Gehalten
am 2.08.1981 in Bochum
Friedenskirche, am 6.9. in der Christuskirche
Erst kommt das Fressen, dann
die Moral, sagt Brecht. Und Brecht hat recht.
Das zeigt die Geschichte der Wüstenwanderung des Volkes Israel
mit seinem
Führer Moses. Solange die Leute satt waren, gingen sie mit
ihm, glaubten sie an
die Zukunft des gelobten Landes, in dem Milch und Honig
fließen sollten. Aber
bei jeder kleinsten Durststrecke sehen Sie sich zurück nach
den Fleischtöpfe
Ägyptens. Lieber Sklave sein mit vollem Bauch als freier Mann
mit leerem Magen.
Der Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, die Befreiung von
Knechtschaft und
Unterdrückung, war unbequem. Die Befreiung war schmerzlicher
und härter als die
Sklaverei selbst. Freiheit ist schrecklich. Am besten sind die
Gefangenschaften, wo man versorgt ist. Israel murrte, wenn der Bauch
leer war.
Wenn das Volk keine Lust mehr hatte, weiterzugehen auf dem Weg in eine
bessere
Zukunft.
Dann muss wieder mal ein
Wunder geschehen, damit die Leute bei der Stange
bleiben, damit sie den Mut nicht sinken ließen. Damit sie
wieder glauben
konnten an das gelobte Land, zu dem sie unterwegs waren. In der
Wüste konnte
sie nur der Glaube und die Hoffnung auf die verheißene
bessere Welt auf den
Beinen halten. Ohne Glauben wäre diese mörderische
Tour durch die Wüste ein
Himmelfahrtskommando gewesen. Ein Volk lässt sich
verführen und folgt einem
aufsässigen Burschen namens Mose in den eigentlich sicheren
Tod in der Wüste.
Wie beim Rattenfänger von Hameln. So schien es, jedesmal, wenn
kein Wasser und
kein Fleisch da war. Nur der Glaube, nur das Vertrauen auf die
Zuverlässigkeit
der Verheißung Jarvis, des Gottes Israels, konnte da vor der
Resignation
retten, konnte das augenscheinliche, die augenblickliche Hungers Zeit,
als dass
eben wirklich nur scheinen hafte und nicht letztlich bestimmende Faktum
glaubhaft machen. Und darum passierten die Speisungswunder, darum kam
Manna vom
Himmel geregnet, darum taten sich im Felsen Quellwasser auf, damit der
Glaube
der Israeliten stärker würde. Darum war das
wunderbare Mana Speis für Leib und
Seele, für den Bauch und den Glauben, für das Fressen
und die Moral. "Denn
Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das
Leben."(33) sehen, Essen, schmecken und glauben. Beides gehört
zum Leben,
beides zusammen erst ergibt das Brot des Lebens. Ohne Wunder verdorrt
der
Glaube. Wird krank und schwach. Der Glaube braucht Zeichen,
Anhaltspunkte in
der sinnlich erfahrbar in Wirklichkeit. Der Glaube kann nicht
ständig gegen die
Realität an glauben. Er braucht Vergewisserung. Sonst wird er
irre.
Wir brauchen die Zeichen, die
Wunder, die sinnlich greifbare Gegenwart der
Zukunft Gottes. Wir brauchen Vorzeichen des gelobten Landes, einen
Vorschein
dessen, was uns als das Licht der Welt verheißen ist. Sonst
werden wir schwach
im Glauben und resignieren. Sonst haben wir keine Kraft mehr, auf das
Reich
Gottes zuzugehen und sehnen uns doch wieder nach den
Fleischtöpfen und der
Sklaverei Ägyptens zurück; ohne Glauben werden wir
reaktionär, wollen zurück
zur alten Unfreiheit. Und das Zeichen, was uns den Glauben ans gelobte
Land, an
die Treue Gottes, an die Zukunft seiner Herrlichkeit und Wirklichkeit
stärken
kann, ist Jesus Christus. Er ist das Brot des Lebens. Er macht Zeichen
und
Wunder. Er speist das Volk und sie werden alle satt, 4000 5000 oder
6000. Jesus
speist das Volk nicht mit frommen Worten ab. Ergibt reale Brote,
wirklichen
Fisch, richtigen Wein. Niemals hätte Jesus einen Hungrigen nur
mit Worten
abgespeist. „Wer zu mir kommt, der wird nicht
hungern.“ Und eben darum sind
seine Worte keine frommen Sprüche ohne Realität.
Jesus macht den Bauch satt.
Erst kommt das Essen, dann die Moral. Und darum glaubten die Leute auch
dem,
was er sagte. Darum kam dann auch wirklich die Moral, darum konnten
sich die
Leute die Liebe Jesu gegenseitig weitergeben, einander in seinem Namen
aufnehmen, pflegen, beköstigen und heilen. Miteinander
sprechen, nachdenken und
beten. Weil Jesus getan hat, was er predigte, weil er als Brot des
Lebens Leute
satt machte und auch uns noch satt machen will im Abendmahl, weil Jesus
tat,
was er sagte, darum ist er auch glaubwürdig, darum
können wir Jesus glauben.
Jesus ist das Zeichen, da sichtbarer Anhaltspunkt für unseren
Glauben, damit er
nicht den Kontakt zur Wirklichkeit verliert. "Wer an mich glaubt, den
wird
nimmermehr dürsten." Und wer von diesem Glauben durchdrungen
ist, kann
doch nicht mehr unglaubwürdig werden wollen und anderen mit
Worten das Brot des
Lebens zu sprechen und gleichzeitig durch tatenloses Zusehen
verhindern, dass
der wirkliche und tatsächliche Hunger von Milliarden von
Menschen gestillt
wird. Der kann doch den Glauben nicht Lügen strafen wollen und
inneren Frieden
predigen, während da draußen Panzer und Raketen
gebaut werden, mit denen scharf
geschossen wird.
Wer glaubt, das Brot des
Lebens sei rein geistig und nicht auch was für den
Bauch, macht unseren Glauben unglaubwürdig. Der wird
doketisch, spiritistisch.
Christus will uns beides sein: Nahrung und Kraft für Leib und
Seele. Darum
feiern wir das Abendmahl mit wirkliche messen. Auch unser Bauch soll
das Heil
Gottes erfahren. Dann wird unsere Seele froh. Weil wir selbst das Brot
des
Lebens mit unserem Bauch und unserem Herzen erfahren, darum werden wir
alles
daran setzen, damit Christus als Brot-für-die-Welt die
Verheißung bleibt, dass
kein Mensch mehr hungern muss. Darum ist unsere Entwicklungspolitik in
der
Dritten Welt der sinnlich greifbare Teil unseres Glaubens, dass
Christus
wirklich das Brot des Lebens ist und nicht etwa nur Ersatz für
Brot, das den
Hunger stillt. Amen.
Herr Jesus Christus, unser
Brot. Wir ersticken an Sattheit, Überfluss und
Langeweile. Nie hatten wir es so gut wie heute. Nie waren wir geistlich
und
seelisch so unterernährt und unterentwickelt wie heute. Mach
uns Mut zum
Teilen. Lass uns unseren Reichtum abgeben lernen, damit wir den Kopf
und die
Hände frei bekommen für das, was die Armen haben:
Herzlichkeit, Brüderlichkeit,
Gemeinschaft, Glauben. Amen.