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Predigt über 2. Korinther 3,3 -9

Friedenskirche 4.1.1984; Bodelschwingh 11.11. 1984; Friedenskirche 6.7. 1986

Lieder: 249,1-3;     190,1-4;     151, 1, 4, 5;     159, 1-37;   Psalm 121; Markus 7,1-15

Ein lebendiger Brief

Liebe Gemeinde!

Die frühesten Schriftstücke, die wir aus der grauen Vorzeit gefunden haben, sind Gesetzestexte, alte Rechnungen, religiöse Erzählungen von Götterleben und Göttersagen. Schade. Denn unter all diesen Texten ist nicht ein einziger Liebesbrief!

War es denn so nebensächlich, sich zu sagen: Ich habe dich lieb? War es so viel wichtiger, sich zu sagen: Du sollst 10 % deines erwirtschafteten an die Priester abgeben? Auch heute ist das nicht anders: Was kommt in den Briefkasten? Rechnungen vom Strom, Gas, Heizung, Reparaturen, Reklame, Dienstpost. Manchmal, liebe Gemeinde, bin ich richtig traurig. Früher hatte ich Zeit, viel zu schreiben an meine vielen Freunde und Freundinnen. Und ich bekam auch viele liebe Briefe, auf schönem Papier, mit Tinte geschrieben, die las ich dann beim Frühstück mit schöner Musik und hatte den ganzen Tag über tolle Laune. Und heute: nur noch Computer getippte Wegwerfpost, voll mit Nummern und Zahlen, Einladungen mit Datum und Uhrzeit, Bescheide über Geldbeträge, naja und ab und zu noch ein theologischer Text über Abendmahl, Taufe oder Abrüstung.

Was sind das für Zeiten, in denen die Liebesbriefe von der Flut der Verwaltungspost erdrückt werden! Wenn es doch wenigstens daran läge, daß wir unsere Liebe nicht brieflich, nicht telefonisch nein: hautnah und mit aller Wärme an den Mann oder an die Frau bringen, die oder den wir mögen oder die oder der sie nötig hat und erwidern kann. Dann wäre unsere Gegenwart, unsere Wärme und Nähe das, was früher einmal der Liebesbrief war: Grund zum Glück. Besser als Briefe wäre allerdings das, was Briefe nur sagen, lebendig, leibhaftig erfahren. Briefe sind ein Versprechen von etwas, das folgen wird. Sie sind Zeichen, Vorzeichen eine Hoffnung auf gemeinsame Erfahrungen. So sind auch wir als Christi Brief! Der Buchstabe ist nur Versprechen, er ist Vorspruch einer Möglichkeit, die lebendig eingelöst werden will.

Ich fände es schön, wenn wir uns wieder Zeit nehmen würden, uns gegenseitig wenigstens kleine Zettelchen zu schreiben, auf denen nicht nur steht, wo wir gerade hin sind, sondern auch immer Herzchen und Küßchen. Schreiben wir uns gegenseitig Liebesbrief, Briefe mit Anerkennung und Lob. Mehr muß es gar nicht sein. Den Rest erledigen wir durch Umarmung, liebevolle Augenblicke und andere Gesten der Wertschätzung. Amen.