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Predigt über den Inneren Frieden

Bergkamen Friedenskirche am 16.8.1983 gehalten von einer Jugendgruppe

Liebe Gemeinde!

Über inneren Frieden predigen ist schwer. Gibt es überhaupt inneren Frieden?

Wir haben uns dazu Gedanken gemacht und meinen, es gibt dabei zwei Positionen, die sich gegenüberstehen. Die einen sagen, der innere Friede sei wichtiger als der äußere. Die entscheidende Frage ist: Kann man eigentlich nach außen Frieden schaffen, wenn man in sich selbst hohl und leer und zerstritten ist und keinen Frieden hat? Kann man ohne inneren Frieden außen Frieden stiften? Dazu haben wir ein Gedicht ausgesucht.

Vielleicht ist oft wirklich das lautstarke Rufen nach äußerem Frieden nur ein Zeichen und eine Ausflucht vor dem eigenen inneren Unfrieden. Flucht vor sich selbst in Hektik und Engagement, weil man die innere Leere oder Zerspaltenheit fürchtet und nicht aushält. Vielleicht ist oft Frieden, den man überall hinschreibt und beschwört, nur das traurige Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit, mit sich in Frieden zu leben. Auf den ersten Blick stimmt das ja auch: Die Leute, die am lautstarksten für den Frieden, gegen Kernbewaffnung auftreten, zunächst einmal bringen sie ja überall nichts als Unfrieden. Die Anfrage an die großen Friedensbrüller lautet zurecht: Wird man der Welt Frieden schaffen können, wenn man nicht im eigenen Inneren weiß, in welche Richtung Frieden geht? Braucht man nicht, um in der Welt Frieden zu schaffen, eine Vision von Frieden aus dem eigenen Erfahrungshorizont, dem eigenen Innern?

Vielleicht gibt es da auch bei Jesus zu lernen. Jesus ging oft frühmorgens an einsame Plätze auf den Bergen und hat da ganz allein mit sich und dem Vater im Himmel gebetet. Er hat sich das Recht genommen, ganz für sich zu sein, ganz für Gott dazusein. Er hat sich aufgetankt. Er hat da seinen Frieden gefunden. Und dann ist er hingegangen, hat gepredigt, hat geheilt und geholfen, wo Not war. Er hat auch gekämpft, hat sich gestritten. Beten und Arbeiten. Beten und Kämpfen, Beten und Streiten. So tut der innere Friede, den Jesus gefunden hat, seine Wirkung: In Predigten, in Heilungen, in rechter Kritik. Jesus hätte vermutlich nicht gebetet, wenn er die Kraft des Gebets nicht gebraucht hätte. Vielleicht liegt in dem Frieden des Gebets mehr Kraft, als wir für möglich halten. Kraft, die wir brauchen, um Frieden zu schaffen.

Aber das Beten hat auch Grenzen. Nur und immer nur beten und nichts tun, wo sich die Kraft des Gebets erweisen könnte, ist mißlungenes Beten. Jesus hat gebetet und gearbeitet. Es gibt eine Art Süchtigkeit nach innerem Frieden, die nichts will als die eigene Ruhe. Ein Gebets-Egoismus, der nicht ansteckend, genauer: heilsam für andere nach außen dringt. Wir haben ein Gedicht ausgesucht, das auf dem Hintergrund des Weltgerichts beschreibt, was denen passieren kann, die immer nur gebetet haben und in innerem Frieden gelassen werden wollten, die aber nie zugepackt haben, wo es brannte.               

Wer versucht, seinen inneren Frieden zu verteigigen gegen alles, was von außen oft so garstig einströmt, was also den inneren Frieden möglicherweise stört und bedroht, der behält vielleicht ja seinen inneren Frieden, aber um den Preis, daß er wirkungslos und abgekapselt von seiner Umwelt wird. Er ist wie ein Baum ohne Frucht. Sein Glaube bleibt folgenlos. Der innere Friede hat nicht angesteckt, hat dem äußeren Unfrieden nichts von seiner schrecklichen Macht genommen. Innerer Friede wird  selbstgefällig, selbstgenügsam. Wer sich so abschottet gegen die Außenwelt, verliert dann auch das Interesse an Gottes Reich, das ja nicht nur ein neuer Himmel sein will, sondern auch eine neue Erde, also irdisch, hier unter uns, zwischen den Freunden, Kollegen, Familien, Parteien und Völkern den Frieden Gottes sichtbar machen will. Ein innerer Friede, der nicht erschütterbar ist durch all die Unfriedlichkeit rings um uns, ist ein ganz fauler Kirchhoffrieden, ein Frieden von Toten. Wir wollen die Geschichte vom barmherzigen Samariter vorlesen als Beispiel Jesu für falschen inneren Frieden, der an der Not der Welt achtlos vorbeigeht, aber auch als Beispiel für den erschütterbaren inneren Frieden, der gestört wird durch fremde Not, der dann zur Rettung für Menschen wird. :    

Jesus lobt nicht den Priester und den Leviten, die beide sich nicht die Hände schmutzig machen wollten am Überfallenen. Die keine Störenfriede ihres inneren Friedens zu Wort kommen ließen. Jesus lobt nur den Samariter, der sich seinen inneren Frieden hat stören und kaputtmachen lassen.

Richtiger innerer Friede macht nicht gleichgültig. Er macht im Gegenteil ungemein feinfühlig und sensibel für alles, besonders den Unfrieden, der um einen herum geschieht. Innerer Frieden will das Drumherum auch anstecken und zum Frieden bringen. Wer wirklich inneren Frieden hat, wird sich von ganz allein dafür einsetzen, daß auch äußerer Friede einkehrt. Er wird um Frieden beten, verhandeln und womöglich kämpfen in Familien, auf der Arbeit, in der Schule, unter Volksgruppen und ganz sicher auch zwischen den Völkern, ganz bestimmt auch zwischen den Supermächten.

III. Wenn innerer Friede ausstrahlt, will er den herrschenden äußeren Unfrieden ja verändern. Und dabei kommt es zu Streit. Die Friedensstifter sind nämlich immer auch Friedensstörer. Sie stören den faulen Frieden, der aus tatenlosem Mitansehen des Hungers besteht. Sie stören den Frieden, der aus Gleichgültigkeit gegenüber Folter und Massenerschießungen in vielen unterentwickelten Ländern besteht. Sie stören Schließlich der faulen Frieden, der aus der Angst der Supermächte vor den Atomraketen des Gegners besteht. Sie wollen einen Frieden, der mehr ist als Waffenstillstand und zugleich ständige Waffenbereitschaft zum nächsten Kriegsausbruch.

Es wirkt auf den ersten Blick paradox, daß die, die politischen Frieden fordern, Unfrieden um sich her verbreiten. Es scheint diesen Leuten wohl nicht ganz ernst zu sein mit ihrem Friedenswunsch. Friedensstifter als Kampf- und Streithahn? Wo bleibt denn da der innere Friede?

Jesus sagt: Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Es werden sich die Menschen zerstreiten an meinem Wort. Jesus bringt bewußt und gewollt Streit. Streit in den Familien, Streit mit den Pharisäern, mit seinen Jüngern: kurz, der Friedefürst Jesus ist nach den Evangeliumsberichten ganz und gar nicht friedlich. Er stört immer wieder der faulen Frieden. Aber er tut es, damit wirklicher Friede einkehrt, Friede ohne Angst und Unrecht. Es ist nicht einfach mit dem Frieden Gottes, der eben wirklich all unserer Vernunft darin übersteigt, daß er erstritten werden muß. Gegen den falschen Frieden, der blind ist gegen Unrecht, hilft nur Streit. Das ist für uns noch so neu und ungewohnt, daß man um Frieden streiten muß. Wir müssen den Streit, also die ernsthafte und intensive Auseinandersetzung mit Menschen anderer Meinung, eigentlich ganz neu lernen. Streiten wie Jesus, um des Friedens willen, um der Liebe willen, das geht manchmal nicht ohne Tränen und Nerven. Aber es geht immer und ganz sicher ohne Blut. Und da fängt eben das Entscheidende des Friedens Gottes an. Wir müssen es lernen, uns etwas sagen zu lassen. Wir müssen lernen, genau zuzuhören. Wir müssen lernen, unsere eigene Meinung dazu und dagegen zu sagen. Dann kann gut gestritten werden. Christlicher Streit verletzt nicht die Person des anderen, mit dem man streitet.            Seine guten oder schlechten Argumente werden angegriffen.

Und sonst nichts. Wer christlich streitet, läßt den anderen gelten: als Mensch mit Recht auf Irrtum, als Mensch auf der Suche nach Verständnis und als Mensch, den Gott ebenso liebhat wie mich selbst.

Wo dermaßen dann gestritten wird um den politischen Frieden außen, da erweist sich die Kraft des inneren Friedens wirklich als ansteckende Liebesmacht Gottes. Amen.