Gehalten
am 27.9.1981 in der Friedenskirche Bochum Stahlhausen
Das
Wort des Propheten Jesaja ist nicht erbaulich. Und so wird diese
Predigt auch keine Erbauung sein. Aber dafür ist diese Predigt
konservativ. Sie
will bewahren, conservare. Sie will uns bewahren vor Fehlern, die
unwiederbringlich zerstören. Und eben das ist auch der
größte Wunsch des
Propheten Jesaja: zu bewahren, bevor es endgültig der
Zerstörung entgegen geht.
Sie
wissen, was ich meine: in der Alleestraße ist ein Haus
besetzt. Es
gehört der Opel-Erbengemeinschaft, die es seit zehn Monaten
leer stehen läßt.
Sie kennen den Wohnungsmarkt aus der Zeitung. Eine Dreizimmerwohnung
kostet 500
bis 700 D-Mark. Sie wissen, wie billig dagegen Altbauwohnungen sind.
Und sie
wissen, wie wenig Geld Studenten und Lehrlinge haben. Und die
müssen hier ja
irgendwo eine Wohnung finden, wenn Sie einen Studienplatz in Bochum
bekommen
haben. In der elterlichen Wohnung haben sie keinen Platz mehr,
können auch
nicht täglich 100 km zur Universität fahren, wenn sie
in Wesel wohnen und hier
einen Studienplatz bekommen haben. Es gibt zu wenige Wohnungen. Die
Preise
gehen bei der starken Nachfrage automatisch immer schneller in die
Höhe. Bald
zahlt man die Hälfte des Lohnes für Miete. Und da
stehen die Wohnungssuchenden
vor der Wohnungsvermittlung Schlange. Unterstehen Gute,
schöne, große Häuser
leer in denen viele Menschen Platz haben, in denen viele Menschen ein
Heim
finden können Punkt gerade die noch keine Familie
gegründet haben, Leben gerne
erst einmal mit vielen Freunden zusammen, und das tut ihnen auch gut.
Militär
halten wir das Zusammenleben vieler ja auch für wichtig und
Kameradschaft
fördernd. Nicht anders ist es in der Wohngemeinschaft auch.
Die jungen Leute
haben die Gelegenheit, hier ein gutes Zusammenleben zu erproben.
Letztlich ist
das Albert Schmidt-Haus, wenn man so will, auch eine solche
Wohngemeinschaft
Punkt und zwar eine mit Haus. Wären viele junge Leute keine
Häuser finden, die
groß genug für ein solches Projekt sind. Wenn einer
ein Haus hat und lässt es
leer stehen und weiß, daß viele junge Leute
verzweifelt ein solches Haus
suchen, dann ist das Sünde, liebe Gemeinde! Die jungen Leute,
die das Haus an
der Alleestraße besetzt haben, wollen auf diese
Sünde aufmerksam machen. Und
darum ist ihr Handeln prophetisch: mit Wort und Tat weisen Sie sie auf
Unrecht
in unserer Gesellschaft hin. Solange sie nur redeten, hörte
ihnen keiner zu.
Jetzt, wo sie in die leeren Häuser hinein gehen, da werden die
Verantwortlichen
wach und hören. Aber sie hören zu wenig.
Die
Besetzer wollen uns wachrütteln: nimmt nicht hin,
daß die Stadt
zerstört wird durch Spekulanten, die alte Häuser
aufkaufen, abreißen und auf
dem Grundstück dann nur noch Kaufhäuser,
Geschäfte und Banken bauen. Laßt euch
nicht aus euren alten Wohnquartieren weg ekeln und vertreiben in die
unmenschlichen lassen Sie los von Querenburg oder der Huestadt, wo die
Menschen
nur noch zum Schlafen hingehen und wo sie dicht an dicht hocken und
noch nie so
einsam waren. Wo die höchste Selbstmordrate ist. Wo die
Jugendkriminalität
wächst. Wo die Drogensüchtigen täglich mehr
werden. Laßt euch nicht vertreiben
aus stahlhausen. Alte Bäume verpflanzt man nicht Punkt hat
Verständnis für die
jungen Besetzer, die uns prophetisch warnen wollen vor den Folgen
dieser
Stadtentwicklung, vor dem Unheil, was die Spekulanten anrichten, indem
sie
ganze Stadtteile abreißen und mit scheußlichen
Neubauten voll stellen. Und habt
Verständnis für mich, daß ich nicht
länger von diesen Dingen schweigen kann,
weil ich mit ansehe, wie in unserer Gemeinde eine alte Frau, die als
letzte
noch in so einem Haus gewohnt hat, was man systematisch
zerstört, wie diese
Frau vor einigen Tagen einen Herzschlag bekommen hat, weil man ihr
sagte, daß
sie ausziehen müsse. Diese Wohnungspolitik ist
tödlich!
Wehe
denen, die Haus an Haus Reihen! Jesaja ruft es den Beamten des
Jerusalemer Königs zu. Ich rufe es den Spekulanten und reichen
Leuten unserer
Tage zu, den Kaufhaus Konzernen und Geschäftsleute. Damals
wusste das Volk
Israel, daß alles Land eine Leihgabe Gottes ist und
daß kein Mensch mehr Land
und Meer Wohnung besitzen darf, als er zum Leben benötigt. Und
diese alte
Ordnung wurde von den Königs Beamten zerstört, die
eine dicke Pfründe bekamen,
und die immer mehr Häuser und Ländereien in ihren
Besitz brachten und immer
mehr Menschen bodenlos und heimatlos machten und in die
Schuldknechtschaft und
Sklaverei trieben, weil ein verschuldeter kleiner Bauer neben einem
Grossgrundbesitzer niemals auf einen grünen Zweig kommen
konnte. Und auch heute
machen die großen Kaufhäuser die kleinen
Tante-Emma-Läden kaputt, weil sie mehr
Umsatz machen und billiger anbieten können. Die Reichen werden
immer reicher:
wehe euch, die Haus an Haus Reihen und Acker an Acker, bis kein Platz
mehr ist
und ihr allein Besitzer seid mitten im Land. Bis ihr alle vertrieben
habt in
die modernen Wohn Ghettos wie Querenburg und Huestadt, wo die Menschen
allmählich kaputtgehen an ihrer Seele. Denn von nehmen
ließ sich in meinen
Ohren der HERR der Heerscharen, sagt Jesaja weiter. Fürwahr:
viele Häuser
sollen öde werden, große und schöne,
daß niemand darin wohne; denn 10 Morgen Reben
sollen nur ein Eimer Wein geben und 30 Scheffel Samen nur einen
Scheffel Ernte
Korn. Weil im großen Land keiner mehr da ist, der den Boden
liebevoll pflegt, verkommt
alles. Weil sie keinen mehr in ihre vielen Häuser wohnen
lassen, verkommen die
Häuser. Es kommt zur Krise. Was es auch sei, ob Gesetz der
freien
Marktwirtschaft mit der Anarchie der Spekulanten oder das Wort Gottes
im Mund
des Propheten Jesaja: es ist Sünde, daß die
Hausbesitzer ihre Häuser
absichtlich verkommen lassen, abreißen und viel schlechtere
Häuser statt der
alten aufbauen. Darauf ruht nicht der Segen Gottes. Lassen wir es uns
nicht
gefallen, daß sie ihre Sünde ungehindert treiben
dürfen. Sorgen wir dafür daß
jeder Wohnung und Arbeit behält und bewahren wir unsere Stadt
vor einer
Entwicklung, die im Chaos endet, das doch eigentlich keiner wollte.
Nicht
Häuserabriss, sondern Erbauung und vor allem bewahren des
bestehenden ist
nötig. Dann kann auch eine Predigt wieder erbaulich werden.
Dann können wir
wieder Mut fassen und dann wird uns vielleicht jene andere
Verheißung gelten,
die Jesaja gab: und mein Volk wird an der Stätte des Friedens
wohnen, in sicheren
Wohnungen an stillen Ruhe Plätzen. Und das Werk der
Gerechtigkeit wird Friede
sein und die Frucht des Rechts Sicherheit auf ewig. Amen.
Herr,
unser Gott. Gib uns die Kraft und den Mut, da zu widerstehen, wo
Menschen rücksichtslos und unverantwortlich mit ihrem Besitz
umgehen und andere
zu Schaden bringen. Deine Gerechtigkeit soll unter uns wirklich werden,
auf
jeder Ebene. Hilf uns, daß wir sicher wohnen können.
Laß uns dazu die nötigen
Schritte nicht versäumen. Amen.