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Predigt über Matthäus 5,9 Jahreslosung 1983

Kamen Heeren am 2.1. 1983

Lieder: 40,1 - 5;     133, 1 - 5;     43,1 - 3 +5;     139

Glücklich die Friedensmacher (Heil den Friedensstiftern), weil: Söhne Gottes werden sie genannt werden.

1. Friedens Redner und Friedens Streiter.

2. Der Sohn Gottes und die Söhne Gottes.

1. Friedensredner und Friedensstreiter.

Wie viele Kriege um des lieben Friedens willen geführt worden sind, kann ich nicht ermessen. Es ist doch klar, daß niemand hinter dem Ofen an die Front hervor zu locken ist, wenn es nicht die gerechte und gute Sache wäre, für die er schießen soll. Und so schießen sie für den Frieden, die Friedens am mähen in Ost und West. Und im Süden, in Namibia, Chile, Argentinien, in den Folter Ländern, wo im Morgengrauen die staatlichen Mordkommando und Todesschwadrone ihre Kundschaft mit Blei in den Kopf beliefern, da geschieht es um so mehr, um den Frieden im Land wiederherzustellen. Wenigstens war die polnische Regierung so ehrlich, ihren Kriegs rechtlichen Ausnahmezustand nicht sogleich als Friedens Übung zu etikettieren.

Keine Neujahrsansprache von Rednern aller Parteien, wo nicht der Frieden als Ziel beschworen wird. Das sollte uns stutzig machen. Frieden ist zum Modewort geworden und erst jetzt, wo es Mode ist, hat sich die Kirche getraut, von der Friedensverantwortung der Christen zu sprechen. Wir haben in Kamen in der Fußgängerzone eine ganze Zeit lang jeden Freitag um 17 Uhr eine Aktion gemacht: „Wir schweigen für den Frieden.“ Erst waren es 15 Leute, schließlich über 60, und das wochenlang. Viele Leute gingen vorbei und haben uns verächtlich vorgehalten: Das nützt ja doch nichts. Und in allen Gesprächen, die dann losgingen, haben die meisten dieser Gegner unseres Schweigens sich das erste Mal wirklich Gedanken gemacht, wie sie stehen zur Kernbewaffnung und was sie da selbst machen wollen. Wer heute lobend vom Frieden redet, der erzeugt doch nur ein vollständiges Nicken der Zuhörer. Und er muß tüchtig aufpassen, daß aus einem Nicken kein Einnicken in den gesunden Kirchschlaf oder Fernsehschlaf wird. Es ist leicht, süß und eine dankbare Aufgabe, und das muß ich an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, durch salbungsvolle Betonung des nationalen Friedenswillens die Leute zu verkohlen und ihnen zur Friedenssicherung gleich noch ein paar neue Friedens-Atomraketen-Modelle schmackhaft zu machen. Im Grunde muß auch ein Staubsaugervertreter nicht Ahnung haben vom Saugen, sondern vielmehr ein guter Prediger sein. Das zieht, wahrscheinlich besser als sein bestes Spitzenmodell.

Undankbar wird die Aufgabe der Friedens Redner erst da, wo es konkret wird. Wo die Rede vom Frieden nicht mehr die moralische Aufmöbelung der eigenen Vorrüstung ist, die natürlich zukünftig nie mehr anders bezeichnet werden wird als unentbehrliche Nachrüstung. Wo die Rede vom Frieden zur Forderung zum Verzicht auf Erweiterung der Waffenarsenale wird. Wo jemand sagt: keine Pershing II, keine Cruise Missiles, weil wir die Russen nicht unnötig provozieren wollen, weil es 35 Jahre auch ohne Mittelstreckenraketen ging und weil die Russen schon jahrzehntelang Mittelstreckenraketen hatten und niemals einer von uns sich über die SS4 und SS5 aufgeregt hat. Das erzeugt Streit. Wenn einer so konkret wird. Genauer: das bringt den Streit der Großmächte in unseren Reihen zur Sprache. Da sind wir gefragt, ob wir der Angst gehorchen wollen, die blind macht, oder der Liebe, die dem Feind Vertrauen lernt. Ob wir die Russen zähmen wollen und uns zu Freunden machen, Schritt für Schritt, oder ob wir sie wie Werwölfe behandeln und dabei zu Tigern werden, die unberechenbar zuschlagen.

Wär so konkret vom Frieden redet, der schafft also Streit. Der scheint also unglaubwürdig, weil er das Gegenteil von dem macht, was er sagt. Es heißt aber: Heil den Friedensmachern, nicht: Heil den Streit machen. Also sagen die Wohlmeinenden: Rede lieber allgemein vom Frieden, das tut keinem weh, da sind sie dann auch alle friedlich. Friedlich bleiben, das heißt doch meistens bei uns: keine eigene Meinung haben oder äußern, die andere nicht teilen können. Friedlich bleiben, sich ducken unter die Mehrheitsmeinung, die von oben gemacht wird. Nicht aufmucken, nicht selbst nachdenken und mitdenken nicht mitsprechen, zu allem schweigen und Ja und Amen sagen. Wenn's sein muß eben auch zu Hunger, Folter, Ausbeutung, Rüstungsexporten in Kriegsgebiete und arme Länder. Friedlich bleiben heißt dann nicht zuletzt: Schweigen oder Ja und Amen sagen zur Nachrüstung mit Mittelstreckenraketen. Um des lieben Friedens willen.

Der Frieden, den wir momentan haben, ist nicht lieb. Der Frieden beruht auf der Möglichkeit, unsere Erde 15 mal hintereinander in die Luft zu jagen. Die Amis nennen das Overkill. Und wir meinen, der Frieden sei sicherer, wenn wir es 16 mal schaffen. Der Frieden ist nicht lieb. Er ist im höchsten Grade gefährdet und wird es noch mehr, wenn die Mittelstreckenraketen kommen. Dieser Frieden ist grausam, denn er tötet schon jetzt Millionen Menschen jährlich, für die nichts zu Essen gekauft werden kann, weil alles Geld in Panzer gesteckt wird in den Ländern der Dritten Welt. Der Frieden unserer Welt ist mörderisch.

2.Der Sohn Gottes und die Söhne Gottes

Und der Frieden Gottes ist auch nicht lieb. Er ist wichtiger und höher als alle Vernunft, aber er ist auch nicht lieb. Wäre das Frieden machen so etwas Liebes, warum wäre es aufgezählt in einer Reihe mit Armut, Trauer, Hunger nach Gerechtigkeit, Verfolgung? Frieden machen ist schrecklich. Nur darum werden die Friedensmacher im Reich Gottes auch als Söhne Gottes verehrt. Im Reich unserer Welt aber sind sie von allen Seiten angefeindet, mitten im Streit stehende Kerle. Leute, die sich zwischen die Kämpfenden schmeißen und dann von allen Seiten zerhackt werden. Und darum ist das Friedensmachen, was Christus, der Sohn Gottes seligpreist, worin er Heil sieht, immer der Gang in die Streitarena. Wenn die Friedensmacher Söhne Gottes,  - welch ein Ehrentitel! -, genannt werden und in ihnen das Heil Gottes Gestalt gewinnt, wäre vielleicht der Sohn Gottes der Vorgänger dieser anderen Söhne Gottes und seine Art, Frieden zu machen, der Weg, auf den er auch uns ziehen will. Die Söhne Gottes schaffen den Frieden des Sohnes Gottes, der nicht gekommen ist, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Nicht Eiapopaia und Köpfenicken, sondern Streit, Vater gegen Sohn, Tochter gegen Mutter. Am besten am sonntäglichen Mittagstisch. Leider, liebe Gemeinde! Das ist der Friede Christi! Er bringt uns zum Streiten. Aber was sind auch nur zehn zerstrittene Sonntage in Heeren gegen die Möglichkeit einer Erde, die wieder wüst und leer ist wie am Anfang der Schöpfung, nur diesmal radioaktiv? Christus kam, zu streiten. Er ging mitten zwischen die Streithähne, er suchte den Streit, er wurde von allen angefeindet, er zog die Wut aller Streitenden auf sich, sie zogen ihn aufs Kreuz, sie kamen unter dem Kreuz zusammen, Römer und Juden, Sadduzäer und Pharisäer. Er nahm auf sich ihren Streit, ihre Schuld. Das ist das Lamm Gottes, was die Sünde der Welt trägt. So schaffte der Sohn Gottes Frieden, auf seine Kosten. Und so schaffen die anderen Söhne Gottes Frieden: Wir, wenn wir den Mut haben zum Streit, uns zerrupfen zulassen. Diese friedliche Welt braucht uns, braucht Gottessöhne, die sich einmischen und mitstreiten. Amen.