Erntedankfestgottesdienst
um 10 Uhr am 3. Oktober 1982 in der Christuskirche
Für
eine gute Ernte danken? Wir sind doch nicht auf einem
Dorf! Uns kann es doch egal sein, ob wir eine gute Ernte haben. Denn
das
meiste, was wir essen, kommt aus fremden Ländern. "Und gib uns
unser
Tägliches Brot heute." So beten wir und wissen, daß
wir pünktlich aus der
Brotfabrik beliefert werden. Unsere Sorge ist eher: Wohin mit
Butterberg,
Fleischberg, wohin mit zuviel Weizenernte. Im Zweifelsfall ins Meer,
damit die
Preise stabil bleiben. Ist es nicht zynisch, Gott zu danken,
daß wir das
zweitreichste Land auf der Welt sind und auf unsere Kosten Menschen
anderer
Länder verhungern? Erntedank feiern heißt
für uns: Unsere Hoffnung und
Vorfreude zum Ausdruck bringen auf eine Welt, in der keiner mehr
hungert. Und
überlegen, was wir dazu tun können.
Am
Schluß des Gottesdienstes kann man am 3.Welt-Stand Tee,
Kaffee, Jutetasche, Kunsthandwerk, Honig usw. kaufen. Wir laden alle,
auch
unsere ausländischen Mitbürger, ein, mitzufeiern!
Jetzt Sonntag, 10 Uhr. Mit
alten und neuen Liedern für junge und alte Menschen. Mit
Kindergarten, Chor und
Band, Brot und Wein, Äpfeln und Weintrauben.
Predigt
über Jes
49,1-6
Wir
drehen einmal die Zeit zurück. Ganz weit. Noch lange
bevor Jesus gelebt hat. Genau 597 Jahre vor seiner Geburt. Und wir sind
nicht
in Germanien sondern in Babylon. Da sitzen die Priester, Politiker
Handwerker,
Gutsbesitzer und Lehrer von den Israeliten. Alle sind sie Gefangene der
Babylonier. Jerusalem ist zerstört, bis auf den letzten Stein
haben die
Babylonier alles abgerissen und kaputtgemacht. Nur ein paar kleine,
arme Bauern
wohnen noch in Israel. Alle, die etwas gescheites gelernt haben,
mussten als
Gefangene nach Babylon und dort für den König von
Babel, für Nebukadredsar arbeiten.
Der
war damals Weltmacht Nummer eins. Wie heute Mister Reagan.
Über 50 Jahre mussten die israelischen Gefangenen in Babylon
bleiben. Viele
starben, es wurden Kinder geboren, die noch nie Jerusalem gesehen
hatten. Einer
von denen machte Ärger. Er spottet über die
Babylonier, sowie heute einige auf
die Amis und noch viel mehr in unserem Land auf die Russen schimpfen.
Nur, auf
die Russen schimpfen, tut keinem weh. Wer auf die Amis schimpft, der
muss schon
aufpassen, dass man ihm nicht auf die Pfoten Haut. Nennen wir diesen
jungen
Mann einmal Jesaja, den jüngeren. Er sieht eine neue
Großmacht wachsen und
weiß, dass die Perser mit ihrem König Kyros II. den
Babyloniern die Macht
streitig machen werden. Und das wird die Stunde der Freiheit sein
für alle
israelischen Gefangenen an den Wasserflüssen Babylons.
"Hört auf mich, ihr
Ufer, passt auf, ihr Völker aus aller Welt! Von klein auf hat
Gott mich berufen
und mir eine scharfe Zunge gegeben. Er hat mich in seinem Schutz
genommen und
mich zu einer Waffe gegen die Babylonier gemacht. Er sagte zu mir: du
bist mein
Knecht du wirst meine Herrlichkeit allen aufdecken." Und Jesaja, der
Jüngere, erzählt von seinem Gespräch mit
Gott, der ihn zum Kämpfer für die
Freiheit des unterdrückten Volkes macht. Er erzählt
von seinem Zweifel, ob er
überhaupt etwas erreicht mit seiner prophetischen Predigt.
"Umsonst habe
ich mich bemüht, nutzlos, für nichts meine Kraft
vergeudet", sagt er,
"aber Gott wird mir letzten Endes Recht geben und bestätigen,
dass es
richtig war, was ich gesagt und getan habe." Und Jesaja der
Jüngere
erzählt von seinem Auftrag. Er soll die Gefangenen aus Israel
ermutigen, denn
es wird bald in die Heimat zurückgehen. Kein Mensch wagte noch
darauf zu
hoffen. So wie heute doch kaum einer noch zu hoffen wagt, dass wir eine
Welt
ohne Hunger, ohne ungerechten Tausch mit den
Entwicklungsländern erleben
werden. Oder eine Welt ohne Krieg, ohne Atombomben, ohne Waffen
überhaupt. Oder
eine Welt ohne Arbeitslose. Wir wissen doch alle nicht mehr weiter, und
das
Gefühl, dass es die in Bonn und Washington und Moskau nicht
schaffen, haben wir
alle. No future, keine Zukunft. Es ist aussichtslos. Also
trösten wir uns mit
unserem Wohlstand und schimpfen am Stammtisch noch ein wenig, mehr aus
schlechtem Gewissen, dass wir es auch nicht besser können, als
aus wirklichen
Willen zum besseren Zustand unserer Welt. Wir sind apathisch geworden.
Hauptsache, wir leben noch. Alles andere soll uns recht sein. Auch,
wenn es
Unrecht ist, was zum Himmel schreit, wie etwa das Gemetzel der
sogenannten
christlichen Milizen in den Lagern der Palästinensern. Oder
die Tatsache dass
560 Millionen Menschen, fast zehnmal so viel wie wir in der
Bundesrepublik,
dass so viel Menschen weniger als umgerechnet 30 Pfennig pro Tag zum
Leben
haben. Kinder, die als einzige Wohnung eine Plastiktüte zum
Reinschlüpfen bei
Regen oder Schnee haben. Wir kennen die Bilder des Grauens. Wir kennen
das
Unrecht. Wir haben uns daran gewöhnt. Bilder, es sind ja nur
Bilder. Worte, es
sind ja nur Worte. Der Pastor sagt sie, heute wie jedes Jahr. Wir
hören Sie und
vergessen Sie ganz schnell wieder. Uns soll alles recht sein,
Hauptsache wir
leben noch.
Genauso
damals die israelischen Gefangenen in Babylon. Sie
wollten auch nichts hören von diesem Propheten Jesaja, dem
jüngeren. Sie
wollten ihre Ruhe haben, hatten ihre eigenen Sorgen. Der Prophet Jesaja
musste
sterben, weil er die Leute mit seinem Gerede von der Freiheit, von der
Befreiung aus der Gefangenschaft aufgewiegelt hatte. Man machte ihm den
Prozess. Dann war die Ruhe wieder hergestellt. Aber diese Rechnung
hatte man
ohne Gott gemacht. Der hat nämlich die Gefangenen befreit. Der
hat die
Hoffnungen Jesajas des Jüngeren, bestätigt. Der hat
alte Wunden geheilt und
vieles wieder gut gemacht.
Und
die größte Verheißung Gottes an den
Propheten Jesaja den
jüngeren war: "Ich will dich zum Licht der Völker
machen, dass mein Heil
reicht bis ans Ende der Erde." Licht schafft Klarheit. Im Dunkeln
weiß man
nicht, wo es weitergeht. Man stößt sich, stolpert,
fällt auf die Nase. Licht
braucht man, um zu gehen, um weiterzukommen. Straßenlaterne,
Autoscheinwerfer
und der Darmol-Leuchter früher beim nächtlichen Gang
aufs Klosett können uns
das zeigen. Licht der Völker, das ist mehr als das Rampenlicht
der politischen
Rednerbühnen. In einer Zeit, wo keiner weiß, wo es
lang geht, wie es besser zu
machen ist, und auch unsere neue Regierung wird es nicht besser machen,
sondern
nur härter für die, deren Leben eh schon hart ist, -
in solch finsterer Zeit
ist Licht nötig. Ein Licht, eine Erleuchtung, die uns den Weg
zeigt, den Ausweg
aus der Katastrophe, in die wir schlittern, den Weg zu einer Welt, wo
man
überall das Heil Gottes sehen kann. Eine kindliche Hoffnung,
der Traum von
einer heilen Welt. Oft genug zerschlagen, enttäuscht,
desillusioniert. Bisher
hat die Welt, besonders die Dritte Welt, die armen Länder,
immer nur unsere
großen Worte vom Heil Gottes gehört, unsere Rede vom
brüderlichen Zusammensein
aller Christen, unsere grossmütige Entwicklungshilfe, die
weniger als 1%
unseres Haushaltes ausmacht. Bis jetzt hat die Dritte Welt unser
Irrlicht
gesehen und sich jedes Mal aufs Neue täuschen lassen von
unserer christlichen
Hilfsbereitschaft.
Aber
es gibt nicht nur Irrlichter. Es gibt auch wirkliche
Klarheit, es gibt gangbare, aber harte Wege zum Heil Gottes, zum Ende
von
Hunger und Krieg, Armut und Elend. Es ist eine Lüge, zu sagen,
dass es keinen
Weg zur Sättigung aller Menschen gibt. Noch nie hatten wir so
viel Überfluss
wie heute. Noch nie haben so viele Menschen gehungert. Es liegt an der
ungerechten Verteilung der Nahrung, nicht am Mangel an Brot.
Ich
werde versetzt. Einer der Gründe ist, dass ich
Heiligabend ganz konkrete Ratschläge gegeben habe, was wir
hier in Bochum tun
können zum Ende des Hungers. Im Landeskirchenamt sagte man
mir, es sei zwar
richtig, was ich gesagt habe, aber es gehöre nicht in eine
Predigt. Es ist zwar
richtig, weniger Fleisch zu essen, weil von dem Getreide, was wir
für einen
Fleischesser an Tiere verfüttern, 7 Menschen satt werden
könnten und nicht nur
einer. Aber ich darf es nicht sagen. Es gibt konkrete
Möglichkeiten, außer
Spenden zum Ende des Hungers beizutragen. Aber sie sind unbequem. Wir
mögen sie
nicht. Sie stören unsere Ruhe. Beim Dritte Welt-Stand
hängt an der Tür ein
dunkelgrünes Plakat. Darauf stehen solche Tipps, die uns so
unbequem sind. Ich
möchte uns Mut machen: wir können Licht für
die Welt werden. Wir können durch
unseren guten, überlegten Einkauf unseren Teil, einen
unbequemen Teil dazu
beitragen, dass alle Menschen Gottes Heil sehen und satt werden. Amen.
Fürbittengebet
Lieber
Gott, wir danken Dir für Deine Gaben, in diesem Jahr.
Wir bitten Dich, daß es uns im nächsten Jahr nicht
schlechter geht.
Herr,
erbarme Dich!
Lieber
Gott, auf dieser Welt gibt es soviel Elend und
Hunger. Wir bitten Dich, daß die Menschen, die in Not leben
alles bekommen was
sie jetzt brauchen.
Herr,
erbarme Dich!
Lieber
Gott, hilf den armen Menschen und den kleinen Bauern,
daß sie eigenes Land bekommen und nicht für uns Tee,
Kaffee und Bananen anbauen
müssen und das die Großgrundbesitzer nicht noch
reicher werden.
Herr,
erbarme Dich!
Lieber
Gott, laß die Großmächte keine Waffen mehr
bauen,
sondern das Geld fürdie Entwicklung der Kleinbauern einsetzen,
damit sie sich
Maschinen, Land, Vieh und Getreide kaufen können.
Herr,
mach uns Mut, daß wir bescheidener Leben lernen,
daß
wir versuchen, mit weniger Fleisch und Genußmitteln
auszukommen. Hilf uns darin
unsere Aufgabe im Kampf gegen den Hunger und die Armut zu entdecken.
Herr,
lehre uns zu teilen.