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Jesaja 49,1-6

Erntedankfestgottesdienst um 10 Uhr am 3. Oktober 1982 in der Christuskirche

Für eine gute Ernte danken? Wir sind doch nicht auf einem Dorf! Uns kann es doch egal sein, ob wir eine gute Ernte haben. Denn das meiste, was wir essen, kommt aus fremden Ländern. "Und gib uns unser Tägliches Brot heute." So beten wir und wissen, daß wir pünktlich aus der Brotfabrik beliefert werden. Unsere Sorge ist eher: Wohin mit Butterberg, Fleischberg, wohin mit zuviel Weizenernte. Im Zweifelsfall ins Meer, damit die Preise stabil bleiben. Ist es nicht zynisch, Gott zu danken, daß wir das zweitreichste Land auf der Welt sind und auf unsere Kosten Menschen anderer Länder verhungern? Erntedank feiern heißt für uns: Unsere Hoffnung und Vorfreude zum Ausdruck bringen auf eine Welt, in der keiner mehr hungert. Und überlegen, was wir dazu tun können.

Am Schluß des Gottesdienstes kann man am 3.Welt-Stand Tee, Kaffee, Jutetasche, Kunsthandwerk, Honig usw. kaufen. Wir laden alle, auch unsere ausländischen Mitbürger, ein, mitzufeiern! Jetzt Sonntag, 10 Uhr. Mit alten und neuen Liedern für junge und alte Menschen. Mit Kindergarten, Chor und Band, Brot und Wein, Äpfeln und Weintrauben.

 

Predigt über Jes 49,1-6

Wir drehen einmal die Zeit zurück. Ganz weit. Noch lange bevor Jesus gelebt hat. Genau 597 Jahre vor seiner Geburt. Und wir sind nicht in Germanien sondern in Babylon. Da sitzen die Priester, Politiker Handwerker, Gutsbesitzer und Lehrer von den Israeliten. Alle sind sie Gefangene der Babylonier. Jerusalem ist zerstört, bis auf den letzten Stein haben die Babylonier alles abgerissen und kaputtgemacht. Nur ein paar kleine, arme Bauern wohnen noch in Israel. Alle, die etwas gescheites gelernt haben, mussten als Gefangene nach Babylon und dort für den König von Babel, für Nebukadredsar arbeiten.

Der war damals Weltmacht Nummer eins. Wie heute Mister Reagan. Über 50 Jahre mussten die israelischen Gefangenen in Babylon bleiben. Viele starben, es wurden Kinder geboren, die noch nie Jerusalem gesehen hatten. Einer von denen machte Ärger. Er spottet über die Babylonier, sowie heute einige auf die Amis und noch viel mehr in unserem Land auf die Russen schimpfen. Nur, auf die Russen schimpfen, tut keinem weh. Wer auf die Amis schimpft, der muss schon aufpassen, dass man ihm nicht auf die Pfoten Haut. Nennen wir diesen jungen Mann einmal Jesaja, den jüngeren. Er sieht eine neue Großmacht wachsen und weiß, dass die Perser mit ihrem König Kyros II. den Babyloniern die Macht streitig machen werden. Und das wird die Stunde der Freiheit sein für alle israelischen Gefangenen an den Wasserflüssen Babylons. "Hört auf mich, ihr Ufer, passt auf, ihr Völker aus aller Welt! Von klein auf hat Gott mich berufen und mir eine scharfe Zunge gegeben. Er hat mich in seinem Schutz genommen und mich zu einer Waffe gegen die Babylonier gemacht. Er sagte zu mir: du bist mein Knecht du wirst meine Herrlichkeit allen aufdecken." Und Jesaja, der Jüngere, erzählt von seinem Gespräch mit Gott, der ihn zum Kämpfer für die Freiheit des unterdrückten Volkes macht. Er erzählt von seinem Zweifel, ob er überhaupt etwas erreicht mit seiner prophetischen Predigt. "Umsonst habe ich mich bemüht, nutzlos, für nichts meine Kraft vergeudet", sagt er, "aber Gott wird mir letzten Endes Recht geben und bestätigen, dass es richtig war, was ich gesagt und getan habe." Und Jesaja der Jüngere erzählt von seinem Auftrag. Er soll die Gefangenen aus Israel ermutigen, denn es wird bald in die Heimat zurückgehen. Kein Mensch wagte noch darauf zu hoffen. So wie heute doch kaum einer noch zu hoffen wagt, dass wir eine Welt ohne Hunger, ohne ungerechten Tausch mit den Entwicklungsländern erleben werden. Oder eine Welt ohne Krieg, ohne Atombomben, ohne Waffen überhaupt. Oder eine Welt ohne Arbeitslose. Wir wissen doch alle nicht mehr weiter, und das Gefühl, dass es die in Bonn und Washington und Moskau nicht schaffen, haben wir alle. No future, keine Zukunft. Es ist aussichtslos. Also trösten wir uns mit unserem Wohlstand und schimpfen am Stammtisch noch ein wenig, mehr aus schlechtem Gewissen, dass wir es auch nicht besser können, als aus wirklichen Willen zum besseren Zustand unserer Welt. Wir sind apathisch geworden. Hauptsache, wir leben noch. Alles andere soll uns recht sein. Auch, wenn es Unrecht ist, was zum Himmel schreit, wie etwa das Gemetzel der sogenannten christlichen Milizen in den Lagern der Palästinensern. Oder die Tatsache dass 560 Millionen Menschen, fast zehnmal so viel wie wir in der Bundesrepublik, dass so viel Menschen weniger als umgerechnet 30 Pfennig pro Tag zum Leben haben. Kinder, die als einzige Wohnung eine Plastiktüte zum Reinschlüpfen bei Regen oder Schnee haben. Wir kennen die Bilder des Grauens. Wir kennen das Unrecht. Wir haben uns daran gewöhnt. Bilder, es sind ja nur Bilder. Worte, es sind ja nur Worte. Der Pastor sagt sie, heute wie jedes Jahr. Wir hören Sie und vergessen Sie ganz schnell wieder. Uns soll alles recht sein, Hauptsache wir leben noch.

Genauso damals die israelischen Gefangenen in Babylon. Sie wollten auch nichts hören von diesem Propheten Jesaja, dem jüngeren. Sie wollten ihre Ruhe haben, hatten ihre eigenen Sorgen. Der Prophet Jesaja musste sterben, weil er die Leute mit seinem Gerede von der Freiheit, von der Befreiung aus der Gefangenschaft aufgewiegelt hatte. Man machte ihm den Prozess. Dann war die Ruhe wieder hergestellt. Aber diese Rechnung hatte man ohne Gott gemacht. Der hat nämlich die Gefangenen befreit. Der hat die Hoffnungen Jesajas des Jüngeren, bestätigt. Der hat alte Wunden geheilt und vieles wieder gut gemacht.

Und die größte Verheißung Gottes an den Propheten Jesaja den jüngeren war: "Ich will dich zum Licht der Völker machen, dass mein Heil reicht bis ans Ende der Erde." Licht schafft Klarheit. Im Dunkeln weiß man nicht, wo es weitergeht. Man stößt sich, stolpert, fällt auf die Nase. Licht braucht man, um zu gehen, um weiterzukommen. Straßenlaterne, Autoscheinwerfer und der Darmol-Leuchter früher beim nächtlichen Gang aufs Klosett können uns das zeigen. Licht der Völker, das ist mehr als das Rampenlicht der politischen Rednerbühnen. In einer Zeit, wo keiner weiß, wo es lang geht, wie es besser zu machen ist, und auch unsere neue Regierung wird es nicht besser machen, sondern nur härter für die, deren Leben eh schon hart ist, - in solch finsterer Zeit ist Licht nötig. Ein Licht, eine Erleuchtung, die uns den Weg zeigt, den Ausweg aus der Katastrophe, in die wir schlittern, den Weg zu einer Welt, wo man überall das Heil Gottes sehen kann. Eine kindliche Hoffnung, der Traum von einer heilen Welt. Oft genug zerschlagen, enttäuscht, desillusioniert. Bisher hat die Welt, besonders die Dritte Welt, die armen Länder, immer nur unsere großen Worte vom Heil Gottes gehört, unsere Rede vom brüderlichen Zusammensein aller Christen, unsere grossmütige Entwicklungshilfe, die weniger als 1% unseres Haushaltes ausmacht. Bis jetzt hat die Dritte Welt unser Irrlicht gesehen und sich jedes Mal aufs Neue täuschen lassen von unserer christlichen Hilfsbereitschaft.

Aber es gibt nicht nur Irrlichter. Es gibt auch wirkliche Klarheit, es gibt gangbare, aber harte Wege zum Heil Gottes, zum Ende von Hunger und Krieg, Armut und Elend. Es ist eine Lüge, zu sagen, dass es keinen Weg zur Sättigung aller Menschen gibt. Noch nie hatten wir so viel Überfluss wie heute. Noch nie haben so viele Menschen gehungert. Es liegt an der ungerechten Verteilung der Nahrung, nicht am Mangel an Brot.

Ich werde versetzt. Einer der Gründe ist, dass ich Heiligabend ganz konkrete Ratschläge gegeben habe, was wir hier in Bochum tun können zum Ende des Hungers. Im Landeskirchenamt sagte man mir, es sei zwar richtig, was ich gesagt habe, aber es gehöre nicht in eine Predigt. Es ist zwar richtig, weniger Fleisch zu essen, weil von dem Getreide, was wir für einen Fleischesser an Tiere verfüttern, 7 Menschen satt werden könnten und nicht nur einer. Aber ich darf es nicht sagen. Es gibt konkrete Möglichkeiten, außer Spenden zum Ende des Hungers beizutragen. Aber sie sind unbequem. Wir mögen sie nicht. Sie stören unsere Ruhe. Beim Dritte Welt-Stand hängt an der Tür ein dunkelgrünes Plakat. Darauf stehen solche Tipps, die uns so unbequem sind. Ich möchte uns Mut machen: wir können Licht für die Welt werden. Wir können durch unseren guten, überlegten Einkauf unseren Teil, einen unbequemen Teil dazu beitragen, dass alle Menschen Gottes Heil sehen und satt werden. Amen.

Fürbittengebet

Lieber Gott, wir danken Dir für Deine Gaben, in diesem Jahr. Wir bitten Dich, daß es uns im nächsten Jahr nicht schlechter geht.

Herr, erbarme Dich!

Lieber Gott, auf dieser Welt gibt es soviel Elend und Hunger. Wir bitten Dich, daß die Menschen, die in Not leben alles bekommen was sie jetzt brauchen.

Herr, erbarme Dich!

Lieber Gott, hilf den armen Menschen und den kleinen Bauern, daß sie eigenes Land bekommen und nicht für uns Tee, Kaffee und Bananen anbauen müssen und das die Großgrundbesitzer nicht noch reicher werden.

Herr, erbarme Dich!

Lieber Gott, laß die Großmächte keine Waffen mehr bauen, sondern das Geld fürdie Entwicklung der Kleinbauern einsetzen, damit sie sich Maschinen, Land, Vieh und Getreide kaufen können.

Herr, mach uns Mut, daß wir bescheidener Leben lernen, daß wir versuchen, mit weniger Fleisch und Genußmitteln auszukommen. Hilf uns darin unsere Aufgabe im Kampf gegen den Hunger und die Armut zu entdecken.

Herr, lehre uns zu teilen.