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Predigt über Johannes 20,1 - 18

Ostern am 3.4. 1983 in Heeren

Lieder: 75; 87, 1,5 - 7; 84,1 - 3

Abendmahl und Kindergottesdienst: 152, 1, 4, 7; Taufe

Die Kraft der Bilder in der Schwachheit des Glaubens.

"Selig, die nicht gesehen haben und doch glauben." Aber trotzdem schreibt der Seher Johannes die Zeichen auf, die Jesus tat, "damit ihr glaubt, daß Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist und damit ihr dadurch daß ihr glaubt, in seinem Namen Leben habt." Wir sollen Leben haben. Darum die wundersamen, wunderlichen, verwunderlichen Oster-Erzählungen, die mit der Zeit, verfolgen wir die Erzählungen entlang ihrer historischen Entstehungszeit von Markus über Matthäus und Lukas bis hin zu Johannes, immer tollkühner werden. Anfangs reichte den Jesusbewegten der kurze Satz: "Er ist gesehen worden" (w)/fqh 1. Korinther 15,3). Wie und unter welchen Umständen, mit welchen Einzelheiten, war ihnen unwichtig. Wichtig war zunächst nur, wer ihn sah, wem man also glauben konnte, daß der Tod Jesu nicht das Ende war. Diese früheste Stufe haben wir in 1. Korinther 15,3ff. Bei Markus wird vom leeren Grab erzählt. Der eigentliche Schluß vom Markusevangelium lautet (16,7f): Jesus ist auferweckt, nicht mehr hier im Grab, er ist vorausgegangen nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen. So der Engel. Die Frauen, die seine Leiche einbalsamieren wollten, fliehen vor Entsetzen und sagen nichts weiter. Was dann noch kommt, ab Vers 9, ist im zweiten Jahrhundert da zugefügt worden. In den frühesten Textzeugen endet die Geschichte Jesu mit der Verheißung der Auferstehung und der Angst der Frauen.

Matthäus reicht das nicht aus. Bei ihm freuen sich die Frauen, laufen zu den Jüngern, ihnen die Osterbotschaft zu verkündigen, die der Engel sagte, und unterwegs treffen sie Jesus selbst. Der schickt sie weiter. Auf dem Berg in Galiläa schließlich sehen die Jünger dann den Herrn und empfangen den Tauf- und Missionsbefehl. „Macht alle Menschen zu meinen Nachfolgern. Und ich bin bei euch nahe alle Tage.“

Lukas lässt die Frauen am Grab voll Furcht und Zweifel der Osterbotschaft des Engels zuhören. Er bringt dann die Geschichte der zwei Jünger von Emmaus, die Jesus erst erkennen, als er das Brot bricht und denen er entschwindet, als sie ihn erkennen. Schließlich berichtet Lukas von einer Vision des Petrus und einer Vision im Kreis der Jünger. Schon hier reicht das einfache Sehen nicht mehr aus. Jesus ißt etwas Fisch, um zu zeigen, daß er wirklich leibhaftig da ist. Letztlich dann entschwindet Jesus vor den Augen der Jünger in den Himmel. Dies ist der Anlass unseres Himmelfahrtsfest ist.

Je später die Erzählungen nach Jesu Tod und nach dem wundervollen Ostervisionsereignis geschrieben sind, desto stärker wird das Bedürfnis der Erzähler, die Leibhaftigkeit Jesu hervorzuheben. Jesus demonstriert sie regelrecht. Am massivsten erleben wir das bei Johannes, dem letzten Evangelisten. Der ungläubige Thomas soll Jesu Wunden befühlen.

All das macht mich traurig. Traurig nicht, weil es traurig wäre daß Jesus nicht im Tod geblieben ist, sondern traurig deshalb, weil es die Jünger und die damaligen Christen nicht ausgehalten haben mit den einfachen Satz: „Er ist erweckt worden und Petrus und den 12 Jüngern erschienen.“ Man wollte es genauer wissen, Einzelheiten und Details. Man wollte über die Leibhaftigkeit Jesu aufgeklärt werden. Man entwickelte eine perfide Neugier an dem technischen Verlauf der Auferstehung, statt sich zu freuen, daß Gott den Fall Jesus nicht zu den Akten gelegt hat, sondern ihm ein neues Leben gab und einen Namen, der nicht mehr vergessen wird, solange Menschen leben und auf dem Weg sind zu ihrer Menschlichkeit. Mich macht traurig an den Ostergeschichten des Johannes dieser Kleinglaube, diese technische Neugier, das Bildzeitungs-Niveau, mit dem die Reporter weniger der Wahrheit dienen als mehr der Sensationslüsternheit ihrer Leser. Je kleiner der Glaube, desto größer die Massivität und Sensationsaufmachen der Geschichten vom neuen Leben Jesu.

Jedem Satz dieser Gärtner-Geschichte merkt man doch an, wie gewollt erklingt. Erstmal entdeckt nicht Maria, sondern Petrus und Johannes das leere Grab. Scheinbar reden sie nicht mehr mit Maria, die draußen wartet. Denn die geht ahnungslos hinein ins Grab, obwohl eben erst Petrus und Johannes die herumliegenden Leichentücher ohne Jesus entdeckt haben. Statt der Binden sieht aber Maria nach Minuten etwas ganz anderes: zwei Engel. Die aber sagen nicht wie bei Markus, Matthäus und Lukas, daß Jesus lebt. Sie fragen trocken: „Weib, was weinst du?“ Danach sind sie still. Wieso verwechselt Maria Jesus, den sie doch gut kennt, mit einem Gärtner. Wieso erkennt sie ihn nicht an seiner Stimme, als er fragt: „Weib, was weinst du?“ Wieso erkennt sie ihn erst, als er sie bei ihrem Namen ruft? Wieso darf Maria Jesus nicht anfassen? Geheimniskrämerei? Ende der Logik? Erst recht Grund genug für unsere heutigen Menschen, an der Glaubwürdigkeit der Osterbotschaft zu zweifeln.

Diese Geschichte ist heute schlechte Reklame für den Glauben an die Auferstehung. Sie war es damals nicht, weil die Leute ein besonderes Interesse an möglichst wundersamen und geheimnisvollen Vorgängen hatten. Auch heute wird diese Geschichte des Interesse von Parapsychologie-Fans wecken, wird Spiritisten und Wahrsager und Freunde der schwarzen Magie erregen.

Sollen wir heute als Christen Ja sagen zu diesem spiritistischen Trend ins Mirakulöse? Sollen wir unseren Glauben abhängig machen von der Bereitschaft, sich auf Aberglaube und Magie einzulassen, wie sie auch unter uns immer mehr zunehmen? Sollen wir ja sagen zum Hang nach Bild-Zeitungstratsch? Ich will mit ihnen, liebe Gemeinde, nicht über Wahrheit oder Unwahrheit des Okkultismus und des Mirakulösen debattieren. Mögen diese Spiritisten unter uns aus der Gärtner-Geschichte ja vielleicht mehr Glauben an den Auferstandenen erlangen. Ich sage nur, ich bin traurig, wenn unser Glaube an das neue Leben Jesu so schwach ist, daß wir die ganz sensationell aufgemachten Stories brauchen, um besser glauben zu können. Ich bin traurig, wenn wir nicht auch ohne die super Bild-Zeitungsstory glauben können, daß Jesu Leben und Jesu Sache weiter gegangen ist, weitergeht und Zukunft hat.

Ich bin traurig, wenn und daß wir nicht allein aus dem, was unter uns in der Kirche passiert, also aus der kleinen Kraft des Heiligen Geistes heraus glauben können, daß mit dem Tod Jesu nicht alles aus war, sondern erst richtig losging. Ich bin traurig, daß wir als Kirche nicht beweiskräftig genug sind für das neue Leben Gottes im Geist der Wahrheit und Liebe. Wenn Sensationsstories dafür herhalten müssen, was wir als Kirche der Welt an Glaubwürdigkeit der frohmachenden Botschaft schuldig geblieben sind. Ich bin traurig, wenn wir nicht auch ohne Sensationsberichte vom wiederbelebten Jesus Freude am neuen Leben Gottes empfinden können. Ich bin traurig, wenn man uns die Osterfreude über Gott, der stärker ist als die Henker Jesu, nicht auch so anmerkt. Ich bin traurig, wenn wir nicht zu den Seligen gehören, die nicht sehen und doch glauben. Ich bin traurig, wenn unser Glaube an Jesus davon abhängig wäre, ob er leibhaftig auferstanden ist oder von den Jüngern in einer Vision gesehen worden ist. Ich wäre traurig, wenn unser Glaube aus magischem Aberglauben genährt wäre und nicht aus der Gewissheit, daß Gott dem Tod gegenüber doch noch das letzte Wort hat. Nicht wie er dies hat, sondern daß er es hat, daß Jesus nicht einfach so ermordet ist und aus und vorbei der Traum von Liebe, das zählt.

Nicht wie wir im Namen Gottes gegen den Tod und die Todesdrohungen Einspruch erheben, sondern daß wir es überhaupt tun, das allein zählt. Jetzt gerade findet in Essen der große ökumenische Oster-Gottesdienst statt, mit dem die Ostermarschierer den Frieden Gottes gegen die geplanten neuen Mittelstreckenraketen in Europa geltend machen. Nicht, wie sie das tun, ob mit Liedern, Plakaten, Gebeten, Theaterstücken, Flugblättern, Demonstrationsmärschen oder Großkundgebungen, entscheidet über das Gewicht der Friedensbewegung, sondern daß sie zu Ostern überhaupt auf der Straße sind und ihre Stimme erheben gegen den Tod durch Atomraketen. Nicht, was sie im Einzelnen sagen, macht Mister Reagan nervös, sondern daß sie etwas sagen.

Ostern-die Freude über den lebendig machen denn Gott, der ja sagt zum Leben und Nein zum Tod. Ostern-die Erlösung von Angst vor dem Tod. Ostern-die Befreiung zum neuen Leben in der Liebe und im Frieden Gottes.

Wer darin lebt und froh ist, wird es nicht ertragen können, daß Christen gleichzeitig an der Todesdrohung mit Atomwaffen festhalten. Wer aus dem lebendigmachenden Gott seine Zuversicht schöpft, kann einfach kein Ja mehr dulden zu den Todesmächten der Rüstung. Wir wollen einen christlichen Staat. Einen Staat, der auf das grausige Spiel um Millionen Atomtote, der auf das Spiel mit dem Fegefeuer und der Hölle auf Erden verzichtet. Dann könnten wir wieder lachen und singen: "Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?" Armen.