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Predigt über Lukas 22, 31 - 34

Heeren 20.2. 1983

Lieder: 336, 1 - 4; 109,1 - 3; 190, 1 - 4;

Liebe Gemeinde!

1. Sie haben da ein Problem. Es heißt Jesus. Das Problem läuft in der Hauptstraße im Brennpunkt der Öffentlichkeit herum und macht Ärger. Sie, die Verantwortlichen der jüdischen Gemeinde in Jerusalem, etwa im Jahre 30, haben ihre begründeten Sorgen, wie sie ausgleichen können, zwischen der Besatzungsmacht Rom und ihrer Generalität in Jerusalem und den oppositionellen Gruppen im Land, die sich wehren gegen die fremde Macht, gegen die Kolonialmacht, die das Land ärmer und ärmer macht. Sie, die Hohenpriester Jerusalems, wollen Blutvergießen vermeiden. Sie wissen, daß Aufruhr von der römischen Legion stets blutig niedergeschlagen wird und versuchen daher, alle Möglichkeiten blutige Ausschreitungen im Keim zu ersticken, indem sie auch schon kleine Unruheherde ausnehmen und kalt stellen. Und Jesus war so ein Unruheherd, der kalt gemacht werden mußte, um Schlimmeres zu verhindern. Man sah sich eine Weile nun schon an, wie er mit seinen Gefährten in Jerusalem im Tempel den ganzen Tag lang die Pilger des ganzen Landes agitierte. Nachts ging er mit seiner Gruppe auf den Ölberg zur Übernachtung, am nächsten Tag stand er wieder vor den Tempeltoren. So ging das nun schon eine Weile. Die Spannung wuchs. Das Volk wurde unruhig, aufgehetzt. Die Römer wurden langsam nervös. Man mußte einschreiten. Jesus wußte, es war soweit. Noch ein letztes Mal feierten sie zusammen das Passahfest, das Fest der Befreiung aus ägyptischer Sklaverei. Die Jesusgruppe feiert das Fest der Befreiung in der römischen Knechtschaft im Wissen, daß sie die Freiheit nicht erkämpfen können, auch nicht, wenn jeder zwei Schwerter hätte statt seines Mantels. Sie ahnen, die Römer werden bald zuschlagen. Sie werden bald Opfer des römischen Terrors. Sie werden bald als Terroristen gesucht, gefangengenommen und abgeurteilt. Schon 100 Jahre vorher hatte der König Alexander Janneus 800 Aufrührer kreuzigen lassen. Schon oft in letzter Zeit hatten die römischen Besatzungstruppen sogar unter harmlosen Pilgern im Tempel Massaker angerichtet.

Jesus feiert angesichts dieser Schrecken, angesichts des drohenden Terrors der Staatsmacht, in dieser Nacht das Fest der Befreiung. Er feiert Abendmahl. Er will, daß wir mitfeiern. Darum feiern wir mit, jeden Monat in unseren Gottesdiensten: Abendmahl als Fest der Befreiung von Schuld und Angst, Befreiung zu neuem Leben. Obwohl wir so gut wie Jesus wissen, daß damit noch lange kein neuer Himmel entsteht. sondern das Schlimme Ende vielleicht sogar erst noch richtig anfängt. Jesus feiert die Befreiung schon vor der sicheren Niederlage. Er weiß, daß Gottes Freiheit verraten wäre, wenn er sich jetzt aus dem Staub machen würde. Jesus weiß, er zieht vor den Römern und dem Synhedrium, dem Hohen Rat, den Kürzeren. Er wird wie Johannes der Täufer, ins Gefängnis kommen, ja wahrscheinlich sterben. Und er weiß, nur wenn er sich nicht beugen läßt, wenn er für die Gnade und Barmherzigkeit Gottes mit seinem Leben einsteht und mit seinem Tod, nur dann wird Gottes Freiheit stärker werden als die Waffen der Römer. Nur dann wird sein Volk begreifen, daß die Botschaft von der Liebe Gottes selbst durch den stärksten Haß nicht klein zu kriegen ist, daß die gewaltlose Verteidigung der Freiheit Gottes über die Waffen seiner Gegner eben noch in der Niederlage, noch im Kreuz siegen wird darum feiert Jesus Abendmahl: weil die neue Freiheit aus Gott, in der er lebt, durch keine Niederlage, durch dein Kreuz zu bremsen ist. Weil Gott durch kein Kreuz zu bremsen ist.

2. Aber schon beim Mal der Befreiung, beim Abendmahl, daß seine Erfüllung erst finden wird im Reich Gottes, schon da wird die Gemeinschaft getrübt. Schon beim gemeinsamen Essen spricht Jesus von Verrat. Schon während der neue Bund besiegelt wird, spricht Jesus von dem Opfer, daß es kostet. Schon während sie einmütig ihre Gemeinschaft feiern, bricht Streit aus, wer von ihnen der größte Saal. Schon während im Abendmahl der Grundstein für unsere Kirche als Gemeinschaft mit Jesus gelegt wird, bröckelt der Lehm und Kalk.

Und erst recht Petrus, der Gefährte mit der großen Leidenschaft für Jesus Sache, ist ein sehr bröseliger Stein auf dem die Kirche gebaut wird. Dieser Mann der einmal der erste Bischof der jungen Kirche werden wird, ist ein Windhund mit großem Sprüchen und kleinem Mut. Er ist kein Held aber er will einer sein. Er tobt, wie die anderen auch, seine Fantasien vom Heldendrama aus. Gefangennahme, ja Tod, ist er bereit, für Jesus, seinen Gefährten auf sich zu nehmen. Er geht durch dick und dünn, so stellt er es sich vor. Getreu bis in den Tod, um die Krone des Lebens, einen Sonderparkplatz auf den zwölf Thronen im Ratssitz Gottes zu ergattern. Vom Abendmahlswein beschwingt, kommen die himmlischen Karrieregelüste und die heidnischen Posen über die gelösten Lippen. Vielleicht verkennt Petrus nicht den Ernst der Lage. Aber er verkennt die Macht seiner narzißtischen Fantasie, die ihn doch ein wenig mehr ins Supermännische rückt, als es einem solchen Hasenfuß wie ihm und uns zukommt. "Herr, ich bin bereit, mit Dir ins Gefängnis und sogar in den Tod zu gehen." Im Morgengrauen, der Stoßzeit der Gestapo aller Diktaturen, werden sie Jesus verhaften. Stunden später wird Petrus leugnen, jemals auch nur Jesus gekannt zu haben. Der liturgische Hochton ewiger Treueschwüre ist nach Stunden von der Macht der Todesangst weggeblasen. „Und er ging hinaus und weinte bitterlich.“ Und dieser Mann, vollmundig und labil wie viele, die gerne am Ruder sitzen, wird der erste Bischof der Kirche. "Hast du mich lieb?"-"Weide meine Schafe." Petrus ist nicht der letzte Kirchenmann geblieben, auf den dies zutrifft: vollmundig und labil.

3. "Simon, Simon, der Satan hat sich euch aus gebeten, um euch im Sieb zu schütteln wie den Weizen." Jesus weiß, was mit seinem Gefährten vor sich geht. Sie fliegen von der einen Seite auf die andere. Wie Weizen im Sieb. Jesus redet anschaulich, in kraftvollen Bildern. Die Bewegung der Zerstreuung unter den Gefährten ist so stark, daß es nicht mehr nur ihr eigner ichbezogener Wille ist, nicht mehr nur die Ansammlung um Allmacht ringender Halbstarker, die sich versuchen zu profilieren, wo es nur irgend geht.

Nein, da sind Gegenmächte gegen die Sache Gottes im Spiel, die nicht allein aus narzißtischen Störungen, aus psychischen Deformationen der einzelnen her erklärbar sind. Der Satan schüttelt sie im Sieb. Er zerstreut und verwirrt. Bringt Unruhe hinein in die Bewegung. Aber das Sieben hat ja Sinn. Die Spreu soll durch die Löcher fallen, es sollen alle Unbrauchbaren wegfallen, nur das reine Korn übrigbleiben. Die Verwirrung des Teufels hätte also einen heilsamen Sinn: das Wesentliche soll bleiben. Oder anders: wer wirklich zu Jesus und seiner Sache steht, wird alles Schütteln des Teufels, alle Anfechtungen überstehen. Dafür steht Jesus ein, indem er für Petrus bittet, daß sein Glaube nicht aufhöre. Sein Vertrauen daß der Weg Jesu der richtige war, trotz Niederlage und Tod, wird ihm durch alle Zweifel hindurch bleiben. Und so, als einer, der selbst keine lupenreine Glaubenskarriere hinter sich hat, sondern voller Angst, voller Zweifel, hin und her gestoßen vom Teufel, nicht seiner selbst mächtig, sondern getrieben von Allmachtsphantasien und Todesängste, himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt, vom Teufel geritten und von Engeln, so scheint dieser Mann Jesus gerade recht zu sein als Bischof. So scheint dieser Mann gerade recht, um in all seiner Schwäche die Brüder zu stärken. Warum ist es kein Starker, der die Schwachen stärkt? Weil Jesus sehr schnell die Schwächen unserer vermeintlichen Stärken entlarvt. "Noch ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnet haben." Wir sind nicht stark, erst recht nicht im Glauben. Und ich glaube auch nicht, daß jemand, der stark wäre im Glauben, andere stark machen könnte. Die Stärke Gottes und Jesu ist es, mit schwachen, mit zweifelnden und ängstlichen Menschen gemeinsame Sache zu machen. Die Stärke Gottes ist die Liebe zu den Schwachen und den Schwächen dieser Schwachen. Und die Stärke der Schwachen ist, daß sie gemeinsam stark sind. Darum essen sie zusammen mit der Erinnerung an den Mann Jesus, der auf jeden Fall kein starker Mann war, der in Gethsemane voller Angst bittet: "Laß diesen Kelch an mir vorübergehen." Darum arbeiten sie zusammen für das Reich, von dem er predigte, wo alle satt werden. Wo alle feiern können das Fest der Befreiung, weil die Freiheit vollkommen ist. Dort werden die Schwachen sich gegenseitig stärken mit der Kraft Gottes. Amen.

 

GOTTESDIENST AM 20. FEBRUAR 1983, INVOCAVIT

ORGEL          VORSPIEL

PASTOR        BEGRÜSSUNG

LIED  336      All Morgen ist ganz frisch und neu, 1 – 4 Gemeinde: 1-3 - CHOR: 2-4

PASTOR        Im Namen des Vaters...

Introitus ( Psalm 91 )

Kommt, laßt uns anbeten

GEMEINDE  :           Ehr' sei dem Vater und dem Sohn

PASTOR:                   Sündenbekenntnis

Dich nicht kennen, Petrus sagt: wahrlich ich kenne diesen Menschen nicht. Wir sind nicht bange. Aber kennen wir dich wirklich? Oder sehen wir an dir immer nur das, was uns gerade in den Kram paßt? Wer von uns wäre denn schon bereit, für dich ins Gefängnis, ja in den Tod zu gehen. Kennen heißt lieben. Du kennst uns. Herr erbarme dich.

GEMEINDE;CHOR Kyrie

Gnadenspruch: ich bin der gute Hirte und kenne die meinen und die meinen kennen mich, wie der Vater mich kennt und ich den Vater kennen. Und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. (Johannes 10, 14)

Gloria

Allein Gott in der Höh sei Ehr

Der Herr sei mit euch

Und mit deinem Geist!

Kollektengebet

Schriftlesung: 2 Kor 6,1-10

Amen

Credo

LIED 109       Gott der Vater wohn uns bei, Gemeinde: 1,3 - CHOR: 2,4

PASTOR        Predigt

LIED  190      Wohl denen, die da wandeln, Gemeinde : 1,3 - CHOR: 2,4

PASTOR        Abkündigungen

CHOR:           O Mensch bewein dein Sünde groß...

PASTOR        Fürbittengebet

GEMEINDE  Verleih uns Frieden gnädiglich

Vater unser

PASTOR        Segen

ORGEL          Nachspiel