Bochum
Christuskirche und Pauluskirche am 5. 9. 1982
Lieder:
129, 1, 2, 5; 184, 1 - 3; 184, 4 - 6; 157, 1 + 7; 139
Liebe
Gemeinde, ein schöner Psalm, so schön, daß
man ein Lied davon
gemacht hat. In der Tat, es geht um Gott und die Schönheit.
Gibt es überhaupt
etwas Schönes, oder ist Schönheit Geschmackssache?
Oder Mode Sache? Ist
Schönheit das, was verbrauchte, fette Reklamemanager einer
bestimmten Sorte
junger Frauen angedichtet haben? Wozu Schminke gehört?
Verfälschung des
Natürlichen?
Gut,
aber müssen wir uns dann nicht von eben jenen
Schönheiten, den
Rassefrauen nach Schnittmuster der Illustrierten, denen, die wir hier
in der
Kirche garantiert höchstens zu Weihnachten mal in ihren
Pelzmänteln zu Gesicht
bekommen, fragen lassen, ob nicht unsere Kirche auch geschminkt ist?
Der
Goldüberzug in den mittelalterlichen Barockkirchen, der
ungeheuer teure Schmuck
der kirchlichen Kunst - was ist das anderes als Schminke? Noch dazu von
den
Conquistadoren aus Südamerika von den Inkas geraubt und
gebrandschatzt. Also
bisweilen Schminke, die durch das unschuldige Blut vieler Menschen
erkauft ist.
(Die meiste Schminke in den Kirchen ist kein besonderes Ruhmesblatt
für die
Glaubwürdigkeit der froh machenden guten Botschaft.) Die
Botschaft von der Gnade
und Liebe, dem Frieden und der Gerechtigkeit Gottes wird in
Gebäuden verkündet,
deren Entstehung Menschenopfer gefordert hat, unter deren Entstehung
Menschen
gelitten haben und oft heute noch leiden.
"
Wie freundlich sind deine Wohnungen, du, Umschaarter!"
Freundlich? Lieblich? Für wen? Für unsere
Jugendlichen etwa? Die hier, viel
härter als in Schulen oder auf der Arbeit lernen
müssen, den Mund zu halten,
mucksmäuschenstill dazusitzen mit ihren Hummeln im Hintern?
Die lernen müssen, daß
sie hier wirklich nichts zu sagen haben, höchstens zu singen?
Unsere Kirchenräume
als Heimat, als freundliche Wohnungen, als Nester mit Wärme?
Wer wäre so naiv
und blind, uns und sich so etwas einreden zu wollen. Wer heute noch
davon
singt, daß das Haus Gottes, die Kirchen, Zufluchtsorte,
freundliche, liebliche,
warme Nester sind, in denen wir geborgen sind wie im
Mutterschoß, der ist
weltfremd. Verloren sind wir in der riesigen Weite dieses Kirchraums,
wir paar
Menschen, doch nicht geborgen! (Die freundlichen Wohnungen des Herrn
Zebaoth
stehen leer und sind durchaus ungemütlich. Und wenn Menschen
daher kommen und
sie besetzen, wird es für die freundlichen Menschen in der
Kirche erst recht
ungemütlich.)
Praktisch gesehen ist die
Christuskirche eine Fehlplanung, eine Fehlinvestition.
Prophetischer Weitblick hätte eine kleine Kapelle errichtet.
Das wäre für uns
genau die richtige Größe, und man hätte
sehr viel Geld übrig gehabt für Hilfe
an die Ärmsten dieser Erde. Das wenigste sind doch die vielen
100.000de D-Mark
an Baukosten. Die Heizung und Instandhaltung verschlingen
jährlich Unsummen von
Geld! In der Christuskirche heizen wir im Winter pro Besucher im
Gottesdienst
für 5D-Mark. Soviel bekommen wir niemals durch die
Höhe der Kollekte auch nur
annähernd wieder herein. Der Betrieb der Kirchen ist
unrentabel geworden. Man
läßt sich die Schönheit so einiges kosten.
Schönheit muß leiden, sagt man wenn
Damen ihre FDH-Kur absolvieren. Wenn ihr Leiden der Verzicht auf
lukullische
Genüsse ist, so wäre das Leiden der Christen das
schlechte Gewissen, mit dem
wir immer noch ja dazu sagen, daß Unsummen kirchlicher Gelder
in Schönheit der
Kirchbauten verschwendet werden und über jeden Pfennig
Entwicklungshilfegelder
erst lange debattiert werden muß. Die sogenannten
Sachzwänge - unserer Kirche
stehen nun mal da, also müssen wir sie auch unterhalten -
haben mehr Macht als
die biblische Weisung: Brich den Hungrigen dein Brot, und die ohne
Obdach sind,
führe ins Haus. Freundliche Wohnungen des Herrn Zebaoth? Wie
freundlich sind
sie? Wie freundlich? Wir müssen bekennen: nicht besonders
freundlich. Wir
könnten es ändern. Wir könnten versuchen,
freundlicher zu sein. Dann werden
womöglich unsere Gottesdienste menschlicher, wärmer,
lebendiger, einladender.
Dann könnte man wirklich eines Tages reden vom Glück
derer, die in deinem Hause
sitzen. Dann wird es vielleicht wirklich schön sein
können, zur Kirche zu
gehen. Nicht nur ernst, feierlich und langweilig.
Daß
Gott schön werde - so nennt man Lehrer Rudolf Bohren eines
seiner
Bücher. Und das ist unsere Sehnsucht, daß
Gottesdienst schön sein, daß die
lebendige Gegenwart Gottes und somit Wohlgefallen erfüllt wie
der Anblick einer
- wirklich schönen, ungeschminkt immer noch und gerade erst
schönen Frau. Oder
noch mehr. Tausendmal mehr! "Ein Tag in deinen Höfen ist
besser als 1000
sonst, ich ziehe vor, an der Schwelle zu stehen im Haus meines Gottes,
als zu
herbergen in den Zelten des Frevels." Lieber ein Tag unter der
Orgelempore
als tausend Nächte und eine im Winkel, in der Gurke - ja, wer
würde das heute
noch allen Ernstes so vertreten? Wenn einer wählen
könnte zwischen drei Jahren
Freudenhaus und dann sterben oder einem Tag Haus Gottes und dann
sterben, wer
würde sich noch für diesen einen Tag entscheiden? Und
nicht, weil Freudenhaus
Sünde ist, sondern weil er an diesem einen Tag mehr Lust und
Glück erlebt in
der Gegenwart Gottes als in tausend Nächten der Gegenwart
einer schönen Frau?
Lust an der Schönheit Gottes, Glück in Gott? Gott als
freundliche Wohnung, als
schönes Heim, Nestwärme, Sonne und Schild, als feste
Burg? Gott als die
Erfahrung einer einzigartigen, unvergleichlichen Art von
Schönheit, schöner als
jede Frau, schöner als jede Kirche. Eine Schönheit,
die nur und nur dem
aufstrahlt, der aus dem "Tal des Weinens" kommt, aus dem finsteren
Tal des Leidens. "Auch der Vogel findet ein Haus, die Schwalbe ein
Nest,
da rein sie ihre unflüggen Jungen legt. So sind deine
Opferstätten", singt
Psalm 84. „Die Vögel haben Nester, die
Füchse Gruben, aber des Menschen Sohn
hat nichts, da er sein Haupt hinlege.“ So Jesus.
Gott
der uns schützt, Jesus, der Kranke heilt, ist selbst
völlig
heimatlos und hilflos in einer Welt voller Weinen. Nur, wer an dieser
Hilflosigkeit Gottes, an der Heimatlosigkeit Gottes teilnimmt durch
sein Leiden
an einer Welt voller Leiden, nur der wird den Himmel offen sehen, voll
der
Herrlichkeit Gottes, voll von Gottes Schönheit. Nur wer
geweint hat, dem kann
und wird auch Gott abwischen alle Tränen, damit er
ungetrübt die Schönheit
Gottes sehen kann. Amen.