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Predigt über Römer 9,1 - 4. 30 - 10,4

Bochum Christuskirche und Friedenskirche 8. 8. 1982; Paulus 15.8. 82

Lieder: 192, 1 - 3; 216, 1 - 4; 216,5 - 7; 213, 3 - 5; 139

Thema: die Trauer des Paulus über Israel, das sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterordnet. Die Heilsgeschichte als Sünden-Geschichte.

Israel's Vorzüge:

1)      von Gott als seine Kinder & Söhne angenommen.

2)      Gegenwart Gottes auf dem Zion.

3)      Bund mit Israel-Noah und Abraham

4)      Gesetz des Mose

5)      Gottesdienst

6)      Verheißungen der Propheten, Abrahams Segen Genesis 18.

7)      Christen stammen von Juden ab.

8)      Jesus war Jude.

9)      Erwählung Israels

Wo sind die Verheißungen Jahwes an Israel in Erfüllung gegangen? Wo ist seine Gerechtigkeit erfahrbar? Theodizee! Wo zeigt sich, dass Israel Gott recht ist, gerecht? Israel hat Gottes Gerechtigkeit nicht verstanden, die sich in Jesu Liebe zu den Sündern zeigte, hat nicht verstanden, dass wir kein Recht haben, gerecht oder sündig zu sprechen. Zu verteufeln. Und wenn, dann zuerst uns selbst.

Paulus wirft - als Jude - den Juden die Kleinlichkeit ihres Gesetzesgebrauchs vor. Sie erwarten, Gott recht zu sein, durch eine geradezu bürokratisch, pedantisch, neurotisch anmutende Treue gegenüber 613 Einzelgeboten, von denen viele einmal gute und sinnvolle Lebensgaranten waren, ebenso viele aber ihren ursprünglichen helfenden Sinn durch die Veränderung der Lebensverhältnisse eingebüßt haben. Nicht auf die präzise Einhaltung von Paragraphen im Wortlaut kommt es an, das machen gewitzte Kriminelle oft wesentlich besser als die Polizei, sondern auf den inneren Sinn des Gesetzes, was Gott Israel gab. Und dieser innere Sinn ist: Leben zu schaffen, Frieden zu vermehren, Glück miteinander zu ermöglichen. Jesus fasst das ganze Gesetz und die Propheten in ein Gebot zusammen: die Liebe soll Gestalt gewinnen! Liebe zu Gott gestaltet sich aber in der Liebe zum Nächsten, nicht in juristischer Bauernschläue. Dieser Vorwurf des Paulus gegen Israel gilt sicherlich heute ebenso für die Kirche in Deutschland und in Bochum. Eifer, Ernsthaftigkeit haben alle. Das spricht ihnen Paulus gerne zu. Der selbst ein Eiferer war und ist. Aber mit dem Verstehen, der Erkenntnis, da ist es nun doch noch etwas wenig. Paulus wirft den Juden vor, Jesus nicht verstanden zu haben. Jesus verstehen, seinen lockeren Umgang mit dem Gesetz, seine Hippie Mentalität, das kann nur der, der den inneren Sinn der Gesetze verstanden hat, nämlich: Liebe zu gestalten, und der deshalb fähig und bereit ist, um der Liebe willen auch sich über Paragraphen hinwegzusetzen. Oder neue Paragraphen zu machen, in denen die Liebe besser gestaltet ist. So ist heute eine Neue Weltwirtschaftsordnung dringend geboten, um die Schere zwischen armen Ländern und uns Reichen zu verringern.

Christus ist darum das Ende des Gesetzes, weil in ihm, seinem Leben, seinem Denken, seiner Liebe - der innere Sinn des Gesetzes Erfüllung gewonnen hat. Jesus ist über die Buchstaben zum Geist der Liebe hin durchgedrungen. Darum konnte er auch die Buchstaben brechen. Darum konnte er illegal werden, Verbotenes tun als Vorbote der Gerechtigkeit, die gerade die Sünder, die Schwachen liebt.

Israel heute: die einst Schwachen, in unseren Konzentrationslagern Vergasten, sind heute zu Völkermördern geworden. Eifer ja, aber aus ihren eigenen Leidensgeschichten zu lernen, selbst keinem mehr Leid zuzufügen, das haben sie nicht geschafft.

Als Vikar traf ich in Bielefeld vor 2 Jahren einen Penner in der Fußgängerzone. Wir kamen ins Gespräch. Er erzählte. Von Israel, seiner Heimat. Er war Soldat gewesen. Er hatte Araber gejagt, Ägypter  abgeknallt. Er sagte, dass er das nicht verkraftet hat. Er ist wahnsinnig geworden mit diesem Gefühl, ein Mörder zu sein und von den frommen Juden im Lande als Held geehrt zu werden. Er wurde ins Irrenhaus gebracht. Dort kam er irgendwie wieder heraus. Seitdem irrt er ziellos und haltlos durch die Welt, ein Landstreicher in Europa, ein moderner Kain, der seinen Bruder Abel getötet hat.

Liebe Gemeinde! Mit Sicherheit haben gerade wir Deutschen, wir, die Henker-Nation, die Judenmörder, kein Recht, uns zum Richter über Israel aufzuspielen. Aber als ein Volk mit blutigen Händen dürfen wir unsere Erschütterung ohne jede Selbstgerechtigkeit zum Ausdruck bringen über ein Volk, dass sich ein Land erobert hat und die Einwohner systematisch verdrängt und die Palästinenser als Terroristen bezeichnet und erbarmungslos ausrotten will. Und damit die völlig unschuldige Bevölkerung des Libanon ausbombt, nicht einmal vor Krankenhäusern halt macht.

Die Opfer von einst sind zu Henkern von heute geworden. Sie sind darin doppelte Opfer: sie haben sich ihren Mördern in der Erbarmungslosigkeit ihres Vorgehens angepasst, sind nicht mehr von ihren Mördern zu unterscheiden. Deutsche oder Juden - ich sehe den Unterschied nicht mehr. Nur eines dürfen wir hoffen: dass der Zorn und die Gerechtigkeit Gottes beiden gilt, Juden und Deutschen. Und dass wir alle im letzten Grund von einer Art von Gerechtigkeit gerichtet werden, die Jesus aufgerichtet hat und die weder Juden noch Deutsche verdient haben: Liebe. Amen.