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Predigt über Kolosser 4,2 - 6

Bochum Christuskirche Rogate, 16.5. 1982

"Lieblich", liebe Gemeinde, und "mit Salz gewürzt", so sollen wir reden, so soll der Prediger predigen, damit sich Türen öffnen für das Wort, Türen zu den Herzen. Türen, durch die die frohe Botschaft weiter geht, zu den Herzen geht.

"Lieblich und mit Salz gewürzt" - haben Sie schon einmal etwas Salziges lieblich gefunden? Salziges schmeckt herzhaft, aber lieblich, das sagen wir nur von süßen Sachen. Vom Wein beispielsweise. Salziges ist nicht lieblich. Liebliches ist kaum salzig. Was tischt uns denn da der Apostel auf? Will er uns den Appetit verderben?

"Allezeit lieblich " - heißt es dabei sogar noch! Sind wir nicht sofort auf der Hut vor denen, die ihre berufsmäßig fingierte Güte und Nettigkeit ausfahren, die das allzeit bereite Lächeln auf den Lippen haben? Sind wir nicht schon von vornherein mißtrauisch, daß die süßen Lippen uns nur die sauren Äpfel schmackhaft machen wollen, an denen wir uns dann alle Male die mürben Zähne ausbeißen? Ist nicht das "allzeit liebliche" Wort eine Abwehrmechanismus, mit dem wir selbst uns zu gerne von harten Auseinandersetzungen drücken, mit dem wir dem Druck der Situation einfach nur ausweichen, statt ihm zu begegnen und standzuhalten?

Und dann noch "salzige" Rede. Nicht drumherum Gerede. Wie soll man das machen: allzeit lieblich reden, aber gesalzen und gepfeffert, so daß es sitzt? Und wenn es sitzt, bleibt dann noch etwas von der Lieblichkeit? Ist das zu Herzen gehende Worte noch lieblich? Doch ja, denken wir an das Wort der Lebenden. Der Satz: ich liebe dich, beispielsweise. Der trifft. Der trifft ins Herz. Der läßt das herzlos klopfen. Vorfreude oder vor Beklemmung. Da kommt ein Wort wirklich an. Worte der Liebe. Von liebenden gesagt. Und wenn so ein Wort der Liebe erwidert werden kann - Ich dich auch. -  dann ist diese Situation der Liebeserklärung weiß Gott das lieblichste, was uns passieren kann. Und dieses Wort ist wahrhaft gesalzen, steckt voller Pfeffer.

Ich liebe dich - das Wort der Liebe ist lieblich und gesalzen zugleich. Und wenn Gott selbst die Liebe ist, dann wäre womöglich die gesalzene Rede von Gott, wäre unsere Verkündigung zuletzt doch noch lieblich, lieb-lich, also voll von der Liebe selbst, von der wir reden wollen? Lieb-lich, also Liebe finden wollen und Gegenliebe suchend? Lieblich, Fall von Liebe, auf der Suche nach Liebe. Von Gott erfüllt und auf der Suche nach Gott. Nach dem Gott, der die Liebe ist, und den wir in dieser Welt voll von Haß und Grausamkeit so wenig wiederfinden. Dessen Liebe selbst wir nur finden am Kreuz, hingerichtet für uns. Lieblich - das ist schmerzlich zugleich: es ist das Bangen der Liebenden, die Geliebte oder der Geliebte möge seinem Begehren entgegenkommen. Es ist das Bangen Gottes um die Welt, die sich von ihm abgewendet hat und eigene Wege sucht und immer wieder nur die Lieblosigkeit findet und immer neue Lieblosigkeiten erfindet. Die Liebe lebt im Schmerz. Gott ist uns als der Gekreuzigte, als das Kreuz der Liebe gegenwärtig.

Und selbst Paulus, der Apostel, er schreibt aus dem Gefängnis, leidet um der Botschaft von Gottes Gnade, dem Geheimnis Christi willen. Liebe macht leiden. Liebe leidet. Das ist die Lieblichkeit, die das Salz der Erde ist: die Tränenflut der Opfer, die ihre Liebe nicht erwidert finden, die auf Granit beißen, die die sauren Äpfel kauen. Der Ort der Lieblichkeit des Apostels ist das Gefängnis. Der Ort der Lieblichkeit Gottes ist - in einer Welt voller Haß - das Kreuz. Warum haben unsere Künstler die Kreuze in der Kirche immer so schön gemalt?

2. Vom Beten

"Verharrt im Gebet" - ist das nicht gerade der Vorwurf vieler gegen uns Christen: wir seien verharrt im Gebet, wo es Taten gegolten hätte? Wo jemand seine Stimme erheben müßte gegen das Elend und die Lieblosigkeit, da erheben also Christen ihre Stimme zum Gebet und Dank. Welche Arroganz und Gleichgültigkeit gegenüber dieser Welt! Viele sind resigniert, hoffnungslos, no future, Hauptsache Farbfernseher mit Fernsteuerung. Einige sind in den Kampf gezogen gegen das Unrecht - und haben dabei lernen müssen, über Leichen zu gehen. Und die Christen? Sie beten. Wie lieblich! Sie beten. "Tobe Welt und springe, ich stehe hier und singe in ganz sichrer Ruh." Nichts haut einen Seemann um und erst recht keinen Christen. Beten so die Christen?

Gehen wir die drei Möglichkeiten noch einmal durch: die ersten haben resigniert. Sie glauben nicht mehr daran daß man etwas ändern kann an der ungerechten Einrichtung der Welt. Sie erleben die eigene Ohnmacht und lassen die Köpfe hängen und werden dann erst so richtig ohnmächtig. Sie verzichten auf eine bessere Welt, nehmen darum dann zynisch mit der Schlechtigkeit vorlieb und werden selbst sehr schnell so schlecht für die Welt.

Die zweiten haben Recht in ihrer Hoffnung, daß die Welt nur durch Kampf, durch vollen Einsatz der Einzelnen für die Gerechtigkeit zum Besseren zu wenden wäre. Aber im Kampf verlieren Sie das Bessere selbst aus den Augen, denn der Kampf hat seine eigenen grausamen Gesetze, die blind machen für das mögliche Recht des Gegners. Sowohl die Resignierten als auch die Kämpfenden, beide stehen in der Gefahr, die bessere Einrichtung der Welt, Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, vor lauter Lamento oder Wut über die Lieblosigkeit dieser Welt aus den Augen zu verlieren.

Ich sage jetzt nicht, wir Beter haben das geschafft. Wir machen das besser. Ich sage heute nur und das am Sonntag Rogate: "bittet, betet " - was beim Beten uns vor den Gefahren der Resignation und der kämpferischen Kälte beschützen kann.

Beten heißt: Wissen, daß wir nichts mehr tun können. Daß unsere Möglichkeiten am Ende sind. Paulus sitzt im Gefängnis. Da kann keiner der Schwestern und Brüder Einfluß nehmen und ihn rausholen. Unsere Möglichkeiten sind am Ende. Das gibt es erstaunlich oft. Wir sind keine Herrgötter, nicht allmächtig. Wenn wir nichts mehr tun können, dann lehrt uns Not beten. Dann ahnen wir, daß, wenn auch wir nichts mehr tun können, doch noch etwas getan werden kann, dann lassen wir Gott tun. Wie schwer es fällt, einen anderen etwas tun zu lassen, es sich abnehmen zu lassen. Vielleicht aus Angst vor der scheußlichen Demut der Dankbarkeit, dem unerträglichen Bewußtsein, daß wir ohne den anderen nicht das wären, was wir sind? Beten heißt: nichts mehr tun können. Gott allein tun lassen. Ich sagte vorhin: Gott ist Liebe. Wenn das trifft, heißt beten: allein der Liebe das Tun überlassen. Glauben, daß nur die Liebe und nur die Liebe über die Lieblosigkeit der Welt siegen wird. Damit hat das Gebet gegen alle Resignation und Ohnmacht Hoffnung auf die Macht der Liebe, in deren Dienst das Beten sich selbst stellt. Und damit hat das Gebet gegen alle kämpferische Kälte die Lieblichkeit des Vertrauens und der Wärme in Erfahrung behalten. Und von dieser Lieblichkeit der Liebe Gottes und des Gebets und der heilenden Macht des Gebets für die Beter selbst - wird entscheidend der Bau einer besseren, einer lieblichen und liebenswerten Welt abhängen. Amen.