(Gehalten am 23. 12. 1979
(4. Advent) in Christus-Bielefeld)
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Impressum
Freut euch im Herrn allezeit; nochmal will ich sagen: Freut euch!
Lasset eure Freundlichkeit allen Menschen kundwerden! Der Herr ist
nahe. Sorget euch um nichts, sondern in allem lasset im Gebet und
Flehen mit Danksagung eure Bitten vor Gott kundwerden! Und der Friede
Gottes, der allen Verstand überragt, wird eure Herzen und eure
Gedanken bewahren in Christus Jesus.
So schreibt der Apostel Paulus im Jahre 55 aus dem Gefängnis
von Ephesus an die christliche Gemeinde in Philippi. Er freut sich
seihst, weil er von dieser Gemeinde Besuch bekommen hat und von diesen
Leuten versorgt wird. Gegen Paulus läuft zu der Zeit gerade
ein Prozeß, der vielleicht mit Todesstrafe endet. Der
Todeskandi¬dat Paulus schreibt einen Freudenbrief. Als ob er
noch was zu lachen hätte!
Manche bringen das auf den platten Spruch "Freude im Leide" und dann
ist es nicht mehr weit bis zum Freud-und-Leidkuchen oder einem Motto
wie "Schöner Leiden". Dieses "Schöner Leiden", die
Lust am Leid, die Verliebtheit in Selbstquälerei ist unter uns
nicht gerade selten. Um solche Leidenskünstler mit Engelsmine
geht es hier aber nicht. Jede Freude am Leiden ist pervers und keine
christliche Freude wird sich jemals mit dem Leiden versöhnen.
Freude will kein Leid. Freude duldet kein Leid. Freude ist das Ende des
Leidens.
Wer leidet und anfängt, sich zu freuen, für den hat
das Leiden ein Ende. Bloß: Wie kommt jemand dazu, sich zu
freuen? Ein Pfarrer aus Siegen schreibt: Paulus ermahnt die Philipper
zur Freude. Probieren Sie das doch bitte mal eben aus: Sagen Sie zu
sich selbst: So, jetzt will ich mich freuen. Und prüfen Sie
jetzt, ist diese Freude echt? Und denken Sie einmal zurück an
letzten Heiligabend, an die Bescheerung. Können Sie sich
vielleicht auch erinnern an die gemischten Gefühle bei einem
Geschenk, womit Sie nichts anfangen konnten, wie Sie da anfingen zu
spielen und sagten, ach, was ist das doch schön, damit
wenigstens der Schenkende sich freuen kann, daß er Freude
bereitet hat...
Ich meine: Freude kann man nicht befehlen. Man kann sie nur bereiten
und das heißt: man kann anderen Grund geben zur Freude oder
selbst Grund haben zur Freude. Alles andere ist so schal wie die
Freudenhausfreude.
Was dem Paulus Grund gibt zur Freude, das sagt er ganz klar: Der Herr
ist nahe. Er meint damit, daß die erwartete Wiederkunft Jesu
auf die Erde nahe bevorsteht. Schade, schade, aber bisher hat sich da
nicht viel getan. Jesus ist noch nicht zum Weltgericht gekommen und die
Wartezeit der Christen ist jetzt schon 1945 Jahre lang. Alle Jahre
wieder kommt das Christuskind eben leider nicht. Advent, Ankunft
Christi hat es noch gar nicht wirklich gegeben und darum wird sie
ständig alle Jahre wiederholt, gewissermaßen
vor-gefeiert in hoffnungsvoller Vor-Freude, wie wir sie sicher alle
schon auf morgen haben. Die christliche Freude ist hoffnungsvolle
Vor-Freude auf das Kommen Christi, auf das Kommen des Reiches Gottes.
Der Grund zur Freude liegt in der Zukunft, ist etwas, was kommt, so wie
der morgige Heiligabend. Wenn Gottes Friedensreich anbricht, wird jeder
Abend heilig, jede Nacht geweiht sein. Mit unserem immergleichen
Adventsfeiern, unseren alljährlichen Weihnachtstagen bringen
Christen zum Ausdruck, daß unser ganzes Leben wie Advent sein
solle. Daß unser ganzes Leben erst im Anbruch in einem noch
völlig unfertigen Zustand ist. Wir sind noch nicht fertig. Es
kann noch eine Menge kommen. Und darauf können wir uns freuen.
Und Freude steckt an, wenn sie echt ist. Kinder können sich
gut freuen! Sie freuen sich alle schon riesig auf morgen, auf das Fest.
Ihre Freude kann anstecken, das wissen Sie alle vermutlich sehr gut.
Oft zehren wir Erwachsenen von der Freude unserer Kinder. Lasset eure
Freundlichkeit allen Menschen erfahrbar werden, sagt Paulus. Erstmal
ist diese Aufforderung okay, weil ja echte Freude andere ansteckt und
weil sie dazu treibt, sich anderen mitzuteilen, mit anderen Freude zu
teilen, anderen gleichfalls einen Grund zur Freude zu geben. Gut, wir
tun das auch ein bißchen in unserer Familie. Morgen
nachmittag. Schön verpackt in Geschenkpapier. Wir tun das auch
mit den Spenden für Brot für die Welt. Aber ich sage
Ihnen nichts neues, wenn ich klage, daß das nicht genug sein
darf. In den armen Ländern ist wenig von unserer
Freundlichkeit bekannt, vielmehr sind wir dort bekannt als Ausbeuter,
als die, die auf Kosten der Verhungernden sich prächtige
Weihnachtsfeste mit teuren und phantasielosen
Karstadt-Horten-Quelle-Geschenken machen. Wenn ich den Wunsch lese:
„Lasset eure Freundlichkeit allen Menschen erfahrbar
werden!“ -, dann kann ich nur sagen, Gott sei mir
Sünder gnädig. Nicht genug damit, daß wir
Industrieländer allen Menschen eher alles andere als unsere
Freundlichkeit schenken; auch unser eigenes Schenken ist
heruntergekommen auf den Hund, ist verpackte Unfreundlichkeit. Unser
Schenken spielt sich weitgehend als eine eher lästige als
beglückende Pflicht ab, keinem am Heiligabend wehzutun, keinen
leer ausgehen zu lassen. Was schenke ich Mutti? Wieder mal
Parfüm? Oder doch die Seife von 1977 noch mal? Und wer von
unseren Eltern wird sich noch trauen, seinem Sohn keinen
Spiel-Computer, keinen Supertechnikfirlefanz unter den inzwischen schon
aufblasbaren Polyesterweihnachtsbaum zu legen? Wirkliches Schenken
hätte wohl kaum die Qual der Kaufhauswahl, sondern
wäre getrieben von der Vorfreude auf das Glück des
Beschenkten. Es wäre vermutlich auch nicht nur Weihnachten
oder zum Geburtstag, sondern an jedem Tag, wo ein Mensch eine
Erleuchtung bekommt, wie er einen anderen Menschen glücklich
machen kann. Wo ein Mensch sich in die Wünsche und
Sehnsüchte eines anderen hineindenken und
hineinfühlen kann, anstatt dem anderen nur das zu schenken,
was er selbst gerne hätte, nur ein paar Nummern schlechter.
Deutsches Schenken ist meistens nur noch ein Sich-Freikaufen von dem
berechtigten schlechten Gewissen, nicht genug für den anderen
da zu sein.
Wie wäre es, wenn sie das nächste Weihnachten vorher
mal eine Familienkonferenz abhalten und folgende Regel vereinbaren:
Kein Weihnachtsgeschenk darf über - sagen wir mal - 2 DM
kosten. Es sollte selbstgebastelt, gemalt oder erfunden sein. Wem
nichts einfällt, der schreibt stattdessen einen Brief, in dem
er erzählt, daß ihm nichts eingefallen ist. - Es
müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir
Wohlstandsbürger nicht wenigstens Weihnachten einmal
über unseren eingefleischten Materialismus
hinauskämen, den wir offiziell immer nur Sozialisten und
Kommunisten als die gottlose Irrlehre vorwerfen. Ich wünsche
mir später mal von meiner ersten Enkelin einen Gutschein
über dreimal Rückenkratzen.
Ich komme zurück auf den Brief des Paulus aus dem
Gefängnis. Er schrieb: Sorget euch um nichts, sondern in allem
lasset im Gebet und Flehen mit Danksagung eure Bitten vor Gott
kundwerden! Ein prächtiger Satz! Sich um nichts sorgen! Alles
an Gott weitergeben. 'Wie ist das mit unseren Weihnachtsbesorgungen?
Sorgt euch um nichts! Das sagt einer, der als Todeskandidat allen Grund
zur Sorge hätte. Das ist alles andere als
Politikermentalität. Das ist Hippi-Denken in Reinkultur! Jeder
wird hier protestieren und sagen, so könne man doch heute
nicht mehr leben, wo jeder Urlaub schon ein halbes Jahr vorher
organisiert werden muß! Und erst recht angesichts der
Atomkraftwerke, der Giftmüllhalden und der steigenden
Erdölpreise.
Allen wirklich tief besorgten Kirchenräten, Presbytern,
Ministern und Ratsherren hat ihre tiefe Sorge nicht geholfen vor dem
Schlamassel, in den wir durch ihre sorgenvollen Entscheidungen
hineingeraten sind. In Wirklichkeit rechnet doch kein sogenannter
Christpolitiker mehr ernsthaft mit dem Eingreifen Gottes und deshalb
muß er so tief besorgt sein und alles in die eigene Hand
nehmen. Wenn die Nato-Staaten auch nur ein bißchen
Gottvertrauen hätten, dann würden sie sich nicht
sorgen um die Feindbedrohung von Osten, die durch sowjetische
Truppenverkleinerungen in der DDR scheinbar noch gewachsen ist. Das ist
die westliche Art der Sorge: Statt auf die
Friedensverheißungen Gottes zu bauen, bescheren uns unsere
Politiker Weihnachten 1979 die neuen Mittelstreckenraketen. Der Friede
Gottes ist wieder einmal mehr zerstört worden durch dieses
besorgte, haßerfüllte Wettrüsten. Zum Fest
des Friedens werden Waffen - geschenkt, nein, nicht geschenkt, sondern
von unseren Steuergeldern den Rüstungskonzernen abgekauft,
damit die Wirtschaft wächst und gedeiht. Wieder einmal wird
Weihnachten, das Fest des Friedens Gottes, zur Zeit der Scham vor der
ganzen übrigen Welt, zu den reichen Ländern zu
gehören, die zum Friedensfest Folterwerkzeuge bestellen, denn
was sind Mittelstreckenraketen anderes als Folterwerkzeug-Ehre sei Gott
in der Höhe und den Menschen auf Erden Friede, weil Gott sie
gerne mag, so singen die Engel in der Weihnachtsgeschichte.
Ehre sei Gott in der Höhe und den Menschen auf Erden Friede,
weil Gott sie gerne mag, so singen die Engel in der
Weihnachtsgeschichte. Wer durch Waffenproduktion den Frieden auf Erden
boykottiert und auf den St. Nimmerleinstag vertagen will, der
verweigert Gott in der Höhe die Ehre. Der Friede Gottes ist
mehr als Abwesenheit von Krieg durch ein Gleichgewicht des Schreckens.
Der Friede Gottes ist das Ende des Terrorismus der
Rüstungswirtschaft. Er ist auch das Ende des Konsumterrors,
der zu Weihnachten auf die Spitze getrieben wird. Der Friede Gottes ist
höher als alle Vernunft. Er ist menschlicher als alles
technische Kalkül, als alles Zweckdenken, als alle
Geschäftstüchtigkeit, er ist wichtiger als alle
Sozialtechnologie unserer Führungseliten, wichtiger als alle
Wissenschaft und alle Kriegsforschung.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Gedanken in Christus Jesus, in Jesus, der
wehrlos hingerichtet wurde für den Frieden, den er brachte, in
Christus, dem Gott alle Macht der Ohnmächtigen gegeben hat, um
ein Reich des Friedens auferstehen zu lassen, in dem Gott abwischen
wird alle Tränen, in dem es kein Brot für die Welt
mehr gibt, weil keiner mehr zu kurz kommt. Wo der Friede Gottes kommt,
kommt kein Mensch und kein Tier mehr zu kurz. Auf diesen Frieden Gottes
freue ich mich schon tierisch, höllisch und als Mensch. In der
Hoffnung auf Gottes Frieden feiere ich Weihnachten als Fest der
Vor-Freude. Diese Freude macht mich zugleich traurig über den
Terror in aller Welt. Ich wünsche mir zu Weihnachten,
daß die Vorfreude auf Gottes Frieden viele ansteckt zum
Verzicht auf Machtpolitik. Ich freue mich, daß wenigstens das
holländische Parlament gegen die Nachrüstung gestimmt
hat.
Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft,
bewähre und bewahre unsere Herzen und Gedanken im heiligen
Geist der Gewaltlosigkeit Christi Jesu, unserem Herrn und Bruder. Amen.