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Predigt über Lukas 18, 1  -  8

Bergkamen Friedenskirche am 6. 11. 1983 -  später Büscherstiftung Bodelschwingh Overberge

Liebe Gemeinde,

eine Witwe - damals mittellos -  komm zum Richter: "Herr Richter, der Bruder meines Mannes will nicht für meinen Unterhalt sorgen, er will mich auf die Straße setzen. " der Richter sagt: "Ja, ja, gute Frau, das ist wirklich nicht schön, aber ich habe jetzt keine Zeit, um mich um so kleine Lappalien zu kümmern, morgen ist ein Prozeß wegen Veruntreuung von 200 Denaren, ein Gutsverwalter ist angeklagt, eine spektakuläre Sache, ich habe jetzt also wirklich keine Zeit, liebe Frau Sowieso, schauen Sie doch bei Gelegenheit noch mal rein." Die Frau kommt wieder, erst wöchentlich, dann täglich, dann mehrmals täglich. Der Richter hat kein Mitleid. Oder wenn, dann hat er Selbstmitleid. Er bedauert sich, daß er von dieser Nörglerin, die ihm ja keinen Pfennig, besser: keinen Silberling einbringen wird, nicht endlich in Ruhe gelassen wird. Und um seine geliebte Ruhe wieder zu bekommen, erfüllt er endlich dann ihre Bitte und verfügt die Unterhaltspflicht auf ihren Schwager, so wie es damals üblich ist. Jetzt hat die liebe Seele Ruh, er ist die Frau losgeworden, aber die Frau hat erreicht, um was sie gekämpft hat, jede Woche stärker, jeden Tag mit neuem Mut, ohne sich auch nur eine Minute lang geschlagen zu geben. Jesus lobt diese Frauenrechtlerin, diese unerbittlich um ihr Recht kämpft. Jesus sagt: selbst wenn Gott wirklich so ein lahmarschiger Bürokrat und Amtsschimmel ist, wir würden ihn rumkriegen durch unser Flehen und Bitten. Wieviel mehr wird Gott uns erhören, wenn er kein staatlich designierter Richter ist, sondern ein Gott der Gerechtigkeit und noch mehr: ein Gott der Liebe oder noch genauer: wenn Gott selbst nichts als Liebe ist!

Selbst im schlimmsten Fall, daß Gott nicht Liebe wäre, sondern Beamtenmentalität hätte, hätten unsere Bitten um Gerechtigkeit gute Chancen. Wo Gott aber nur Liebe ist, hat unser Flehen um Gerechtigkeit die allerbesten Chancen. Wenn wir es nur beharrlich und unermüdlich tun.

Nur: geschieht uns, die wir hier heute sitzen, eigentlich soviel Nennenswertes Unrecht? So daß es um Sein oder Nichtsein geht, wie bei der Witwe und dem Richter? Ja und nein. Ja: weil der mögliche Atomtod, den die Amerikaner jetzt uns in Europa zuschustern wollen, Unrecht bleibt, auch wenn Herr Kohl meint, Atomkriege seien rechtmäßig, weil bisher kein Passus im Völkerrecht Atomwaffen ächtet. Ob es rechtmäßig ist oder nicht, es geht jedenfalls um unser Überleben, und daß die Amerikaner ja keineswegs zimperlich mit dem Leben anderer Völker umgehen, dafür stehen die Namen Hiroshima, Nagasaki, Korea, Kuba, Vietnam, El Salvador, Grenada.

„Herr schaffe mir Recht wieder meinen Widersacher“: das sind heute nicht mehr die Russen, die ihre Atomraketen schon seit mehr als 20 Jahren auf uns gerichtet haben, ohne daß etwas passiert ist, sondern das ist das Pentagon, daß die Strategie eines Atomkriegs entwickelt hat, wo nur in Europa gestorben wird, nicht aber in den USA selbst.

Der zweite Widersacher sind unsere Autos und die Kraftwerke und chemischen Betriebe, die die Bäume töten und unser Land in wenigen Jahren in einer Wüste verwandeln können. Herr, schaffe uns recht, schaffe uns Lebenschancen gegen die atomare Bedrohung und gegen die Zerstörung der Umwelt. Jesus sagte es schon: einmal bitten hilft nichts. Und es hilft am wenigsten die Ausrede: man kann ja doch nichts machen. Es hilft: kämpfen. Beharrlich bleiben, jeden Tag, jede Nacht. Immer wieder Gott bitten, daß er uns Recht verschafft gegen Atomtod und Umwelttot. Immer wieder die Liebe bitten, daß sie uns neue Lebenschancen eröffnet, und das fünf vor zwölf. Aber wenn wir die Liebe schaffen lassen, dann wird die Liebe uns womöglich auch erkennen lassen, wie wir selbst es sind, die Unrecht tun.

Unser hochheiliger Fleischverbrauch nimmt den Ärmsten der Armen in Indien, Brasilien und vielen anderen Regionen dieser Erde den Weizen oder Soja, den unser Vieh futtert. Unsere billigen Kleidungsstücke sind für Hungerlöhne von Thaimädchen oder Mädchen aus Bangladesch genäht. Unsere Ananas werden von Schwarzen in Südafrika geerntet, die weniger Rechte haben als bei uns ein Säugling. Wir sind allein durch unseren Konsum mitschuld am Hunger von zwei Dritteln der Menschen auf der Erde. Wir selbst sind die Widersacher, gegen die Gott den größten Teil der Menschheit Recht schaffen müsste!

Wie sollen wir die Geschichte von der Witwe und dem Richter nennen? Die langsame Arbeitsweise von Gottes Gerechtigkeit? Oder vielleicht doch hoffnungsvoller: der letztendliche Sieg von Gottes Gerechtigkeit? Oder: die Notwendigkeit, nicht locker zu lassen in der Forderung, im Kampf für die Gerechtigkeit?

Jesus tröstet die Zuhörer seiner Geschichte. Gottes Gerechtigkeit wird bald kommen. Aber ob sie aufgenommen wird? Ob Menschen Gottessohn anerkennen? Ob Menschen die Liebe siegen lassen über den Hass, Konkurrenz und Machtwünsche? Jesus fragt das. Er ist sich auch nicht sicher, ob Gottes Gerechtigkeit bei uns ankommt. Jesu Zweifel an unserer Liebe zur Gerechtigkeit Gottes ist berechtigt, das zeigt unsere abendländische und globale Geschichte. Die Geschichte zeigt aber auch, daß nur da Gerechtigkeit siegt wo man für sie eintritt. Amen.