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Predigt über Johannes 6, 30 – 35

Gehalten am 2.08.1981 in Bochum Friedenskirche, am 6.9. in der Christuskirche

Erst kommt das Fressen, dann die Moral, sagt Brecht. Und Brecht hat recht. Das zeigt die Geschichte der Wüstenwanderung des Volkes Israel mit seinem Führer Moses. Solange die Leute satt waren, gingen sie mit ihm, glaubten sie an die Zukunft des gelobten Landes, in dem Milch und Honig fließen sollten. Aber bei jeder kleinsten Durststrecke sehen Sie sich zurück nach den Fleischtöpfe Ägyptens. Lieber Sklave sein mit vollem Bauch als freier Mann mit leerem Magen. Der Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, die Befreiung von Knechtschaft und Unterdrückung, war unbequem. Die Befreiung war schmerzlicher und härter als die Sklaverei selbst. Freiheit ist schrecklich. Am besten sind die Gefangenschaften, wo man versorgt ist. Israel murrte, wenn der Bauch leer war. Wenn das Volk keine Lust mehr hatte, weiterzugehen auf dem Weg in eine bessere Zukunft.

Dann muss wieder mal ein Wunder geschehen, damit die Leute bei der Stange bleiben, damit sie den Mut nicht sinken ließen. Damit sie wieder glauben konnten an das gelobte Land, zu dem sie unterwegs waren. In der Wüste konnte sie nur der Glaube und die Hoffnung auf die verheißene bessere Welt auf den Beinen halten. Ohne Glauben wäre diese mörderische Tour durch die Wüste ein Himmelfahrtskommando gewesen. Ein Volk lässt sich verführen und folgt einem aufsässigen Burschen namens Mose in den eigentlich sicheren Tod in der Wüste. Wie beim Rattenfänger von Hameln. So schien es, jedesmal, wenn kein Wasser und kein Fleisch da war. Nur der Glaube, nur das Vertrauen auf die Zuverlässigkeit der Verheißung Jarvis, des Gottes Israels, konnte da vor der Resignation retten, konnte das augenscheinliche, die augenblickliche Hungers Zeit, als dass eben wirklich nur scheinen hafte und nicht letztlich bestimmende Faktum glaubhaft machen. Und darum passierten die Speisungswunder, darum kam Manna vom Himmel geregnet, darum taten sich im Felsen Quellwasser auf, damit der Glaube der Israeliten stärker würde. Darum war das wunderbare Mana Speis für Leib und Seele, für den Bauch und den Glauben, für das Fressen und die Moral. "Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben."(33) sehen, Essen, schmecken und glauben. Beides gehört zum Leben, beides zusammen erst ergibt das Brot des Lebens. Ohne Wunder verdorrt der Glaube. Wird krank und schwach. Der Glaube braucht Zeichen, Anhaltspunkte in der sinnlich erfahrbar in Wirklichkeit. Der Glaube kann nicht ständig gegen die Realität an glauben. Er braucht Vergewisserung. Sonst wird er irre.

Wir brauchen die Zeichen, die Wunder, die sinnlich greifbare Gegenwart der Zukunft Gottes. Wir brauchen Vorzeichen des gelobten Landes, einen Vorschein dessen, was uns als das Licht der Welt verheißen ist. Sonst werden wir schwach im Glauben und resignieren. Sonst haben wir keine Kraft mehr, auf das Reich Gottes zuzugehen und sehnen uns doch wieder nach den Fleischtöpfen und der Sklaverei Ägyptens zurück; ohne Glauben werden wir reaktionär, wollen zurück zur alten Unfreiheit. Und das Zeichen, was uns den Glauben ans gelobte Land, an die Treue Gottes, an die Zukunft seiner Herrlichkeit und Wirklichkeit stärken kann, ist Jesus Christus. Er ist das Brot des Lebens. Er macht Zeichen und Wunder. Er speist das Volk und sie werden alle satt, 4000 5000 oder 6000. Jesus speist das Volk nicht mit frommen Worten ab. Ergibt reale Brote, wirklichen Fisch, richtigen Wein. Niemals hätte Jesus einen Hungrigen nur mit Worten abgespeist. „Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern.“ Und eben darum sind seine Worte keine frommen Sprüche ohne Realität. Jesus macht den Bauch satt. Erst kommt das Essen, dann die Moral. Und darum glaubten die Leute auch dem, was er sagte. Darum kam dann auch wirklich die Moral, darum konnten sich die Leute die Liebe Jesu gegenseitig weitergeben, einander in seinem Namen aufnehmen, pflegen, beköstigen und heilen. Miteinander sprechen, nachdenken und beten. Weil Jesus getan hat, was er predigte, weil er als Brot des Lebens Leute satt machte und auch uns noch satt machen will im Abendmahl, weil Jesus tat, was er sagte, darum ist er auch glaubwürdig, darum können wir Jesus glauben. Jesus ist das Zeichen, da sichtbarer Anhaltspunkt für unseren Glauben, damit er nicht den Kontakt zur Wirklichkeit verliert. "Wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten." Und wer von diesem Glauben durchdrungen ist, kann doch nicht mehr unglaubwürdig werden wollen und anderen mit Worten das Brot des Lebens zu sprechen und gleichzeitig durch tatenloses Zusehen verhindern, dass der wirkliche und tatsächliche Hunger von Milliarden von Menschen gestillt wird. Der kann doch den Glauben nicht Lügen strafen wollen und inneren Frieden predigen, während da draußen Panzer und Raketen gebaut werden, mit denen scharf geschossen wird.

Wer glaubt, das Brot des Lebens sei rein geistig und nicht auch was für den Bauch, macht unseren Glauben unglaubwürdig. Der wird doketisch, spiritistisch. Christus will uns beides sein: Nahrung und Kraft für Leib und Seele. Darum feiern wir das Abendmahl mit wirkliche messen. Auch unser Bauch soll das Heil Gottes erfahren. Dann wird unsere Seele froh. Weil wir selbst das Brot des Lebens mit unserem Bauch und unserem Herzen erfahren, darum werden wir alles daran setzen, damit Christus als Brot-für-die-Welt die Verheißung bleibt, dass kein Mensch mehr hungern muss. Darum ist unsere Entwicklungspolitik in der Dritten Welt der sinnlich greifbare Teil unseres Glaubens, dass Christus wirklich das Brot des Lebens ist und nicht etwa nur Ersatz für Brot, das den Hunger stillt. Amen.

Herr Jesus Christus, unser Brot. Wir ersticken an Sattheit, Überfluss und Langeweile. Nie hatten wir es so gut wie heute. Nie waren wir geistlich und seelisch so unterernährt und unterentwickelt wie heute. Mach uns Mut zum Teilen. Lass uns unseren Reichtum abgeben lernen, damit wir den Kopf und die Hände frei bekommen für das, was die Armen haben: Herzlichkeit, Brüderlichkeit, Gemeinschaft, Glauben. Amen.