Bochum
Christuskirche am 2. Mai 1982
Konfirmation,
Liebe Konfirmanden, liebe Eltern!
confirmatio
heißt: zusammen fest werden. Unsere Sehnsucht ist und bleibt
das: etwas Festes haben, und daß wir uns halten
können. In der Unsicherheit unserer
Gefühle, in der Zerstrittenheit zwischen Liebe und verletzt
sein, in der Ungewißheit,
ob wir unsere Arbeit behalten, ob wir die Schule gut schaffen und dann
eine
Lehrstelle oder einen Studienplatz bekommen. In der
Ungewißheit, ob wir uns für
Verkäuferin, Kindergärtnerin, Sekretärin,
für Maschinenbauer, Ingenieur oder
Krankenpfleger entscheiden sollen, welcher Beruf uns Lebenssicherheit
und
vielleicht auch ein bißchen Spaß bringen
könnte. In der Ungewißheit, mit
welchem Freund, mit welcher Freundin wir ein gemeinsames Leben anfangen
wollen
und ob es uns glücklich macht.
Wir
suchen etwas Festes, etwas, was uns Rat gibt bei unseren
Entscheidungen, uns tröstet in unserer Angst, alleine zu sein,
uns Mut gibt, in
eine Zukunft zu gehen, von der wir nicht viel Gutes erwarten, im besten
Fall
die Verhinderung des schlimmsten: das es nicht zum dritten Weltkrieg
kommt, daß
wir uns nicht in unsere Ehen gegenseitig zerfleischen, daß
wir nicht auf der
Straße stehen ohne Arbeit, daß wir nicht langsam
vergiftet werden von einer
Natur, die wir inzwischen fast unheilbar zerstört haben.
Konfirmation:
gemeinsam fest werden, gemeinsam suchen und finden nach
dem, woran wir uns halten können, um zu leben, um gemeinsam zu
leben, zu
lieben, um glücklich zu werden und zu bleiben. Und um zu
überleben. Gemeinsam
suchen und kämpfen wir für eine Welt, in der wir
keine Sklaven mehr sind. Keine
Sklaven des Arbeitsmarktes, des mächtigen Apparates Schule,
der mächtigen
Magnaten der Industrie, des Militärapparat gegenseitiger
Abschreckung, der uns
immer mehr aus der Hand gleitet, Eigengesetzlichkeiten entwickelt,
denen wir
immer hilfloser ausgeliefert sind.
Und zu diesen
„Naturmächten der Welt“ gehören
auch die Moral und die Mode,
die uns vorschreiben, wie wir uns verhalten müssen, was wir
anziehen müssen,
wie wir lächeln müssen, um von den anderen gut
gefunden zu werden, um von
denen, die wir lieben, geliebt zu werden. Bravo und Brigitte,
Bild-Zeitung und
WAZ sind solche Mächte, die uns die Meinung sagen und damit
auch das Aussehen,
das Verhalten, die Ängste und Hoffnungen aufpressen, mit denen
wir dann
tauglich sein sollen zum Überleben in dem grausamen und harten
Konkurrenzkampf,
den man Leben, den man Karriere nennt. Das sind die
Naturmächte, die Gesetze,
die uns klein und unmündig
halten, die
uns gar nicht erst erlauben, eine eigene Meinung, eine eigene Mode,
eine eigene
Verwirklichung von unseren Wünschen und Träumen zu
entwickeln. Die uns
versklaven.
Der
Apostel Paulus erklärt den Menschen aus Galatien, den
Vorfahren der
Türken, die wir neuerdings um so mehr verachten, je weniger
wir sie wirklich
kennen - Paulus erklärt den Galatern die neue Freiheit der
Christen am Beispiel
des Sohnes, der erwachsen wird, und dann am Bild des Sklaven, der
losgekauft und
freigelassen wird. Wie der kleine Junior auf dem Gutshof noch nichts zu
sagen
hat und vom Verwalter des Gutes oder sogar von den Knechten und
Märkten
herumkommandiert werden kann, so ohne Macht und Rechte, so
unmündig sind wir alle
im Grunde den Gesetzen und Mächten auf dieser Welt
ausgeliefert. Und wie der
Sohn später, wenn er erwachsen ist, die ganze Macht
über das Gut seines Vaters
hat, dann eben selbst den Knechten und Mägden befehlen darf,
so ist die
Freiheit der Christen. Christen sind erwachsen. Sie haben einen Mund
und sie sind
mündig. Sie tun ihren Mund auf gegen die Natur
Mächte, wie Paulus sie nennt.
Sie protestieren gegen die scheinbar ewige Ausbeutung der Armen durch
Reiche.
Sie protestieren gegen den Krieg und das Geschäft mit dem
Schrecken. Sie reden
von Gottes Liebe und geben sie denen, die Sie brauchen. Und
schließlich haben
die Christen ihren Mund noch für etwas ganz Spezielles: sie
singen damit Lieder
von ihrer Liebe zu Gott und preisen Gott als ihren Vater, als den, der
die
Liebe selbst ist. Wie ein Vater seinen Sohn los schickt- damals
natürlich-auf
den Sklavenmarkt, um Sklaven zu kaufen und sie dann zu Hause
freiläßt und sagt:
so, ihr seid jetzt meine Söhne, ihr habt alles das auch, was
ich habe, wir
teilen miteinander! - So ist Jesus in die Welt gekommen und hat uns zu
Söhnen Gottes
gemacht, zu Brüdern und zu Schwestern. Unser
Verhältnis zu Gott ist keine sklavenartige
Abhängigkeiten mehr, sondern Teilhabe an seiner Herrschaft der
Liebe.
Wir
sind eingeladen, Prokuristen zu werden im großen Versandhaus
der
Liebe Gottes. Die Artikel die wir anbieten, sind Freundlichkeit,
Geduld,
Barmherzigkeit, Aufrichtigkeit, Zeit füreinander, offene
Hände, offene Ohren,
offene Herzen. Unser Versandhaus, daß wir von Gott geerbt
haben, ist groß. In
jeder Stadt haben wir Filialen. Das Geschäft geht zur Zeit
nicht so gut. Es
sind immer weniger, die mitarbeiten. Viele zweifeln an der
Qualität unserer
Angebote. Es geht scheinbar bergab mit dem Versand der Liebe Gottes. Es
wird
viel geklagt über die Kirche, die von der Liebe Gottes redet
und dabei so wenig
Liebe zu bieten hat. Und die meisten von euch schimpfen auch jede Menge
über
dieses auf den Hund gekommen Versandhaus der Liebe Gottes. Das sind
Söhne, die
Aussteiger-Generation: die schimpfen über das
ständige zu wenig an Liebe, die nur
die Schnäbel aufsperren, um gefüttert zu werden, aber
die sich davor drücken,
das Erbe anzutreten, ins Geschäft einzusteigen, Verantwortung
zu übernehmen bei
den Handelsgeschäften der Freundlichkeit Gottes. Das Erbe
Gottes liegt brach.
Gesucht sind Leute die keine Angst haben vor der Freiheit der Christen.
Die
keine Angst haben vor geliebt werden und Liebe schenken. Die keine
Angst haben
vor Freundlichkeit und Zärtlichkeit unter uns allen. Die keine
Angst haben vor
Enttäuschungen, wenn ihre Freundlichkeit einmal nicht erwidert
wird. Die keine
Angst haben, zu protestieren, wo Unrecht geschieht, die keine Angst
haben, zu
weinen, wenn sie verzweifelt sind. Die keine Angst haben, zu lachen und
zu
tanzen, wenn sie fröhlich sind. Die keine Angst haben vor
Russen, Amerikanern
und Türken, vor schwarzen, roten, gelben, vor Polizisten,
Politikern und
Pastoren, die keine Angst haben vor Gott.
Gesucht
sind Leute, die keine Angst haben, Gott vertrauensvoll Papa zu
nennen und im Glauben an diese Liebe Gottes zur Rettung für
die Welt werden.
Amen.
Fürbitten
Herr,
du hast uns von Sklaven zu freien Menschen gemacht. Du hast uns
das Angebot der Freiheit gemacht. Du hast uns gezeigt, durch Jesus,
unserem
Bruder, deinen Sohn, wie man menschlich und frei leben kann. Du hast
uns durch
den Tod Jesu, der für unsere Freiheit sein Leben riskierte und
verlor, stark
und mutig gemacht, das Risiko der Freiheit und des neuen Lebens
einzugehen,
jeden Tag aufs Neue.
Wir
bitten dich für unsere Konfirmanden, daß sie ihr
Leben im Geiste
Jesu versuchen zu gestalten, daß sie ihn, unseren Freund,
nicht vergessen in
all dem Trubel und den Zweifeln ihres jungen Lebens. Laß sie
zu kämpfen für
eine bessere Welt werden, für ihre Welt, für deine
Welt. Wir bitten dich, Herr
erbarme dich.
Wir
bitten dich für die Eltern, daß sie den Schmerz und
die Trauer
ertragen, die kommen, wenn die Kinder ihre eigenen Wege gehen und immer
weniger
die lieben Kleinen sind, die sie nie waren. Laß sie lernen,
loszulassen von den
Besitzern Sprüchen auf ihre Kinder. Gib ihnen die Kraft, zu
geduldigen
Begleitern und Freunden ihre Kinder zu werden, die zur Seite stehen bei
all den
Wegen, ihr Wegen und Umwegen ihrer Kinder. Wir bitten dich: Herr,
erbarme dich.
Herr,
wir bitten für diese Gemeinde: daß sie junge
Menschen Willich
aufnimmt und auch bereit ist, den Lärm und die Unruhe junge
Leute im
Gottesdienst zu ertragen. Denn das ist auch leben und du
läßt die Kinder zu dir
kommen, so wie sie sind. Wir bitten dich: Laß zwischen den
alten und den jungen
Freundschaft entstehen im Gottesdienst. Dann wird unsere Gemeinde
lebendig
bleiben und aus ihrer Erstarrung zu neuem Leben finden. Wir bitten
dich: Herr,
erbarme dich. Abseits du, Herr, bist unsere Zukunft und Zuversicht, du
hältst
uns fest, wenn wir fallen, du bist unser Wegweiser, wenn wir ihre Wege
gehen. Laß
uns das nicht vergessen, Laß uns von dir liebe lernen und
weitergeben. Mach uns
zu deinen erben. Amen.
Ablauf der Konfirmation
1982 in der Christuskirche zu Bochum
Einleitung
durch Chorgesang der Kantorei
Pastor:
Begrüßung und Informationen
Alle:
Eingangslied EKG 218, 1-7
Pastor:
Im Namen des Vaters... Unsere Hilfe... Christus spricht: Ich bin
die Tür. Wenn jemand durch mich hineinkommt, wird er gerettet
werden und wird
ein- und ausgehen und Weide finden. (Joh 10,9) Kommt, laß uns
anbeten.
Alle:
Ehr sei dem Vater und dem Sohn
Pastor:
Herr, wir kommen zu dir, kribbelig und aufgeregt, voller
Erwartung und Spannung, was heute passiert. Wir denken daran, ob wohl
alles
klappt, nichts schiefgeht, ob wir rechtzeitig zum Mittagessen kommen
und
wünschen uns alles besonders schön feierlich. Wir
feiern hier und freuen uns
schon auf die Geschenke. Und wir wissen, daß jetzt zu dieser
Stunde Menschen
verhungern, Menschen zu Tode gefoltert werden - überall auf
der Welt. Und wir
hören das nicht gern, schon gar nicht, wenn wir ein Fest
feiern wollen. Herr,
vergib uns, daß wir so sind, daß wir noch nicht
einmal hören wollen von der
Unmenschlichkeit, die wir mindestens durch unser Nichtstun auch mit
verschulden, die wir geschehen lassen ohne mit der Wimper zu zucken.
Vergib uns
Herr. Herre Gott, erbarme dich.
Alle:
Herre Gott, erbarme dich.
Pastor:
Der Herr sagt durch den Propheten Jesaja: (49,70) Wenn die Zeit
kommt, daß ich mich dir wieder zuwende, erhöre ich
dich und helfe dir. Ich schütze
dich vor dem Untergang, denn durch dich will ich mit allen
Völkern einen Bund
schließen. Ich werde dich wieder in deinem Land wohnen lassen
und alles Land
neu verteilen. Zu den Gefangenen werde ich sagen: Kommt heraus! und zu
denen,
die im Dunkel leben: Kommt ans Licht! Sie werden wie Schafe sein, die
auf allen
Bergen Weide finden. Sie werden niemals Hunger oder Durst leiden.
Ehre
sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen,
die
nach Gottes Wohlgefallen lebenl
Alle:
Allein Gott in der Höh sei Ehr...
Pastor:
Der Herr sei mit euch. Gemeinde: Und mit deinem Geist.
Pastor:
Wir wollen beten. Herr Jesus Christus, Bruder und Freund.
Konfirmation haben wir heute. Befestigung im Glauben. Wir wollen uns
und dir
nichts vormachen. Für die meisten ist es das letzte Mal,
daß sie die Kirche von
innen sehen, diese erbärmliche Kirche, auf die wir alle,
drinnen und draußen,
so gerne schimpfen. Befestigt ist bei uns wenig. Wir feiern
Konfirmation, weil
man es so tut, nicht, weil wir fest im Glauben sind. Wir feiern die
Zulassung zum
Abendmahl, obwohl wir sie kaum je in Anspruch nehmen werden. Wir wollen
dir das
eingestehen. Wir sind nicht fest im Glauben. Weder die Frommen unter
uns noch
die Kirchenfernen. Wir sind lediglich fest in unserer Meinung, wie gut
oder
schlecht gebildet sie auch sei. Laß uns darum Konfirmation
heute verstehen
lernen als die Zusage deiner Festigkeit: der Festigkeit deiner Liebe
und Treue,
mit der du zu uns hältst, auch wenn wir von dir nichts wissen
wollen. Wir
brauchen in unserer wackeligen Welt etwas Festes, an das wir uns halten
können.
Das laß nicht Prestige oder Geld sein, sondern die
Gewißheit, daß wir dir
willkommen sind, wann immer wir uns an dich erinnern. Du liebst uns. So
festgefahren wie wir sind. Das soll uns Grund genug sein für
ein Fest. Amen.
Alle:
Lied EKG 514
Pastor:
Konfirmationspredigt über Galater 4,1-7
Chor:
Pastor:
Liebe Konfirmanden. Ihr seid durch die Taufe in den Gnadenbund
Gottes aufgenommen, habt einiges über unseren Glauben an Gott
erfahren und habt
einen Horizont bekommen, auf dem ihr die Bibel verstehen
könnt. Jetzt sollt ihr
zum Abendmahl zugelassen werden. So sprecht nun das Glaubensbekenntnis,
auf das
hin eure Eltern und Paten bei eurer Taufe Ja zu Gott gesagt haben.
Konfirmanden:
Credo
Pastor:
Wollt ihr durch Gottes Gnade bei diesem Glauben bleiben und
Jesus nachfolgen, so bezeugt das, indem ihr sprecht: Ja, mit Gottes
Hilfe.
Konfirmanden:
Ja, mit Gottes Hilfe.
Pastor:
Wollt ihr auch, damit ihr solches vermöget, euch an der Bibel
orientieren, am Abendmahl teilnehmen und euer Leben als Gebet vor Gott
leben?
So antwortet: Ja, mit Gottes Hilfe. Konfirmanden: Ja, mit Gottes Hilfe.
Pastor:
Dazu helfe euch Gott, der allmächtige Vater, um Jesu Christi
willen durch seinen Heiligen Geist. Er gebe euch das Wollen und das
Vollbringen
nach seinem Wohlgefallen.
Einsegnung
Alle:
Der Himmel geht über allen auf
Pastor:
Erhebet eure Herzen.
Gemeinde:
Wir erheben sie zum Herren.
Pastor:
Lasset uns danksagen dem Herren, unserem Gotte. Gemeinde: Das
ist würdig und recht.
Pastor:
Wahrhaft würdig und recht....
Alle:
Heilig, heilig, heilig ist Gott...
Pastor:
Einsetzung des Abendmahls
Alle:
Christe du Lamm Gottes...
Austeilung
Pastor:
Dankgebet und Fürbitten
Alle:
Vater-Unser-Lied
Pastor:
Segen
Alle:
Lied EKG 159, 1-3
Orgelnachspiel