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Osterpredigt über 1. Korinther 15, 19 - 28

Friedenskirche 22.4. 1984 - Bodelschwingh 23.4. 1984

Lieder: 75 + Das könnte den Herren der Welt.   87,1 + 5 - 7;    152, 1, 2, 4, 5;     159, 1 - 3

Was ist Auferstehung

Daria Vennemann stürzt während der Israel Reise mit Kaiser und fällt in der Grabeskirche ausgerechnet auf das angebliche Grab Jesu! Sie hat Prellungen. Aber sie lebt noch. Gott sei Dank! Und so steht sie wieder auf. Das ist Auferstehung. Jemand ist am Boden, liegt kaputt und hoffnungslos da. Und irgendwie schafft er es dann doch und steht wieder auf.

Auferstehung ist nicht die Wiederbelebung klinisch Toter. Auferstehung ist kein medizinischer Begriff. Um Auferstehung zu erfahren, muß man nicht erst klinisch tot sein. Und Auferstehung ist ganz und gar nicht ein Vorgang, mit dem Menschen unsterblich werden, also zu Göttern werden. Wer das vom christlichen Glauben erwartet, wird enttäuscht. Es ist nichts Besonderes, daß Jesus aufersteht. Viele Göttergeschichten erzählen von Tod und Auferstehung: Babylons Tammuz, der syrische Adonis, der phrygische Attis, der ägyptische Osiris, der thrakische Dionysos, der babylonische Bel-Marduk, und last not least der kanaanäische Baal. Die im Herbst absterbende Natur erwacht zu neuem Leben im Frühjahr. Die Menschen atmen wieder auf mit der ersten warmen Aprilsonne, dem ersten Grün an den Bäumen, der Farbenpracht der Frühlingsblüte. Sie feiern die Auferstehung des wintertoten Lebens der Natur in ihrer Gottheit. Ostern liegt nicht zufällig im Frühling. Es ist nichts Neues, das von jemand behauptet wird, er lebt weiter, nachdem er tot war. Der auferstandene Christus ist nur einer von vielen, vergleicht man die Religionen.

Der Prophet Elia erweckt im ersten Buch der Könige 17 einen todkranken Jungen wieder zum Leben. Todkrank war damals, bevor es Ärzte gab, so gut wie tot. Also auch die wunderbare Heilung Todkranker ist Auferstehung. Mit dem Tod ist es in der Bibel und im Leben auch anders, als ein Mediziner es definiert. Man sagt: der ist für mich gestorben. Das heißt, ich beachte ihn nicht mehr, obwohl er lebt. Viele sind auf diese Weise tot: vergessen von den anderen, unbeachtet, im Schatten des Lebens, auf Abstellgleisen, ohne Lebensmut, ohne Wärme, ohne Freunde, ohne Freude, ohne Hoffnung. Tod durch Kälte, Nichtbeachtung, fehlende Liebe. Tod mitten im Leben.

Die Bibel redet nicht vom medizinischen Tod Jesu. Und zunächst, trotz aller späteren Verleiblichungen in den Auferstehungs-Legenden, meint die Bibel mit Auferstehung auch kein medizinisches Wiederbeleben klinisch Toter. Immer haben Menschen versucht, hinter das Geheimnis der Auferstehung zu leuchten. Zu verstehen, wie ein Todkranker ohne äußere Einwirkung wieder gesund wird, wie ein schier toter Baum plötzlich Knospen hat, wie ein mutlos gewordener Mensch plötzlich wieder auflebt; wie verzweifelte wieder neuen Mut zum Leben bekommen, wie Trauernde doch wieder ins Leben zurückfinden und lachen können.

Oder wie eine zerstreute und verängstigte Gruppe von Jesus-Anhängern, die in ihre Dörfer in Galiläa zurück geflohen sind, plötzlich wieder zusammenkommen und im Stile Jesu weitermachen, missionieren, von Gottes Liebe erzählen und sie in hilfreichen Taten dokumentieren. Oder wie ein von Polizei und Todesschwadronen eingeschüchtert es Bauernvolk plötzlich für die Freiheit kämpft und sich nicht mehr mit der Tyrannei der Regierung ab findet. Ich denke an Nicaragua, El Salvador, Namibia, früher einmal Vietnam. Der Tod im Morgengrauen aus den Gewehren der Foltertruppen hat seine einschüchternde Macht verloren. Ein Volk steht auf, macht Aufstand gegen den Diktator. Das ist Auferstehung. Es wird weiter geschossen und gestorben. Das Kreuz ist nicht vergessen. Das Leiden Christi in seinen geringsten Brüdern geht weiter. Aber die Angst vor dem Tod, die Abschreckung ist vergangen. Und diese Auferstehung mitten im Leben, mitten im Leiden, die gibt es wirklich! Und die eigenartige Kraft der Solidarität, der Geist der gegenseitigen Ermutigung, das gibt es wirklich. Diese Lebenskraft Gottes, ausgerechnet bei den Schwächsten, das ist das Wunder von Ostern. Und dieses Wunder ist Zeichen der weitergehenden Macht Christi, die sich nicht brechen läßt durch die Hinrichtung Jesu. Im Gegenteil: die Macht Gottes wächst im Leiden, im Kreuz, in der vermeintlichen Ohnmacht. Und das ist allerdings ein Grund zum Jubel.

Nicht ob Menschen einst unsterblich sein werden, wird Ostern gefeiert. Darüber zu philosophieren, können wir den Toten überlassen. Für uns Lebende - noch Lebende! - ist das viel wichtigere und entscheidende Osterwunder vor dem Tod: Gottes Kraft holt Verzweifelte ins Leben zurück, läßt unterdrückte Völker Aufstand machen gegen ihre terroristische Regierung, bringt Leute im Namen Jesu zusammen noch 2000 Jahre nach seiner Hinrichtung. Solange die Erde steht, werden in dieser Kraft des lebendig machenden Gottes Gebeugte aufrecht gehen lernen, Kranke gesunden, Verzweifelte wieder froh werden, werden Menschen nicht aufhören, das, was Jesus anfing, zu einem guten Ende zu bringen, wo Gott einmal wirklich und sichtbar und spürbar alles durchdringt und erwärmt: kurz alles in allem ist und nur noch und ganz und gar Liebe sein wird, ohne Kampf, ohne Blutvergießen, ohne Tränen.

Jeder Tag ist Karfreitag, denn jeden Tag leiden unendlich viele Menschen den Kreuzestod Jesu nach in ihrem Hunger, auf Folterbänken, in Todeszellen. Aber jeder Tag ist auch etwas Ostern. Denn wir lassen uns nicht mehr beeindrucken von den Folterern, von der Verzweiflung in unseren eigenen Herzen. Und all diese kleinen Aufstände sind Schritte in der weitergehenden Auferstehungsgeschichte Gottes in einer Welt, die noch, aber nicht auf ewig, vom Tod und seinen supermächtigen Administratoren beherrscht wird. Noch gibt es Hunger, Folter und Atomraketen. Aber noch hat Gott nicht das letzte Wort gesprochen. Es wird das Wort der Liebe und des neuen Lebens sein. Amen.