2.
Advent Friedenskirche & Wichernhaus 4.12. 1983
Lieder:
7,3 - 5; 14,
1 - 3; 4
+
5; 152,5;
159,
1 - 3; 10,1,
4,5
Die
Nacht, in der wir ruhig schlafen
- es ist die Nacht, in der Menschen in Kneipen solange trinken und
trinken, bis
sie nichts mehr fühlen, von den Sorgen um den verlorenen
Arbeitsplatz, um die
erloschene Liebe zu ihrer Frau / ihrem Mann, um die Öde ihres
Lebens.
Nacht,
in der Menschen unter Tage
arbeiten und am Hochofen und am chemischen Schmelztiegel, damit die
Produktion
weitergeht, pausenlos, unaufhaltsam, unerbittlich. Aber am 7. Tage
ruhte Gott,
nur die Produktion lief weiter auf vollen Touren denn jede Sekunde, die
sie
ruht, wäre für den Unternehmer ein Verdienstausfall.
Nacht,
in der Menschen weinen, weil
das Bett nehmen ihnen für immer nun leer ist.
Nacht,
in der Mütter schweißüberströmt
Kinder aus ihrem Schoß in die nüchterne Welt des
Krankenhauses hinein pressen.
Nacht,
in der Menschen in kalten
Gefängniszellen warten auf die nächsten Foltern am
kommenden Tag. Nacht, in der
krebskranke Menschen die letzte Stunde ihres Lebens
durchröcheln.
Nacht
in der Menschen vor Hunger
nicht schlafen können.
Nacht,
in der Menschen im Fieber
fantasieren, bewacht von ihren Angehörigen.
Nacht,
in der Menschen in Bordellen
ihre Wollust an fremden Frauen austoben.
Nacht,
in der sich Menschen
gegenseitig zu Boden schlagen. Nacht in der getötet wird.
Nacht,
in der zwei Menschen sich ihre
gegenseitige Liebe zeigen und die Freude völliger Hingabe in
ihrer Lust als
einen Schimmer von Paradies erfahren dürfen.
Nacht
in der Menschen mit den Zähnen
knirschen und von Verfolgung träumen.
Nacht
in der Babys nach der Brust
schreien.
Nacht,
in der wir unendliche
Sehnsucht verspüren nach einem anderen Menschen, der bei uns
ist, der uns nicht
alleine läßt in diesem Grau in Grau, in diesem
unendlichen Kreislauf von
Geborenwerden, Geschundenwerden, Sekunden lang glücklich sein,
und zugrunde
gehen zu der Erde, von der wir genommen sind.
Nacht,
in der uns alles so sinnlos
vorkommt, auf diesem Planeten irgendwo herumgeschleudert in irgendeiner
beliebigen Galaxie dieses Weltraums.
Nacht,
in der wir uns unendlich klein
vorkommen unter einem Sternenhimmel, der so unvorstellbar viel
größer ist, als
alles, was uns groß erscheint. Nacht, in der wir schlafen und
nicht mehr Herr
über uns selbst sind, ausgeliefert unseren Träumen,
unseren Ängsten, unseren
verborgenen Wünschen und Trieben.
Nacht,
in der wir schwach da liegen,
das versuchen zu verarbeiten, was wir erlebt haben, ganz im Bann der
erlebten
Vergangenheit.
Nacht,
in der wir nichts tun können,
in der uns die Hände gebunden sind, in der wir hilflos sind,
weil uns das Licht
fehlt, daß in alle Ecken dringt und uns sicher macht, weil
wir alles besser
erkennen können.
Nacht,
in der wir unfähig sind zu
sehen, was um uns herum geschieht, in der Dunkelheit.
Nacht,
in der wird im Dunkel um uns
und dem Dunkel in uns hilflos ausgeliefert sind.
Nacht,
in der wir nichts tun können.
Nacht, in der Gott gehandelt hat. Nacht, in der ein Mensch geboren
wurde, den
sie Jesus nannten. Nacht, in der einige Hirten auf dem Felde Engel
erschienen,
die Frieden angekündigten in Bethlehem.
Nacht,
in der Jesus verraten wird.
Nacht, in der Jesus das Brot nahm, es den Jüngern gab, damit
alle satt werden,
und sagte: Nehmt und eßt, das ist mein Leib.
Nacht,
in der Jesus seinen Tod deutet
als Zeichen des neuen Bundes zwischen Gott und uns: eines Bundes der
Liebe und
Versöhnung.
Nacht
in der Jesus verraten wurde.
Nacht, in der Menschen immer wieder auch heute noch, Jesus verraten.
Nacht in
der Menschen nichts tun. Nacht, in der Menschen schweigen, wenn Jesus
gefangen
wird. Nacht, in der Menschen die Achseln zucken, wenn Jesus gefoltert
wird.
Nacht,
in der Menschen sagen, man
kann ja doch nichts machen, wenn in einer, in jeder Nacht 14.000 Kinder
verhungern und eine Milliarde DM für Waffen ausgegeben wird.
Nacht,
in der Menschen die letzte
Gelegenheit verpaßt haben, sich gegen Atomwaffen in unserem
Land zu wehren.
Nacht in der Jesus verraten wurde.
Nacht
in der Jesus sagte: stecke dein
Schwert an seinen Platz, denn wer das Schwert benutzt, wird durch das
Schwert
umkommen. Nacht, in der Schwerter zu Atomwaffen umgeschmiedet wurden,
statt zu
Pflugscharen.
Es
wird Zeit, über den Tag zu reden.
Der Tag, an dem sich freuen dürfen die Armen, Verfolgten,
Trauernden, Leidenden,
Hungrigen nach Gerechtigkeit. Der Tag, an dem Jesus kommt, zu richten
die
Lebenden und die Toten. Tag der Gerechtigkeit. Diesen Tag, wo die
Gebeugten aufstehen
werden, dieser Tag der Auferstehung und des Aufstandes gegen die
Herren, die
mit dem Tod und der Nacht uns regieren, diesen Tag werden wir
vorbereiten in
der Stille unserer Nächte, mit unseren Gebeten und Petitionen,
mit unseren
Versammlungen im Haus Gottes und unter freiem Himmel, in
unzähligen Gesprächen
über Unrecht und Recht, über Ausbeutung und
scheinbare Demokratie. Der Tag, wo
wir uns das nicht mehr alles gefallen lassen. Der Tag wo wir das Spiel
nicht
mehr mitspielen. Der Tag, wo wir beschließen, das Geld
für die Rüstung stattdessen
für die Menschen in Hunger und Elend auszugeben.
Der
Tag, wo wir gelernt haben werden,
daß man doch etwas tun kann gegen das Unrecht, wenn man es
wirklich will. Der
Tag, an dem Atomwaffen verschrottet werden, wo Schwerter zu
Pflugscharen
umgeschmiedet werden, Panzer zu Traktoren umgerüstet und die
Mikroelektronik
der Mittelstreckenraketen in der Krebsforschung neuen Einsatz findet.
Der
Tag, an dem endlich die Arbeit
und die Güter gerecht verteilt sind. Der Tag Christi. Er wird
kommen. Darum laßt
uns bei denen sein, die ihn erwarten und nicht verschlafen im Faulbett
der
Angst und Resignation, sondern bereit und gerüstet mit der
Waffe des Lichtes,
die da heißt: Gewaltlosigkeit, Unbestechlichkeit,
Unbeirrbarkeit,
Unerbittlichkeit, Wachsamkeit.
Die
Nacht ist vorgerückt. Bald kommt
der Tag. Amen.