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Predigt über Jesaja 5, 8 - 10: Hausbesetzung

Gehalten am 27.9.1981 in der Friedenskirche Bochum Stahlhausen

Das Wort des Propheten Jesaja ist nicht erbaulich. Und so wird diese Predigt auch keine Erbauung sein. Aber dafür ist diese Predigt konservativ. Sie will bewahren, conservare. Sie will uns bewahren vor Fehlern, die unwiederbringlich zerstören. Und eben das ist auch der größte Wunsch des Propheten Jesaja: zu bewahren, bevor es endgültig der Zerstörung entgegen geht.

Sie wissen, was ich meine: in der Alleestraße ist ein Haus besetzt. Es gehört der Opel-Erbengemeinschaft, die es seit zehn Monaten leer stehen läßt. Sie kennen den Wohnungsmarkt aus der Zeitung. Eine Dreizimmerwohnung kostet 500 bis 700 D-Mark. Sie wissen, wie billig dagegen Altbauwohnungen sind. Und sie wissen, wie wenig Geld Studenten und Lehrlinge haben. Und die müssen hier ja irgendwo eine Wohnung finden, wenn Sie einen Studienplatz in Bochum bekommen haben. In der elterlichen Wohnung haben sie keinen Platz mehr, können auch nicht täglich 100 km zur Universität fahren, wenn sie in Wesel wohnen und hier einen Studienplatz bekommen haben. Es gibt zu wenige Wohnungen. Die Preise gehen bei der starken Nachfrage automatisch immer schneller in die Höhe. Bald zahlt man die Hälfte des Lohnes für Miete. Und da stehen die Wohnungssuchenden vor der Wohnungsvermittlung Schlange. Unterstehen Gute, schöne, große Häuser leer in denen viele Menschen Platz haben, in denen viele Menschen ein Heim finden können Punkt gerade die noch keine Familie gegründet haben, Leben gerne erst einmal mit vielen Freunden zusammen, und das tut ihnen auch gut. Militär halten wir das Zusammenleben vieler ja auch für wichtig und Kameradschaft fördernd. Nicht anders ist es in der Wohngemeinschaft auch. Die jungen Leute haben die Gelegenheit, hier ein gutes Zusammenleben zu erproben. Letztlich ist das Albert Schmidt-Haus, wenn man so will, auch eine solche Wohngemeinschaft Punkt und zwar eine mit Haus. Wären viele junge Leute keine Häuser finden, die groß genug für ein solches Projekt sind. Wenn einer ein Haus hat und lässt es leer stehen und weiß, daß viele junge Leute verzweifelt ein solches Haus suchen, dann ist das Sünde, liebe Gemeinde! Die jungen Leute, die das Haus an der Alleestraße besetzt haben, wollen auf diese Sünde aufmerksam machen. Und darum ist ihr Handeln prophetisch: mit Wort und Tat weisen Sie sie auf Unrecht in unserer Gesellschaft hin. Solange sie nur redeten, hörte ihnen keiner zu. Jetzt, wo sie in die leeren Häuser hinein gehen, da werden die Verantwortlichen wach und hören. Aber sie hören zu wenig.

Die Besetzer wollen uns wachrütteln: nimmt nicht hin, daß die Stadt zerstört wird durch Spekulanten, die alte Häuser aufkaufen, abreißen und auf dem Grundstück dann nur noch Kaufhäuser, Geschäfte und Banken bauen. Laßt euch nicht aus euren alten Wohnquartieren weg ekeln und vertreiben in die unmenschlichen lassen Sie los von Querenburg oder der Huestadt, wo die Menschen nur noch zum Schlafen hingehen und wo sie dicht an dicht hocken und noch nie so einsam waren. Wo die höchste Selbstmordrate ist. Wo die Jugendkriminalität wächst. Wo die Drogensüchtigen täglich mehr werden. Laßt euch nicht vertreiben aus stahlhausen. Alte Bäume verpflanzt man nicht Punkt hat Verständnis für die jungen Besetzer, die uns prophetisch warnen wollen vor den Folgen dieser Stadtentwicklung, vor dem Unheil, was die Spekulanten anrichten, indem sie ganze Stadtteile abreißen und mit scheußlichen Neubauten voll stellen. Und habt Verständnis für mich, daß ich nicht länger von diesen Dingen schweigen kann, weil ich mit ansehe, wie in unserer Gemeinde eine alte Frau, die als letzte noch in so einem Haus gewohnt hat, was man systematisch zerstört, wie diese Frau vor einigen Tagen einen Herzschlag bekommen hat, weil man ihr sagte, daß sie ausziehen müsse. Diese Wohnungspolitik ist tödlich!

Wehe denen, die Haus an Haus Reihen! Jesaja ruft es den Beamten des Jerusalemer Königs zu. Ich rufe es den Spekulanten und reichen Leuten unserer Tage zu, den Kaufhaus Konzernen und Geschäftsleute. Damals wusste das Volk Israel, daß alles Land eine Leihgabe Gottes ist und daß kein Mensch mehr Land und Meer Wohnung besitzen darf, als er zum Leben benötigt. Und diese alte Ordnung wurde von den Königs Beamten zerstört, die eine dicke Pfründe bekamen, und die immer mehr Häuser und Ländereien in ihren Besitz brachten und immer mehr Menschen bodenlos und heimatlos machten und in die Schuldknechtschaft und Sklaverei trieben, weil ein verschuldeter kleiner Bauer neben einem Grossgrundbesitzer niemals auf einen grünen Zweig kommen konnte. Und auch heute machen die großen Kaufhäuser die kleinen Tante-Emma-Läden kaputt, weil sie mehr Umsatz machen und billiger anbieten können. Die Reichen werden immer reicher: wehe euch, die Haus an Haus Reihen und Acker an Acker, bis kein Platz mehr ist und ihr allein Besitzer seid mitten im Land. Bis ihr alle vertrieben habt in die modernen Wohn Ghettos wie Querenburg und Huestadt, wo die Menschen allmählich kaputtgehen an ihrer Seele. Denn von nehmen ließ sich in meinen Ohren der HERR der Heerscharen, sagt Jesaja weiter. Fürwahr: viele Häuser sollen öde werden, große und schöne, daß niemand darin wohne; denn 10 Morgen Reben sollen nur ein Eimer Wein geben und 30 Scheffel Samen nur einen Scheffel Ernte Korn. Weil im großen Land keiner mehr da ist, der den Boden liebevoll pflegt, verkommt alles. Weil sie keinen mehr in ihre vielen Häuser wohnen lassen, verkommen die Häuser. Es kommt zur Krise. Was es auch sei, ob Gesetz der freien Marktwirtschaft mit der Anarchie der Spekulanten oder das Wort Gottes im Mund des Propheten Jesaja: es ist Sünde, daß die Hausbesitzer ihre Häuser absichtlich verkommen lassen, abreißen und viel schlechtere Häuser statt der alten aufbauen. Darauf ruht nicht der Segen Gottes. Lassen wir es uns nicht gefallen, daß sie ihre Sünde ungehindert treiben dürfen. Sorgen wir dafür daß jeder Wohnung und Arbeit behält und bewahren wir unsere Stadt vor einer Entwicklung, die im Chaos endet, das doch eigentlich keiner wollte. Nicht Häuserabriss, sondern Erbauung und vor allem bewahren des bestehenden ist nötig. Dann kann auch eine Predigt wieder erbaulich werden. Dann können wir wieder Mut fassen und dann wird uns vielleicht jene andere Verheißung gelten, die Jesaja gab: und mein Volk wird an der Stätte des Friedens wohnen, in sicheren Wohnungen an stillen Ruhe Plätzen. Und das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein und die Frucht des Rechts Sicherheit auf ewig. Amen.

Herr, unser Gott. Gib uns die Kraft und den Mut, da zu widerstehen, wo Menschen rücksichtslos und unverantwortlich mit ihrem Besitz umgehen und andere zu Schaden bringen. Deine Gerechtigkeit soll unter uns wirklich werden, auf jeder Ebene. Hilf uns, daß wir sicher wohnen können. Laß uns dazu die nötigen Schritte nicht versäumen. Amen.