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Oster-Predigt über 1. Samuel 2, 1-10

Ostern 11.4. 1982 Christuskirche Bochum, 12.4. Ostermontag Friedenskirche

Frühlingserwachen, so hat Frank Wedekind seinen schlüpfrigen Roman genannt. Die ersten grünen Sprossen aus dem Erdreich, die erste laue Luft vor Wochen: Spuren der erwachenden Natur, der Auferweckung aus dem Winterschlaf. Die Hypnose der Menschen durch die tote Natur, Frost und Kälte ist gebrochen. Dem Tod in der Natur ist ganz offensichtlich die Macht genommen. Wir haben Zeichen gesehen von der Macht des neuen Lebens. Ein neuer Anfang ist gemacht, in aller Frische schlüpft das junge Grün aus dem Dunkel der Knospe und Scholle. Wir sahen es und jeder von uns lebte auf, atmete auf: es geht dem neuen Leben, einem neuen Sommer, der Sonne entgegen. Noch spüren wir nicht ihre Wärme und doch kribbelt es uns schon schlüpfrig in allen Gliedern, wenn wir nur daran denken. Wir haben die Vorzeichen des neuen Lebens gesehen und gerochen, tief eingeatmet, und nun kann uns auch der April mit seiner schlechten Laune keine Angst mehr einjagen. Wir wissen: der Sommer wird kommen. Die Macht des Winters ist gebrochen. Die Natur ist vom Tod aufgestanden. Das neue Leben umgreift uns, wir können uns der Vorfreude auf die Sonnen nicht mehr entziehen. Der Bann ist gebrochen. Wir können der Sonne entgegen lachen. "Meine Seele ist fröhlich in dem Herrn, hoch ragt mein Horn durch meinen Gott."

Das Frühlingserwachen feiert das gelobte Land Kanaan, feierte die Verehrerschaar des Gottes Baal mit dem Fest der Auferstehung des stiergestaltigen Gottes Baal, der beim Goldenen Kalb angebetet wurde. Die Priester setzten sich Tiermasken auf und spielten der Kultgemeinde den Tod und die Auferstehung des Baal vor. El, der höchste Vatergott und Schöpfer, schickt Baal in die Unterwelt, in das Totenreich, in die Hölle. Baal paart sich mit der kuhförmigen Schwester Anat noch einmal. Dann ist er tot. Alles trauert. Die Natur siecht dahin. Gras verdorrt, Menschen und Tiere lassen die Köpfe hängen. Es ist Winter. Alles ist im Bann des Todes von Baal. Anat geht dann mit Schapash, der Sonnengöttin, in die Unterwelt und begräbt Baal in der Göttergruft. Man hält Leichenschmaus.

Schließlich ist das Verlangen der Göttin Anat nach dem Brudergatten nicht mehr zu zügeln. Sie geht in die Unterwelt und zerstückelt den Tod, der Baal nicht ausliefern wollte. Den Tod streut sie wie Samen als Kleingehacktes aufs Feld. Nun ist der Bann gebrochen. El, der höchste, verkündet, daß Baal lebt. Er plumpst auf den Thron und schüttelt sich vor Lachen. Er lacht über den Tod des Todes. Ein neuer Thronsaal wird extra für Baal gebaut. Die Einweihung wird begangen mit 70 Göttersöhnen und Göttertöchtern. Das große Festgelage endet mit der heiligen Hochzeit, dem Zusammengehen von Baal und Anat. Dann besteigt Baal den Thron, er, der neue Richter und König, der Gott des Lebens, der Fruchtbarkeit und der Liebe. Das Leben hat über den Tod gesiegt. Der Frühling ist erwacht. Grund zur Freude, Grund zum Auslachen des Winters, des Todes. Der Tod wird verlacht. Er hat seine Macht über die Festgemeinde in Kanaan verloren.

In Daniel 7 finden wir die gleiche Szenerie der Thronbesteigung. Der Alte der Tage führt den Menschensohn, kommend auf den Wolken des Himmels, zum Thron zu seiner Rechten und grüßt ihn als den Weltenrichter. Das Drama von Tod des Todes hat bei Daniel Schule gemacht. Der kommende Menschensohn bringt als Weltenrichter das neue Leben.

Mit den Bildern des Danielbuches hat dann schließlich die Urgemeinde das geschickt genutzt und damit die Zukunft Jesu beschrieben. Die alten Bilder werden zu Zeichen des ganz neuen, das so neu ist, dass es noch gar keine Bilder von ihm gibt.

Frühlingserwachen - das Drama vom Tod des Todes und vom Beginn des neuen Lebens. Grund zur Freude und zum Aufatmen. Der Bann ist gebrochen. Wir können wieder lachen. Wir haben frischen Mut und neue Kraft.

"Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn, hoch ragt mein Horn durch meinen Gott." So singt Hanna. Hanna konnte keine Kinder bekommen. Sie hatte das Gefühl, völlig untauglich, nichtsnutzig zu sein. Damals, wo die Frau noch danach begutachtet wurde, ob sie fruchtbar ist. Zwar hatte ihr Mann, Elkana, sie lieber als die zweite Frau des kleinen Harems, Peninna. Aber was half ihr das, wenn sie jedes Jahr aufs Neue beim alljährlichen Speiseopfer in Silo von Peninna ausgelacht wurde, weil Gott Hannas Fruchtbarkeitsbitten in Silo nicht erhörte. Hanna weinte. Sie betete inständig um ein Kind, da im Tempel zu Silo. Eli, der Priester, dachte schon, sie wäre betrunken, so tief versunken war Hanna im Gebet: "Herr, schenke mir einen Sohn, und ich will ihn dir zu eigen geben, er soll Priester für dich werden!" Eli, der Priester, prophezeit ihr die Erfüllung ihrer Bitte. Und das Wunder geschieht: sie bekommt einen Sohn, sie nennt ihn Samuel. Er wird der erste Mann in Israel werden. Hanna ist glücklich, sie jubelt, sie lacht, sie lacht ihre Rivalin Peninna aus, sie ist doch fruchtbar, jawohl, solche Wunder tut der Herr, so wendet Gott ihre Geschichte zum Guten. Sie kann wieder lachen. Und sie kann zuletzt lachen. Und wer zuletzt lacht, lacht am besten. Der Herr hat ihr geholfen. Gott, der tötet und lebendig macht. Gott, der Gerechtigkeit schafft. Der Arme und Hungrige satt macht, der die Elendsbevölkerung buchstäblich aus dem Mist herausholt und neben die Fürsten an die Ehrentafel setzt. Der die Großmäuler dieser Welt stopft. Wenn Gott eingreift und Gerechtigkeit schafft, dann vergeht den Mächtigen das Lachen. Dann vergehen die Mächtigen und die Mächte dieser Welt. Dann haben endlich einmal die anderen etwas zu lachen. "Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn, hoch ragt mein Horn durch meinen Gott." Die Treue Gottes hat Hanna mit einem Kind beschenkt, hat neues Leben geschaffen.

Gott schafft neues Leben. Der Herr tötet und macht lebendig. Er stößt in die Grube und führt herauf. Der Herr macht arm und macht reich, er erniedrigt und erhöht. Er richtet den Dürftigen aus dem Staube auf und aus dem Kot erhebt er den Armen.“

Gott macht die Revolution. Gott macht den Aufstand gegen die Helden und Großmäuler. Er läßt die Niedrigen auferstehen, gibt ihnen Teil an seiner Herrlichkeit und er macht die, die sonst nie etwas zu lachen hatten, lachen. Und er macht die, die das Lachen hatten, lächerlich. Gott macht die Revolution. Die Armen, die Hungrigen, die Mühseligen und Beladenen, die die verlacht wurden, werden das letzte Lachen haben. Und das ist bekanntlich das Beste.

Ostern hat man früher in der Kirche gelacht, gegröhlt und gejodelt, dass sich die Balken im Kirchenschiff gebogen haben. Lachen befreit. Der Bann ist dann gebrochen. Die verklemmte, geladene, bedrückte Situation ist dann plötzlich wie weggeblasen. Ein Diktator macht Wahlversprechungen ins Mikrofon. Einer lacht. Die Menge lacht. Etwas schlimmeres kann ihm nicht passieren. Er ist lächerlich. Er hat keine Macht mehr über die Masse. Das ist der Aufstand. Das ist Auferstehung, wenn den Machteliten das Lachen vergeht, weil die Unterdrückten den Mut haben, zu lachen. Lachen bricht den Bann der Angst.

„Der Herr tötet und macht lebendig.“ Jesus ist hingerichtet. Von den Römern als Aufrührer, Aufständischer verurteilt, von den frommen Juden als Gotteslästerer angeprangert. Man hat ihn gefoltert. Man hat ihn verhöhnt und verspottet. Ein Witz, wie er typisch ist für den Sadismus der Folterknechte: man macht ihm eine Krone. Aus Dornen. Man macht ihn zum grausigen Clown eines kleinen Theaters. Jesus wird gekrönt. Und dann, mitten in der gespielten Würde dieses Spiels, schlagen sie los, peitschen auf den König ein, den König mit der Dornenkrone. Die Sklaven im Folterkeller spielen Tyrannenmord. Sie spielen ihn mit einem, der wehrlos ist. Sie lachen diesen Möchtegern, diesen Schwächling aus. Nicht einmal eine bewaffnete Truppe hat der gehabt. Lächerlich, wieso das Volk ihn wie einen Messias bejubelt hat. Einen Clown, aber kein Anführer einer Bewegung. Sie hatten ihre Späßchen. Das musste auch mal sein, bei dem langweiligen Soldatenleben. Sie nagelten ein Schild über das Kreuz: Jesus von Nazareth, König der Juden. Der Witz war gelungen. Vielleicht war es auch Begründung des Todesurteils. Die Jünger, die ganze Jesusbewegung war zerschlagen. Wo war Gott? Warum protestierte keiner gegen das Unrecht dieser Hinrichtung?

Und dann, nach drei Tagen, als alle in dumpfer Resignation die Köpfe hängen lassen, passiert das Wunder: sie sehen Jesus. Das Grab ist leer. Jesus lebt. Gott hat eingegriffen. Gott hat Jesus ein neues Leben gegeben. Jesus wird eine Ehre zuteil, die bisher keiner der politischen Machthaber genossen haben dürfte. Sein Name wird auf der ganzen Welt bekannt und wird zum Synonym für seine Botschaft von der Nähe Gottes, von der Liebe Gottes, von der unerbittlichen Gerechtigkeit Gottes, vom Frieden Gottes. Ja, er wird selbst zum neuen Namen Gottes die Jesusleute sind erfüllt vom Leben Jesu. Sie lassen nicht mehr die Köpfe hängen. Sie können wieder lachen. Sie wissen: gegen alle politischen und religiösen Großmäuler hat Gott das letzte Wort gesprochen. Die haben verspielt. Immer wieder haben seitdem Christen den Mut gehabt zum Aufstand gegen die Mächtigen. Sie haben sich nicht vorschreiben lassen, was sie denken und tun sollen. Sie haben sich nicht mehr auslachen lassen. Der Bann der Machthaber ist gebrochen. Die Macht Jesu ist stärker geworden. Die Jesusleute haben keine Angst mehr. Sie wissen, Gott hat das letzte Wort. Gott lacht am letzten, und wer zuletzt lacht, lacht am besten. "Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn". Fröhliche Ostern. Amen.