Heeren
20.2. 1983
Lieder:
336, 1 - 4; 109,1 - 3; 190, 1 - 4;
Liebe
Gemeinde!
1.
Sie haben da ein Problem. Es heißt Jesus. Das Problem
läuft in der
Hauptstraße im Brennpunkt der Öffentlichkeit herum
und macht Ärger. Sie, die Verantwortlichen
der jüdischen Gemeinde in Jerusalem, etwa im Jahre 30, haben
ihre begründeten
Sorgen, wie sie ausgleichen können, zwischen der
Besatzungsmacht Rom und ihrer
Generalität in Jerusalem und den oppositionellen Gruppen im
Land, die sich
wehren gegen die fremde Macht, gegen die Kolonialmacht, die das Land
ärmer und
ärmer macht. Sie, die Hohenpriester Jerusalems, wollen
Blutvergießen vermeiden.
Sie wissen, daß Aufruhr von der römischen Legion
stets blutig niedergeschlagen
wird und versuchen daher, alle Möglichkeiten blutige
Ausschreitungen im Keim zu
ersticken, indem sie auch schon kleine Unruheherde ausnehmen und kalt
stellen.
Und Jesus war so ein Unruheherd, der kalt gemacht werden
mußte, um Schlimmeres
zu verhindern. Man sah sich eine Weile nun schon an, wie er mit seinen
Gefährten in Jerusalem im Tempel den ganzen Tag lang die
Pilger des ganzen
Landes agitierte. Nachts ging er mit seiner Gruppe auf den
Ölberg zur
Übernachtung, am nächsten Tag stand er wieder vor den
Tempeltoren. So ging das
nun schon eine Weile. Die Spannung wuchs. Das Volk wurde unruhig,
aufgehetzt.
Die Römer wurden langsam nervös. Man mußte
einschreiten. Jesus wußte, es war
soweit. Noch ein letztes Mal feierten sie zusammen das Passahfest, das
Fest der
Befreiung aus ägyptischer Sklaverei. Die Jesusgruppe feiert
das Fest der
Befreiung in der römischen Knechtschaft im Wissen,
daß sie die Freiheit nicht
erkämpfen können, auch nicht, wenn jeder zwei
Schwerter hätte statt seines
Mantels. Sie ahnen, die Römer werden bald zuschlagen. Sie
werden bald Opfer des
römischen Terrors. Sie werden bald als Terroristen gesucht,
gefangengenommen
und abgeurteilt. Schon 100 Jahre vorher hatte der König
Alexander Janneus 800
Aufrührer kreuzigen lassen. Schon oft in letzter Zeit hatten
die römischen Besatzungstruppen
sogar unter harmlosen Pilgern im Tempel Massaker angerichtet.
Jesus
feiert angesichts dieser Schrecken, angesichts des drohenden
Terrors der Staatsmacht, in dieser Nacht das Fest der Befreiung. Er
feiert
Abendmahl. Er will, daß wir mitfeiern. Darum feiern wir mit,
jeden Monat in
unseren Gottesdiensten: Abendmahl als Fest der Befreiung von Schuld und
Angst,
Befreiung zu neuem Leben. Obwohl wir so gut wie Jesus wissen,
daß damit noch
lange kein neuer Himmel entsteht. sondern das Schlimme Ende vielleicht
sogar
erst noch richtig anfängt. Jesus feiert die Befreiung schon
vor der sicheren
Niederlage. Er weiß, daß Gottes Freiheit verraten
wäre, wenn er sich jetzt aus
dem Staub machen würde. Jesus weiß, er zieht vor den
Römern und dem Synhedrium,
dem Hohen Rat, den Kürzeren. Er wird wie Johannes der
Täufer, ins Gefängnis
kommen, ja wahrscheinlich sterben. Und er weiß, nur wenn er
sich nicht beugen
läßt, wenn er für die Gnade und
Barmherzigkeit Gottes mit seinem Leben einsteht
und mit seinem Tod, nur dann wird Gottes Freiheit stärker
werden als die Waffen
der Römer. Nur dann wird sein Volk begreifen, daß
die Botschaft von der Liebe
Gottes selbst durch den stärksten Haß nicht klein zu
kriegen ist, daß die
gewaltlose Verteidigung der Freiheit Gottes über die Waffen
seiner Gegner eben
noch in der Niederlage, noch im Kreuz siegen wird darum feiert Jesus
Abendmahl:
weil die neue Freiheit aus Gott, in der er lebt, durch keine
Niederlage, durch
dein Kreuz zu bremsen ist. Weil Gott durch kein Kreuz zu bremsen ist.
2.
Aber schon beim Mal der Befreiung, beim Abendmahl, daß seine
Erfüllung erst finden wird im Reich Gottes, schon da wird die
Gemeinschaft
getrübt. Schon beim gemeinsamen Essen spricht Jesus von
Verrat. Schon während
der neue Bund besiegelt wird, spricht Jesus von dem Opfer,
daß es kostet. Schon
während sie einmütig ihre Gemeinschaft feiern, bricht
Streit aus, wer von ihnen
der größte Saal. Schon während im Abendmahl
der Grundstein für unsere Kirche
als Gemeinschaft mit Jesus gelegt wird, bröckelt der Lehm und
Kalk.
Und
erst recht Petrus, der Gefährte mit der großen
Leidenschaft für
Jesus Sache, ist ein sehr bröseliger Stein auf dem die Kirche
gebaut wird.
Dieser Mann der einmal der erste Bischof der jungen Kirche werden wird,
ist ein
Windhund mit großem Sprüchen und kleinem Mut. Er ist
kein Held aber er will
einer sein. Er tobt, wie die anderen auch, seine Fantasien vom
Heldendrama aus.
Gefangennahme, ja Tod, ist er bereit, für Jesus, seinen
Gefährten auf sich zu
nehmen. Er geht durch dick und dünn, so stellt er es sich vor.
Getreu bis in
den Tod, um die Krone des Lebens, einen Sonderparkplatz auf den
zwölf Thronen
im Ratssitz Gottes zu ergattern. Vom Abendmahlswein beschwingt, kommen
die
himmlischen Karrieregelüste und die heidnischen Posen
über die gelösten Lippen.
Vielleicht verkennt Petrus nicht den Ernst der Lage. Aber er verkennt
die Macht
seiner narzißtischen Fantasie, die ihn doch ein wenig mehr
ins Supermännische
rückt, als es einem solchen Hasenfuß wie ihm und uns
zukommt. "Herr, ich
bin bereit, mit Dir ins Gefängnis und sogar in den Tod zu
gehen." Im
Morgengrauen, der Stoßzeit der Gestapo aller Diktaturen,
werden sie Jesus
verhaften. Stunden später wird Petrus leugnen, jemals auch nur
Jesus gekannt zu
haben. Der liturgische Hochton ewiger Treueschwüre ist nach
Stunden von der
Macht der Todesangst weggeblasen. „Und er ging hinaus und
weinte bitterlich.“
Und dieser Mann, vollmundig und labil wie viele, die gerne am Ruder
sitzen,
wird der erste Bischof der Kirche. "Hast du mich lieb?"-"Weide
meine Schafe." Petrus ist nicht der letzte Kirchenmann geblieben, auf
den
dies zutrifft: vollmundig und labil.
3.
"Simon, Simon, der Satan hat sich euch aus gebeten, um euch im
Sieb zu schütteln wie den Weizen." Jesus weiß, was
mit seinem Gefährten
vor sich geht. Sie fliegen von der einen Seite auf die andere. Wie
Weizen im
Sieb. Jesus redet anschaulich, in kraftvollen Bildern. Die Bewegung der
Zerstreuung unter den Gefährten ist so stark, daß es
nicht mehr nur ihr eigner
ichbezogener Wille ist, nicht mehr nur die Ansammlung um Allmacht
ringender
Halbstarker, die sich versuchen zu profilieren, wo es nur irgend geht.
Nein,
da sind Gegenmächte gegen die Sache Gottes im Spiel, die nicht
allein aus narzißtischen Störungen, aus psychischen
Deformationen der einzelnen
her erklärbar sind. Der Satan schüttelt sie im Sieb.
Er zerstreut und verwirrt.
Bringt Unruhe hinein in die Bewegung. Aber das Sieben hat ja Sinn. Die
Spreu
soll durch die Löcher fallen, es sollen alle Unbrauchbaren
wegfallen, nur das
reine Korn übrigbleiben. Die Verwirrung des Teufels
hätte also einen heilsamen
Sinn: das Wesentliche soll bleiben. Oder anders: wer wirklich zu Jesus
und
seiner Sache steht, wird alles Schütteln des Teufels, alle
Anfechtungen
überstehen. Dafür steht Jesus ein, indem er
für Petrus bittet, daß sein Glaube
nicht aufhöre. Sein Vertrauen daß der Weg Jesu der
richtige war, trotz
Niederlage und Tod, wird ihm durch alle Zweifel hindurch bleiben. Und
so, als
einer, der selbst keine lupenreine Glaubenskarriere hinter sich hat,
sondern voller
Angst, voller Zweifel, hin und her gestoßen vom Teufel, nicht
seiner selbst
mächtig, sondern getrieben von Allmachtsphantasien und
Todesängste, himmelhoch
jauchzend zu Tode betrübt, vom Teufel geritten und von Engeln,
so scheint
dieser Mann Jesus gerade recht zu sein als Bischof. So scheint dieser
Mann
gerade recht, um in all seiner Schwäche die Brüder zu
stärken. Warum ist es
kein Starker, der die Schwachen stärkt? Weil Jesus sehr
schnell die Schwächen
unserer vermeintlichen Stärken entlarvt. "Noch ehe heute der
Hahn kräht,
wirst du mich dreimal verleugnet haben." Wir sind nicht stark, erst
recht
nicht im Glauben. Und ich glaube auch nicht, daß jemand, der
stark wäre im
Glauben, andere stark machen könnte. Die Stärke
Gottes und Jesu ist es, mit
schwachen, mit zweifelnden und ängstlichen Menschen gemeinsame
Sache zu machen.
Die Stärke Gottes ist die Liebe zu den Schwachen und den
Schwächen dieser Schwachen.
Und die Stärke der Schwachen ist, daß sie gemeinsam
stark sind. Darum essen sie
zusammen mit der Erinnerung an den Mann Jesus, der auf jeden Fall kein
starker
Mann war, der in Gethsemane voller Angst bittet: "Laß diesen
Kelch an mir
vorübergehen." Darum arbeiten sie zusammen für das
Reich, von dem er
predigte, wo alle satt werden. Wo alle feiern können das Fest
der Befreiung,
weil die Freiheit vollkommen ist. Dort werden die Schwachen sich
gegenseitig
stärken mit der Kraft Gottes. Amen.
GOTTESDIENST AM 20.
FEBRUAR 1983, INVOCAVIT
ORGEL
VORSPIEL
PASTOR
BEGRÜSSUNG
LIED 336
All Morgen ist ganz frisch und neu, 1 – 4
Gemeinde: 1-3 - CHOR:
2-4
PASTOR
Im Namen des
Vaters...
Introitus
( Psalm 91 )
Kommt,
laßt uns anbeten
GEMEINDE :
Ehr' sei dem Vater und dem Sohn
PASTOR:
Sündenbekenntnis
Dich nicht kennen, Petrus
sagt: wahrlich ich kenne diesen Menschen nicht.
Wir sind nicht bange. Aber kennen wir dich wirklich? Oder sehen wir an
dir
immer nur das, was uns gerade in den Kram paßt? Wer von uns
wäre denn schon
bereit, für dich ins Gefängnis, ja in den Tod zu
gehen. Kennen heißt lieben. Du
kennst uns. Herr erbarme dich.
GEMEINDE;CHOR Kyrie
Gnadenspruch: ich bin der
gute Hirte und kenne die meinen und die meinen
kennen mich, wie der Vater mich kennt und ich den Vater kennen. Und ich
gebe
mein Leben hin für die Schafe. (Johannes 10, 14)
Gloria
Allein
Gott in der Höh sei Ehr
Der
Herr sei mit euch
Und
mit deinem Geist!
Kollektengebet
Schriftlesung:
2 Kor 6,1-10
Amen
Credo
LIED
109
Gott der Vater wohn
uns bei, Gemeinde: 1,3 - CHOR: 2,4
PASTOR
Predigt
LIED 190
Wohl denen, die da wandeln, Gemeinde : 1,3 - CHOR: 2,4
PASTOR
Abkündigungen
CHOR:
O Mensch bewein
dein Sünde groß...
PASTOR
Fürbittengebet
GEMEINDE Verleih uns Frieden
gnädiglich
Vater
unser
PASTOR
Segen
ORGEL
Nachspiel