Bodelschwingh
und Wichernhaus 3. 6. 1983 - Auferstehungskirche 10.6.
1983 - Friedenskirche 20.1. 1985
Lieder:
274, 1 - 4, 256, 1 - 3; 4 - 6; 159, 1 - 3; Lesung Lukas 16,9 -
13
Spruch
über Jesu Jüngerschaft: Haß auf die
familiale Gebundenheit im
Alltag. Und Kreuz tragen und mitgehen. Gleichnis vom Turmbau zu Babel
kalkulierte Entsorgung. Gleichnis vom Kriegsplan in der NATO: Overkill.
Spruch
von der Schärfe des Salzes.
Liebe
Schwestern und Brüder! So werden wir gerne angeredet. Wir
fühlen
uns dadurch verbunden, hinein genommen in eine große Familie.
Die uns, so hoffen
wir, geben soll, was uns die Kleinfamilie eben doch nicht bringt.
Geborgenheit,
Verständnis, Geduld miteinander und Anerkennung. Da ist ein
Vater, der alle
seine Kinder liebt.
Und
nun hören wir von diesem einen Bruder Jesus, daß wir
nicht in seine
Gemeinschaft aufgenommen werden, wenn wir nicht unsere Schwestern,
Brüder,
Mütter, Väter, Ehegatten und Kinder hassen.
Ja wie? Jetzt predigt uns Jesus auch noch den Ärger, den wir
sowieso zu Hause
haben, wo 46 % aller Ehen geschieden sind und der Rest sich mehr oder
weniger
zusammenrauft, wo die Eltern ihre Kinder als unangenehme
Belästigung beim
Fernsehen oder miteinanderschlafen ansehen, und wo die Kinder
bloß niemals so
werden wollen wie die Eltern und null Bock auf nix haben. Jeder hat
sein Kreuz
mit der Familie. Und wer keine mehr hat, ist auch nicht so ganz
glücklich.
Jesus predigt uns aber nun eben nicht das Kreuz mit der Familie sondern
das
Kreuz ohne die Familie. Ohne die Sicherheit und Geborgenheit, die auch
noch die
zerstrittene Familie irgendwo und irgendwie bietet.
Gerhard
Theißen, Seite 16: Heimatlosigkeit, Familienlosigkeit und
Besitzlosigkeit der Jesusbewegung.
Sein
Kreuz tragen: Indiz für eine Nachösterlichkeit des
Spruches. Misei=n,
hassen, entsagen. Die
Besitzlosigkeit ist eine Aufgabe. Die Sorglosigkeit um den
nächsten Tag, wie
die Lilien auf dem Feld und die Vögel unter dem Himmel. Das
tägliche Brot neu
erbitten.
Nur
wer heimatlos ist, lernt täglich neu, daß Gott
unsere Heimat ist.
Nur wer keine Familie hat, ist offen für die Gemeinschaft der
Heiligen. Nur wer
keinen Besitz hat, erfährt jeder Zeit, daß wir bei
Gott in besseren Händen sind
als wenn wir alles selbst in der Hand haben.
2.
Familienpolitik ist daher etwas dem Urchristentum völlig
fremdes.
Diese Dissonanz müssen wir stehen lassen und nicht
zukleistern! Jesus hat
anders gelebt als wir. Nicht haben, sondern sein. Nicht Sicherheit,
sondern
Glück. Wir können heute nicht Penner werden. Wir
haben Verantwortung für unsere
Familie, die damals aber auch! Aber wer sich heute engagiert, kommt
immer in
Konflikt mit seiner Familienidylle.
3.
Nicht die Familie ist das höchste Gut der Christen, sondern
die Liebe
zu allem, besonders aber zu den Armen. Die Familie ist nicht mehr als
ein Ort
der Zuflucht. Sie ist Stärkungsmittel im Kampf für
die neue Welt Gottes. Die
Familie ist aber nicht das Zielbild von Gottes neuer Welt.
Wer
nur in der Familie seine Aufgabe sieht, wird so dumm wie das Salz,
daß
seine Schärfe verloren hat. Diese Leute mit dem
übergroßen Familiensinn sind
unbrauchbar für die Würzung dieser Welt mit dem Salz
der Erde.
Wie
oft habe ich an der Haustür gehört: Nein ich habe
keine Zeit, mich
in der Kirche oder sonstwo zu engagieren, ich habe genug mit meiner
Familie zu
tun. Wer so im eigenen Saft schmort, ist auch viel zu langweilig und
uninteressant,
um die Welt bereichern zu können mit seinen Gaben.
Es
sind auch selten die besten Familien, die nur auf Familie machen. Die
wirklich guten Familien strahlen aus, sind Salz der Erde,
befähigen ihre Väter,
in der Gewerkschaft aktiv zu bleiben, ihre Mütter, in der
Kirchengemeinde
mitzuarbeiten, ihre Kinder, für den Frieden zu demonstrieren.
Da haben sich die
Eltern und Kinder auch was zu erzählen, wenn sie am
öffentlichen Leben
teilnehmen. So wie man sich damals was zu erzählen hatte von
einem Mann, der
gekreuzigt wurde, weil er die Nächstenliebe wichtiger nahm als
irgendwelche
religiösen oder politischen Gesetze.
Und
Gottes Segen liegt nun einmal nicht auf der Familienpolitik, die ja
auch hinten und vorne nur noch eine Farce ist, wo alle
gesellschaftlichen
Strukturen wie Wechselschicht und unterschiedliche Schulstundenzahlen,
Fernsehen usw. die Familien systematisch zerrütten, ohne
daß es da einen Ausweg
gibt. Nein, Gottes Segen liegt auf den Außenseitern, die
nicht in der Familie
aufgehen, sondern herauskommen aus ihren Ledersesseln, auf die
Straße gehen und
sich auf die Anfänge der Jesusbewegung besinnen: Heimatlos
leben, damit Gott
unsere Zuflucht wird für und für. Familienlos leben,
damit Gott unser Vater
wird, der uns trägt und nährt wie Vögel
unter dem Himmel. Besitz abgeben
lernen, damit alle satt werden, nicht nur wir Industrienationen. Und
dabei die
verblüffende Erfahrung machen, daß nur der, der mit
leeren Händen dasteht, die
Liebe annehmen kann, die von Gott kommt. Nur wer seine Habe loslassen
kann und
nicht mehr als das Wichtigste nimmt, der wird offen und frei, Gottes
Hände zu
fassen, die eben nicht den Reichen hingehalten sind. Gott liebt die
Reichen
deshalb nicht, weil diese sich selbst ja schon so sehr lieben,
daß sie für
Gottes Liebe gar keinen Sinn mehr haben. Der reiche Jüngling
kommt eben nicht
in das Reich Gottes. Es sei denn er verkauft, verschenkt, was er hat.
Nur dann
nimmt ihn Jesus an. Wir sollen wissen, was wir wollen. Wir
können nur eins:
entsagen, Salz werden oder in Familie und Besitz bleiben.