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Predigt über Acta 8, 26 - 39

Gehalten in Bochum Christuskirche, Friedenskirche und Pauluskirche am 18. und 25. 7. 1982

Lieder 486, 1 - 3; 62,1 - 4; 147, 17 148, 1 + 2

Philippos bekehrt den jüdischen Schatzmeister der äthiopischen Königin

1. Sozialgeschichtlicher Hintergrund

2. Der Geist, Prophetie

3. Jesaja 53

4. Ausländer - Taufe als Versöhnung

5. Entrückung - Erfüllung der Mission

Vers  26: Der Apostel Philippos bekommt eine Engel-Erscheinung. Der Engel spricht zu ihm und gibt ihm Anweisungen. Dies ist typisch für den Urchristlichen Prophetismus. So lesen wir bei Lukas 1,11: Es erschien ihm (dem kinderlosen Priester Zacharias) aber der Engel des HERRN und stand zur rechten Hand am Räucheraltar. Er prophezeit im die Geburt seines Sohnes. Lukas 1,28ff kommt ein Engel zu Maria, er prophezeit ihr die Geburt Jesu. Lukas 2,9: Ehre sei Gott in der Höhe, singen die Engel bei Jesu Geburt. Ähnlich bei Matthäus 2, 13 und 22: Ein Engel sagt dort zu Maria und Joseph: flieht nach Ägypten. Es sind oft Visionen im Spiel bei den Menschen der Spätantike. Die Engel-Erscheinung des Philippos läßt ihn auf die Straße von Jerusalem hinab nach Gaza gehen.

Vers 27f: Dort trifft er auf einen reichen Äthiopier, ein Eunuch und Hofbeamter am Hof der ägyptischen Königs Mutter, der Kandake. Er war Schatzmeister im nubischen Hofstaat. In Äthiopien gab es das Matriarchat, also die Macht lag in den Händen der Frauen. Es gab einen starken Handel mit einer jüdischen Kolonie und Garnisionsstadt in Südägypten, genannt Elephantine am Nil. Von da aus drang durch Handelsbeziehungen das Judentum bis nach Äthiopien vor. Der Mann ist ein Eunuch, also ursprünglich kein rassereiner Jude, somit ist er ein Proselyt, ein Dazugekommener, der aus irgendeinem Grund sich dem jüdischen Leben angeschlossen hat. Er pilgert nach Jerusalem, wie heute die Sannyasins zum Bhagwan nach Poona in Indien reisen. Auf dem Rückweg liest er auf seinem Wagen in einer Rolle des Propheten Jesaja, wahrscheinlich in Jerusalem neu gekauft. Er kann es sich leisten, das teure Buch.

Vers 29 ff: Der Geist, diesmal nicht der Engel, treibt den Philippus. Er ist getrieben von einer Eingebung. Der Geist besteht aus Impulsen, die aus dem Unbewussten in das Bewusstsein der Propheten oder Apostel gelangen. Er kann sich ausdrücken in Zungenrede, also wirren Silbenfetzen, die ein anderer dann zu irgendeinem Sinn zurecht bastelt. Es kann aber auch rationale Impulse umfassen. Visionen sind für die Altvorderen Ausdruck des heiligen Geistes. Der Geist also sagt zu Philippus: halte dich an den da. Philippos kommt mit ihm ins Gespräch. Er erkennt Jesaja 53, das Lied vom leidenden Gottesknecht, in dem Propheten Buch des Äthiopiers. Bei uns wie damals für den Juden war nicht eindeutig klar was damit gemeint ist. Es gab offene Fragen aus der Lektüre von Jesaja Punkt der Prophet, Israel, die Figur eines Königs, der priesterlich für die Sünden seines Volkes bezahlt? Wer genau ist nun dieser Leidende Gottesknecht?

Vers 35: Philippos deutet Jesaja 53 mit dem leidenden Gottesknecht auf Jesus: Jesus trägt stellvertretend das Leiden der Vielen, die Krankheiten und Sünden. Der Erniedrigte wird erhöht. Es ist eine falsche Lesart von Jesaja 53,8, der Sinn wird praktisch ins Gegenteil verkehrt: „Aus Drangsal war er hinweggenommen“, das heißt also, er starb in Not und im Gerichtsverfahren, hieraus wird: in seiner Erniedrigung wird sein Gericht aufgehoben und ungültig gemacht. Die Not der Drangsal wird umgedeutet als das Ende des Gerichts - damit wird also das glatte Gegenteil gesagt! Man hat es nicht ertragen, dass der leidende Knecht Gottes als Schuldopfer stirbt, man hat sein Ende als Erhöhung verstehen wollen. Wen kümmert es, die Erhöhung wird zum Segen für eine große Nachkommenschaft. Wer wird seine Nachkommen zählen? Der Fluch der Verlassenheit wird zum Segen der besonderen Nachkommenschaft, in denen der Tote weiterlebt, das heißt sie wird zur Unsterblichkeit! „Denn aus dem Lande der Lebenden ward er getilgt“ - dieser Satz wird zu: denn hinweggenommen von der Erde wird sein Leben. Lukas denkt an die Himmelfahrt, der Leidende wird im Sinne der makkbäischen Märtyrertheologie nach seinem Tod entrückt und ist dann bei Gott. Wieder wird der Tod durch Liquidierung mißverstanden als Auffahrt in den Himmel.

Die urchristliche Deutung von Jesaja 53, das Grundmaterial der Passionsgeschichte, entpuppt sich als erkenntnisleitendes Interesse an der Erhöhung des Verachteten, will Gerechtigkeit für diesen einen, der die Gerechtigkeit für alle durch seinen Tod erkauft hat. Dem Opfer soll Gerechtigkeit widerfahren. Man hat die Grausamkeit von Jesaja 53 nicht aushalten können, mit der ein Mensch zum Schuldopfer wird. Man wollte Gerechtigkeit für die Opfer.

Die Christen haben nicht ausgehalten, dass ein Mann unschuldig stirbt, zum Opfer der Herrschenden, zum Opfer der unheiligen Allianz von Kirche und Staat geworden ist. Man hat, wenigstens in der christlichen Fantasie, wenigstens im Glauben der jungen Gemeinde, diese Kränkung zu überwinden versucht durch die Fälschung der Lesart von Jesaja 53. Der Erniedrigte wird, und sei es durch eine Fälschung des Bibeltextes, erhöht. Er wird gerechtfertigt. Die Gemeinde, protestiert gegen das Unrecht, was einen Einzelnen zum Opfer für die anderen macht. Sie erhebt das Opfer zu ihrem Gott. Der Knecht Gottes wird Sohn Gottes, der Sohn eins mit dem Vater, im Sohn, in Christus, hat Gott ein für alle Male geredet und gehandelt, eindeutig, verbindlich. Er ist selbst zum Opfer geworden.

Die christliche Liebe zum Opfer ist allerdings doppelt wirksam: sowohl als Solidarität mit den Unterdrückten, als Eintreten für die Opfer dieser Gesellschaften, als auch in der Liebe zum Opfermachen selbst. Der Christ gibt sich selbst auf, macht sich zum Opfer, drängt sein Opfer anderen vielleicht noch auf: Selbsthass konnte sich hierin austoben. Und wer auf das Leben verzichtet, wer es opfert, der ist ganz nah dran, der Verzicht auf Selbstverwirklichung auch anderen zu empfehlen, aufzudrängen, es von anderen zu verlangen. Der fordert dann plötzlich auch Opfer. Der wird bereit, Opfer zu akzeptieren. Der geht dann auch mal über Leichen.

Vers 36 11: Der Hofbeamte lässt sich taufen, wird Proselyt, hinzugekommen da Judenchrist. Ein Ausländer wird Christ. Es ist ein Völker verbindender Eindruck der Person Jesu.

Vers 39: Philippos wird vom Geist des Herrn entrückt. Er hat seine Aufgabe erfüllt, der Hofbeamte braucht ihn nicht mehr. Er klebt nicht an den Mittelsmännern dieses Gerüchtes von Jesus, er hat die Geschichte Jesu jetzt in seinem Herzen, in seiner Erinnerung. Darin steckt die Möglichkeit, dass sich Pastoren, ja die Kirche selbst, eines Tages erübrigen werden. Wenn der Geist Gottes die Herzen mit der Liebe zu den Opfern erfüllt.