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Predigt über Epheser 5, 25 - 33

Christuskirche Bochum am 19. 9. 1982

Lieder: 122,1 -4; 5 + 8 + 9; 445, 1 - 3; 4 + 5; 140

Christus hat die Kirche geliebt. Die Kirche ist geheiligt. Reinigung geschieht durch die Taufe. Die Kirche in herrlicher Gestalt. Ohne Flecken, Runzeln, Makel. Wir, die Kirche, sind Glieder am Leib Christi. Die Liebe vereint die Leiber. Ihr Männer, liebet eure Frauen. Die Pflicht der Männer zur Frauenliebe. Wie sich selbst nähren und hegen, wie den eigenen Leib verwöhnen?

Liebe Gemeinde, letztes Mal habe ich über die Schönheit Gottes oder über Gott und die Schönheit gepredigt. Heute geht es weiter im Thema. Es geht um Schönheit und Liebe. Oder auch um die Kirche und ihren Bräutigam Christus. Oder auch um Frauen und Männer. In unserem Predigttext sind die Rollen recht simpel verteilt. Die Liebe ist für die Männer und für Christus, den Mann. Die Schönheit gehört den Frauen und der Kirche, die vorgestellt ist wie eine schöne Frau, ohne Flecken, Runzeln, gereinigt, untadelig, makellos.

Kein Wortfeld bei Paulus über die Schönheit der Männer, die Schönheit Christi, und auch keines über die Liebe der Frauen. Vielleicht gab es damals beides noch nicht. Die Frauen sollen lediglich Ehrfurcht vor ihren Männern haben. Vielleicht durften die Männer damals auch mehr nicht von ihren Frauen erwarten, wenn die Frau wie ein Zwischending zwischen Tier und Mensch behandelt wurde. Wenn ihre Menschenwürde mit Füßen getreten wurde; selbst der Satz: "das Weib schweige in der Gemeinde" ist so dumme und aufgeblasene Männerarroganz, daß gegen solche Männer keine Frau Liebe empfinden kann. Und die Ehrfurcht der Frauen damals vor ihren Männern war sicherlich mehr Furcht als Ehrung.

Unsere jungen Frauen haben das erkannt und sind dabei, die fatale Teilung der Geschlechts Aufgaben-Frauen, seid schön und ehrfürchtig; Männer, ernährt und hegt eure Frauen-zu überwinden. Wir heute wissen, im Gegensatz zu Paulus, daß auch Männer schön, daß Frauen liebevoll sein können, daß auch Männer Ehrfurcht haben können vor ihren Frauen und auch Frauen ihre Männer so intensiv leben können, als wäre es ihr eigener Körper.

Christus und die Kirche - wie Mann und Frau? Das war wohl das erste, weil Mann und Frau vor Christus, schon vor der Kirche geschaffen waren. Und auch ihre Liebe. Darum wäre es vernünftig, wenn Paulus, nach alter Jesusmanier der Gleichnisrede sagen würde: Christus und die Kirche sind in ihrem Verhältnis etwa so wie Mann und Frau. Das Gleichnis vom Bräutigam und den klugen und törichten Jungfrauen würde uns das illustrieren. Wir sollten dann übrigens aufmerken: nicht eine, sondern zehn Jungfrauen. Christus hat viele Frauen. Er ist Haremsbesitzer. Wir sind Christi Harem. Und jetzt kommt Paulus und redet umgekehrt und sagt: Mann und Frau sollen sich verhalten, wie Christus und die Kirche. Also auch polygam, auch einen Bräutigam auf zehn Jungfrauen? Der wirklich gelungene Vergleich würde unsere Ehemoral doch einigermaßen schockieren! Darum Vorsicht mit Vergleichen, lieber Herr Paulus. Weiterhin Vorsicht mit dem vollmundigen Lob der durch die Taufe gesäuberten, parfümierten, herrlichen Gestalt der Kirche, ohne Runzeln und Flecken. Nur wer altersblind ist, sieht nicht die Runzeln und Flecken unserer alten, müden Mutterkirche, und mir wäre lieber, die Kirche wäre nicht so herrlich, dafür aber um so freundlicher, nämlich wirklich von Frauen geprägt und geleitet, statt daß Männer die Befehle und Worte machen und Frauen die Arbeit, die wirkliche und harte Arbeit. Wenn mehr Frauen Entscheidungsfunktionen in unserem großen Kirchenleib übernehmen würden, so wäre vieles in diesem Leib Christi mütterlicher, wärmer und liebevoller.

Es ist nicht einfach mit Christus und der Kirche. Und es ist auch nicht einfach mit Mann und Frau. Ich sage beides in einem Satz: es ist nicht einfach mit der Liebe. Damit bin ich bei meinem Lieblingsthema nach dem Motto: Hunde die bellen, beißen nicht, oder: was man nicht erlebt, darüber redet man am liebsten.

Wenn wir die Augen zudrücken bei Paulus in seinem schiefen Vergleich der Kirche mit einer schönen Frau, zu Christi Wohlgefallen ohne Runzeln, also niemals gealtert; wenn wir wegsehen über den Irrtum, Frauen mit Falten sein weniger untadelig oder schön; wenn wir Paulus die frauenfeindliche Arroganz verzeihen, die Frau soll er dem Mann untertan sein statt gleiche Rechte und gleiche Liebe gelten zu lassen - so bleibt doch eine Wahrheit an dem Gleichnis Christus und Kirche alias Mann und Frau: die Liebe vereint die Leiber. Beim Mann und Frau ist das ganz sinnlich spürbar, wie aus zwei Menschen eine Gemeinschaft wird, wie ein Rhythmus die beiden ineinander verschmelzen lässt, wo das Gefühl der völligen Hingabe an den anderen für Augenblicke zu der Erfahrung führt: Du bist mein Leib. Und wie ich meinen Körper liebe, so kann ich auch deinen lieben, und nur wer seinen Körper lieben kann, der kann auch den seines/seiner Geliebten lieben. Unsere Eheberater wissen zu erzählen, wie Selbsthass zum Hass auf den Partner werden kann. "Wer seine Frau liebt, der liebt sich selbst", sagt Paulus. Aber nur wer sich selbst lieben kann, kann auch seine Partner lieben.

Wir haben zu viele Menschen, die sich insgeheim für unausstehlich halten. Und die müssen sich und anderen dann ständig beweisen, wie toll sie sind. Ich kenne das von mir und weiß es von anderen. Man mißtraut dem anderen dann ständig, daß er einen gar nicht wirklich liebt. Denn man ist ja unausstehlich. Und der andere muß das ja auch so sehen. Er ist im Grunde angewidert, gelangweilt oder enttäuscht, aber will einen das nicht so direkt merken lassen. Man kann ihm gar nicht recht glauben, daß er einen liebenswert findet. Man kann sich gar nicht ganz seiner Liebe anvertrauen, sich in sie hinein fallenlassen, sich lieben lassen. Man will es schnell gut machen, zurückzahlen durch eigene Bemühungen. Mann strengt sich an zu Nettigkeiten, um geliebt zu werden. Will es dem anderen recht machen, tut alles mögliche, um liebenswert zu erscheinen. - Ich weiß noch nicht sehr viel über Liebe. Aber ich glaube, es ist gut, wenn wir weniger Liebe machen würden und dafür mehr Liebe lassen würden, zulassen würden. Wir müssen uns lieben lassen, die Liebe des anderen annehmen können. Wir haben nämlich auch Angst vor der Liebe des anderen. Sie könnte uns zudringlich werden. Uns überschwemmen. Und wir haben Angst vor unserer eigenen Liebe. Sie könnte den anderen vereinnahmen, sie könnte auf Granit prallen und wir haben genug Ablehnungen unsere Liebe erlebt, um ganz ganz vorsichtig geworden zu sein. Sich bloß keine Blöße geben! Sogar das Reden über Liebe erleben wir oft als beängstigend. Weniger Liebe machen, mehr Liebe zulassen, sich gefallen lassen. Weil nämlich: da ist einer, der hat diese runzelige, dreckige Mutterkirche so sehr geliebt, daß er seinen dreckigen, blutverschmierten Leib hat auf Holz nageln lassen. Der hat unsere Leiber so sehr lieb gehabt, daß er uns seinen Leib gegeben hat. Und wir essen ihn mit Brot und Wein und genießen seine Liebe. Amen.