Zum Impressum

Erntedankpredigt in der Christuskirche am 4.10. 1981

Erntedank - und wir haben wirklich allen Grund zum Danken: Noch nie haben wir so viel und in so großen Auswahl zu essen gehabt und noch nie mußten wir dafür so wenig arbeiten wie heute, Mit einem Fünftel unseres Einkommens nur kaufen wir Essen. Erntedank — wofür sollen die danken, die keine gute Ernte hatten, die nichts als Undank geerntet haben, als man sie nach Jahrzehnten Fabrikarbeit nun plötzlich wegen ihres Alters von die Tür setzt; wofür sollen die Arbeitslosen danken?  Erntedank - wofür sollen 700 Millionen Menschen, über das Zehnfache unseres Volkes, 700 Millionen Menschen in Armut, Elend und Hunger, wofür sollen die Danken? Die Landarbeiten aus EL Salvador, mit deutschen Gewehren abgeschossen und wir trinken ihren Kaffee zu Billig-Preisen. Die Farmarbeiter in Südafrika, in ihrem eigenen Land in Ghettos mit Stacheldraht gesperrt, und wir essen ihre Apfelsinen, Bananen, Weintrauben und Spargel aus dem Supermarkt, schenken die Krügen-Rand-Goldmünzen aus den unmenschlichen Bergwerken Johannesburgs zur Konfirmation.  Erntedank - wir haben allen Grund zum Danken, 2/3 den Menschen hat dazu keinen Grund. Weil wir prassen, müssen sie darben.  Wir alle wissen irgendwo und irgendwie, so geht es nicht weiter. Aber wie geht es anders, geht es besser, ohne Hunger, ohne Armut des größten Teils der Menschheit? Wir brauchen einen Weg, den wir gehen können, wo wir selbst etwas mittun können zu dem Wachsen den Gerechtigkeit und des Friedens, von dem die Engel Gottes singen. Gott will, daß allen Menschen geholfen werde und Gott hat keine anderen Hände als unsere. Wir haben jahrelang vom Hunger gepredigt. Ich weiß selbst, wie langweilig dieser Dauerton von den Kanzel geworden ist, gerade bei einem Pfarrer, den satt ist und eine Villa bewohnt. Wir sind alle gegen Hunger. Ganz klar. Ähnlich, wie wir gegen Krieg sind. Wer will das schon. Aber die Zahl der Panzern, Raketen, U-Boote und Flugzeuge wächst mit der Zahl den Hungernden. Die Frauen vom 2. Bezirk und die Konfirmanden haben das diese Woche in einem Diavortrag sehr deutlich gesehen. Ein Großteil des Elends in vielen armen Ländern rührt daher, daß die Regierung, oft eine Militärjunta oder eine Diktatorenherrschaft, üben die Hälfte ihres Staatshaushaltes in den Kauf von Waffen steckt. Den Hunger auf der ganzen Welt liesse sich mühelos und nachhaltig beseitigen, wenn man die Rüstungskosten eines einzigen Jahres auf der ganzen Welt in Sozialreformen und Bodenreformen investieren würde. Nicht etwa eine zu geringe Nährkraft der Erde sorgt für Hunger, nein, die Erde kann alle Menschen satt machen, wenn man sie nur gut und liebevoll bebauen würde. Nein, der Hunger kommt durch die ungerechte Verteilung des Bodens, des Geldes und den Macht.

Früher haben wir geglaubt, die Entwicklungsländer müssen all das nur nachholen, was wir an Entwicklung durchgemacht haben: Merkantilismus, Industrialisierung, soziale Frage und nach einigen deftigen Kriegen kommt dann das Wirtschaftswunder. Wir haben uns dann etwas gewundert, dass die armen Länder nicht reicher wurden, als bei ihnen Industrie entstand. Sie werden stündlich ärmer, ihre Staatsschulden steigen immens, die Entwicklungshilfe ist dagegen ein Trostpflästerchen, mit dem obendrein oft noch derartig Unfug geschieht wie etwa Krankenhausbauten für die ohnehin gut versorgte Oberschicht in den armen Ländern. Die wirklich armen Leute sehen von unserer staatlichen Entwicklungshilfe so gut wie nichts. Wie immer. Sachzwänge und Korruption in fröhlichem Wechsel. Wir haben angesichts des Ärmerwerdens der armen Länder trotz Industrialisierung dann untersucht, woran dies liegt, und können das auch recht klar und einfach sagen: die Firmen unserer westlichen Industrienationen sind bei wirtschaftlichen Verhandlungen mächtiger als die Verhandlungspartner aus der Dritten Welt und diktieren daher die Handelsbedingungen zu unseren Gunsten. Rohstoffe aus Indien, Chile, Brasilien und all den anderen armen Ländern werden für einen Bruchteil dessen aufgekauft, was ihre Produktion bei uns kosten würde. Umgekehrt werden unsere industriellen Güter zu sehr hohen Preisen verkauft. Es findet ein ungleicher Tausch statt. Manche sagen dazu auch Ausbeutung. Wie empfindlich es uns trifft, wenn Länder der Dritten Welt durch die internationale Marktlage mit einem Mal als Verhandlungspartner ebenso mächtig werden wie unsere Auslandskaufleute und Konzernherren, sehen wir an den Ölpreisen. Hier findet ausnahmsweise einmal gleicher, gerechter Tausch statt und schon geht bei uns das Gejammer über Benzinpreisanstieg los und schon bilden die USA Truppen aus, die speziell für Überfälle auf ein Öl produzierendes Land getrimmt sind. Und den Hauptgewinn machen immer noch die Ölgesellschaften unserer Länder. Und wir sind wie immer machtlos, wir, die wir hier sitzen und uns über die steigenden Benzinpreise ärgern. Und die, auf die man eigentlich schimpfen müsste, lassen sich in der Kirche sowieso kaum sehen und wenn, dann würden sie spätestens jetzt unter Protest austreten, und der Kirche wären wieder einige tausend Mark Steuereinnahmen durch die Lappen gegangen.

Brich mit den Hungrigen dein Brot, sagt uns Gott durch den Propheten Jesaja. Nun, die Hungrigen wohnen weit weg. Sicher, wir haben auch unter uns noch einige, denen es schlecht geht. Aber gegen das Elend in Bangladesch lebt bei uns auch der letzte Penner noch wie im Luxus. Wie können wir einfachen Leuten aus Bochum den Hungrigen in Indien, in Bangladesch und Chile unser Brot brechen? Der Weg ist weit und wir haben selbst oft nur wenig mehr als unser Auskommen.

Von heute auf morgen können wir nichts ändern. Und zugleich läuft die Zeit, die Hungernden können nicht warten, bis wir so nett sind und ein Care-Paket rüberschicken. Sie erleben täglich, wie ihre Freunde, Verwandten und Dorfmitglieder am Hunger sterben. Und sind entweder völlig apathisch und stumm geworden und warten auf den Tod, weil sie zu schwach geworden sind, um gegen ihn zu kämpfen. Oder Sie haben durchschaut, wer das Geld kassiert, was Ihnen zum Überleben fehlt, und sie kämpfen verzweifelt, wirklich verzweifelt und mit oft lächerlichen Gewehren gegen die modernen Gefechtswaffen ihrer Regierungen um gerechte Verteilung des Bodens, um eigene Ländereien, auf den sie das anbauen wollen, was sie zum Leben brauchen und nicht das, was ein Grossgrundbesitzer, oft der Staatschef selbst, angebaut wissen will für den Export an uns. Versuchen wir doch als erstes, über diese Bewegungen, die im Namen der Gerechtigkeit in ihrem Land kämpfen, nicht sogleich unser Urteil zu fällen, als sei das alles nur Ungehorsam, Verantwortungslosigkeit, reine Lust am Terror.

Das zweite: wir haben Gesundheitsprobleme wegen Überfettung. Wir lieben inzwischen das schiere Fleisch und entfernen das Fett vom Braten. Von dem, was man an ein Schwein verfüttert und dadurch Fleisch bekommt, um einen Mensch satt zu machen, könnte man, wenn man es als Gemüse für Menschen anbaute, 10 Menschen satt machen. Ein Fleischesser verbraucht also von dem, was wir ernten, so viel wie 10 Gemüseesser. Wir wissen, wie unsere Fleischabteilungen sich in den letzten Jahren vergrößert haben und wie selbstverständlich wir immer kräftiger zulangen. Würden wir weniger Fleisch essen, könnten die Fleischproduzenten weniger verkaufen, müssten also die Viehzucht zurückschrauben und dann wird notwendigerweise wieder mehr Land nutzbar zum Anbau von Gemüse, Reis, Sojabohnen und all den Dingen, die in den armen Ländern die Menschen wirklich satt machen könnten. Versuchen wir das doch einmal: Brich mit den Hungrigen dein Brot, iß weniger Fleisch, damit mehr Gemüse wachsen kann. Iß nicht so viel, sondern kaue gut, dann wird deine Nahrung dich besser satt machen und dir mehr Nährstoffe geben. Brich mit den Hungrigen dein Brot, das heißt für uns heute: macht dem Kaffeebauern, der dir seinen Kaffee verkauft, um von dir einen Traktor zu erwerben, einen guten Preis. Tausche gerecht. Teile den Gewinn so, dass du genug hast und das auch er leben kann, überleben kann. Entwickele eine neue Weltwirtschaftsordnung. Die Kirche hat ja ein Modell entwickelt. Die Dritte-Welt-Läden kaufen mit minimalsten eigenen Gewinn ohne den riesigen Zwischenhandel, der das meiste Geld verschlingt, möglichst direkt von den kleinen Fabriken oder Ländereien in den armen Ländern. Das ist ein erster Schritt zum gerechten Teilen.

Abendmahlsmeditation

Wir feiern nun das Abendmahl. Wir essen und trinken, was uns gegeben wird, was wir nicht selbst gemacht haben. Wir leben von dem, was uns gegeben wird. Was uns zugute kommt, kann uns nicht allein gehören. Die Liebe zum anderen wird uns bewegen. Sie kann durch schauen, was zwischen uns steht, und gibt nicht auf abzubauen, was uns trennt. So werden wir wie Jesus mit anderen Leben, auch wenn wir uns unterscheiden und Unterschiede nicht aufgeben.

 

Wir wollen uns nicht täuschen: die Liebe, die uns bewegt, scheitert an uns. Aus unserer Eigenart entsteht immer neue Schuld-in Ehe, Familien, Freundschaften, im Beruf und im Zusammenleben der Völker. Gerade darum bleiben wir angewiesen auf das Wort, dass uns von Tag zu Tag neue Anfänger schenkt, Anfänger, die wir auch mit anderen suchen. So geschieht Vergebung. Wir brauchen Vergebung wie unser tägliches Brot. Wenn uns vergeben wird, können auch wir vergeben. Wenn wir Brot und Wein die Fülle haben, können wir teilen. Wenn jeder genug hat weil alle teilen, gibt es Frieden. Dafür lasst uns einander stärken mit dem Brot und Wein, dass uns Leib und Leben Christi in unsere Gegenwart bringt. Herr, wir suchen erfülltes Leben. Lass uns das Besondere im alltäglichen finden-wenn wir reden und zuhören, arbeiten und feiern, essen und trinken. Wir hoffen, dass uns zuteil wird, was uns fehlt.

Sündenbekenntnis

Über 300.000 Schulbutterbrote wandern in der Bundesrepublik täglich in die Abfalltonnen. Davon könnte man 10.000 Menschen in der Dritten Welt satt machen. Es wandern sozusagen das Leben von 10.000 Menschen in die Mülltonnen unseres Überfluss ist. Ein Viertel unserer Bevölkerung muss sich von Diät- und Schonkost ernähren. Ursache sind Gallen-, Leber-, Magen- und Darmerkrankungen und Zucker. Der Trend zur allgemeinen Überernährung hält an. Die Nahrung ist vor allem zu fetthaltig. Auch der Anstieg des alkoholverbrauch ist eine der Hauptursachen für Innere Organerkrankungen. So sagen es die Zeitungen. Herr, unser Gott, wir wissen es im Kopf, aber nicht mit dem Herzen, wie leichtsinnig und verschwenderisch wir mit dem Brot, deiner Gabe, umgehen. Wir ruinieren mit unserer Gefräßigkeit unseren Leib, den Du uns geschenkt hast. Durch unsere Selbstsucht müssen viele Menschen hungern. Wir schämen uns vor dir. Wir schämen uns vor den Menschen, die nicht genug zum Essen haben. Wir bitten dich um Vergebung. Gib uns, Herr, eine Chance, unseren Glauben neu zu bewähren. Mache uns bereit, mit deinen Gaben verantwortlich umzugehen, deine Gaben mit anderen zu teilen, für deine Gaben täglich zu danken. Wir verseuchen deine Schöpfung mit Kunstdünger und Schädlingsmittel, machen die Flüsse zu Gift Gräben und die Luft zu qualmen. Unser Verhältnis zu deiner Schöpfung, von der wir leben, ist gestört, ist verdeckt von unserem Drang, alles bis zur Erschöpfung auszunutzen und auszunehmen, ist so verdeckt wie unser Erntealtar durch die Plastikplane. Herr, mach uns bereit zu einem neuen Nachdenken und zu neuen Schritten im Umgang mit deiner Schöpfung, damit wir nicht eines Tages unsere Ernte ganz vergiftet haben. Lass uns Wege suchen und finden, statt Raubbau Fürsorge walten zu lassen im Umgang mit der Natur und mit unseren Mitmenschen in der Dritten Welt. Dazu hilf uns, Herr. Amen.

Kollektengebet

Jeden Morgen wundere und freue ich mich, dass ich da bin und lebe und denken kann und dein Mensch bin, dass ich reden und lachen, schaffen und Werken kann und die Tage sind immer zu kurz. So schön das Schlafen ist, oft macht es mir Mühe, ins Bett zu gehen, weil ich noch so viel zu tun und das Leben auskosten möchte. Aber noch schöner als schlafen ist nichts tun und einfach da sein und sich freuen am Leben wie die Lilien auf dem Feld und die Vögel unter dem Himmel. Sich freuen und all den Reichtum genießen, den du uns gegeben hast: die Zeit und das Denken, den Sonnenschein und die Sterne, Wind und Regen und Regenbögen und die schöne Erde mit all ihrer Herrlichkeit, ihren Wundern und guten Sachen. Oh Gott ich danke dir, dass ich lebe. Amen.

Fürbitten

Wir denken vor dir, himmlischer Vater und Freund, an die Menschen, die uns lieb sind, und an die fehlen, die wir nicht kennen, und die doch deiner und unserer Hilfe bedürfen: an die Hungernden auf unserer Erde und an die Armen, an alle, die von der Gedankenlosigkeit der satten übersehen oder von dem Hochmut der mächtigen gedemütigt werden.

Wir bitten dich: Herr, erbarme dich.

Wir denken an alle, die allein sind, an alle, die sich an Entscheidungen quälen, die von Sorgen zermürbt sind und vor Arbeit nicht wissen, wohin. An alle die jungen Menschen, die der Hunger nach Leben quält, die an den Überlieferungen der alten zu ersticken meinen, und an die alten, die von der Sorge um betrieben werden, ihre überlieferte Ordnung könne zerstört werden, an die Kranken und Sterbenden und an die Gefangenen.

Wir bitten: Herr, erbarme dich.

Wir bitten für alle, denen vor der Zukunft graut, die die Schuld Ihrer und unserer gemeinsamen Vergangenheit drückt, die verbittert sind, weil ihr Rufen nicht gehört wird und darum zu Pflastersteinen greifen, für die Politiker in den entscheidenden Positionen, die zu oft unter dem Druck der angeblichen Sachzwänge ihres Amtes die Augen und Ohren vor den großen Problemen unserer Zeit verschließen.

Wir bitten dich: Herr, erbarme dich.

Wir bitten für alle die unter unseren Mitmenschen, die dir nicht glauben können oder wollen, für die hochmütigen unter ihnen und für die ehrlichen, die gleichgültigen und die verzweifelten, die Atheisten und Materialisten in den kommunistischen Ländern, die Atheisten und Materialisten in den kapitalistischen Ländern.

Wir bitten dich: Herr, erbarme dich.

Lass uns nie vergessen, dass du auf der Seite der leidenden und der von dir getrennten stehst, in Jesus Christus, dem Gekreuzigten, unserem Herrn, der uns jeden Menschen zum Bruder und nächsten gegeben hat, damit wir ihn wichtiger nehmen als uns. Amen.