Christuskirche
Bochum am 19. 9. 1982
Lieder:
122,1 -4; 5 + 8 + 9; 445, 1 - 3; 4 + 5; 140
Christus
hat die Kirche geliebt. Die Kirche ist geheiligt. Reinigung
geschieht durch die Taufe. Die Kirche in herrlicher Gestalt. Ohne
Flecken,
Runzeln, Makel. Wir, die Kirche, sind Glieder am Leib Christi. Die
Liebe
vereint die Leiber. Ihr Männer, liebet eure Frauen. Die
Pflicht der Männer zur
Frauenliebe. Wie sich selbst nähren und hegen, wie den eigenen
Leib verwöhnen?
Liebe
Gemeinde, letztes Mal habe ich über die Schönheit
Gottes oder über
Gott und die Schönheit gepredigt. Heute geht es weiter im
Thema. Es geht um
Schönheit und Liebe. Oder auch um die Kirche und ihren
Bräutigam Christus. Oder
auch um Frauen und Männer. In unserem Predigttext sind die
Rollen recht simpel
verteilt. Die Liebe ist für die Männer und
für Christus, den Mann. Die
Schönheit gehört den Frauen und der Kirche, die
vorgestellt ist wie eine schöne
Frau, ohne Flecken, Runzeln, gereinigt, untadelig, makellos.
Kein
Wortfeld bei Paulus über die Schönheit der
Männer, die Schönheit
Christi, und auch keines über die Liebe der Frauen. Vielleicht
gab es damals
beides noch nicht. Die Frauen sollen lediglich Ehrfurcht vor ihren
Männern
haben. Vielleicht durften die Männer damals auch mehr nicht
von ihren Frauen
erwarten, wenn die Frau wie ein Zwischending zwischen Tier und Mensch
behandelt
wurde. Wenn ihre Menschenwürde mit Füßen
getreten wurde; selbst der Satz:
"das Weib schweige in der Gemeinde" ist so dumme und aufgeblasene
Männerarroganz,
daß gegen solche Männer keine Frau Liebe empfinden
kann. Und die Ehrfurcht der
Frauen damals vor ihren Männern war sicherlich mehr Furcht als
Ehrung.
Unsere
jungen Frauen haben das erkannt und sind dabei, die fatale
Teilung der Geschlechts Aufgaben-Frauen, seid schön und
ehrfürchtig; Männer,
ernährt und hegt eure Frauen-zu überwinden. Wir heute
wissen, im Gegensatz zu
Paulus, daß auch Männer schön,
daß Frauen liebevoll sein können, daß auch
Männer Ehrfurcht haben können vor ihren Frauen und
auch Frauen ihre Männer so
intensiv leben können, als wäre es ihr eigener
Körper.
Christus
und die Kirche - wie Mann und Frau? Das war wohl das erste,
weil Mann und Frau vor Christus, schon vor der
Kirche geschaffen waren.
Und auch ihre Liebe. Darum wäre es vernünftig, wenn
Paulus, nach alter Jesusmanier
der Gleichnisrede sagen würde: Christus und die Kirche sind in
ihrem Verhältnis
etwa so wie Mann und Frau. Das Gleichnis vom Bräutigam und den
klugen und
törichten Jungfrauen würde uns das illustrieren. Wir
sollten dann übrigens
aufmerken: nicht eine, sondern zehn
Jungfrauen. Christus hat
viele Frauen. Er ist Haremsbesitzer. Wir sind Christi Harem. Und jetzt
kommt
Paulus und redet umgekehrt und sagt: Mann und Frau sollen sich
verhalten, wie
Christus und die Kirche. Also auch polygam, auch einen
Bräutigam auf zehn
Jungfrauen? Der wirklich gelungene Vergleich würde unsere
Ehemoral doch
einigermaßen schockieren! Darum Vorsicht mit Vergleichen,
lieber Herr Paulus.
Weiterhin Vorsicht mit dem vollmundigen Lob der durch die Taufe
gesäuberten,
parfümierten, herrlichen Gestalt der Kirche, ohne Runzeln und
Flecken. Nur wer altersblind
ist, sieht nicht die Runzeln und Flecken unserer alten, müden
Mutterkirche, und
mir wäre lieber, die Kirche wäre nicht so herrlich,
dafür aber um so
freundlicher, nämlich wirklich von Frauen geprägt und
geleitet, statt daß
Männer die Befehle und Worte machen und Frauen die Arbeit, die
wirkliche und
harte Arbeit. Wenn mehr Frauen Entscheidungsfunktionen in unserem
großen Kirchenleib
übernehmen würden, so wäre vieles in diesem
Leib Christi mütterlicher, wärmer
und liebevoller.
Es
ist nicht einfach mit Christus und der Kirche. Und es ist auch nicht
einfach mit Mann und Frau. Ich sage beides in einem Satz: es ist nicht
einfach
mit der Liebe. Damit bin ich bei meinem Lieblingsthema nach dem Motto:
Hunde die
bellen, beißen nicht, oder: was man nicht erlebt,
darüber redet man am
liebsten.
Wenn
wir die Augen zudrücken bei Paulus in seinem schiefen
Vergleich der
Kirche mit einer schönen Frau, zu Christi Wohlgefallen ohne
Runzeln, also
niemals gealtert; wenn wir wegsehen über den Irrtum, Frauen
mit Falten sein
weniger untadelig oder schön; wenn wir Paulus die
frauenfeindliche Arroganz
verzeihen, die Frau soll er dem Mann untertan sein statt gleiche Rechte
und
gleiche Liebe gelten zu lassen - so bleibt doch eine Wahrheit an dem
Gleichnis
Christus und Kirche alias Mann und Frau: die Liebe vereint die Leiber.
Beim
Mann und Frau ist das ganz sinnlich spürbar, wie aus zwei
Menschen eine
Gemeinschaft wird, wie ein Rhythmus die beiden ineinander verschmelzen
lässt,
wo das Gefühl der völligen Hingabe an den anderen
für Augenblicke zu der
Erfahrung führt: Du bist mein Leib. Und wie ich meinen
Körper liebe, so kann
ich auch deinen lieben, und nur wer seinen Körper lieben kann,
der kann auch
den seines/seiner Geliebten lieben. Unsere Eheberater wissen zu
erzählen, wie
Selbsthass zum Hass auf den Partner werden kann. "Wer seine Frau liebt,
der liebt sich selbst", sagt Paulus. Aber nur wer sich selbst lieben
kann,
kann auch seine Partner lieben.
Wir
haben zu viele Menschen, die sich insgeheim für unausstehlich
halten. Und die müssen sich und anderen dann ständig
beweisen, wie toll sie
sind. Ich kenne das von mir und weiß es von anderen. Man
mißtraut dem anderen
dann ständig, daß er einen gar nicht wirklich liebt.
Denn man ist ja
unausstehlich. Und der andere muß das ja auch so sehen. Er
ist im Grunde
angewidert, gelangweilt oder enttäuscht, aber will einen das
nicht so direkt
merken lassen. Man kann ihm gar nicht recht glauben, daß er
einen liebenswert
findet. Man kann sich gar nicht ganz seiner Liebe anvertrauen, sich in
sie
hinein fallenlassen, sich lieben lassen. Man will es schnell gut
machen,
zurückzahlen durch eigene Bemühungen. Mann strengt
sich an zu Nettigkeiten, um
geliebt zu werden. Will es dem anderen recht machen, tut alles
mögliche, um
liebenswert zu erscheinen. - Ich weiß noch nicht sehr viel
über Liebe. Aber ich
glaube, es ist gut, wenn wir weniger Liebe machen
würden und dafür mehr
Liebe lassen würden, zulassen
würden. Wir müssen uns lieben
lassen, die Liebe des anderen annehmen können. Wir haben
nämlich auch Angst vor
der Liebe des anderen. Sie könnte uns zudringlich werden. Uns
überschwemmen.
Und wir haben Angst vor unserer eigenen Liebe. Sie könnte den
anderen
vereinnahmen, sie könnte auf Granit prallen und wir haben
genug Ablehnungen
unsere Liebe erlebt, um ganz ganz vorsichtig geworden zu sein. Sich
bloß keine
Blöße geben! Sogar das Reden über Liebe
erleben wir oft als beängstigend. Weniger
Liebe machen, mehr Liebe zulassen, sich gefallen lassen. Weil
nämlich: da ist
einer, der hat diese runzelige, dreckige Mutterkirche so sehr geliebt,
daß er
seinen dreckigen, blutverschmierten Leib hat auf Holz nageln lassen.
Der hat
unsere Leiber so sehr lieb gehabt, daß er uns seinen Leib
gegeben hat. Und wir
essen ihn mit Brot und Wein und genießen seine Liebe. Amen.