Dr. Dr. Michael Lütge
Gestalttherapeut
& Pfarrer (20.August 2025)
Unter Aufnahme der
Autoritarismus-Studien Adornos[1] und der Studien von Michel
Foucault, Maurice
Merleau-Ponty, Frantz Fanon, Hannah Arendt, Sally Haslanger und
Victoria McGeer
über die Verinnerlichung von Ideologien und angesichts der
Verwunderung, daß
britische Frauen sich dem IS angeschlossen haben, daß Trump
gewählt wurde, daß
der inzwischen erwiesenermaßen für England
schädliche Brexit eine Mehrheit
bekommen konnte, hat Leor Zmigrod von der Universität
Cambridge
neurobiologische Versuchsreihen unternommen, die zeigen, daß
bestimmte Menschen
durch neurophysiologische Konstitutionen eine signifikant rigidere
Auffassungsgabe haben als flexibler strukturierte Gehirne.[2] Daß diese Personen
ihre rigideren
Hirnstrukturen apriori und genetisch bedingt haben, ist nicht der Fall.
Sie
wurden durch ihre Erziehung und soziale Situation so konditioniert,
daß sich
ihre Hirnfunktionen daran assimiliert haben. Es gibt bidirektionale
Verbindungen zwischen dem Gehirn und der Ideologie, in
die es eingetaucht ist.[3] Kognitiv rigiden Personen
fehlt die Fähigkeit,
sich anzupassen und zwischen verschiedenen Denkweisen zu wechseln. Sie verharren in starren
Denkmustern.[4] „Individuals who are more
ideologically extreme, dogmatic, or prone
to violent solutions tend to exhibit cognitive rigidity on neutral
neuropsychological tests.“[5] Dogmatisch,
extrem und gewaltbereit sind Terroristen aller Richtungen.
In einem psychologischen Test bat die
Hirnforscherin mehrere
1000 Probanden, kleine Karten zu sortieren nach einer bestimmten Regel,
die sie
durch Trial and Error schnell herausfinden – denn sie
erhalten eine Belohnung
bei der richtigen Anwendung. Also zum Beispiel, daß auf ein
bestimmtes Symbol
ein anderes Symbol folgt. Irgendwann im Spiel ändert sich die
Regel, ohne daß
die Teilnehmer davon wissen. Dies ist der spannende Moment. Einige sind
kognitiv flexibler und ändern ihr Verhalten schnell, andere
wenden immer wieder
die alte Regel an, obwohl die anfänglichen Belohnungen
für korrektes Sortieren
ausbleiben und sie kapieren könnten, daß dies der
falsche Weg ist.
Das Bedürfnis des Gehirns
ist Klarheit und Zugehörigkeit,
sonst gerät es in Stress. Die einfachste Erklärung
ist das, wonach das Hirn am
ersten greift. Erst mit etwas Sicherheit kann es komplexere
Zusammenhänge
erfassen. Was Adorno und Frenkel-Brunswik in ihrem Befragungsteam als
F-Skala
in tausenden Interviews ermittelt hatten, kann heute via MRT als
Aktivität
bestimmter Hirnströme gemessen werden. Rigides
Bewußtsein ist
neurophysiologisch gemessen anders als Hirnströme flexiblen
Bewußtseins. Das
Ticket-Denken wurde von Horkheimer/Adorno in der Dialektik der
Aufklärung
bereits detailliert beschrieben als Element des Antisemitismus. Es ist
tatsächlich meßbar. Es gibt biologische und
psychologische Marker, die Menschen
für Ideologien prädisponieren. Doch sind diese selbst
schon Produkt vorgängiger
Erziehung. „doch leicht bleibt an der Stelle, an der die Lust
getroffen wurde,
eine unmerkliche Narbe zurück, eine kleine
Verhärtung, an der die Oberfläche
stumpf ist. Solche Narben bilden Deformationen. Sie können
Charaktere machen,
hart und tüchtig, sie können dumm machen –
im Sinn der Ausfallserscheinung, der
Blindheit und Ohnmacht, wenn sie bloß stagnieren, im Sinn der
Bosheit, des
Trotzes und Fanatismus, wenn sie nach innen den Krebs erzeugen. Der
gute Wille
wird zum bösen durch erlittene Gewalt. Und nicht
bloß die verbotene Frage, auch
die verpönte Nachahmung, das verbotene Weinen, das verbotene
waghalsige Spiel,
können zu solchen Narben führen.“[6] Das Produkt solcher
Schwarzen Pädagogik sind
deformierte Menschen. Ihre Dummheit und das rigide Bewußtsein
ist Reaktion auf
erlittene Gewalt. Der Nachhall dieser im Faschismus propagierten
Erziehungsformen hält als cultural lag bis heute an. Auch in
der muslimischen
Community sind diese Tendenzen unübersehbar.
Zmigrod korreliert die Differenz
zwischen Rigidität und
Flexibilität mit politischen Einstellungen und findet heraus,
daß
Brexit-Befürworter signifikant häufig in der Gruppe
der rigiden Denker zu
finden sind. Niklas Luhmann faßte Religion als Reduktion von
Weltkomplexität
auf, und genau dieses Phänomen sieht Zmigrod bei den rigiden
Hirnen am Werk.
Sie teilen die Welt in Gut und Böse, „Wir“
und „die Anderen“. Das ist der
Kernrezept des Populismus: Die Welt so vereinfacht darzustellen,
daß es die
einfachen Gemüter verstehen können. Damit
fängt man Stimmen und Zustimmung. Und
tatsächlich zielt die Propaganda jeder politischen Coleur auf
Tickets, einfache
Denkmodelle, die ostinat wiederholt und immerzu als Wahrheit
eingebläut werden.
Kants „Formen der Anschauung“ werden
gesellschaftlich vermittelt und
programmiert. Die Hirnstrukturen sind Ergebnis sozialer Beeinflussung.
Die
Gruppe trimmt die Hirne ihrer Mitglieder. „Es gibt
tiefgreifende und komplexe
Veränderungen, die im Gehirn und Körper ideologischer
Gläubiger stattfinden.“[7]
Eine Studie, in der man die
neuronalen Muster von
Dschihadisten untersucht hat, hat sich mit „heiligen
Werten“ befaßt, also
Überzeugungen, für die Menschen bereit sind zu
sterben. „Man kann tatsächlich
sehen, wie bestimmte Netzwerke im Gehirn aktiviert werden, wenn
militante
Menschen mit einer fundamentalistischen Ideologie über diese
heiligen Werte
nachdenken. In einem Experiment haben die Forscher*innen
herausgefunden, dass
diese Menschen noch mehr zu absoluten heiligen Werten neigten, wenn sie
sich
sozial ausgegrenzt fühlten.“[8] Besonders gut
meßbar sind
Dopaminkonzentrationen im Gehirn oder die Aktivität der
Amygdala. Sie triggern
negative Emotionen wie Angst, Ärger, Ekel und
Gefahrenreaktionen. „Ideologien
verdrängen alte Denkweisen und ersetzen sie durch neue. Sie
verändern unsere
Kognition, unsere Reflexe, unsere biologische Natur.“[9]
Man hat Terroristen aller Art nach
ihrer Internierung untersucht
und gefunden, daß fast alle im Jahr vor ihrem Attentat einen
psychischen
Zusammenbruch durch Ereignisse ihres sozialen Umfelds hatten. Sie
selbst sind
traumatisiert und traumatisieren dann Andere. Wenn politische
Führer Ängste
schüren, Gefahrenlagen suggerieren, springen solche
destabilisierten Menschen
auf diesen Zug der Ressentiments auf und machen sich zu Helden der
heiligen
Kriege, zu Supermännern der Gefahrenabwehr. Prinzipiell tut
der Soldat an der
Front nichts anderes, wenn er mit seinem Scharfschützengewehr
täglich 60
Feinde erlegt im nationalen Auftrag.
Ebenso der Drohnenlenker, der als Gamer von früher Kindheit an
diesen Job
erlernt hat und das einstige Spiel nun als reales Spiel des
Tötens fortsetzt.
Verschwörungstheorien und
der autoritäre Charakter sind
durch besonders rigide Ansichten gekennzeichnet. Eine andere Meinung
wird nicht
akzeptiert. Es herrscht ein harter Dogmatismus, den zu befolgen und zu
glauben
die Zugehörigkeit zur jeweiligen Gruppe sichert. Es geht um
Sicherheit angesichts
der immer weiter wachsenden Diversität der Welt.
Daß solche Menschen mit
ihren skurrilen Ansichten von den
meisten anderen Menschen gemieden werden, macht sie einsam und das
treibt sie
in Gruppen, die ihre seltsamen Ansichten teilen. Sie geraten immer mehr
in eine
soziale Blase extremer Personen, was oft über Social Media
befeuert wird.
Dabei wird die Rolle von Tagesschau
und ähnlichen
staatlichen Medien unterschätzt. Sie sind ebenfalls
ausgewählte und
zurechtgestutzte Informationen und leben von Katastrophenberichten,
nicht von
Berichten über gelungene gesellschaftliche Erfolge. Zugleich
schönen sie im
Sinne der „Staatsräson“ den
Völkermord in Gaza und büßen damit
Glaubwürdigkeit
in erheblichem Maße ein. Die Weltgemeinschaft der UNO urteilt
sehr anders über
diese gnadenlose Ausrottungsmethode. Weltweit sehen
Völkerrechtler in Gaza den
Tatbestand des Genozids und der ethnischen Säuberung als
gegeben an. Gegen
Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofes von
Den Haag
vor. Kanzler Merz will ihn trotzdem zum Staatsbesuch einladen. Gemessen
an
dieser internationalen Einschätzung im Sinne der
Menschlichkeit,
Verhältnismäßigkeit und Chancenlosigkeit
der Palästinenser sind die deutschen wohlwollenden
Gaza-Berichte und Waffenlieferungen an den Aggressor Israel
skandalös. Wenn
etwa der israelische Angriffskrieg gegen den Iran als
Verteidigungskrieg
gerechtfertigt wird durch einen mit 29 % der Wählerstimmen an
die Macht
geratenen Bundeskanzler, so ist diese Logik nicht weit entfernt von
Putins
Spezialoperation gegen den ukrainischen Nationalismus. Seit 30 Jahren
propagiert Netanjahu, der Iran sei kurz vor der Fertigstellung der
Atombombe,
die Israel vernichten soll. Und plötzlich soll es jetzt soweit
sein, daß ein
Präventivkrieg letzte Rettung ist? Trumps Tarnkappenbomber
werden nicht mehr
als Kratzer am Atomprogramm erbombt haben. Die politische Terrorkraft
der
Mullahs ist mehr denn je gewachsen. Die Weltöffentlichkeit hat
eine Woche lang
die Gräueltaten der israelischen Armee (IDF) in Gaza vergessen
dürfen, wo
täglich im Schnitt 26 Kinder
„Kollateralschaden“ beim Liquidieren der Hamas
werden. Für einen erlegten Hamaskrieger sterben etwa 40
Zivilisten und das hält
Roderich Kiesewetter (CDU) für unausweichlich und hinnehmbar,
weil die Hamas am
7.10.23 den Anfang gemacht hat mit 1200 Ermordeten, wofür
jetzt bereits durch
Angriffe des israelischen Militärs rund 62.000 Menschen
gestorben und rund 157.000
wurden verletzt. Verluste des IDF: 454 Tote und 2.874 Verletzte.[10] Auf einen israelischen
gefallenen Soldaten
kommen 130 tote Palästinenser. Israels Pläne zur
völligen Annektion der
Palästinensergebiete ignoriert Kiesewetter und mit ihm die CDU. Stand der Tabelle: 20.8.25
Das Problem der Informationsblasen
terroristischer Gruppen
ist gravierend, darf aber nicht verdecken, wie auch die
öffentlich-rechtlichen
Medien das Gleiche tun und so zur Ausländerfeindlichkeit in
einem weit größeren
Maße beigetragen haben als die
Verschwörungsideologien im Internet. Der
Mechanismus ist der gleiche: eine öffentliche Angstmache
triggert gerade die
Hirnstrukturen, die dogmatisch und rigide an Regeln und
Verhaltensreflexen
festhalten, die der tatsächlichen Gefahrenlage und den
politischen
Erfordernissen nicht gerecht werden. Angesichts ökologischer
Katastrophen und
einem auf den Kipp-Punkt zusteuernden Klima-Erwärmung
propagiert diese
Regierung einen Kurs gegen das Randproblem von Zuwanderung und
für eine massive
Kriegstüchtigkeit gegen Rußland, ohne damit
sichtbare Erfolge zu erzielen. Es
ist wie mit dem Brexit: Eine kurzsichtige Politik verfängt in
der Wählerschaft
mit einer Propaganda des „America first“,
nationalistischer Identitätsbetonung,
die sich im Nachherein als desaströs für die
nationale Wirtschaft und das Volkswohl
erweist.
Das Festhalten an alten Mustern bei
Krisen ist psychologisch
und hirnphysiologisch der regressive Versuch, unbekannte
Herausforderungen mit
vertrauten Verhaltenstechniken zu bewältigen. Und diese
Rigidität regressiver
Problemlösungsversuche forciert die Katastrophe. Genau dies
ist das Dilemma des
politischen Mittelfeldes. Man kann an Terroristen studieren, was im
Bürgertum
ganz genau so abläuft, ohne indes in direkte Gewalt
auszuarten. Wohl aber üben
wir Bürger strukturelle Gewalt aus durch Gesetze und soziale
Ordnungen, die wir
durch Wahlentscheidungen gegen notwendige zukunftsfähige
Reformen konservieren.
Am Volk Israel kann man studieren, wie ein krimineller Netanjahu, seit
Jahren
angeklagt wegen Bestechung, Betrug und Untreue und nur wegen des
Krieges noch
nicht verurteilt, ein ganzes Volk in einen Krieg hineinzieht gegen die
Hamas,
die er seit 1987 unterstützt hat, um die PLO zu
destabilisieren.[11] Die Siedler im
Westjordanland attackieren die
palästinensische Ureinwohnerschaft im Glauben, daß
Jahwe ihnen dieses Land
gegeben hat und sie die rechtmäßigen
Eigentümer des gesamten Landes Israel
seien. Ihre religiös motivierte Rigidität wirkt wie
die heiligen Gesetze des
Djihadisten, der sich dafür einen Bombengürtel
umschnallt. Die Strukturen
beider Hirne sind von religiöser Erziehung programmiert und
kriegstauglich gemacht.
„Gott mit uns“ stand auf Koppelschlössern
deutscher Soldaten in den
Weltkriegen.
Noch eine weitere Studie Zmigrods hat
ein interessantes
Ergebnis: Die Vorsicht und Mühe um Genauigkeit der Wahrnehmung
ist bei
politisch Konservativen höher ausgeprägt,
dafür sind sie aber langsamer im
Erkennen.[12]
All diese Feststellungen lassen sich
auf die Theologie
übertragen.[13] Religionen mit ihren Mythen
sind kaum etwas
anderes als Verschwörungstheorien, denen ja oft die
Realität von Geheimdiensten
weltweit mehr als genug Material liefert für die realistische
Vermutung von
fehlender Offenheit und Transparenz der Regierungen. So ulkig die
Theorie der
Chemtrails ist, das Waffenarsenal der USA verfügt
über Bunker und Felsen
sprengende Bomber und viele biologische und chemische Waffen, die den
russischen weit überlegen sind.
Der Glaube vieler Christen hat sie
Martern mit Todesmut
aushalten lassen. Aber es gab mehr Christen, die des Marterns begierig
waren,
Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverbrennungen,
Ketzerverbrennungen, Foltern, die
nicht der Wahrheit dienten, sondern der Erpressung von
Hinrichtungsgründen.
Auch hier gab es immer wieder Rigidität und heilige Gesetze,
die das Morden im
Namen Gottes legitimieren sollten. Auch die Ausblutung Lateinamerikas
unter
Assistenz europäischer Missionare gehört zu den
Quellen des Goldes in
europäischen Kirchen. Nun ist groß Fried ohn
Unterlaß, all Fehd hat nun ein
Ende, so singt die Sonntagsgemeinde und die CDU nennt die neue
Aufrüstungsspirale
Friedensarbeit.
Das Urbild des religiösen
Mordes ist das Kreuz Jesu, der
entweder von Gott dahingegeben wird als Sündenbock
für deine und meine kleinen
Fehler, oder der eigeninitiativ wie der Selbstmordattentäter
sich so benimmt,
daß das jüdische Synhedrium und die
römische Besatzungsmacht nicht umhin
können, Jesus in einem Schauprozeß als
Gotteslästerer zum Tode zu verurteilen.
In fast allen Ländern der Erde gibt es für politische
Oppositionelle ähnliche
Schauprozesse mit Hinrichtungen, immer noch und grasssierend. Der Tod
Jesu ist
noch nicht einmal der grauenvollste gewesen, die Phantasien und
Techniken der
Todesfolter sind unerschöpflich, der Sadismus grenzenlos.
Heute ist der Nachhall dieser
brutalen Vergangenheit der
Kirche nur noch in der Ideologie zu spüren, in der Theologie,
die Gott nicht
als Quelle der Freiheit und Lebensfreude ansteckend und missionarisch
als gute
Botschaft verkündigt, sondern immer noch einen Gehorsam und
eine Demut
gegenüber dem angeblich Allmächtigen einfordert und
damit Gottes in Jesu
Handeln offenbarte Liebe und Barmherzigkeit mit
Füßen tritt und so eine
Gotteslästerung zweiten Grades ist. Es sind konservative von
Gesetzlichkeit
geprägte Typen, die sich unter den Dächern der Kirche
einfinden und hier eine
Chance wittern, ihren Zwangscharakter ideologisch verbrämt als
Frömmigkeit zur
Schau zu tragen. Sie verstehen es gut, in die Chefetagen der Kirche
aufzusteigen und dort für Law and Order zu sorgen.
Alles Lebendige und Lebensfrohe,
alles Verspielte und auf
Wohlgefühl Bedachte wird von solchen Kräften
bekämpft und als unangemessen
diskriminiert. Der Effekt ist aber, daß die innovativen
Menschen, die die
Kirche zu einem Ort der Liebe, der gegenseitigen Fürsorge und
Weltverantwortung
machen wollen, vertrieben werden. Die flächendeckende
Rigidität in der Kirche
sorgt dafür, daß die Zahl der Kirchensteuerzahler
stetig abnimmt. Was Zmigrod
in ihren Karten-Versuchen bei Rigiden feststellte: die
Unfähigkeit, neue
Situationen mit neuen Problemlösungsformen anzugehen und einen
Strategiewechsel
einzuleiten, das vollzieht sich auch in den Kirchen.[14] Es bleibt fast alles beim
alten, jedoch
bekommt ein Pfarrer inzwischen bereits die doppelte Anzahl von zu
betreuenden
Gemeindegliedern aufgebürdet, sodaß vor lauter
Amtshandlungen wie Beerdigungen
und Taufen kaum noch Zeit bleibt für innovative Gruppenarbeit
in den
Gemeindehäusern.
Es gibt Überlegungen in den
Kirchenleitungen, aus der Klemme
schwindender Mitgliederzahlen und zugleich schwindender Pfarrerzahlen
herauszukommen. Es gibt Handreichungen zur Schließung von
Kirchen, einen
Rückzug aus den energetisch schlecht isolierten
Gebäuden mit den wenigen
gebliebenen Gläubigen in wärmere Räume. Bald
wird die Idee von Ernst Lange,
Läden anzumieten als Gottesdienststätten, zur
ökologisch besten Alternative.
Die Rigidität in der Kirche hat viele Kirchensteuerzahler
vertrieben, die
dogmatische Rigidität kirchlicher Lehre, insbesondere die kaum
glaubhaften
Gehalte des Credo und die mittelalterlich gebliebenen
Gottesvorstellungen haben
viele Menschen verstört, die Mißbrauchsskandale tun
den Rest. Wenn alles so
bleibt, ist die säkulare Gesundschrumpfung der Kirche
unaufhaltsam. Und daß
alles so bleibt mit den Gottesvorstellungen, ist kirchenrechtlich
festgeschrieben, institutionalisierte Rigidität.
Zmigrod hat 2018 in einer Studie mit
744 Probanden drei
Intelligenztest gemacht, die zugleich die Rigidität des
Denkens ermitteln: den oben
beschriebenen Wisconsin Card Sorting Test, den Remote Associates Test,
und den
Alternative Uses Test. Kirchenferne je ohne und mit religiöser
Erziehung und
Kirchennahe mit seltenem und solche mit regelmäßigem
Gottesdienstbesuch wurden
getestet. Nichtreligiöse schnitten fast doppelt so gut ab wie
Kirchgänger in
allen drei Tests.[15] Die der Kirche ade sagten,
stellten sich als
die klügsten von allen heraus.
„The
finding that there are significant differences in cognitive control
styles
between those who chose to ‘adopt’ religion and
those who chose to ‘leave’
religion in the WCST, RAT, and AUT may signify that
‘adopting’ a religious
ideology is a process that makes use of heightened cognitive
persistence while
scepticism towards religion is tied to a tendency towards cognitive
flexibility.“[16]
Das Dilemma der Kirchen ist,
daß der verbliebene Teil der
Gläubigen tatsächlich die Aussagen des Credo und all
die anderen Mythen liebt
und überhaupt nicht erträgt, eine weltoffene und
wissenschaftlich haltbare
Sicht des Glaubens hören zu müssen. Die wachen
Geister sind vergrault, es
bleiben genau die Rigiden übrig und bei der Stange, die aus
Angst vor den
Veränderungen der Welt auf ihre vertrauten alten Rituale
setzen und damit
stabilisiert werden. Gleichzeitig sind Religion und politischer
Konservatismus
weltweit oft eng miteinander verknüpft, sowohl psychologisch[17] als auch in Bezug auf die
politische Agenda[18],
insbesondere bei denen, die sich politisch stark engagieren.[19]
Ähnlich wie politischer
Konservatismus ist Religiosität (Häufigkeit
von Gebeten, Teilnahme an Gottesdiensten und hohe Bedeutung
religiöser Werte)
durch eine hohe Wahrnehmungsvorsicht und eine schlechtere Leistung bei
strategischen Informationsverarbeitungsaufgaben gekennzeichnet.[20] Wie die politisch
konservativen Ideologien und
dogmatischen Denkweisen[21] war auch die
Religiosität mit einer geringen
sozialen Risikobereitschaft in Kontexten verbunden, die
Nonkonformität und
Ungehorsam erfordern.[22] Und das in der Nachfolge des
Gesetzesbrechers
Jesus! Was ist da Henne, was Ei? Weder noch. Es ist das Nest: sozialer
Kontext
und Ökologie.[23] Es ist ein circulus vitiosus
selbstverstärkender Schleifen, um nicht zu sagen: ein
Teufelskreis. Besonders
ängstliche Menschen suchen die angstmindernde, lindernde
Wirkung der Kirchen.[24] „Solches habe ich
mit euch geredet, daß ihr in
mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich
habe die
Welt überwunden.“ Joh 16,33 Indem die Welt als
Bedrohung bezeichnet und erlebt
wird, wird die erhöhte Risikosensibilität der
BeterInnen sowohl aufgefangen als
auch verstärkt.[25] Kirche ist ein Sammelbecken
der Ängstlichen
und sowohl Linderung als auch Multiplikator der Ängste. Man
ist sich einig,
möglichst nichts zu riskieren, sich nicht zu weit aus dem
Kirchenfenster zu
lehnen. Gläubige sind sehr verträglich und
gewissenhaft.[26] Jede Veränderung
ist angstbesetzt und birgt
unübersehbare Risiken. Jesus war einfach zu mutig.
In meiner aktuellen Kirchengemeinde
stehen die frisch
gedämmten Gemeinderäume bis auf Deutschkurse
für Asylanten fast immer leer.
Eine Gruppe älterer Damen macht noch sakrale Tanzabende. Sonst
passiert fast
nichts. Ein Pfarrer nahm einmal nicht mehr benötigte Blumen
vom Altar, um eine
neue Sekretärin im Gemeindebüro zu
begrüßen. Er wurde von einer Person
gemaßregelt, Gott seine Blumen gestohlen zu haben. Diese in
der Gemeinde dominierende
und raumgreifende Person glaubt an ein paralleles Nebenuniversum, in
dem Gott
existiert und von dort aus die Welt steuert und man kann sich durch
sakralen
Tanz und andächtiges spirituelles Schweigen mit dieser
Nebenwelt verbinden und
daraus Kraft tanken. Man sucht sich als Mitarbeiter nur solche aus, die
zu
dieser Auffassung kompatibel sind. Jugendarbeit gibt es
rudimentär: Es gibt
eine Jugenddiakonin mit Büro, aber keinerlei Gruppen. Die
Gottesdienste bleiben
steif und langweilig. Das alles versteht sich als
„spirituell“. Aus drei früher
eigenständigen Gemeinden kommen insgesamt ca.
7 Jugendliche zum Konfirmandenunterricht und ca. 40
Personen zum
Gottesdienst. Beliebt sind Choräle wie
„Großer Gott, wir loben dich, Herr, wir
preisen deine Stärke“.
Daneben aber gibt es einen Diakon,
der neben
Fahrradwerkstatt, Essen für Arme und einer sehr engagierte
Ausländerarbeit eine
Kirche umgerüstet hat als Sozialkaufhaus, in dem für
extrem wenig Geld
gebrauchte Möbel, Kleidung, Spielwaren und Elektronik verkauft
werden. Diese
Kirche ist sehr gut besucht und ein großes Vorbild
für viele Gemeinden der
Umgebung, besonders reiche Gemeinden, die in Containern kaum getragene
Kleidung
sammeln und vom Team der Sozialdiakonie abholen lassen. Zwischen all
den
Kleiderständern wird vor dem Altar das Agapemahl gefeiert. Das
ist tätiges
Gotteslob. Ihm wurde vom Kirchenvorstand gerade verboten,
Haushaltsauflösungen
zu machen, weil gelegentlich Schränke in wenig benutzten
Räumen
zwischengelagert wurden. Seine blühende Arbeit ist der
„spirituellen“ Fraktion
der Gemeinde ein Dorn im Auge, weil bei der Spiritualität kaum
etwas passiert
und die durch Versterben der Mitglieder sich ausdünnende
sakrale
Seniorinnen-Tanz-Veranstaltung in einem unterprivilegierten Stadtteil
völlig an
den Bedürfnissen der dortigen Menschen vorbeigeht.
Blicke ich zurück auf die
Gemeinde, in der ich als Pfarrer
arbeiten durfte, war dort täglich Betrieb in einem Stadtteil
mit der höchsten
Jugendkriminalität des ganzen Kreises. Wir hatten 50
Konfirmanden, viele
Jugendgruppen und Mitarbeiterteams, Disko, Teestube an 4 Wochentagen,
monatliche
Rockkonzerte, Jazzkonzerte, Chorkonzerte und politisches Theater,
Gemeindefeste
mit Schwerpunkten Afrika, Chile, Greenpeace, Rumänien,
gemeinsame
Theatergottesdienste, Frühstücksgottesdienste,
machten im Gottesdienst
Yogaübungen mit der Gemeinde. Die Jugendlichen waren als
Akteure eingebunden,
schrieben eigene Texte, teilten Abendmahl aus, diskutierten in den
Predigtgesprächen im Gottesdienst mit, übten neue
Lieder und sangen sie mit der
Kirchenband, verkauften im fahrbaren selbstgebauten 3.Welt-Laden nach
den
Gottesdiensten am Ausgang, bettelten in den Einkaufszentren der Stadt
um
Unterstützung für unser
Barfußärzteprojekt in Sierra Leone und brachten eine
sensationelle Summe zusammen. Die Presbyterinnen planten eifrig mit,
die Männer
wollten nur Macht demonstrieren und waren nicht hilfreich,
Musterbeispiele der
rigiden Konservativen. Es gab Cocktailpartys, die Einnahmen gingen ans
Barfußärzteprojekt, viele spendeten
Bettwäsche, wir bekamen 2 Motorroller und
einen Stromgenerator, alles ging zum Minikrankenhaus nach Sierra Leone. Es gab den Seniorenclub
getrennt für strickende
Frauen und rauchende Männer, Frauenhilfe, Krabbelgruppen. Es
gab eine Kleine
Offene Tür mit Sozialarbeiterinnen im Keller, wo auch
türkische Jugendliche
willkommen waren. Mit der Presse waren wir täglich in Kontakt
und stellten
unsere Projekte vor. Mit 3 Bussen fuhren wir nach Bonn und in den
Hunsrück zur
Demo gegen Mittelstreckenraketen. Unsere Gemeinde erklärte das
Kirchengelände
zur Atomwaffenfreien Zone. Unsere Friedensgruppe und 3.Welt-Gruppe
sorgten für
Verpflegung der 3000 Ostermarschierer, die vor unserer Kirche bei einer
Kundgebung Rast machten. Es gab ökologische selbstverwaltete
Jugendfreizeiten,
wo die Teilnehmer lernten, ohne Fleisch schmackhaft zu kochen und
reihum die
Gruppe bekochten. Es gab vor Geschäften Stände
„Kauft keine Früchte aus
Südafrika“, die sogar von der örtlichen
Polizei gegen Übergriffe der
Filialleitung geschützt wurden, desgleichen vor der
Kreissynode, wo die Synode
eine Resolution gegen die Apartheits-Regierung Botha in
Südafrika
verabschiedete. Wir waren an vielen Stellen engagiert und haben in der
konservativen Stadtverwaltung einflußreiche Feinde gehabt,
die uns den Geldhahn
für die Jugendarbeit zudrehten. Auf der Heeresschau der
Bundeswehr waren wir als
große Gruppe der Friedenskirche mit Worten des pazifistischen
Jesus auf dem
Rücken. Ähnlich vor dem Atomkraftwerk Hamm-Uentrop.
Der Pfarrer war einer unter
vielen. Das allgemeine Priestertum hatte eine Gestalt angenommen. Auch
damals
gab es einen erbitterten Kampf von rigiden Presbytern und
Pfarrerkollegen gegen
diese Arbeit. Es ging um das Aufrechterhalten der alten Form von
Gottesdienst:
die Einmannshow des Pfarrers nach lutherischer Liturgie. Da wir auch
Muslime
und Katholiken zum Abendmahl einluden, gab es vom katholischen Kollegen
ein
Verbot für Katholiken, an unseren Gottesdiensten teilzunehmen.
Der
antiökumenische Gestus der katholischen Kirche hält
bis heute an und genau
diese Gesetzlichkeit und Rigidität in der Abendmahlsfrage ist
unvereinbar mit
der Offenheit Jesu. Wir hatten breite Resonanz bei SPD und
Gewerkschaften, wir
brachten Streit in die Stadt und zeitgleich entstanden die
Grünen. Es gibt
inzwischen immer mehr Gemeinden, die ähnlich leben und unsere
christliche
Weltverantwortung umsetzen.
In wissenschaftlich orientierten
Zeiten nach der Aufklärung,
wo der Urknall allgemein anerkannt ist wie die Entstehung des Lebens
aus
makromolekularen Strukturen zu Einzellern, Zellteilung und
Diversifikation des
Lebens in Millionen Arten, die optimal je ihrer Umwelt
angepaßt sind – in
diesen Zeiten zu behaupten, Gott habe in 6 Tagen die Welt erschaffen
und sei
ihr Herr, der das Weltgeschehen lenkt, habe Jesus geschickt, um zu
zeigen, wie
lieb er sein möchte, aber dann doch als Weltenlenker Erdbeben,
Tornados und
immer effektivere Kriege mit ungekannten Zahlen von Ermordeten ins Werk
setzt –
das ist nur plausibel für Menschen, die autoritär
erzogen die Existenz einer
Respektsperson für unabdingbar halten und sei sie auch noch so
ungreifbar und
fiktiv.
Im naturwissenschaftlichen Zeitalter
der fortschreitenden
Erkundung der Welt in Makro- wie Mikrokosmoi sind für die
meisten Menschen ihre
Handys verläßlicher als ein Schöpfergott,
der als mythische Vorstellung so
bekannt ist wie Andersens Märchen. Der traditionelle
christliche Glaube ist
Realität als kirchlich gepflegtes Gedankengut. Es ist eine
beliebte und immer
noch bekannte Vorstellung, über die man nichts Genaues
weiß, sie ist denkbar,
aber höchst unwahrscheinlich und im Widerspruch zu fast allen
wissenschaftlichen Erkenntnissen. Selbst Pius XII. vertrat den Urknall.
Das
Auto hat deutlich höhere Realität und auch der
Pfarrer fährt damit zur
Beerdigung. Das ist vielleicht die wichtigste heutige Aufgabe der
Kirche: den
Tod zu begleiten und Sterben zu erleichtern.
Sieht man Jesus arbeiten, so hakt er
immer in Krisen ein,
heilt Kranke, kümmert sich um die Mühseligen und
Beladenen. So haben es
Jahrtausende lang auch die Christen gemacht in Mimesis und Nachfolge
Jesu. Das
hat im Sozialstaat andere Formen bekommen und das ist vielleicht sogar
ein
kirchlicher Erfolg, dieser Sozialstaat, der in vielen Bereichen auf den
Spuren Jesu
handelt, bei aller demütigenden Bürokratie. Das Buch
des Lebens besteht nicht
aus Formularen. Die Orthopraxie ist die einzige Form der
Verkündigung Jesu, die
glaubwürdig ist.
Heutige Orthodoxie hätte als
rechte Lehre die Aufgabe,
Gottes Sein so zu denken, daß es korreliert mit dem
fortgeschrittensten Stand
wissenschaftlicher Erkenntnis. Hier bleibt die Theologie und kirchliche
Verkündigung der Welt all deren, die ihr den Rücken
zugekehrt haben, die
gebührende Achtung und Aufrichtigkeit schuldig. Sie ist nicht
mehr
missionarisch, sondern hat es sich im eigenen Saft schmorend
gemütlich gemacht
in wohliger Verschlafenheit.
Die Säkularisierung
schreitet voran, wie Jörns 1997
dokumentiert.[27] Säkularisierung als
Zerfall der
reformatorischen Standard-Mythologeme ist meßbar.[28] Sein Umfrage-Team hat in
Berliner Stadtteilen
(West+Ost), einem evangelischen und einem katholischen Dorf im
Hunsrück,
diversen Schule und Brandenburgischen Pfarrer in Ost- und Westgebieten
1992
recherchiert und aufgrund der Ergebnisse die Befragten in 4 Gruppen
eingeteilt:
Neben Gottgläubigen
alter Schule (1)[29] ist der Anteil von Transzendenzgläubigen
(2)[30] unter der Pfarrerschaft auf
nahezu 15 %
gestiegen. Unentschiedene (3)[31] und Atheisten
(4)[32] sind ebenfalls mehr
geworden. Für das
„Laienvolk“ wird die Rate
Nichtgottgläubiger erheblich höher liegen. Die Beschwörung
der wiederkehrenden
Sinnsuche, der gestiegenen »Nachfrage nach
Religion« hat zu »blühenden
Sinn-Geschäften« geführt, »ohne
viel Gefühl dafür, daß es die Sucht nach
Sinn
ist, die nun jedem Unsinn die Chance gibt, sich als die
Straße zum Heil zu
verkaufen.«[33] Der Boom von
„Jugendsekten“ und kirchlichen
„Sektenbeauftragten“, die gegen diese Konkurrenz zu
Felde ziehen sollten und
ihnen genau das vorwarfen, was zu den basalen Features der Kirchen
selbst
gehört, ist inzwischen ausgelaufen. Die Theologie hat
vereinzelt östliche
Religionen im Visier, nachdem sie Jahrhunderte lang dort ihre
Missionsbemühungen als den einzig wahren Heilsweg dargestellt
hatte. Aus diesen
Missionsbegegnungen erwuchs ein Hören auf das, woran die
glauben, die man
überzeugen will.[34]
Wenn man diese Umfrageergebnisse von
1992 jetzt nach 33
Jahren korreliert mit den neuen Zahlen von Kirchenmitgliedschaft,
Austritten
und den Ergebnissen der 6. KMU, so sieht man, daß sich die
Entwicklung deutlich
beschleunigt hat. Zugleich kann man aber auch spüren,
daß die Predigten der
PfarrerInnen der letzten Jahrzehnte das Gottesbild vieler
Gemeindeglieder von
einem Law-and-Order-Gott zu einem liebevollen Gott hin
verändert haben. Daß
sich die Kirche im 19. Jahrhundert neutral zur Knechtung der Arbeiter
und ihrem
gewerkschaftlichen Kampf gehalten haben, hat die Arbeiter aus der
Kirche
getrieben.
Klaus-Peter Jörns: „Die Kirchen haben viele Strukturreformen durchgeführt. Aber was den Inhalt des Glaubens angeht, verweigern sie Reformen, weil das Dogma von der Bibel als Gottes Wort sie daran hindert. So kommt es auch, dass in Gottesdienst und Theologie immer noch Bildprogramme aus dem Großkönigsmilieu verwendet werden (Gott als »Herr« und »König« mit »himmlischen Heerscharen« und so weiter). Doch angesichts des Bildungswissens über den Menschen ist es absurd, die Wahrheit über das Leben einzig in der Bibel finden zu wollen. Immer mehr Kirchenmitglieder treten aus, weil das nicht ihre Welt ist. Oder sie verändern frei die Gestalt ihres Glaubens. Dazu können sie die Hilfe der Gesellschaft für eine Glaubensreform (GfGR) nutzen, in der Nichttheologen, Theologinnen und Theologen ohne Denkverbote nach einem heute glaubwürdigen Christentum suchen.“[35] Aber die Gläubigkeitslage in der BRD ist erstaunlich hoch bei Mitgliedern der Kirchen und anderen Gemeinschaften. Ein kurzer Blick auf die Zugehörigkeitsstruktur hierzulande:
2019 zeigt eine Umfrage von
KANTAR/EMNID: 55% der Deutschen
glauben an Gott. 2005 waren es noch 66%. Immer mehr Menschen sind
dafür
wundergläubig. 2021 ergibt eine IfD-Allensbach-Umfrage: 46%
Gottgläubige. 2022
glauben 19% der Deutschen noch an einen in Jesus Christus offenbarten
persönlichen Gott, das apostolische Credo wird von 81% nicht
mehr geglaubt.
Daß der Glaube an einen persönlichen Gott sich von 25 auf 19 % verringert ist ebenso plausibel wie der Anstieg der Befragten, die nicht an einen Gott glauben, von 26 auf 33 %.
Die Kirchenmitgliedsumfrage der EKD
von 2022[36] ergibt ein
aufschlußreiches Bild bei Frage 50:
Vergleicht man die Entwicklung
gegenüber 2002, zeigt sich
ein deutlicher Rückgang des trinitarischen Glaubens um 6% in
der
Gesamtbevölkerung innerhalb von 20 Jahren.
Entsprechend den Kirchenaustritten
hat sich der Anteil der
Gottesgläubigen bei den Katholiken um 4% verringert, bei den
Evangelischen
jedoch um 6% erhöht. Immerhin 8% der Evangelischen
fühlen sich mit ihrer Kirche
eng verbunden. Bei den Evangelischen sind die Nicht-Gläubigen
tatsächlich
ausgetreten, so daß unter den Restlichen der Anteil der
Gottgläubigen gestiegen
ist. Bei den Katholiken sind die Nicht-Gläubigen zum Teil in
der Kirche
verblieben. Das liegt an Erschwernissen beim Kirchenaustritt. Die
Anzahl der
Austrittswilligen steigt bei den Katholiken stärker als bei
den Evangelischen,
was sich für die Jahre 2021 und 2022 bestätigt. Vom
heiligen Rest evangelischer
Christen glauben also 29% an einen in Jesus offenbaren Gott, 21% wissen
es
nicht und 18% glauben das nicht, obwohl sie noch Kirchenmitglied
geblieben
sind. Sie werden von den 83% der Ausgetretenen flankiert, die auch
nicht an
Gott in Jesus glauben. Das Credo treibt die Menschen aus den Kirchen,
die
Tendenz ist unverkennbar.
Sieht man, wie die jungen
Theologiestudenten und VikarInnen
gestrickt sind, so gehören sie deutlich zu den 29%
Gottgläubigen unter den
Kirchenmitgliedern. Ihr Forum und ihre Perspektive sind entsprechend
genau
diese Kirchentreuen, die sie betreuen wollen. Der Blick auf die
Hälfte der
ehemaligen Kirchenmitglieder, die die Kirchen verlassen haben, ist
für sie
obsolet. Diese gehören nicht mehr in ihr Arbeitsfeld. Damit
ist das Schmoren im
eigenen Saft programmiert und der volksmissionarische Gedanke, die
Botschaft
Jesu für alle Welt verständlich und plausibel
weiterzusagen, eskamotiert. Das
kleine Problem bei dieser Entwicklung ist nur, daß der
Mitgliederschwund bei
dieser Haltung munter weitergeht und so die Finanzen schrumpfen, die
sie
ernähren. Es ist buchstäblich ein Sägen am
eigenen Ast. Die Kirche wird nicht
attraktiver mit Segnungen und mythischem Klamauk, wie es heute viele
versuchen
und damit gar manche in Krisen erreichen. Die Chance liegt in einer
Neuformulierung des christlichen Glaubens.
Auch die
Universitätstheologie als Kaderschmiede der Kirche
müßte das Bild eines Gottes entwerfen, dessen Sein
und Wirkungsweise evident
ist und gerade auch von Ungläubigen als glaubhaft akzeptiert
werden könnte – ob
sie dann überhaupt noch darauf achten, bleibt eine schwache
Hoffnung. Mit den
meisten hat es sich die Kirche gründlichst verscherzt.
Die alle 10 Jahre aktualisierten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen geben ein sehr gutes Bild dieser Entwicklungen.[37] Fazit: es geht rapide bergab.
2014 zeigte sich:
„Innerhalb der Kirchenmitglieder in den
jüngeren Generationen ist eine steigende Distanzierung zur
Kirche zu
beobachten, die mit zunehmender religiöser Indifferenz
einhergeht. Dies
spiegelt sich auch in der Haltung der jüngeren Mitglieder zum
Kirchenaustritt:
So findet sich bei den jugendlichen Westdeutschen die höchste
Bereitschaft,
vielleicht aus der Kirche auszutreten. 19 % der 14- bis
21-Jährigen sind sich
dessen sogar relativ sicher, dass sie diesen Schritt in naher Zukunft
vollziehen werden.“[39] „So ist es nicht
allein die Distanz zur
Institution Kirche, welche sich in der Jugend auszubreiten scheint,
vielmehr
handelt es sich um einen sozialen Bedeutungsverlust von christlicher
Religiosität überhaupt. Gerade die austrittswilligen
jungen Menschen bezeichnen
sich zumeist als wenig religiös oder nennen dies als
Austrittsgrund.
Konfessionslose zeigen fast gar keine Bezüge zur Religion mehr
oder äußern sich
entsprechend. Da alternative Formen der Religiosität
strukturell eher temporäre
Übergangsformen ohne Sozialisationsprägnanz sind,
verschwindet Religiosität
zwar nicht, sie wird aber zu einer für den Lebensalltag
nachrangigen Sache.“[40] Es läuft auf eine
Seniorenkirche hinaus. 25 %
sind liberal-flexibel, 50% indifferent und 25% rechtskonservativ in der
Kirchenlandschaft, ganz analog zur Gesamtbevölkerung.[41] 2024 faßt die
EKD-Studie zusammen:
„Kirchlich-religiös sind nur noch 13 % der Menschen,
darunter hauptsächlich
ältere, gut situierte mit höherer Bildung und
intaktem sozialen Umfeld. 25 %
lassen sich als religiös-distanziert beschreiben. Sie sind oft
noch
Kirchenmitglieder und glauben an Gott – ihr Glaube ist aber
eher skeptisch und
kaum christlich geprägt. Außerdem kommen sie nur
selten in Kontakt mit der
Kirche. Die Mehrheit bilden mit 56 % säkular ausgerichtete
Menschen. Sie können
mit Religiosität wenig anfangen. 36 % von ihnen sind sogar
Religionsgegner. 6 %
der Menschen sind alternativreligiös, interessieren sich zum
Beispiel für
Esoterik.“[42] Diese Krise des
religiösen Glaubens, der
religiösen Praxis, des religiösen Erfahrens und der
religiösen Kommunikation
ist dramatisch. Nicht nur in Europa, sondern weltweit ist mit
zunehmendem
Wohlstand die Säkularisierung auf dem Vormarsch, auch im
Islam, besonders in
Türkei und Iran, wo die Diktatoren das Volk auf Religion als
Staatstreue
einschwören, tritt der gegenteilige Effekt zutage.[43] „Die Bedingungen,
unter denen sich religiöse
Sinnsysteme zu bewähren haben, haben sich so
grundsätzlich verändert, dass der
Glaube an ein Jenseits, an Gott, an die Wirksamkeit religiöser
Rituale und die
Heilskraft religiöser Institution für viele nicht
mehr plausibel ist.“[44] Und wieder regen sich
deutsche Theologen auf
über die Ergebnisse der KMU der EKD, die so gar nicht den in
ihren
Kerngemeinden vorgefundenen Frömmigkeitsstrukturen entsprechen
will und
ignorieren damit, daß christliche Lebenswelt als
„Lived Religion“ immer mehr zu
einer schrumpfenden Blase im ideologischen Reigen der Moderne geworden
ist. „In
einigen Teilen der deutschen Theologie ist basierend auf diesem
unbestimmten
Religionsbegriff eine Verweigerungshaltung entstanden, die empirischen
Befunde
anzuerkennen, die unübersehbar einen weltweiten
Bedeutungsrückgang von Religion
und religiösen Bindungen aufzeigen.“[45] Wer an leibhafte
Auferstehung glaubt, ist so
jenseitig aller Vernunft, daß er natürlich wie die
Evangelikalen der USA die
Evolution, und alle Plausibilität der Wissenschaften mit
Luther der Hure
Vernunft als Verblendungszusammenhang anlastet.
Eine ähnliche Tendenz sind
die von Billy Graham inszenierten
Massenaufmärsche der Evangelikalen in den USA, in Brasilien,
Korea und vielen
anderen Ländern wie Nigeria, wo Monsterkirchen mit
Fassungsvermögen von bis zu
2000 Gläubigen gebaut wurden. Die ungeheuren Summen Geld, die
dort akkumuliert
wurden und die zunehmende Einmischung in die Politik mit extrem rechten
Optionen, etwas bei Trump oder Bolzonaro in Brasilien, zeigt, wie die
Berufung
auf die Bibel mit faschistischen oder diktatorischen Regimes
deckungsgleich
sein kann, übrigens auch in muslimischen Diktaturen.
Für diese Bewegungen gilt
beispielhaft die Feststellung rigider Hirnstrukturen in
kontrafaktischer
ideologischer Kriegführung gegen das Wissen der Neuzeit.
Deutsche Evangelikale
propagieren seit 1966 auf breiter Fläche die Diffamierung
historisch-kritischer
Bibelforschung und sprechen allen, die ihren Verstand benutzen, das
Christsein
ab. Dialogbereitschaft wäre dort schon Sünde wider
den Heiligen Geist.
Innerhalb der Kirche bilden diese Gruppen eine Minorität, die
um so aggressiver
für ihre Dogmen streitet. Ich habe durch meinen evangelikalen
Vater solche
Kreise in der Jugend intensiv erlebt. Tilman Mosers Gottesvergiftung
beschreibt
diese pietistischen Kreise detailliert und ist eine Langzeitstudie der
evangelikalen Repression aus der Innenperspektive, die illustriert, wie
das
Milieu evangelikalen „Denkens“ das Gehirn der in
ihm Aufwachsenden manipuliert
und strukturiert.[46]
Lag in den USA die Quote
Konfessionsloser vor 2000 noch
unter 10%, so ist sie inzwischen auf über 30% angewachsen. Sie
kritisieren vor
allem die rechtskonservative Liäson der Evangelikalen mit
Republikanern wie
Trump. "Die Bedingungen, unter denen sich religiöse
Sinnsysteme zu
bewähren haben, haben sich so grundsätzlich
verändert, dass der Glaube an ein
Jenseits, an Gott, an die Wirksamkeit religiöser Rituale und
die Heilskraft
religiöser Institutionen für viele nicht mehr
plausibel ist."[47] In Westeuropa hat sich die
Mehrheit der
Gläubigen vom Glauben an einen persönlichen Gott
abgewandt und glaubt heute nur
noch an eine höhere Macht, deren Wirken nicht direkt erfahrbar
sei. Die
außerkirchlichen Entfaltungsmöglichkeiten
erübrigen immer mehr Kirche als
sozialen Bezugspunkt. Das autoritäre Gebaren der Kirchen
zeitigt eine weit
verbreitete Kirchenskepsis. In Italien und Polen führt die
starke traditionelle
Frömmigkeit zu aggressiver Ablehnung muslimischer
Überfremdung durch Asylanten
und konsolidiert die Tradition. Je aggressiver Kirchen um ihre
Machtstellung
kämpfen, desto mehr verlieren sie diese. Jesus setzte auf
Kraft der Schwachen.
Ein Effekt der
Säkularisierung ist auch, daß der Markt für
adäquate Gottesbilder schwindet und der heilige unbeirrbare
Kerngemeinderest
auf mittelalterliche Dogmen pocht. Genau für diesen heiligen
Rest der
Kerngemeinden sind die folgenden Überlegungen eine Chance, in
mehr Dialog zu
kommen mit denen, die sie für Spinner halten.
Kognitive
Flexibilität ist unabdingbar in einer Theologie der
Zukunft, die dafür
sorgen muß, daß Kirche noch eine Zukunft hat
jenseits der erratischen Bauklötze
der starren Bekenntnisse und kontrafaktischen Glaubensbehauptungen.
Leider reicht
es vielen Pastoren auch, eine Verschwörungstheorie neben
vielen anderen zu
pflegen und dafür noch genügend Gäste zu
haben, die mit diesen mythischen
Phantasmata spielen. Das Bedürfnis nach haltgebenden Mythen
aller Art besteht,
je haltloser die Perspektiven des Lebens werden. Das rechtfertigt aber
nicht,
Blödsinn zu verkündigen. Jesus hat diese abgelaufenen
Dogmen nicht erfunden und
seine christologischen Hoheitstitel sind Teil seiner permanenten
Passion über
den Tod hinaus als Popanz hierarchischer Gottkönigsmythen
herhalten zu müssen.
Die Wissenschaftsgeschichte lebt von
Paradigmenwechseln. Es
werden ständig neue Erkenntnisse gewonnen, die alte Hypothesen
korrigieren.
Adaequatio intellectus ad rem ist der Motor der Forschung. Und in der
Theologie
wäre Gott als „Sache“ oder genauer: zu
erforschende Realität der Welt mit
Forschungsmethoden immer präziser zu erfassen. Das Gottesbild
kann in den
Paradigmenwechseln der christlichen Glaubensgeschichte nicht das
gleiche
bleiben wie vor 3000 Jahren. Gegen alles Bilderverbot: Wir brauchen
Bilder von
Gott, die allen einleuchten können, die nicht als purer Unfug
und Spinnerei
abgetan werden. Es geht um Plausibilität der Gottesbilder und
den
Wahrheitsgehalt theologischen Denkens.
Jörns führt Dogmen
an, die nach Revision schreien: „Evolution
und Menschenbild; Gott – Person oder Kraft; Korrektur des
Jesus-Bildes;
Probleme einer Kinderbibel; Beten heute; Ökumene der
Religionen und vieles
mehr. Am Anfang stand die Ablehnung der Erlösungstheologie,
nach der Jesus von
Nazareth am Kreuz stellvertretend als Sühnopfer für
»unsere Sünden« gestorben
sei. Wir glauben nicht, dass unser unvollkommenes Menschsein
todeswürdig wäre.
Wir folgen Jesus, der erkannt hat, dass wir Hilfe brauchen, um das
schwere
Leben bestehen zu können. Und die evolutionäre
Anthropologie lehrt uns, dass
wir aus unserer tierlich-wilden Herkunft eine leicht entflammbare
Neigung
haben, unsere Interessen mittels Gewalt durchzusetzen. Diese Neigung in
Schach
zu halten gelingt nur durch die Stärkung der Kooperation, also
durch
Nächstenliebe.“[48]
Mit Sorge sieht Jörns, wie
die Kirche an der Sühnopferlehre
festhält: „Wir aber sehen das Christliche wesentlich
geprägt durch Jesu Leben
und seine Botschaft der unbedingten und unbegrenzten Liebe Gottes zum
Leben.
Aus ihr allein und nicht aus einem Blutvergießen nehmen
Gottes und unsere
Vergebung ihre Kraft. Da setzt die Revolution Jesu an.“[49] Die Evolution mit Gott
zusammenzudenken ist
möglich: „Das Leben ist aus einer unglaublichen
Verdichtung von
Quanteninformation entstanden und hat sich entfaltet in einem immer
differenzierter werdenden Beziehungssystem. Dass dies alles Zufall
gewesen sein
soll, mag ich nicht denken.“[50]
Feuerbachs Projektionsthese gilt
unverändert. Gott ist keine
Person: „Die Personalität Gottes ist ein Produkt
unserer Wahrnehmungsmuster,
die sich an unserem Selbstbild orientieren.
Übertrügen wir unser Selbstbild auf
Gott, müssten wir von einer Menschenebenbildlichkeit Gottes
reden. Aus meiner
Sicht gibt es kein Weiterleben von Personalität, weil die ja
mit der irdischen
Existenz und ihrer Leiblichkeit zusammengehört. Meine Hoffnung
ist eine andere:
Alles, was in einem Leben gedacht, geglaubt, gehofft und geliebt wird,
ist
Energie, und Energie geht im Kosmos nicht verloren. Jeder Mensch wirkt
durch
diese geistigen Kräfte evolutiv-schöpferisch,
über seinen Tod hinaus. Ich
glaube, dass sich alle Potenzen von Geist und Liebe, die wir in dieses
Leben
hineingeben, nach allen Toden miteinander verbinden und neue
Lebensgestalten
schaffen. Aber es gibt keine Hoffnung auf eine wie auch immer gedachte
Gerechtigkeit bei Gott, die etwas Furchtbares »wieder
gut« machte. Die einzige
Kraft, die mit erlittenem Unrecht leben lässt, ist die
Vergebung. Sie kann
selbst IS-Terroristen, die zum Morden radikalisiert worden sind,
zugestehen,
was Jesus seinen Kreuzigern zugestanden hat: »Vater, vergib
ihnen. Denn sie
wissen nicht, was sie tun« (Lukas 23, 34).“
Hier wird eine Weite Gottes
entwickelt, die bei aller Trauer
um den verlorenen Vater im Himmel und das Fehlen aller
Rachemöglichkeiten ganz
nah bei Jesus ist, dessen Vater seine Sonne über Guten wie
Bösen aufgehen läßt.
Jörns konstatiert als Theologieprofessor, daß solche
Überlegungen ähnlich denen
von Halbfas und anderen durch die Bekenntnisbindung an den
Fachbereichen nicht
adaptiert werden dürfen; kein Theologe riskiert, seine
hochdotierte Stelle für
ketzerische Gedanken aufs Spiel zu setzen. Die Ketzer der Reformation
waren
mutiger.
Flexibles Denken
stößt in der Theologenschaft, die durch
Universitätsverträge mit den Kirchen sehr fest und
rigide in die traditionelle
Dogmatik eingebunden ist, immer wieder an Grenzen, an Tabus wie etwa
Lüdemanns
Satz, Jesus sei im Grab verwest, die Hannovers Kirche zu einem
Ketzerverfahren
gereizt hatte, dieselbe Kirchenleitung, die die alarmierenden KMUs
durchführen
läßt. Dabei gibt es kaum einen mir bekannten
Theologen, der die leibhafte
Auferstehung und Himmelfahrt tatsächlich glaubt seit Bultmanns
Entmythologisierungsforschung. Die Theologiegeschichte ist voller
Kämpfe um die
faktische Unglaubwürdigkeit von Dogmen. Früher mit
Scheiterhaufen, heute mit
Lehrzuchtverfahren. Wenn Gottes Sein wirklich im Werden sein soll,
müssen sich
die Bilder Gottes mit ihm und uns verwandeln und falsche und deshalb
heute
großflächig abgelehnte Dogmen verworfen werden, etwa
Weltgericht, Auferstehung,
Hölle, Opfertod, Siebentageschöpfung, Allmacht.
In den neuen Glaubenstypen seiner
umfassenden Untersuchung
über die deutsche Frömmigkeit sieht Jörns
einen Gestaltwandel Gottes, „der den
veränderten Welt-, Lebens- und Selbstwahrnehmungen der
Menschen parallelläuft.“[51] Neben den alten
Gottesbildern wächst in den
Gemeinden eine Gottesidee, „die Gott in den Bewegungen der
Menschen oder auch
zwischen Menschen und anderen Geschöpfen wirken
weiß.“[52] Dabei geht es um Bewahren
von Leben, Erhaltung
dieser Erde und Geborgenheit, ohne daß dabei die Allmacht
eine Rolle spielt.
„Viele wollen auch deshalb nicht mehr von Gottes Allmacht
reden, weil sie ihn
nicht länger pauschal für die Ursachen und Folgen der
eigenen destruktiven
Gewalt verantwortlich machen, sondern selbst die nötige und
mögliche
Verantwortung tragen wollen.“[53] Diese schleichende Abkehr
vom allmächtigen Schöpfer-
und Strafgott zu einem, der Liebe ist und größer als
unsere Herzen, dürfte sich
auch der Predigt einer ganzen Generation von Pastoren verdanken, die in
ihrem
Denken von der Studentenbewegung der 1968er Jahre geprägt sind
und die die
desaströsen Folgen der Verehrung von Macht und
Autorität im Nazideutschland
reflektiert haben in und mit ihren Gemeinden. Daß sich diese
Entwicklung hat
vollziehen können, ist ein gutes Zeichen für das im
Werden befindliche Sein
Gottes, der in Jesus gezeigt hat, wie wenig er von Macht und Verehrung
hält.
Gleichzeitig kann man die Kraft alter
Bilder adaptieren,
ihre damalige Bedeutung aus dem mythischen Narrationsgewand
herausfiltern und
in den gegenwärtigen Problemlagen der Welt neu entfalten. Ein
altes Bild ist
der Gott, der als Feuersäule mit seinem Volk mitgeht und es
beschützt. Daß Gott
Feuer ist, wird keiner heute behaupten, daß er ein
Phänomen des Mitgehens, der
Begleitung und des Schutzes ist und sich dort realisiert, wo genau
dieses
passiert, könnte man als Substrat dieses alten Bildes
festhalten und als Kraft
der Solidarität zu einer Lebensqualität
erklären und gemeinsam herausfinden, wo
und wie wir diese Solidarität mit denen, die sich noch nicht
selbst helfen
können, in globalen Feldern und unserem unmittelbaren Umfeld
praktizieren.
Mit dem Unheiligen in der Heiligen
Schrift, dem Grausamen,
Gewalttätigen, Kriegerischen und Gesetzlichen gilt umgekehrt,
es klar zu
benennen als Lieblosigkeit und dem Sein Gottes gänzlich
unangemessenes
Erzählgut einer feudalistischen Geschichte von
Unterdrückung und Mißbrauch
Gottes für nationalistische oder diktatorische Interessen.
Daß Gott
eifersüchtig und gefährlich ist, wenn er nicht
genügend verehrt wird, ist eine pubertäre Reaktion,
ähnlich die Sintflut als
nutzloser Strafe für ein „falsches“ Leben.
Es gibt zahllose Verhaltensweisen
Gottes im AT, die ihn eher als Unhold fürchten lassen und
nicht als Beschützer
und Bewahrer seiner Schöpfung. Es wirft womöglich
eher ein schlechtes Licht auf
die Erfinder dieser Erzählungen als auf Gott, über
den sie sprechen. Man kann
die Gottesbilder der Bibel nur als Menschenbilder bezeichnen und wir
kommen um
die Anthropomorphie der Theologie kaum herum. Luthers Katechismus mit
dem „Gott
fürchten und lieben“ perpetuiert die Ambivalenz des
geprügelten Martin zum
gewalttätigen Vater. Es ist lehrreich, wie diese rigide
Vatererfahrung Luthers
sein gesamtes Gottesbild geprägt hat. Es zeigt, daß
wir alle ohne Ausnahmen
Vorstellungen über Gott speisen aus unseren Erfahrungen mit
Menschen. Der
himmlische Thronsaal im AT ist nur ein Beispiel dafür, wie ein
feudalistisches
Gottesbild für die gesamte israelische Theologie konstitutiv
geworden ist.
Gott ist also eine bestimmte Form des
Menschseins und die
Bilder von ihm können Utopien des Menschenmöglichen
werden. Und so gibt es
viele Friedensutopien und Bilder der Gerechtigkeit, die Gott mit den
Möglichkeiten friedlichen und gerechten Zusammenlebens der
Menschen in
Verbindung bringen. Sieht man diese Vielfalt der szenischen
Erzählungen von
Gottes Wirksamkeiten, so kann man das Reich Gottes, von dem Jesus gerne
sprach,
als eine Friedensutopie sehen, die Jesus gelebt hat. Gott ist
eine
Möglichkeit, wie wir miteinander umgehen können. Er
ist das Szenario von
Solidarität, Frieden, Gerechtigkeit und Sorge für die
Mitlebenden, ob Tier,
Pflanze oder Mensch. Die neuen Bilder Gottes dürfen in einer
nicht mehr
feudalistischen Zukunft als ein demokratisches Miteinander, als eine
Kompetenzgemeinschaft der Priester – und das sind wir alle
– gemalt, gedacht
und erzählt werden. Es wäre schön,
wenn die Kirchen an dieser
Zukunftswerkstätte Gottes teilnehmen würden. Nicht
nur in einigen Gemeinden,
sondern in einer grandiosen ansteckenden Weise Martin Luther-Kings: I
have a
dream. Mit der Begeisterung, die wir von den Baptistischen Gemeinden
und den
Evangelikalen kennen, aber statt der frauenfeindlichen
Attitüde gegen
Abtreibung und quere Liebe nun gegen Kriegspropaganda,
Aufrüstung und die
wachsende Schere von Arm und Reich. Damit wären wir endlich
wieder bei Jesus
und seiner Vorliebe für die Armen und Verlorenen und seiner
Gewaltlosigkeit.
Im Prinzip gab es immer schon Synoden
und Diskurse, in denen
der Weg der Kirche ausgefochten wurde und Jesus zeigt, wie Streitkultur
gehen
kann. Der synodale Weg der Kirche ist unmittelbar die Seinsweise
Gottes. Aber
diese Weg war von Anbeginn an auch einer der Macht, mit der sich
bestimmte
Kräfte durchgesetzt haben und ihre partikulare Wahrnehmung zu
Dogmata für die
Allgemeinheit quasi universalisiert haben. Synoden allein sind noch
lange nicht
die Garantie guter Entscheidungen im Sinne der Liebe Gottes.
Bischofskonferenzen demonstrieren auch heute lediglich Macht und
Unterdrückung
und werden mit Gottes Hilfe die Selbstdestruktion ihrer reichen
Institution
befördern, wir müssen nur noch eine Weile warten. Der
Antidemokratismus gerade
der Katholischen Kirche, der sich legitimiert mit jesusfernen Dogmen,
der
Hitler damals mit Freuden begrüßt hatte, erlebt in
dieser Zeit einen
spektakulären Schiffbruch und das Schiff, das sich Gemeinde
nennt, fährt ohne
den verlogenen Klerus weiter. Es ist Musterbeispiel rigider
Hirnstrukturen, die
immer nur die alten Reflexe abrufen und damit in neuen Situationen vor
die Wand
laufen.
Vom göttlichen
Funken in den Seelen der Menschen
getriggert ist Gott die Kraft in den Schwachen, die Welt zu einer
gerechten und
friedlichen globalen Gemeinde zu bewegen. Gegen alle
Widerstände, die man
nennen mag, wie man mag. Auch die Teufel sind nur verblendete Menschen.
Und
Engel eine besonders nette Form von Geflügel, nämlich
wache Geister, die
vorausschauen, im Kreis umherblicken, enzyklopädisch die Welt
in ihrer
Komplexität erfassen und mit diesem informierten Weitblick der
docta spes
Weichen für diese Zukunft Gottes in einer Muslime, Christen,
Hindus, Buddhisten
usw. verbindenden Weltgemeinde stellen.
Gott ist das gemeinsame
Friedensprojekt dieser Welt. Er
sitzt in ganz vielen Herzen und Köpfen und die große
Hoffnung des Glaubens ist,
daß aus diesem Senfkorn ein Baum wird, dieser Sauerteig die
Welt aufgehen läßt mit
den Luftbläschen des Heiligen Geistes. Gott ist nicht der
Oppa, der im Himmel
herumlungert, sich Kirchenlieder vorsingen läßt und
dabei an seiner Shitpfeife
saugt, sondern der neugierige, auf Problemlösungen erpichte,
an der Aufhebung
von Leiden interessierte und arbeitende Geist in unseren
Köpfen und Herzen. So
ist er mitten unter uns. Als Arbeitsgemeinschaft und Zukunftswerkstatt
für eine
bessere Welt, die trotz allem Wüten Trumps, Putins und
Netanjahus[54] und all der anderen
Diktatoren der Hure Babylon
die Köpfe nicht hängen lassen wird. Die
Graswurzelrevolution ist ein schönes
Bild für dieses Wirken Gottes bei und mit uns. Dieses Wirken
ist nicht an die
Kirche gebunden. Sie könnte eine der Wiesen Gottes sein, wenn
sie nicht unmäßig
bremst oder die alte Bremser-Riege ihr Wesen treiben
läßt. Die Felder Gottes
sind aber größer als die Kirche. Sie
überziehen den Erdkreis und die Städte,
orbi et urbi. Es gibt keine Grenze des Wirkens Gottes und der
Weltverantwortung
der von ihm inspirierten Menschen. „Wo ich gehe wo ich
stehe“, singt ein
Kinderlied. Da hat es etwas gewußt…
Das Desinteresse an diesen
Überlegungen ist statistisch
erwiesen. Kaum einer interessiert sich überhaupt noch
dafür, ob und wie es Gott
gibt. 8% von 24% der Evangelischen sind 2% der Deutschen, die
möglicherweise
noch interessiert sind an der Glaubwürdigkeit des christlichen
Glaubens, weil
sie sich eng verbunden fühlen mit der Kirche. Das ist eine
niederschmetternde
Relevanz.
Jörns und seine Gattin haben
mit dem Freundeskreis aus Berg am
Starnberger See ein Credo formuliert, womit ich meine
unvollständigen
Überlegungen abschließe:
„1. Wo Geist und Liebe
wirken, da wird Leben, da ist Gott.
Gottesdienst beginnt mit der Ehrfurcht vor dem Leben. Dass es Leben
gibt, ist
das eine große Geheimnis. Geist ist die treibende Kraft in
der fortdauernden
Schöpfung, und Liebe hält die Welt im Innersten
zusammen.
2. Liebe hilft, das schöne,
schwere Leben auszuhalten und
andere Menschen und Geschöpfe, aber auch uns selbst, leiden zu
können. Bleiben
wir in der Liebe, sind wir in Gott, ist Gott in uns.
3.
Jesus hat den
Opferkult durch die Vollmacht abgelöst, einander Schuld zu
vergeben. Menschen,
Tiere und Pflanzen haben eine unverlierbare Würde, sind Leben
inmitten von
Leben, das leben will.
4. Heilig sind uns Menschen, die
durch ihr Vorbild unsere
Schritte auf den Weg zum Frieden leiten.
5. Wir gehören zu einer
neuen Ökumene, in der die Religionen
die uralte Gewohnheit verlassen, Gott in Dienst zu nehmen für
den Willen zu
herrschen.
6. Zur neuen Ökumene
gehören aber auch alle Künste und
Wissenschaften, die unsere Sinne und Sehnsüchte richten auf
das, was dem Leben
dient.
7. Wir warten nicht auf himmlische
Weltenretter. Jesus hat
uns beauftragt, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Gerechte
Lebensbedingungen
für alle zu schaffen, bleibt unsere Aufgabe. Sie hat Vorrang
vor allem
religiösen, nationalen und wirtschaftlichen Eigennutz.
8. Wir haben Zukunft über
den Tod hinaus durch den Glauben,
dass Geist und Liebe nicht verloren gehen, sondern weiter
wirken.“
Klaus-Peter
und Wiltrud Jörns, Berg, 23.7. / 15.10.2018
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„Ideologien
verändern
Körper“ Die Neurowissenschaftlerin Leor Zmigrod hat
ideologische Denkmuster
untersucht. Im Gespräch erklärt sie, was Hirnscans
über politische Ansichten
verraten können, wie Dschihadisten ticken und warum Social
Media extremes
Denken befeuern
Interview Jens Uthoff in der taz vom
21.6.2025 Seite 13
taz: Frau Zmigrod, Sie haben
mithilfe von MRTs und Hirnscans
ideologische Denkstrukturen im Gehirn untersucht. Wozu braucht es
diesen neuen
Ansatz?
Leor
Zmigrod: Ich habe
vor über zehn Jahren begonnen, mich damit zu
beschäftigen, warum Menschen sich
radikalisieren. Dabei fiel mir auf, dass sich die Analyse vor allem auf
demografische Faktoren wie Alter und Geschlecht, Bildungsgrad oder
sozioökonomischen Status konzentrierte. Warum aber sind von
jenen Menschen, die
unter ähnlichen Bedingungen leben, manche bereit, für
eine Ideologie alles zu
opfern - und andere nicht? Wir können das besser verstehen,
wenn wir uns die
Mechanismen des Gehirns anschauen, die bei ideologischem Denken wirken.
taz:
Was haben Sie
herausgefunden?
Zmigrod:
Ich habe
festgestellt, dass Menschen mit bestimmten Denkmustern und
Gehirnmerkmalen von
Ideologien angezogen werden - unabhängig von deren Art und
Ausrichtung. Dabei
hat mich die kognitive Rigidität interessiert. Kognitiv
rigiden Personen fehlt
die Fähigkeit, sich anzupassen und zwischen verschiedenen
Denkweisen zu
wechseln. Sie verharren in starren Denkmustern. Ich habe einen Test mit
tausenden Teilnehmer*innen durchgeführt: Proband*innen
müssen Karten nach einer
bestimmten Regel sortieren, die sie durch Trial and Error schnell
herausfinden
- denn sie erhalten eine Belohnung bei der richtigen Anwendung. Also
zum
Beispiel, dass auf ein bestimmtes Symbol ein anderes Symbol folgt.
Irgendwann
im Spiel ändert sich die Regel, ohne dass die Teilnehmer*innen
davon wissen.
Dieser Moment interessiert mich. Einige sind kognitiv flexibler und
ändern ihr
Verhalten schnell, andere wenden immer wieder die alte Regel an, obwohl
die
Belohnungen ausbleiben.
taz:
Sie unterscheiden
zwischen rigiden und flexiblen Denkstrukturen. Ist das ein Dualismus
für Sie?
Zmigrod:
Nein, das ist
nichts Binäres, es gibt nicht auf der einen Seite die
flexiblen und auf der
anderen Seite die rigiden Menschen. Die Mehrheit der Menschen liegt
irgendwo
dazwischen.
taz:
Noch mal einen
Schritt zurück. Wie würden Sie Ideologie definieren?
Zmigrod:
Wer ideologisch
denkt, hält sich streng an moralische Regeln, an vorgegebene
Denkweisen. Auch
wenn Beweise vorliegen, die sein Weltbild ins Wanken bringen, wird er
sich
gegen diese verwehren. Verschwörungserzählungen sind
ein prototypisches
Beispiel für ideologisches Denken.
taz:
Sie stützen sich auf
Geisteswissenschaftler*innen, verweisen auf die Kritische Theorie und
Adornos
und Else Frenkel-Brunswiks „Studien zum autoritären
Charakter“. Was kann die
„politische Neurobiologie“ dem hinzufügen?
Zmigrod:
Sie kann andere
Wissenschaftszweige oder Methoden nicht ersetzen, aber sie kann etwas
zur
Diskussion beitragen. Sie kann eine Art Mikroskop sein, um zu sehen,
was
passiert, wenn das ideologische Denken im Gehirn übernommen
hat.
taz:
Entspricht denn der
„rigide Charakter“, wie Sie ihn nennen, jenem
„autoritären Charakter“?
Zmigrod:
Die Methoden,
die die Autor*innen der Studie damals verwendeten, waren viel
rudimentärer. Sie
konzentrierten sich auf psychoanalytische Methoden, sie verwendeten
Fragebögen,
aber es waren immer die Menschen selbst, die Auskunft über
ihre Persönlichkeit
gaben. Das ist heute anders, wir können mit MRTs die
Gehirnaktivität sichtbar
machen. Damals konzentrierten sich die Wissenschaftler*innen nach den
Erfahrungen
des Faschismus auf den rechten Autoritarismus. Das ist auch ein
Unterschied zu
unseren Untersuchungen: Die kognitive Rigidität, die wir
beschreiben, ist
anfällig für extremistische Ideologie jedweder Art,
ob rechts oder links.
taz:
Stützen Sie mit
Ihren Erkenntnissen die Hufeisentheorie?
Zmigrod:
Nein. Es geht
uns gar nicht um die tatsächlichen politischen Bewegungen.
Unser Fokus liegt
auf der psychologischen Veranlagung der Person. In den Daten sehen wir,
dass
extreme Linke und extreme Rechte in puncto kognitive Rigidität
Ähnlichkeiten
aufweisen. Es gibt viele weitere Faktoren, die dazu führen
können, dass jemand
extrem links oder extrem rechts denkt.
taz:
Dennoch könnte man
Ihren Ansatz für deterministisch halten.
Zmigrod:
Das ist er
nicht. Bei biologischen Prozessen geht es nicht zwangsläufig
um etwas
(genetisch) Vorherbestimmtes. Was wir feststellen können, ist,
dass es
biologische und psychologische Marker gibt, die Menschen für
Ideologien
prädisponieren. Doch dabei handelt es sich immer noch um
Potenziale und
Wahrscheinlichkeiten, nicht um ein vorherbestimmtes Verhalten.
Für mich steckt
in unserem Ansatz sogar eher eine emanzipatorische Hoffnung:
Tatsächlich zeigen
viele Forschungen, dass man eine andere Wahl treffen kann, dass
Hirnstrukturen
veränderbar sind.
taz:
„Das eigentliche
Ziel der totalitären Ideologie ist nicht die Umformung der
äußeren Bedingungen
menschlicher Existenz (...), sondern die Transformation der
menschlichen Natur
selbst“, hat Hannah Arendt geschrieben -schließen
Sie an diese Idee an?
Zmigrod:
Ja. Ideologien
verdrängen alte Denkweisen und ersetzen sie durch neue. Sie
verändern unsere
Kognition, unsere Reflexe, unsere biologische Natur. Vielleicht sogar
bis zu
einem Grad, den Arendt nicht geahnt hat.
taz:
Inwiefern?
Zmigrod:
Gelegentlich-
wie in ihrer Analyse von Adolf Eichmann -hat Arendt argumentiert, dass
„Gedankenlosigkeit“ und
„Oberflächlichkeit“ Menschen dazu bringen,
ideologische
Verbrechen zu begehen. Ich denke, die neue Wissenschaft stellt diese
Annahme
infrage: Es gibt tiefgreifende und komplexe Veränderungen, die
im Gehirn und
Körper ideologischer Gläubiger stattfinden.
taz:
Wenn Medien über Anschläge berichten, wird oft
gefragt, ob ideologisch
motivierter Terror oder eine psychische Störung
ursächlich war. Kommt in
Wirklichkeit oft beides zusammen?
Zmigrod:
Ja. Wenn eine Person sehr ideologisch, sehr radikal und extrem wird und
bereit
ist, anderen Menschen Schaden zuzufügen, haben sich in ihr
viele psychologische
Prozesse verändert oder verstärkt, die zu diesem
Zustand geführt haben.
taz:
Sie zitieren eine Studie, in der man die neuronalen Muster von
Dschihadisten
untersucht hat. Was hat man dabei herausgefunden?
Zmigrod:
Diese Studie hat sich mit „heiligen Werten“
befasst, also Überzeugungen, für
die Menschen bereit sind zu sterben. Man kann tatsächlich
sehen, wie bestimmte
Netzwerke im Gehirn aktiviert werden, wenn militante Menschen mit einer
fundamentalistischen Ideologie über diese heiligen Werte
nachdenken. In einem
Experiment haben die Forscher*innen herausgefunden, dass diese Menschen
noch
mehr zu absoluten heiligen Werten neigten, wenn sie sich sozial
ausgegrenzt
fühlten.
taz:
Trägt Einsamkeit
also zur Radikalisierung bei?
Zmigrod:
Ja, das kann
sie. In einer interessanten Studie fanden Forscher heraus, dass
Menschen, die
in den USA wegen terroristischer Anschläge verurteilt wurden -
aufgrund
rechtsextremer, linksextremer oder religiös
fundamentalistischer Ideologien -,
fast immer im Jahr vor ihrer Tat einen persönlichen
Zusammenbruch erlebt
hatten, beispielsweise aufgrund von Zäsuren in sozialen,
beruflichen oder
familiären Beziehungen.
taz:
Sie vermessen
Dopaminkonzentrationen im Gehirn oder die Aktivität der
Amygdala: jene
Struktur, die negative Emotionen wie Angst, Ärger, Ekel und
Gefahr steuert. Wie
können uns diese Erkenntnisse helfen?
Zmigrod:
Die untersuchten
Hirnprozesse führen dazu, dass wir uns gegenseitig
entmenschlichen,
diskriminieren und rassistisch behandeln. Wir wissen zudem, dass
ideologische
Führer diese Prozesse ausnutzen können. Menschen auf
bestimmte Weise zu stressen
- indem man zum Beispiel Ressourcenknappheit als großes
Problem darstellt -,
kann zum Beispiel ein wirksames und gefährliches Mittel sein,
um
Diskriminierungsmuster zu aktivieren.
taz:
Nehmen wir ein
konkretes Beispiel: die Weltbilder rechter männlicher
Jugendlicher in
Deutschland.
Zmigrod:
Zu den
wichtigsten Faktoren, die viele junge Männer zu extrem
frauenfeindlichen und
rechten Ideologien treiben, zählen heute die sozialen Medien.
Die Algorithmen,
die die sozialen Medien steuern, sind so beschaffen, dass sie
möglichst binär
und emotional negativ sind, um die Angst, den Ekel und die
Bedrohungsgefühle
anzusprechen, für die die Amygdala zuständig ist.
Durch die politische
Neurobiologie verstehen wir, inwiefern bestimmte Denkmuster
anfällig dafür sind
und wie umgekehrt Inhalt und Form von Social Media bestimmte Denkweisen
weiter
verstärken.
taz:
Was folgt für Sie
daraus?
Zmigrod:
Wir müssen
darüber nachdenken, ob wir das weiter zulassen wollen und wie
wir die digitalen
Medien verbessern können. Gleichzeitig sollten wir versuchen,
die psychische
Widerstandsfähigkeit zu stärken - nicht nur junger
Menschen, sondern der
Nutzer*innen insgesamt.
Die 29-jährige Leor
Zmigrod forscht als
Neurowissenschaftlerin an der Universität Cambridge. Sie gilt
als Begründerin
der politischen Neurobiologie.
Leor Zmigrod:
„Das ideologische Gehirn. Wie politische
Überzeugungen wirklich entstehen“. Aus
dem Englischen von Matthias Strobel. Suhrkamp, Berlin 2025, 302 Seiten,
24 Euro
[1] Adorno, T. W., Frenkel-Brunswik, E., Levinson,
D. J., & Sanford, R.
N. , The authoritarian personality. Harper 1950
[2]
Leor Zmigrod, Das ideologische Gehirn. Wie politische
Überzeugungen wirklich
entstehen, Suhrkamp Verlag, Berlin 2025; cf Ideologien
verändern Körper.
Interview von Jens Uthoff mit ihr in der taz vom 21.6.2025 Seite 13
[3] Zmigrod,
“The Role of Cognitive Rigidity in Political Ideologies:
Theory, Evidence, and
Future Directions.” Current Opinion in Behavioral
Sciences 34/2020,
34-39
[4] Zmigrod,
“Ideological Mind-Shaping
or Brain-Shaping: Fusing Empirical Biopolitics and Political Philosophy
of
Mind.” Journal of Philosophy of Emotion 6/2024, no.1,59-68 (https://doi.org/10.33497/ 2024.summer.8), 59:
„Dominant ideologies can infiltrate the bodies of
adherents, and the task of the social critic or political philosopher
is to
delineate how, why, where, and when political structures shape the
minds and
bodies of citizens, as well as whether the effects are coercive,
destructive,
or liberatory.“
[5]
Zmigrod 2024,64
[6]
Theoder W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Zur Genese der
Dummheit,
Gesammelte Schriften 3,296
[7]
Zmigrod im TAZ-Interview vom 21.6.2025 Seite 13
[8]
ebd
[9]
ebd
[10]
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1417316/umfrage/opferzahlen-im-terrorkrieg-der-hamas-gegen-israel/
[11]
https://www.wina-magazin.at/israels-pakt-mit-dem-teufel/
„Vor allem die rechte Regierung um Premierminister Benjamin
Netanjahu übernahm
diese Strategie der Spaltung. Sie hielt an diesem Status quo fest und
glaubte,
den Nahostkonflikt ohne echten Friedensprozess mit den
Palästinensern beenden
zu können“, erklärt der pensionierte
Shabak-Offizier Avner Cohen zur Zeit ab
1987. „Das war nicht besonders klug und ein großer
Fehler.“ Tatsächlich
erklärte Netanjahu bereits im Dezember 2012, dass es im
Interesse Israels sei,
die Hamas in Gaza stark zu halten – quasi als Gegengewicht
zur
Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), die das
Westjordanland kontrolliert. Laut
der rechtskonservativen Website Mida hat Netanjahu seiner Likud-Partei
2019
erklärt, man müsse zulassen, dass die Hamas
finanzielle Unterstützung aus Katar
bekomme - das sei wichtig, um einen palästinensischen Staat zu
verhindern.
"Das ist Teil unserer Strategie: Eine Trennung zwischen den
Palästinensern
in Gaza und im Westjordanland herbeizuführen", sagte er. Monatlich flossen anfangs
10.000.000 $, später
das Dreifache.
[12] Zmigrod, “A
Neurocognitive Model of
Ideological Thinking.” Politics and the Life Sciences
40/2021, no. 2: 224-238. Hence, individuals with more conservative and
cautious ideologies displayed more caution even at the level of visual
perception.
[13] Hill, P. C., & Williamson, W. P. , The psychology of religious fundamentalism.
Guilford Press
2005; Hommel, B., & Colzato, L. S. (2010).
Religion as a control guide:
On the impact of religion on
cognition. Zygon, 45(3), 596–604; Hommel, B., Colzato, L. S., Scorolli, C., Borghi, A. M., & van den Wildenberg, W. P. (2011).
Religion and action control: Faith-specific
modulation of the Simon effect but not stop-signal performance. Cognition,
120(2), 177–185; Inzlicht, M., McGregor, I.,
Hirsh, J. B., & Nash,
K. (2009). Neural markers of religious conviction. Psychological
Science,
20(3), 385–392; Inzlicht, M., Tullett, A. M., & Good,
M. (2011). The need
to believe: a neuroscience account of religion as a motivated process. Religion,
Brain & Behavior, 1(3), 192–212; Israel, S.,
Hasenfratz, L., &
Knafo-Noam, A. (2015). The
genetics of morality and prosociality. Current Opinion in Psychology,
6, 55–59;
van Elk, M., & Aleman, A. (2017). Brain mechanisms in religion
and
spirituality: An integrative predictive processing framework.
Neuroscience
& Biobehavioral Reviews, 73, 359-378
[14] Zmigrod, L., Rentfrow, P. J., Zmigrod, S., & Robbins, T. W. (2019).
Cognitive flexibility and
religious disbelief. Psychological
Research, 83(8), 1749–1759
[15] aaO 1753
[16] aaO 1756
[17] Friesen, A., & Ksiazkiewicz, A. (2015).
Do
political attitudes and religiosity share a genetic path?. Political
Behavior, 37(4), 791-818 https://doi.org/10.1007/s11109-014-9291-3
791:
„These findings provide evidence
that the overlap between the religious and the political... may be adopted to satisfy
biologically-influenced psychological needs.“
[18] Layman, G. C. (1997). Religion and political
behavior
in the United States: The impact of beliefs, affiliations, and
commitment from
1980 to 1994. Public Opinion Quarterly, 288-316
[19] Malka, A., Lelkes, Y., Srivastava, S., Cohen,
A. B.,
& Miller, D. T. (2012). The association of religiosity and
political
conservatism: The role of political engagement. Political
Psychology, 33(2),
275-299
[20] Zmigrod, Individual-Level Cognitive and
Personality
Predictors of Ideological Worldviews: The Psychological Profiles of
Political,
Nationalistic, Dogmatic, Religious, and Extreme Believers DOI:10.31234/osf.io/srgup,
Seite 41-43
[21] aaO 16ff
[22] aaO
41f
[23] aaO 47
[24] Inzlicht, M., Tullett, A. M.,
&
Good, M. (2011). The need to believe: a neuroscience account of
religion as a
motivated process. Religion, Brain & Behavior,
1(3),192–212; Greenberg, J.,
Solomon, S., & Pyszczynski, T. (1997). Terror management theory
of self-esteem
and cultural worldviews: Empirical assessments and conceptual
refinements.
Advances in experimental social psychology, 29, 61-139
[25] Zmigrod, Individual-Level
Cognitive and
Personality Predictors of Ideological Worldviews Seite 42
[26] Vassilis Saroglou, Religion
and the
five factors of personality: a meta-analytic review. in: Personality
and
Individual Differences, Volume 32, Issue 1, 5 January 2002, 15-25
[27]
Klaus-Peter Jörns,
Die neuen Gesichter Gottes. Was die
Menschen heute wirklich glauben, München (Beck) 1997; 19992,56ff
[28]
Jörns
19992,199-232
[29]
Jörns
19992,202-11: noch 30% der
Gottgläubigen und 43% der Pfarrer glaubt
an Gottes Allmacht. ¾ glauben an Beten als Gotteskontakt.
50% halten Gott für
den Weltschöpfer, je älter desto stärker.
30% glaubt an Gottes Bewahrung der
Schöpfung, 42% der Pfarrer und 16% der Theologiestudenten.
Kaum einer der
Befragten, auch nicht der Pfarrer, glaubt noch an Erbsünde
durch Adam. Ans
Weltgericht glauben noch 25%, besonders Ältere, 30% der
Pfarrer, 25% der Theologiestudenten.
Kaum jemand glaubt an die Hölle, 27% glauben an Auferstehung
und Weiterleben im
Himmel, deutlich mehr aber an Unsterblichkeit der Seele in eher
buddhistischer
Art. 211: „Anzunehmen ist aber, daß die
Entdogmatisierung auch der
Gottgläubigen weiter voranschreiten wird.“ Hohe
Werte haben gegenseitige
Zuwendung und Geborgenheit.
[30]
Jörns
19992,212-15 oft Singles bis 44 Jahre in
WG´s von Kreuzberg und
Wannsee, freiheitsliebend, sexuell offen, für Sterbehilfe,
gegen Ehezwang und
feste Kleiderordnungen und Macht. Für Hilfsbereitschaft und
Verantwortung
gegenüber der Natur. Statt Gott sprechen sie lieber von
kosmischem Geist,
Schicksal, übersinnlichen Kräften und Energien. Sie
sehen pantheistisch Gott in
jedem Wesen, meditieren für ihr seelisches Gleichgewicht,
sehen Buddha als
toleranten Weisheitslehrer und die Kirchen als unglaubwürdig.
15% evangelischer
und 13% katholischer Pfarrer teilen diese Ansichten.
[31]
Jörns
19992,215ff: Unentschiedene in Berlin ca. 20%.
Vielleicht gibt es
Gott, aber sie glauben nicht an seine Allmacht, wünschen aber,
daß er die Welt
erhält und gerecht macht. Beten wäre zwecklos.
[32]
Jörns
19992,217-20: 25% der unter 64jährigen
in Kreuzberg und Wannsee sind
Atheisten, in Mitte über 50%. Es sind mehr Männer als
Frauen und sehr politisch
interessiert, ebenso an Wissenschaften und Technik zur Verbesserung der
Welt.
Sie optieren für Gesellschaftsveränderung zur
Autonomie, Frauenrechte, weniger
Repression. 63% von ihnen glaubt nicht an Leben nach dem Tod.
[33]
Sloterdijk
1983,524
[34]
Fritz Buri,
Der Buddha-Christus als der Herr des wahren Selbst. Die
Religionsphilosophie
der Kyoto-Schulen und das Christentum, Bern (P. Haupt) 1982; Walter Strolz,
Heilswege der Weltreligionen II: Christliche Begegnung mit Hinduismus,
Buddhismus und Taoismus, Freiburg/Basel/Wien (Herder) 1986; Daisetz
Teitaro Suzuki,
Der westliche und der östliche Weg, Berlin (Ullstein) 1990;
Theo Sundermeier/
Werner Ustarf
(Hg), Die Begegnung mit dem Anderen. Plädoyers für
eine interkulturelle
Hermeneutik, Gütersloh/ München (Gütersloher
Verlagshaus/ Kaiser) 1991
[35]
Jörns, Gott und das
schöne,
schreckliche Leben, Interview in: Publik-Forum, Nr. 17/2017, 32f
[36]
https://kmu.ekd.de/fileadmin/user_upload/kirchenmitgliedschaftsuntersuchung/PDF/Anhang_Tabellen_
Grundausz%C3%A4hlungen_der_6._KMU.pdf
[37]
Engagement und Indifferenz. Kirchenmitgliedschaft als soziale Praxis.
V.
EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft,
https://www.siekd.de/wp-content/uploads/2018/06/ekd_v_kmu2014.pdf
[38]
Wie hältst du’s mit der Kirche? Zur Relevanz von
Religion und Kirche in der
pluralen Gesellschaft. Analysen zur 6.
Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung.
Herausgegeben vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen
Kirche in
Deutschland (SI-EKD) und der Katholischen Arbeitsstelle für
missionarische
Pastoral (KAMP), EVA Leipzig 2024,73 cf 69ff zur Verbundenheit mit der
Kirche
[39]
Engagement und Indifferenz. aaO 11
[40]
Engagement und Indifferenz. aaO 72
[41]
Wie hältst du’s mit der Kirche? 2024,317ff
[42]
Informationstext zur 6. KMU. Allgemeine Informationen zur sechsten
Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Neue Erkenntnisse über
Religiosität und
Kirchenmitgliedschaft, Seite 1
[43]
Detlef Pollack /Gergely Rosta, Religion in der Moderne. Ein
internationaler
Vergleich. Centrum für Religion und Moderne, 3.Aufl.,
Campus-Verlag,
Frankfurt/Main 2025; https://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2025/Religion_in_der_Moderne_Neuauflage.shtml:
„Die zunehmende Säkularisierung, also der
Rückgang religiöser Bindungen,
betrifft nicht nur die Regionen Westeuropas, in denen diese Tendenzen
seit
langem beobachtet werden, sondern auch bisherige religiöse
Hochburgen wie Polen
und die USA sowie Südkorea und Japan. Das gilt auch
für muslimisch geprägte
Staaten in Nordafrika sowie die Türkei und den
Iran.“ Im Iran sind nur noch 40%
muslimisch nach eigenen Angaben.
[44]
Pollack aaO
[45]
Pollack aaO unter Aufnahme von Statistiken des World Values Survey
(WVS), des
International Social Survey Programme (ISSP), der Allgemeinen
Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS), des
Religionsmonitors
der Bertelsmann Stiftung und der General Social Survey (GSS)
[46]
Tilmann Moser, Gottesvergiftung, Frankfurt (Suhrkamp) 1976,28f:
»Ich saß wie in
einer Falle mit dir: alle mir wichtigen Menschen zeigten keinerlei
Zweifel, daß
es dich gebe und du ansprechbar, verständnisvoll,
gütig, gerecht, gar 'lieb'
und 'barmherzig' seiest, wenn auch mit dem Hintergrund
düsterer Strafen, deren
schlimmste freilich der Liebes- oder Beziehungsverlust sei, und es galt
gleichzeitig als ausgemacht, daß bei dem, der dich nicht
erreichte, etwas
Schlimmes vorliegen müsse.«
[47] Pollack aaO
[48] Jörns, Gott und das
schöne, schreckliche Leben, Interview in: Publik-Forum, Nr.
17/2017, 32f
[49] aaO 33
[50]
ebd
[51]
Jörns 19992,220
[52]
Jörns 19992,221
[53]
Jörns 19992,222
[54]
Dr. Graeme Groom schreibt in einem Hilferuf vom 21.8.2025: "... als
Arzt
gehöre ich zu den Wenigen, die die unvorstellbaren
Gräueltaten in Gaza aus
erster Hand bezeugen können. Ich habe in den zerbombten und
vom Hunger
heimgesuchten Krankenhäusern gearbeitet … Babys und
Kinder, die nur noch Haut
und Knochen sind, viele mit abgerissenen Gliedmaßen.
Mütter, die zu schwach
sind, um ihre Neugeborenen zu füttern. Sogar das
Krankenhauspersonal bricht vor
Hunger zusammen.“ Über 62.100 Zivilisten sind vom
israelischen Militär ermordet
worden und 157.000 verletzt auf der Suche nach Hamaskämpfern.
Das ist die Antwort auf 1200 von der Hamas ermordete Israelis.