Heiligabend
24.12.1981 in der Christuskirche Bochum
Begrüßung.
Ich ziehe den Pennermantel von Opa über meinen Talar vor dem
Altar. Zwei Kleider, zwei Welten. Die Penner draußen vor der
Tür. Die
Arbeitslosigkeit steigt, die draußen vor der Tür
werden mehr. Die Kirchen
werden Lehrer. Dennnoch: wer noch das Gefühl hat, die Festgans
und der
Schachcomputer unterm Weihnachtsbaum seien nicht alles, was diesen Tag
ausmacht, der hat auch noch ein Stückchen Sehnsucht nach Mehr.
Der ist nicht
völlig in dem Materialismus erstickt, den wir immer gerne am
Osten beklagen.
Darum sind uns alle herzlich willkommen, die noch offen sind
für die
Nachrichten aus armen Ländern, in diesem Fall das Land
Galiläa und das kleine
Dorf Bethlehem, indem in einem Futtertrog in Lumpen gewickelt ein Kind
namens
Jesus geboren wurde.
Penner
Mantel- darin war ich 1980 in einer Kirche und hörte mir, vom
Küster mißbilligend angesehen, einen
Weihnachtsgottesdienst an. Und dachte, der
Pastor mit seinen salbungsvoll in Worten, der hat gut reden. Jetzt habe
ich's
selbst. Ich dachte, wie kann denn der von Frieden und eiapopeia reden,
wo die
größere Hälfte der Menschen hungert und
schlichtweg gar nichts davon hat, daß
Christus geboren ist. Das macht auch nicht satt. Und ich dachte: wie
können wir
Christi Geburt mit Weihnachtsbraten feiern, während wir genau
wissen, da werden
jetzt tausende von Kindern geboren, die braucht kein Herodes ermorden
zu
lassen, die sterben in ein, zwei Tagen von selbst vor Hunger.
Dürfen Christen
überhaupt noch Weihnachten feiern?
Ich
möchte sagen: ja. Ich möchte gerne mit Ihnen, mit
euch Weihnachten
feiern als die Geburt Gottes bei den Armen, als eindeutigen Schritt
Gottes an
die Seite der Armen, für die Jesus lebte, predigte, heilte,
Wunder tat und
starb-den Tod eines Sklaven. Und mir macht Jesus, der eindeutige
Schrift Gottes
an die Seite der armen Leute, Mut, es nachzumachen, ebenso zu leben zu
versuchen. Ich möchte mit ihnen, mit euch, Weihnachten feiern
als Fest der
Hoffnung auf die Erfüllung der Botschaft Gottes von der
Gerechtigkeit, vom Ende
des Sommers, der Kriege, der Grausamkeiten, als Fest der Vorfreude auf
das
Wiederkommen Christi, auf den letzten Advent, wo Gott dazwischen wird
alle
Tränen der Opfer unserer ungerechten
Lebensverhältnisse.
Weihnachten-Fest
der Hoffnung auf den Tag Christi, fest der Vorfreude
auf Gerechtigkeit und Frieden, voraus Feier des Endes von Hunger und
Krieg
mitten in der Nacht, in der Finsternis, in der Traurigkeit. Wer so
Weihnachten
feiert, weiß, daß er selbst etwas tun muß
für Gott, für Gerechtigkeit und
Frieden. Denn hoffen heißt nicht: die Hände in den
Schoß legen und den lieben
Gott einen schlechten Mann sein lassen, der in 2000 Jahren noch kein
Stück
weiter gekommen ist mit seinem Versprechen von Frieden und
Gerechtigkeit.
Weihnachten feiern heißt: ich, der ich reich beschenkt bin
und gut gegessen
habe, überlege mir bei der Erinnerung an Gottes Geburt in
Bethlehem, was ich
heute, hier, jetzt und morgen und im nächsten Jahr
dafür tun kann und will das
nicht mehr gehungert werden muß, daß keine Kriege
mehr vorbereitet werden und
stattfinden.
Dann,
eines Tages, des Tages Christi, werden wir Weihnachten vielleicht
feiern ohne das schlechte Gewissen, mit wirklich vollen Chören
und großem,
ungebrochenem Jubel: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf
Erden bei den
Menschen seines Wohlgefallens.
Chor
1 Stadtkantorei, dann Chor 2 Christuskirche
Vorlesen
Lukas 1 und 2
Mulak-Konfi-Gruppe
liest ein Krippenspiel vor
Das
Evangelium der Bauern von Solentiname
Es
singen Christian und Cornelia Otte
Kurz Predigt über
Jesaja 9,2 - 7
Das
Volk im Finstern, ohne Licht, ohne Straßenlaterne, man traut
sich
nachts nicht mehr auf die Straße. Völker auf der
Flucht, nachts, im Schutz der
Dunkelheit, von den Soldaten der Regierung unbemerkt, voller Angst um
ihr
Überleben, hinter der nächsten Wegbiegung vielleicht
der Soldat mit der MP, der
alle niedermäht.
Ein
großes Licht, eine Sonne, die Astrologie Ägyptens
steht Patin. Licht
gibt Leben, macht das Dunkel hell, leuchtet die Ecken aus, man sieht
endlich
klar, die triste Dunkelheit verklärt sich, man merkt, wo man
ist, wird
erleuchtet, bekommt Orientierung, weiß wieder, wo es langgeht.
Kein
Leben ohne Licht. Die Blumen verkümmern, die Menschen werden
traurig und depressiv. Wo überall Stromkabel liegen, ist der
Jubel über Licht
ganz unverständlich geworden. Die Hirten nachts hatten kein
Licht, sahen die
Wölfe nicht kommen. Der Stern von Bethlehem gibt Orientierung
in einem kleinen
Dörfchen in der Provinz, in größter Armut.
Da, und nicht bei Herodes, nicht bei
Soraya oder Fara Diba ist der König aller Menschen geboren.
Ein
Kind, wir sind kinderlieb. Wie schön. Aber würden wir
einen Säugling
Politik machen lassen? Ihm zu Ehren einen diplomatischen Empfang mit
Wissenschaftlern aus dem Morgenland und aller Welt, mit
großen Ehrungen machen?
Würden wir einem Säugling die Macht
übergeben? Und voller Jubel alle Waffen,
alle Gesetze, die das einfache Volk unterdrücken,
wegschmeißen? Es ist also ein
Traum, eine Vision, ein Märchen: das Kind –paradox -
bekommt alle Macht der
Erde: Wunderrat, starker König (ein Kind als starker Gott?),
ewig Vater,
Friedefürst.
Der
Thron Davids, des Rebellen, der seine Guerilla der armen Leute zur
Macht brachte. Hirten - Bethlehem - Schafe: wie David wird Jesus neuer
König
von unten. Jesus heute käme zur Welt als Sohn Che Guevaras,
nicht der Reagens.
Als Sohn der Armen, die Gerechtigkeit auf ihre Fahnen geschrieben
haben. Und
erst, wenn alle satt sind, wird es Frieden geben, wo nicht unsere
Freiheit auf
der Unterdrückung der Mehrheit der Menschen in Lateinamerika,
Afrika und Indien
aufbaut.