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Predigt über Johannes 8, 12 - 6

Gehalten in Bielefeld Matthäus und Bodelschwingh am 25.12.1980

1. Die Urlaubsbräune ist vergangen, wir sind wieder blaß geworden. Uns fehlt die Sonne, das Licht. Ersatz durch Kerzen, Weihnachtsbäume, Lichterglanz der City. Energieverschwendung. Wir sind lichthungrig: Boom der Solarien und Höhensonnen, sonniger Süden. Und lichtscheu: Dunkel der Diskotheken, Feten, Kirchräume.

Wir brauchen beides: Licht und Dunkelheit, Sonne und die Nacht. Und wir halten keines von beiden aus: zu viel Sonne gibt Sonnenbrand. Zu viel Dunkelheit macht Winterdepressionen. So die Telefonseelsorge-Statistik. Ohne das Sonnenlicht, die Energie, wäre Leben überhaupt nicht entstanden: Und Gott sprach: Es werde Licht. Licht ist das Medium und der Grund von Leben überhaupt. Licht ist Wärme. Ohne Wärme kommen wir nicht aus. Darum beten so viele Religionen die Sonne an. Astral Kulte -> Gnosis.

Iranischer Dualismus: Licht-Finsternis wird bei Johannes auf Jesus gemünzt. Sonntag gleich Sonnentag als Feiertag in Rom. Relikt der Sonnenanbetung. Und heute tummeln sich die neuen Sonnenanbeter an der Cote d'Azur und Costa Brava. Sonnenenergie hat Leben ermöglicht, naturwissenschaftlich. Bonhoeffer im Gefängnis vermißt Sonne, spürbar auf der Haut. Licht ist die Lebensmacht und wir haben außer der Haut noch die Sehwarzen, die Augen als Sinnesorgane der Lichtwahrnehmung. Orientierung ohne Licht - für alles über Würmer hinaus undenkbar. Licht ist lebenswichtig. Das Volk, das im Dunkeln wohnt, sieht ein Licht. Keine Schritte ohne Licht, will man nicht hinfallen oder sich verirren.

2. Jesus ist das Licht der Welt, sagt Johannes. Die Ich-bin-Worte und die Einkleidung in die Streiterei mit den Pharisäern sind Komposition, nicht authentisch. Das Volk im Dunkeln folgt dem Licht nach. Die Hirten sehen das Licht, den Lichterglanz Gottes, die „kabod Jahwe“, visionäre Herrlichkeit. Paulus wird vor Damaskus von einer Lichtvisionen überfallen. Jedesmal ändert die Licht Vision das Leben, verändert den Weg. Wer Licht hat, kann sehen. Wer erleuchtet ist, der brennt und sieht klarer, bekommt Scharfblick, kann unterscheiden zwischen Irrweg und Umweg und richtiger Strecke. Jesus als Licht erleuchtet uns zur Nachfolge auf dem Weg des Friedens. Die Winter-Weihnachtstouristik blüht: immer mehr folgen der Sonne nach bis Hawaii. Diese luxuriöse Art der Lichtnachfolge zeigt, wie tief der Lichthunger in uns sitzt, unbefriedigt und mächtig. Der Boom der Jugendsekten zeigt auch, wie tief der Hunger nach Erleuchtung, nach Klarheit über den Sinn unseres Lebens in uns steckt, verdrängt und unbefriedigt. Wir sind, auch in der internationalen Politik, auf der Suche nach einem neuen Weg, der herausführt aus dem Dunkel des Gleichgewichts des Schreckens, der Finsternis der Atomwaffen und heraus aus dem Ungleichgewicht von Armut und Sattheit. Wir suchen nach Klarheit, nach Licht auf unserem Weg. Wir sind unterwegs zu einem neuen Lebensstil, weil der alte Weg unweigerlich in den Dritten Weltkrieg, in die Verschlimmerung der Armut, der Unterernährung und Rohstoffknappheit führt. Wir sind auf der Suche nach Licht, auch als Energiequelle: Solarkollektoren und Erdwärme.

Wir suchen nach Klarheit, nach Erleuchtung, nach dem richtigen Weg. Wir suchen die Richtung des Weges. Wir suchen nach Gerechtigkeit. Darum kann Johannes in einem Atemzug vom Licht, richtigen Weg, der Wahrheit und dem Gericht reden. Die Klarheit der richtigen Richtung, der gerechten Entscheidung des Richters ist nur möglich, wenn wir ein Licht haben wonach wir uns orientieren können. Das Licht kann Richtung weisen. Jesus als Licht der Welt weist uns eine Richtung durch sein Beispiel und wir können ihm nachfolgen. Es ist möglich, gewaltlos zu leben, jedenfalls für uns hier in der BRD. Es ist möglich, aus dem Teufelskreis der Atomrüstung auszusteigen - bevor er tödlich wird. Es ist möglich, den Sündern, der Ehebrecherin zu vergeben. Es ist möglich, statt Strafe und Strafjustiz Rehabilitation und Therapien anzubieten, zu reden statt zuschlagen. Und es ist möglich, aus dem geregelten Leben der Pharisäer, aus dem geordneten bürgerlichen Dasein auszusteigen und ein Leben für und mit den Armen des Landes zu führen. Die Möglichkeit, Jesus nachzufolgen in seiner einfachen Liebe, besteht durchaus.

Aber wir, die Bürger der satten und von Weihnachtsgänsen aufgequollenen Industriegesellschaft, wollen Jesus nicht nachfolgen. Und darum wird uns das Licht Jesu zum Gericht, wenn uns einmal die Skelette der verhungerten Kinder in der Südhälfte der Welt fragen nach unserer Liebe, unsere Fürsorge für sie, unseren Verzicht auf Gewalt und Waffenlieferungen. Das Licht Jesu ist gut. Aber wir lieben lieber die Finsternis. Und wenn wir, die Satten, einmal in die armen Länder der Erde fahren, dann nur, um Urlaub, Abenteuer und Sonne zu erleben, nicht um zu teilen. Möge uns das Gericht Jesu und seiner geringsten Brüder schon vor unserem Tod zu etwas mehr Gerechtigkeit aufreizen. Amen.