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Predigt über Lukas 2, 29 - 35

Erster Advent 27. 11. 1983 Friedenskirche

Die Palme kann sterben, sie hat ihre Aufgabe erfüllt, die drei Verhungernden in der Wüste satt zu machen. Die Palme kann sterben, denn sie ist zu ihrer Bestimmung gelangt. Sie ist gepflanzt als Zeichen der Hoffnung auf den Messias-König, der der Welt Heil und Frieden bringen soll. Sie ist Zeichen der Hoffnung gewesen als Baum mitten in der Wüste, Leben mitten in dem härtesten Überlebenskampf. Sie kann sterben, weil es jetzt ein besseres Zeichen der Hoffnung gibt.

Die alte Schöpfung mit Adam und Eva und dem über allem thronenden Gott, der tatenlos allmächtig den Untergang der eben doch nicht so gut geschaffenen Welt mit ansieht, diese Geschichte von Macht und Machtmißbrauch kann sterben, weil es eine bessere Verkörperung des Lebens- und Liebeswillens Gottes gibt. Der alte Trost mit dem Weltenlenker, der alles so herrlich regieret, bis wir es in Schutt und Asche regiert haben, kann sterben. Der neue Trost ist eine stärkere Hoffnung geworden.

Der neue Trost ist die Ohnmacht Gottes. Diese Ohnmacht Gottes, die unsere Welt noch retten kann, ist erschienen in einem Kind, geboren in einem Futtertrog in einem verlausten Schafstall in Bethlehem. Die rettende Ohnmacht Gottes ist unter den Ärmsten der Armen damals geboren worden, als schwaches Kind, zu schwach, um später dann allein vom Kreuz herab zu steigen. Die weisen Leute haben gehofft und gewartet, bis sie erkannten: in diesem Menschen Jesus, der die Mächtigen nicht mochte und den Mühseligen und Beladenen Freund und Bruder war, ist der Geist Gottes. In diesem dummen Jungen, der sich fanatisch und einseitig verrannt hatte in die Behauptung, die Liebe Gottes sei den Opfern unserer Gesellschaft näher als den Priestern, die die Opfer abschlachten zur Ehre des thronenden Gottes. In diesem ständigen Erreger öffentlichen Ärgernisses ist mehr von Gott und seiner Liebe zu finden als in allem kirchlichen Lob und Betreiben von Macht.

Der Schwächling Jesus, der die andere Backe hinhält, der sich geschlagen gibt schon vor dem Streit, der der Gewalt nur da nicht aus dem Wege geht, wo sie ihn selbst trifft, dieser Schwächling Jesus ist das neue Zeichen der Hoffnung geworden in einer Welt, in der die Betonung der Macht Gottes nur die Menschen gereizt hat, Gott gleich zu werden in der Selbst-Herrlichkeit von Weltbeherrschung.

Die Selbstbeherrschung Jesu, der sich nicht vom Glanz der Macht verführen läßt, der sich nicht verleiten läßt, zurückzuschlagen und zurück zu drohen, dem die Zukunft der anderen, ja der ganzen Welt wichtiger war als sein eigenes erbärmliches Leben, dieser Macht der Ohnmächtigen, die Fürsorge und Solidarität der Machtlosen für-und untereinander, das ist unsere neue und bessere und auch letzte Hoffnung geworden gegenüber den Supermächten dieser Welt, die uns nur als Spielball ihrer Spiele des atomaren Schreckens und Kriegsspielens benutzen.

Simon, der Weise, hat, genau wie die Palme in der Wüste, gewartet auf den neuen Trost Israels, auf den Mann, der einen Frieden bringen wird, der dauerhafter sein wird als alle Gewalt. Simon, so erzählt der Evangelist Lukas, hat nach der Beschneidung Jesu folgendes Lied vom Wechsel der Zeichen Gottes gesungen: Lukas 2,29-35

29HERR, nun läßt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; 30denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, 31welchen du bereitest hast vor allen Völkern, 32ein Licht, zu erleuchten die Heiden, und zum Preis deines Volkes Israel. 33Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich des, das von ihm geredet ward. 34Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird 35(und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen), auf daß vieler Herzen Gedanken offenbar werden.