denn die
beiden Hauenschilds haben immer wieder - teilweise mehrere Monate lang -
seelisch labile Menschen begleitet. Dabei verstehen sie sich als "geistliche
Eltern": "Unsere Tochter ist erwachsen. Wir sind längst Großeltern. Sie
braucht uns nicht. Aber andere Menschen brauchen aus." Dieser Aufgabe wollten
sie sich gerne gemeinsam stellen.
Auch im Marburger Kreis ging es nicht ohne Spannungen ab. So kam es zu einer
Kontroverse über die richtige Haltung gegenüber den Einflüssen der
geistlichen Gemeindeerneuerung. Und wieder verabschiedeten sich die
Hauenschilds. Längst hatte sich in Manfred Hauenschild die Überzeugung
gefestigt, dass der von den Charismatikern entwickelte "Lobpreis" ein ganz
wichtiges Element im Gemeindeleben ist: "Er bringt uns in die Nähe Gottes."
Und so machte er sich mit seiner Ehefrau auf die Suche nach einer
entsprechenden Gemeinde. Zunächst landeten sie zwei Jahre lang in einer
unabhängigen Freikirche. Seit 1997 sind sie Mitglieder in der Altendorfer
Baptistengemeinde. Das geistliche Leben dort hat ihn überzeugt: "Wir sind
dort eine Gemeinde, wo der Geist Gottes herrscht."
Was ihn aber nicht davon abhielt, sich mit der Idee der Hausgemeinde zu
beschäftigen. Das Konzept stammt einerseits direkt aus der Apostelgeschichte,
andererseits von dem Theologen Wolfgang Simson (Lörrach). Als Leiter der
Bewegung "DAWN - Disciple A Whole Nation" (Eine ganze Nation zu Jüngern
machen) und Herausgeber des "Freitags-Faxes", das über aktuelle geistliche
Entwicklungen in aller Welt informiert, ist er auch in freikirchlichen
Kreisen kein Unbekannter.
Die besondere Chance der Hausgemeinde sind Manfred Hauenschild in der
räumlichen Nähe ihrer Mitglieder. Niemand wohnt weiter entfernt als 300 Meter.
So bleibt man auch im Alltag in Kontakt. Darüber hinaus ist die Gemeinde für
alle ihre Belange selbst verantwortlich: für Taufen, für das Abendmahl und
auch für ihre Finanzen. Nur den biblischen "Zehnten" zu geben, ist Manfred
Hauenschild zu wenig. "Wir wollen alles miteinander teilen", sagt er. Das sei
eine Frage der Ethik. Soweit die Theorie. In der Praxis ist das komplizierter.
Konkret: Vier der fünf Mitglieder seiner Gemeinde sind "wirtschaftlich ganz gut
gestellt", der Fünfte hoch überschuldet. Obwohl die anderen vier bereits
signalisiert haben, dem Fünften helfen zu wollen, will er diese Hilfe nicht
annehmen.
Und was ist mit übergemeindlichen Diensten, mit Diakonie, Weltmission,
theologischer Ausbildung? Auch hier hat die Hausgemeinde-Bewegung eine
Antwort parat: nämlich das Hauskirchen-Netzwerk. Allein in Bochum gibt es
drei weitere, etwas größere Gemeinden. "Die größte Hausgemeinde hat bereits
25 Mitglieder. Die müssten eigentlich schon wieder teilen", empfiehlt
Manfred Hauenschild. Einmal im Monat gibt es einen Hauskirchenabend aller
Gemeinden und einen Gottesdienst für die ganze Familie im örtlichen CVJM.
Darüber hinaus denken die Verantwortlichen auch über weitere gemeinsame
Gottesdienste in den Stadtbezirken nach. Unumstritten scheint die neue
Bewegung nicht zu sein. Denn obwohl die Leiter einer anderen
Hausgemeinde Küster in einer evangelischen Kirchengemeinde sind, blieben
der Bewegung die Räumlichkeiten dieser Kirche für Gottesdienste am Sonntag
Nachmittag versagt. Zur örtlichen Evangelischen Allianz und der
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen hat die Bochumer
Hausgemeinde-Bewegung inzwischen Kontakte geknüpft. Wichtig ist Manfred
Hauenschild vor allem, dass in allen überregionalen und überkonfessionellen
Organisationen mehr gebetet wird, für die Politik und für die Gesellschaft.
Bochum ist für ihn ein "geistliches Kampfgebiet". Im Dritten Reich sei Bochum
"Gaustadt" gewesen. Bis heute gebe es überdurchschnittlich viele bekennende
Satanisten in der Stadt. Deshalb müssten alle Christen zusammenstehen, damit
die Herrschaft Gottes aufgebaut werden könne. Dies sei um so wichtiger, als
dass ihm bekannt geworden sei, dass die Satanisten gezielt gegen die Einheit
von Pastorenehepaaren "beten" würden.
Ist die Bochumer Hausgemeinde-Bewegung also doch nichts anders als eine neue
Konfession? Manfred Hauenschild fällt die Antwort nicht leicht. Viele
Angehörige der Hausgemeinden hätten noch Kontakte zu anderen Gemeinden und
niemand soll sie drängen, das zu ändern. Von daher sei die Hausgemeinde eher
eine überkonfessionelle Basisbewegung. Andererseits befürchtet er, dass sie
sich wie viele andere Bewegungen in Richtung einer Konfession entwickelt. Das
kann nur verhindert werden durch eine dauernde geistliche Gemeindeerneuerung.
Er versteht die Hausgemeinden als Öl im Getriebe der Konfessionen, nicht als
eigene kleine Zahnräder. Spaltung will Manfred Hauenschild nicht gelten
lassen. Die große Zukunft hätten die Hausgemeinden noch vor sich. "Ich habe
die Hoffnung, dass es einmal eine Erweckung in Deutschland gibt. Wenn es so
weit ist, sind die festen Strukturen einer etablierten Kirche und Freikirche
überfordert. Doch die Hausgemeinden können schnell reagieren."
Klaus Rösler
der Interviewte: Manfred Hauenschild
  Bochum, 03.11.2002
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