Heeren
Himmelfahrt 12.05. 1983
Lieder:
90,1 - 3; 92,1 - 57 159, 1 - 3
Aufbau:
Liebe
Gemeinde!
Woran
erkennt man einen Christen? Wo sehen wir Gott? Was ist geblieben
von Jesus, den Gottes Sohn? Wichtige Fragen. Mögliche
Antworten: Christen sind
nicht erkennbar. Gott ist nicht sichtbar, Jesus ist tot.
Das
sagten damals, zur Zeit des Evangelisten Johannes, die Gegner der
Christen. Und die Christen waren ratlos, unsicher, haben sich in die
Enge
gedrängt gefühlt. Man lachte sie aus als Esel, man
amüsierte sich über einen
Gott, der einfach am Kreuz stirbt und aus der Traum. Und bisher ist er
ja immer
noch nicht wiedergekommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Jesus
ist tot,
Gott unsichtbar, die Christen unkenntlich und nichts Besonderes. Das
Unternehmen Kirche kann sich begraben lassen.
Und
das Unternehmen Kirche hat sich nicht begraben lassen, sondern
nachgedacht über die Vorwürfe der Beliebigkeit des
christlichen Glaubens. Und der
Evangelist Johannes hat eine sehr eindeutige Antwort gefunden: in
seiner
Deutung des Lebens Jesu geht es immer wieder um den sehr eindeutigen
Satz: Gott
ist Liebe. Wir wollen ein wenig über die Bedeutung dieses
Satzes nachdenken.
ABBA
= Papa - so nennt Jesus Gott. Er redet zu ihm nicht in diesen
abscheulichen Kirchengebetsslang, in steifen und würdigen
Anreden, sondern ganz
locker vom Hocker. Er sagt zu dem Allmächtigen, hoch
erhabenen, heiligen Herrn
der Heerscharen: Papa. Damit ist der ganze Kirchenplunder über
Bord geworfen. Keine
Ehrerbietung, kein heiliges Kribbeln, keine feierliche Etikette sind
die angemessene
Anrede für den Herrn aller Herren, sondern schlicht
„Papa, Vater“. Ausdruck des
sich Wohlfühlens, der Geborgenheit, des Vertrauens ohne die
leiseste Angst. Vor
Gott kann man einfach keine Angst mehr haben, seit wir wissen, wer oder
was er
ist: Liebe.
Nicht
jeder von uns hat einen lieben Vater gehabt, geschweige denn einen
Vater, der die Liebe selbst ist. Die Härte der Arbeit und die
perverse
Aufgeblasenheit unserer abscheulichen Männerwelt machen die
lieben Väter zur
Ausnahme. Jesus muß im Zimmermann Josef einen ganz
wunderbaren Vater gehabt
haben. Josef, der Maria behalten hat, obwohl sie, wie die Legende von
der
Jungfrauengeburt behauptet, ein uneheliches Kind hatte. Nur, wenn Jesus
einen
lieben Vater gehabt hat, konnte er überhaupt auf die Idee
kommen, die Liebe
Gottes als das Sein und Tun eines Vaters zu beschreiben, Gott mit
seinem Vater
zu vergleichen, ja Gott als Vater, als lieben Vater, als Vater, der die
Liebe
selbst ist, anzureden. Vater und Sohn, Gleichnis der Liebe zwischen
Gott und
Mensch. Menschliches Gleichnis der göttlichen Liebe.
Hören wir einmal auf die
Sätze, die der Jesus des Evangelisten Johannes über
sich und den Vater sagt:
der Sohn ist im Vater und der Vater im Sohn. So dumm der Witz mit den
Bekannten
ist, die in der Kinderwagen glotzen und der Mutter bescheinigen: ganz
der
Vater, ganz der Vater, obwohl dem Baby noch nicht die geringste
Ähnlichkeit mit
seinem Vater anzusehen ist - ein Moment der Wahrheit ist dran. Je
älter ich
werde, umso mehr wird mir, obwohl ich es nicht will, die
Ähnlichkeit mit meinem
Vater bewußt. Bis hinein in gleiche Schriftzüge. In
mir ist mehr von meinem
Vater, als mir lieb ist. Wahrscheinlich werde ich noch einmal genauso
predigen
wie er. Der Vater ist in mir: die Einflüsse des Vaters haben
den Sohn geprägt.
Ebenso kann Jesus im Johannesevangelium sagen: ich bin in meinen
Jüngern und in
deren Jüngern, also in der Kirche. Wie Jesus in uns ist? Durch
die Er-Innerung seiner
Worte und Taten. In der Erinnerung, die wir ja heute im Abendmahl
feiern, ist
Jesus in uns lebendig, unter uns: „solches tut zu meinem
Gedächtnis“.
Genauso
hat Jesus Gott in Erinnerung: durch die erste Hälfte der
Bibel,
die bei allem Harten und Grausamen doch von Gott erzählt als
dem, der die
Menschen liebhat und für Ihr Wohl und ihre Freiheit sorgt. So
ist also der
Gott, der Liebe ist, dem Sohn Jesus bekannt und vertraut geworden. So
sehr, daß
Jesus sagt: Ich und der Vater sind eins. Jesus hat den Sinn der ganzen
Gebote
begriffen und zusammengefasst auf das Eine, was keiner besitzt und
jeder
braucht: Liebe.
Ich
habe angefangen damit zu erzählen, was Jesus über
Vater und Sohn
sagt. Das erste haben wir versucht, durchzudenken: der Vater ist im
Sohn
lebendig. Sowie Jesus in den Jüngern und letztlich noch in uns
lebendig ist. Das
zweite aber ist schwerer zu verstehen: der Sohn ist im Vater. Oder
auch: wir
sind in Christus.
Ich
vermute, daß ein Vater, der seinen Sohn liebt, ihn so sehr in
sein
Herz geschlossen hat, daß, wie der Sohn den Papa nachmacht
und darin
verinnerlicht, so auch der Papa seinen Sohn in all der Lebendigkeit und
Eigenheit, die auch schon ein ganz kleiner Junge hat, in sich aufnimmt;
ja, ich
glaube, die Eltern machen ihre Kinder auch nach. Wie wäre
sonst die Babysprache
viele Mütter und Väter zu erklären?
Wir
kommen damit zu der Erkenntnis, daß in der Liebe beide
Partner
Nachmacher des anderen sind. Jeder macht den anderen nach. Dadurch
werden sie
einander ähnlicher. Die Frau von Johann Sebastian Bach hatte
zuletzt so
haargenau dieselbe Notenschrift, daß unsere
Musikwissenschaftler nicht wissen,
hat es Bach selbst geschrieben oder seine Anna Magdalena. Die Schrift
ist
jedenfalls identisch geworden. Vielleicht verstehen wir jetzt ein wenig
mehr daß
dieses Wort: ich und der Vater sind eins, Ausdruck und Resultat der
Liebe ist.
Der
Sohn Jesus ist durch den Vater geprägt. Aber der Vater ist
durch den
Sohn Jesus ebenso geprägt. Der Mensch Jesus ist durch Gott
geprägt. Er lebt in
und aus der Liebe. Aber Gott ist durch den Menschen Jesus eindeutig neu
geprägt.
Seit Jesus wissen wir: Gott ist Liebe, nur Liebe und nicht auch noch
der Zorn,
der Kriegsgott des Alten Testamentes.
Jesus
hat unser Bild von Gott verwandelt. Nicht mehr Zorn und Gnade,
böse und gut, Schöpfer und Richter, sondern nur noch
Liebe, Gnade,
Barmherzigkeit. Wo bleibt das Böse, der Zorn Gottes, das
Gericht? Es bleibt in
der Welt. Die Welt, die Menschen ohne Gott, ohne Liebe machen sich
gegenseitig
fertig. Machen sich das Leben zur Hölle. Sie haben keine
Liebe. Sie kennen Gott
nicht: "Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe
dich erkannt, und diese (die Jünger) haben erkannt,
daß du mich gesandt hast.
Und so habe ich ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun,
damit die
Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen (also auch in uns) sei
und ich in
ihnen." Jesus hat uns Gottes Namen, Gottes wahres Wesen kundgetan: Gott
ist
Liebe, Gott ist wie ein Papa.
Jesus
hat uns das nicht gesagt. Er hat es uns vorgelebt mit seinem
ganzen Leben und mit seinem Tod. Er hat sein Leben geopfert
für seine Freunde,
die er liebt. So hat Jesus uns gezeigt, wie Gott
Liebe ist: der Herr
wäscht den Knechten die Füße, der Hirte
lässt sein Leben für die Schafe.
"Nicht für diese (die Jünger) allein bitte ich,
sondern auch für die,
welche durch ihr Wort an mich glauben." Jesus bittet Gott für
uns. "Daß
alle eins seien". Wie Liebe Vater und Sohn zur gegenseitigen Nachahmung
und Angleichung führt, bis sie eins sind, so soll auch unter
uns die Liebe uns
einander durch Nachahmung ähnlich machen. Oder besser, nicht
indem wir uns
gegenseitig nachmachen, sondern indem wir Jesus nachmachen.
In
dem wir Jesus nachmachen, lernen wir lieben. Indem wir Jesus
nachmachen, werden wir uns ähnlicher und überwinden
die Mauern, die zwischen
uns stehen. Indem wir von Jesus die Liebe Gottes kennenlernen, lernen
wir uns
selbst erkennen als Menschen, die diese Liebe brauchen und ohne sie
verschmachten. Wir alle brauchen Liebe, und wenn wir sonst auch noch so
verschieden sind, darin sind wir alle gleich.
"Wie
du mich in die Welt gesandt hast, so habe ich auch diese (die
Jünger, uns) in die Welt gesandt ." Jesus ist gesamt von Gott,
um den
Menschen zu sagen und zu zeigen, vorzuleben, daß Gott Liebe
ist. Und daß Gott
will, daß wir uns lieben. Jeder sich selbst und jeder seinen
nächsten und darin
Gott. Mit allen Menschen verbindet uns die Suche nach Liebe, nach
Zuwendung und
Zärtlichkeit. Wenn die Christen gute Früchte am
Weinstock Jesu sind, wenn die Welt
uns wirklich abnehmen soll, daß Gott Liebe und nicht beliebig
ist, müssen wir
in unserem Leben etwas von dieser Liebe durchscheinen lassen
für die anderen.
Zunächst einmal müssen wir lernen, uns von Gott
lieben zu lassen. Uns bei Gott
ganz und gar wohl zu fühlen. Unsere Kirchengemeinde
muß ein Ort sein, wo jeder
sich wohlfühlen kann. Ein Ort der Erfahrbarkeit von Gottes
Liebe, Geborgenheit
und Zärtlichkeit. Wo einer für den anderen eintritt,
wo wir solidarisch
miteinander sind, eins in der Liebe. Wir sind noch am Anfang. wir
müssen da
weitermachen. Jesus weiter nachmachen. Dann werden die anderen sehen:
die
Christen leben von der Gewissheit der Liebe Gottes und haben daraus die
Kraft,
einander und den anderen beizustehen in der Lieblosigkeit dieser Welt.
Amen.