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Predigt über Johannes 16, 5 - 16 + 20 - 22

Pfingsten 6.6. 1982 in der Christuskirche Bochum und Pauluskirche

1984 in der Friedenskirche Bergkamen, ebenso Wichernhaus, Bodelschwingh, Büscherstiftung und Overberge

Nicht ganz allein zu sein in all unserer Einsamkeit - das ist schon der ganze Trost. Wenn das nicht tröstet, der kann an der Unscheinbarkeit der Herrlichkeit Gottes und der Kraft des Heiligen Geistes auch keine Freude erleben. Der Heilige Geist ist keine Sensation, sondern der Sensus, der Sinn für Traurigkeit und ihr Ende, wenn Gott selbst die Tränen abwischen wird. Traurigkeit zu Pfingsten, dem Geburtstag der Kirche? Ist das nicht unangebracht? Wäre Traurigkeit nicht einzig angebracht bei einer Fehlgeburt? Kirche als Fehlgeburt? Liest man die Bibel und schaut auf die Praxis der Kirche, kann man schon traurig werden. Es ist zum verzweifeln. Denken wir an das Pfingstwunder: die Jerusalemer Christen die plötzlich überfallen werden vom Brausen aus dem Himmel, vom Wind, vom Sturm, Ruach heißt Wind und Geist zugleich, die dann plötzlich angesteckt werden vom Feuer dieses Geiststurms, die losplatzen wie Verrückte und in allen Sprachen von Jesus zu erzählen beginnen. Denken wir an diese Begeisterung, diese ansteckende, mitreißende Stimmung, an die Bewegung die unter die Leute kam. Die so stark war, daß sie ihre Güter gemeinsam teilten: alles gehörte allen, keiner hatte Angst etwas zu verlieren, denn alle fühlten sich als Einheit: eins in Christus dem Herrn. Dem Herrn, der nie Angst hatte, etwas zu verlieren. Denken wir daran und sehen wir uns hier und heute: Stachelschweine, die sich stechen, sobald sie einander zu nahe kommen, dann haben wir allen Grund, Pfingsten traurig zu sein. Im Wesentlichen sind wir doch allein in unserer Einsamkeit, auch noch hier, in der Gemeinschaft der Heiligen, wie wir es im Glaubensbekenntnis nennen.

Johannes lässt Jesus in seinem Evangelium in langen Reden Abschied nehmen von den Jüngern. Aus diesen Abschiedsreden Jesu stammt unsere Predigt. "Jetzt gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat... Es ist gut für euch, daß ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Tröster, der para/kletoj , der Beistand nicht zu euch kommen. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden." Jesus geht, damit der Geist kommt. Jesus geht, damit die Sendung hier so weitergeht. Sie soll nicht stehen bleiben bei der Verehrung dieses Mannes. Sie sollen nicht steckenbleiben in dem Personenkult um einen religiösen Führer. Der Mann Jesus ist sterblich, vergänglich. Solange er stark ist, ist auch die Jesusbewegung stark. Aber mit seinem Tod am Kreuz, mit dem Scheitern seiner Friedensbewegung, sind die Jünger verzweifelt, entzweit, zerstoben in alle Winde. Sie sind noch abhängig von der Person Jesu. Sie brauchen ihn als Führer. Seine Botschaft ist noch nicht soweit in ihre Herzen eingedrungen, daß sie in seinem Geiste selbst handeln können. Sie sind Jesus abhängige. Und darum geht Jesus. Darum wird er, so versteht es Johannes, der Evangelist, Jesus den Jüngern entzogen. Es ist eine Entziehungskur von dem Starkult um den Mann Jesus. Nicht Jesus soll im Mittelpunkt stehen, sondern der Vater, Gott, der die Liebe ist. Und der Geist, in dem das begriffen wird, der Geist der Wahrheit, der Tröster, der para/kletoj, dieser Geist kann nur kommen und wachsen, wenn Jesus geht. Erst dann kann das verinnerlicht werden, was man vorher jeden Tag aufs Neue von Jesus hörte, was von außen gehört wurde und was den Jüngern so oft unverständlich vorkam. Jesus geht, damit das bleiben kann, was er gesagt und getan hat. Damit sein Geist, der Geist Gottes, zur Geltung gelangt, muß er als Mensch abtreten. Darum stirbt Jesus.

Damit der Geist der Wahrheit zur Geltung kommt. Wahrheit. Er wird die Welt überführen, also ihre Ideologien Lügen strafen. Die Wahrheit des Heiligen Geistes entfaltet Johannes an drei Punkten:

Erstens in Bezug auf die Sünde: Sünde, Verblendung besteht darin, Jesus nicht zu glauben, verschlossen zu sein gegenüber den Zeichen der Liebe und Güte Gottes, die dieser Mann demonstriert hat. Man hat ihn nicht ernst genommen oder abgelehnt, den gewaltlosen Spinner und Wunderheiler, der in den Tag hinein lebte und in aller Entbehrung scheinbar glücklich war.

Zweitens: in Bezug auf die Geschichte Jesu heißt Wahrheit: ertragen lernen, daß dieser Mann von der Bühne der Weltgeschichte abgetreten ist und das ist deshalb nicht mehr an ihm ist, sondern an uns, seine Arbeit weiterzuführen. Die ersten Christen haben das zu Pfingsten verstanden: sie haben ihr Leben und ihren Besitz gemeinsam geteilt und den Reichtum der Solidarität und Einheit ihrer Gemeinschaft genossen. Weil sie reich waren an Liebe untereinander, konnten sie sich materielle Armut leisten.

Der dritte Punkt, an dem der Geist Jesu uns in die Wahrheit führen will, ist, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Er hat keine Macht mehr. Das letzte Wort über die, die das letzte Wort zu haben meinen, über die Mächtigen dieser Welt, hat Gott gesprochen. Wir brauchen keine Angst mehr vor ihren letzten Worten zu haben. Der Mann Jesus hat uns gezeigt, mit welchem Mut er denen gegenüber getreten ist, die die Macht haben. Über ihn haben sie keine Macht bekommen.

Jesus geht, damit der Geist Gottes, der Geist der Liebe, der Gerechtigkeit und der Wahrheit kommt. Jesus verläßt uns, damit etwas bleibt, was mit uns geht, wenn kein Mensch mehr mit uns gehen kann. Der Geist bleibt bei uns. Nicht ganz allein zu sein in unserer Einsamkeit - das ist schon der ganze Trost. Amen.