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Predigt über Ezechiel 34 am 3.5.1981 in Bochum Pauluskirche

 

Gegen die schlechten Hirten, die nur für sich selbst sorgen: damals im Königshaus, dass Israel ins Exil katapultierte, Priester die ihren Reibach machten. Heute: Politiker, die ihre Pfründe sichern, Konzernherren, die ihre Arbeiter vernachlässigen, Kirche, die sich reproduziert, im eigenen Saft schmort.

Gott der gute Hirte richtet unter fetten und mageren Schafen Gerechtigkeit auf. Dritte Welt. Gott führt seine Schafe auf fette, gute Weide aus dem Exil. Jesus als guter Hirte, der sein Leben lässt für die Schafe. EKG 60, 1 - 5

1. Hirtenleben in Israel, Gleichnis

2. Gott der Schäfer der Gerechtigkeit: Gericht über die Erste Welt

3. Christus das Lamm Gottes

4. Die Nachfolge Jesu als Schäfertum der Gerechtigkeit

Ez 34, 1 - 22 + 30f

Gnade sei mit uns von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Liebe Krankenhausgemeinde, liebe Leute hier in der Kapelle und ringsumher in den Betten! Liebe Gemeinde!

Würde ich zu euch sagen: Liebe Schafe, dann wärt ihr bestimmt ein bisschen beleidigt, weil Schafe sind ja dämlich und wer will sich oder anderen schon gerne zugestehen, dämlich zu sein. Ich denke bei Schaf und Hirte zuerst an Kirche. Der Pastor ist das lateinische Wort für Hirte und die Gemeindeglieder sind die Schafe. Dieser Name Pastor, ist heute noch geblieben, obwohl doch eigentlich keiner von uns mehr so ein dämliches Schaf sein will. Oder? Der Pastor, heute noch Schäfer seiner Gemeinde? Stimmt das Bild? Sind wir alle nicht in gleicher Weise uns gegenseitig Priester und Pastoren, wie Martin Luther vor über 450 Jahren es ausgedrückt hat? Alle sollten und könnten wir uns gegenseitig Hirten, Pastoren und Seelsorger sein. Jeder und jede von uns hat Ohren, um dem anderen zuzuhören bei seinen Problemen, hat Hände, um dem anderen tatkräftig zu helfen, die mageren Schafe gegen die dicken, fetten und starken Schafe in Schutz zu nehmen. Wir können immer und überall beides sein: Hirten mit Verantwortung oder Schafe mit einem immer hungrigen Magen und einem etwas dämlichen Blöken auf den Lippen.

Ich möchte mit euch noch ein wenig tiefer in das Bild hinein wandern, was uns im vorgelesenen Text der Prophet Ezechiel im Alten Testament ausmalt. Es wimmelt im Alten Testament von Schafen und Hirten. Wer schon mal mit Frau Meier durch die Wüste gefahren ist, weiß, warum. Stellt euch vor, ihr sitzt bei Härte 10 oder nach einer Tour zu den Pyramiden in der Wüste und sollt euch am Leben erhalten. Ackerbau? Im Wüstensand Kartoffeln züchten? Ist absolut nicht drin! Hier entdeckt am Rand der Wüste in der nassen Jahreszeit Gras. Was tun? Selber essen? Oder lieber die Tiere fangen, die man dort weiden sieht? Also, die Menschen, die am Rande der Wüste gelebt haben, in biblischer Zeit und auch heute noch, die fingen die wilden Schafe, machten sie zahm und lebten von ihrer Milch, machten sich Zelte und Kleider und Teppiche aus ihrer Wolle und ihrem Fell, aßen von dem Fleisch der Schafe. Und so zogen sie in Großfamilien mit ihren Zelten und mit ihrer Schafherde, die sie zum Überleben zusammen hielten und auch gegen Wölfe, Löwen und andere wilden Tiere beschützten, so zogen sie am Rande der Wüste von einer Grasfläche zur anderen, blieben, bis alles Gras aufgefressen war und zogen dann weiter. Und je stärker die Sonne brannte und alles Gras verdorrte, desto mehr mussten die Hirten, die Kleinviehnomaden mit ihren Schafen zu den fruchtbaren Gegenden, wo es Wasser gab, wo noch frisches Gras zum Weiden war, und so kamen sie in die Berge des heutigen Israel, wo im Tal die Kanaaniter ihren Ackerbau trieben, und oben auf den Bergen, zwischen den Tälern, da wohnten im Sommer die Nomaden, die Hirten mit ihren Schafen. Und die taten sich in einem lange dauernden Prozeß zusammen und wurden das Volk Israel, von dem das Alte Testament die große und lange Geschichte erzählt.

Das war also deren Leben: Schafe hüten. So wie wir heute vielleicht bei Krupp oder Opel arbeiten, im Krankenhaus, in der Schule oder im Kaufhaus arbeiten gehen. Deshalb soviel Geschichten von Schafen und Hirten in der Bibel: die Leute damals waren ja fast alle Schäfer von Beruf. Und zuerst gab es darum bei Ihnen auch kein Eigentum an Land. Man konnte nur die Herde besitzen, das Land gehörte allen gemeinsam. Ich finde das eine ganz tolle Einstellung, ähnlich wie die Indianer es sehen: das Land gehört uns allen und darum ist es Unrecht, wenn einer einen Zaun um ein Stück Land macht und anderen den Zutritt verbietet.

Der Prophet Ezechiel redet im Auftrag Gottes zu den Leuten, zu verschiedenen Leuten. Er redet im Bild von Hirten und Schafen. Er redet zu den Hirten und Schafen. Das Bild haben damals alle verstanden: die Hirten, das sind die Führer des Volkes Israel, sind die Könige, die Leute am Hof: Minister, Beamte, Sekretäre, Richter, Parlamentarier des Jerusalemer Königshofes. Sie alle die im Staate Israel die politische Verantwortung über die kleinen Leute, die Bauern, Fischer, Schäfer und Marktfrauen trugen, sie haben ihre Aufgabe, ihr Hirtenamt, ihren Schäferberuf einzig und allein dazu benutzt, um in die eigene Tasche zu wirtschaften, um Feste bei Hof zu machen, um sich Grundstücke zu kaufen. Sie haben aus Steuergeldern ihre Pfründe gezogen, sind dabei reich und fett geworden, sind Topmanager geworden, haben sich von Hotel zu Hotel im dicken Mercedes chauffieren lassen, kassieren ihre 18000 D-Mark Gehalt pro Monat, während die dämlichen Schafe mit 1500 D-Mark ihre Familie über die Runden bringen müssen. So ist es heute und so war es schon damals und das Wort Gottes ruft in all diese falsche Schäferei, das ungerechte Hirtenleben damals und heute hinein: Wehe diesen Hirten! Wehe den Königen die sich aus Steuergeldern ein schönes Leben machen und das Volk politisch an den Rand des Krieges treiben, damals die babylonische Gefangenschaft, wo Israel durch eine nationalistische Politik seines Königs in den aussichtslosen Krieg gegen die Großmacht Babylon getrieben wurde und wo alle gehobenen Leute, Priester, Minister und Handwerker, ins Exil nach Babylon mitgeschleppt wurden. In dieser Situation, im Exil an den Wasserflüssen Babylons, da sitzt unser Prophet Ezechiel und predigt diese große Anklage gegen die falschen Hirten. Und diese Gerichtsrede gilt heute noch immer: Wehe den Politikern, die unter dem Vorwand nationaler Sicherheit die Atomraketen hier bei uns aufbauen, auf die die Russen unweigerlich zuerst ihre Bomben richten müssen, wenn sie überleben wollen. Wehe den Sicherheitsstrategien, die uns machtlose Herde von Bundesbürgern die Atombomben als Ostereier ins Nest setzen, mit denen der dritte Weltkrieg geführt wird. Ich könnte die Liste mit Weherufen fortsetzen, gegen alle, die Führungspositionen innehaben und die mehr Geld und Besitz haben als ein einfacher Opel-Arbeiter oder eine Krankenschwester. Obwohl doch beide gleich viel arbeiten, beide Verantwortung tragen über Leben und Tod ihrer Leute. Ich will aber jetzt von der Verheißung reden, die der Prophet Ezechiel im Auftrag Gottes an seine Leute und auch an uns richtet.

Gott selbst will der Hirte seiner Schafe werden. Er setzt alle anderen Hirten ab. Keiner kann von jetzt ab mehr daherkommen und sagen: Ich will euer Führer, euer Hirte sein im Namen Gottes. Nein, diese Sorte Führer von Gottes Gnaden kennen wir gut genug. Wir haben einen Führer gehabt, der hieß Adolf und hat uns ins Verderben geführt. Wir brauchen keinen neuen Führer, keinen von diesen schlechten Hirten, gegen die Ezechiel seine Weherufe richtet. Gott selbst ist unser Hirte. Und darum braucht kein Mensch mehr sich das Hirtenamt über andere Menschen anzumassen. Erst recht nicht, wenn er sich christlich nennt und seine Partei noch dazu sich christdemokratisch oder christlich-sozial nennt. Solange Gott unser Hirte ist, brauchen wir keinen anderen Hirten, sei er christlich oder was auch immer. Auch geistliche Hirten brauchen wir nicht, wenn Gott unser Hirte ist. Ich fürchte, überall, wo es solche Hirten gibt, zeugt das von der Abwesenheit Gottes. Und wo Gott seine Herde weidet auf saftiger, fetter Weide, dort ist so viel Leben in seiner Herde, sind Hammel und Schafe so sehr zusammen als eine Herde ohne Zerstreuung, ohne einsame, verwundete, schwache und unterdrückte Schafe, dass sich alle Schafe gegenseitig helfen und zusammenhalten.

Gott selbst will die mageren, schwachen, verletzten Schafe in Schutz nehmen und ihnen wieder hoch helfen und ihnen Recht verschaffen gegen die fetten, reichen Hammel. Wo wir Spuren von dieser Gerechtigkeit finden, da ist Gott am Werk, da ist Gott der Hirte. Gott als guter Hirte ist überall da erkennbar, wo Gerechtigkeit geschieht, wo keiner mehr hungern muss, während andere Porsche fahren. Wo keiner mehr gefoltert wird, während andere Feste feiern. Wo keiner mehr an der Front kämpft, während im Pentagon die Generäle sich die Hände reiben. "Dann werden Sie erkennen, dass ich, der HERR, ihr Gott bin und sie mein Volk sind." Da und nur da, wo wir heute in unserer verwilderten und ungerechten Hammelherde Spuren der Gerechtigkeit erkennen, die dem Verirrten den Weg weist, dem Hungernden Brot gibt, dem Gestrandeten Hoffnung gibt, dem Verzweifelten Mut zum Leben schafft, dort erkennen wir schon den Vorschein der Macht Gottes, des guten Hirten seiner Herde. Die noch einen langen Weg durch die Wüste vor sich hat, ehe sie in der Heimat ankommt, ehe auf dieser Welt die Gerechtigkeit den Sieg davonträgt, wo keiner mehr hungert und keiner mehr im Krieg fällt und keiner mehr unschuldig und ungerecht leiden muss. Auf diese Heimat hoffen wir, die verstreute Herde der fetten und mageren Schafe, zu ihr sind wir unterwegs. Ein Schaf ist unser Leithammel auf diesem langen Marsch: das Lamm Gottes, Jesus Christus. Seiner Demut wollen wir folgen, seinen Protest gegen die Reichen uns anschließen, seinem Einsatz für die Kranken und Verachteten, die Mühseligen und Beladenen folgen und seinen Weg in den Tod die Kraft sein lassen, mit der wir unseren Weg gehen, damit wir mit der Kraft seiner Auferstehung Aufstand machen gegen das Unrecht und für den Frieden Gottes. In der Nachfolge Jesu gehen wir als Gottes Herde und suchen den Weg der Gerechtigkeit. Ihn zu finden, das wünsche ich uns allen, jeden in seiner Lage, und auf diesen schweren Weg liegt die Hoffnung auf Gott, unserem guten Hirten. Amen.