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17. Experimenteller Gottesdienst in der Friedenskirche am 25. 9. 83

"Selig, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden."

Offenes Einsingen für die Gemeinde: Vater Unser

Wenn jeder gibt, was er hat

Herr, erbarme dich

Begrüßung, Abkündigungen, Im Namen des Vaters...

Lied: Stumme Sänger

Introitus: Psalm 37 (Ralf)

Sündenbekenntnis: Was wir denken, ist eng

Schriftlesung: Jes 2, 6-21 (Martin)

Lied: So viele warten im Land

Credo (aus: Mein Liederbuch, S. 22 unten) (Lütge)

Graduallied: Sonne der Gerechtigkeit

Predigt über Mt 5,6 (Lütge)

Lied: Wenn jeder gibt, was er hat

Theaterstück der 3. Welt-Gruppe Kamen

Lied: Selig seid ihr

Fürbittengebet mit zwischengesungenem "Herr, erbarme dich"

Vater-Unser-Lied

Aussendung (aus: Mein Liederbuch, S. 27 unten) (Lütge)

Lied: Eines Tages

Verabschiedung

Predigt über Matthäus 5,6

Friedenskirche 25.9. 1983 Extra Liedblatt

Hunger auf Steak statt Gerechtigkeit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich war hungrig und ihr habt meine Nahrungsmittel eurem Vieh gefüttert. Ich war hungrig und eure Konzerne pflanzten auf meinen besten Böden eure Wintertomaten. Ich war hungrig, und ihr wolltet nicht auf das Steak aus Südamerika verzichten. Ich war hungrig, aber wo Reis für meine tägliche Mahlzeit wachsen könnte, wird Tee für euch angebaut. Ich war hungrig, aber ihr habt aus Zuckerrohr und Maniok Treibstoff für eure Autos destilliert. Ich war hungrig, aber ihr habt mir nicht zu essen gegeben!

Liebe Gemeinde!

Alle Seligpreisungen reden von der Umkehr der Verhältnisse im Reich Gottes. Dein Reich komme: Dein Reich ist nahe herbeigekommen. Wo Gottes Wirken angefangen hat, werden Traurige froh, Leidende getröstet, Schwache selbstbewußt. Gottes Zukunft ist mehr als unsere Planwirtschaft oder die Anarchie eines ganz und gar nicht freien, sondern dem Gesetz des Stärkeren gehorchenden Marktes: wenn Gott nicht dazu kommt, der Gott, der Liebe ist, dann schlittert eine Revolution eben doch wieder in die nächste Diktatur. Ohne Liebe verkehrt sich der Kampf für Gerechtigkeit selbst oft ins Unrecht. Es bilden sich neue Herrscherklassen heraus. Christi Gesetz ist, daß der Stärkste am meisten tut für das Wohl der anderen. Jeder nach seinen Fähigkeiten.

Gottes Zukunft verkehrt das jetzige Leid in Freude, ist Weltgericht, in dem der Ausgleich geschaffen wird. Das Wissen darum, daß die Welt so, wie sie jetzt ist, nicht bleibt, also das Wissen von Gottes Zukunft, der Bestimmung unserer Zukunft durch Liebe, lässt uns schon jetzt so leben, wie später einmal gelebt werden wird, wo Gott alles ist in allem. Die Liebe ist überall da.

Den Hungrigen nach Gerechtigkeit wird Sattheit versprochen, weil Gott Gerechtigkeit schaffen wird. Gottes Zukunft bringt denen, die jetzt arm sind, Wohlstand und Sättigung. Darum resignieren wir nicht. Weil wir wissen, daß nichts so bleibt, wie es jetzt ungerecht ist. Der Kampf um Gerechtigkeit geschieht für Christen darum nicht aus Rache wegen vergangener Untaten, sondern, weil sie selig sind, aus Vorfreude auf künftiges Recht. Nicht aus Verbitterung, sondern aus Zuversicht. Darum wird der Kampf der Christen nicht auf Bestrafung der Übeltäter zielen, sondern auf Sättigung der Armen, auf Bodenreformen, auf Diversifikation der Binnenwirtschaft in der Dritten Welt Länder, auf Abbau von Monokulturen, die am Weltmarkt Spekulanten gebunden sind. Was können wir tun?

  1. Eigenhilfe (Genossenschaften) unterstützen: Markt öffnen. GEPA.
  2. Verbrauchsgewohnheiten ändern: Fleisch reduzieren. Tee und Kaffee aus dem Dritte-Welt-Laden. Autarkie fördern.
  3. Rüstungsexporte töten schon jetzt.

Wer von Gottes Zukunft mit Vorfreude auf die kommende Gerechtigkeit erfüllt ist, ist nicht bestimmt von Resignation oder Haß. Dessen Hoffnung kann anstecken und mitreißen, aus Bächen Ströme machen. Wir werden, je mehr wir Gott die Veränderung dieser Welt zutrauen, um so mehr von Hunger nach dem neuen Himmel und der neuen Erde gepackt, auf der Gerechtigkeit wohnt. Bleiben wir unersättlich dabei. Amen.


 

 

Fürbitten

Herr Jesus, du hast Hungrige satt gemacht durch Brot und Fische, die du mit ihnen geteilt hast. Wir haben das Teilen gründlich verlernt. Wir können nur noch das eine denken: wie komme ich gut über die Runden. Unser Denken ist arm geworden. Arm an Barmherzigkeit und arm an Solidarität mit denen, denen es schlechter geht als uns. Wir klagen über Wirtschaftskrise, dabei sind wir immer noch eines der reichsten Länder dieser Erde. Öffne uns die Augen für den Unterschied von unseren Schwierigkeiten und der ungeheuerlichen Not in Lateinamerika, Afrika und in Indien. Wir bitten: Herr, erbarme dich.

Herr Jesus, du hast uns gezeigt, daß wir dir begegnen in den geringsten unserer Brüder. Wie werden wir im Weltgericht vor dir stehen, wenn wir tatenlos zusehen, wie Menschen für Hungerlöhne unsere T-Shirts und Hosen nähen in Taiwan, wenn wir Obst, Kaffee und Tee genießen, den Plantagenarbeiter ernten, die selbst kein Stückchen Land haben, sich Getreide fürs tägliche Brot anzubauen. Lehre uns sehen, wie unsere Genußsucht den Ärmsten noch das letzte Stück Überlebenschance wegnimmt. Wir bitten: Herr, erbarme dich.

Herr Jesus, du hast davor gewarnt, Perlen vor die Säue zu werfen. Wir kaufen Millionen Tonnen Getreide jährlich, um sie unseren Schweinen, Rindern und Hühnern vorzuwerfen. Wir kaufen sie aus Ländern, in denen Millionen Menschen verhungern. Wir tun das, weil wir gerne Steak und Schnitzel essen. Wenn all das Getreide, was unser Vieh frißt, an die Hungernden verkauft würde, wären alle Menschen satt. Unsere Lust auf Fleisch ist einer der wichtigen Gründe, weshalb Menschen bei diesen Rekordernten der letzten Jahrzehnte immer noch verhungern. Herr, gib uns Kraft, diese für die Ärmsten der Welt mörderische Lust auf Fleisch zu zügeln und in unserem Verbrauch einfacher und bescheidener zu werden. Wir rufen: Herr, erbarme dich.

 Herr Jesus, du hast dir nicht vorstellen können, daß einer, der um Brot bittet, Steine bekommt. Wieviel mehr unvorstellbar ist doch die Tatsache, daß wir an die Regierung armer Länder Waffen liefern, die dort die unheilige Allianz von Militärs und Großgrundbesitzern unterstützen, wenn sie die ausgebluteten kleinen Leute drangsalieren und terrorisieren. Öffne uns die Augen, wie sehr wir den Militärdiktaturen durch unsere falsche Entwicklungshilfe Schützenhilfe leisten. Gib uns Mut, unsere Regierungen auf diese Mitschuld an Folter und Mord aufmerksam zu machen und ihr die Möglichkeit zu Entwicklungshilfen zu zeigen, die nicht nur unsere Konzerne reich machen, sondern endlich einmal die Armen satt. Wir bitten: Herr, erbarme dich.

Herr Jesus, Du hast die selig gepriesen, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit. Wir sind aber alle satt. Schenke uns mehr Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit, die alle satt macht, nicht nur uns. Mach uns sensibler für das Elend in anderen Ländern. Mach uns bereit, Veränderungen in unserem eigenen Leben zu wagen, die der erste kleine Schritt sein können zum Ende des weltweiten Hungers, der weltweiten Folter und der Kriege. Gib uns auch Verständnis für die Menschen, die die Ungerechtigkeiten nicht länger mehr mitansehen können und die unter Einsatz ihres Lebens für die Freiheit und Gleichberechtigung in ihrem Land kämpfen. Wir bitten für sie, daß sie im Kampf für Gerechtigkeit nicht vor lauter Verbitterung den Blick für die Liebe verlieren, die das Ziel ihres Kampfes ist. Wir rufen: Herr, erbarme dich.

Herr Jesus, Du hast uns Mut gemacht zum Bitten. Darum bitten wir dich für alle Menschen, die Unrecht leiden, was wir mit verursacht haben. Wir bitten dich nicht, weil wir damit unsere Mitschuld an ihrem Elend loswerden oder durchstreichen wollen. Sondern wir bitten dich, weil wir immer wieder merken, daß unser bißchen guter Wille immer noch viel zu wenig ist. Wir brauchen deine Kraft, die größer ist als unsere Kraft, wir brauchen deinen Atem, der länger ist als unser Atem, wir brauchen deinen Geist, der uns weiter führt als unsere kleinen Gedanken. Und wir brauchen deine Liebe, die größer ist als unser Herz. Wir singen: Herr, erbarme dich.


Ev. Friedenskirchengemeinde                                   4619 Bergkamen, den 18. Sept . 83

in Bergkamen

- Bezirk Friedenskirche –

 

An die Bonner Friedensfaster

Johanna Jordan und Andrea Elukovich

Wir bewundern eure Entschlußkraft und euren Mut, mit dem ihr euer Leben für den Frieden in der Welt einsetzen wollt. Nur wenige Menschen haben in der Öffentlichkeit bewiesen, daß ihnen der Friede in der Welt wichtiger ist als ihr eigenes Leben.

Trotzdem möchten wir euch bitten, die Fastenaktion jetzt abzubrechen. Denn wir meinen, daß ihr dem Frieden in der Welt mehr dienen könnt, wenn ihr am Leben bleibt. Tote Friedensmacher werden erst recht nicht die Aufrüstung in West und Ost stoppen können. Wir sind mit euch verbunden durch das gleiche Ziel, wir befürchten aber, daß ein Rüstungsstopp bei der momentanen Verhärtung der politischen Fronten länger braucht, als ihr fasten könntet.

Damit ihr nicht vergeblich gefastet habt, versprechen wir euch heute in unserem Gottesdienst, mit noch mehr Ernsthaftigkeit, Entschlossenheit und Liebe für den Frieden der Welt einzutreten. Als Zeichen dafür haben wir uns vorgenommen, heute wenigstens einen Tag lang zu fasten. Wir wissen auch, daß dies nicht vergleichbar ist mit dem Engagement eures Fastens.

Mit lieben, verbundenen Grüßen

Unterschriften von Mitgliedern der Friedensgruppe