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Begrüßungsrede zum Ostermarsch vor der Friedenskirche 22.4. 1984

Liebe Freunde!

Die Friedensbewegung soll sich tot laufen. So wie alle Proteste in unserem freien Rechtsstaat sich tot laufen. Das ist die Politik der Freiheit: während in der DDR die Leute von der Friedensbewegung verhaftet werden, weil der Staat Angst vor ihnen hat, läßt man uns und die 75% unserer Bevölkerung, die gegen Atomraketen in Europa sind, demonstrieren, protestieren und schimpfen, bis uns die Puste ausgeht. Die Regierung weiß, daß sie keine Schwierigkeiten bekommt, wenn sie gegen dieses Volk regiert. Denn dieses Volk ist schlaff und träge und findet sich mit dem kommenden Atomkrieg ab - solange es seine Videos gucken darf und das tägliche Schnitzel in der Pfanne brutzelt. Allerdings ist dieses Land ein freies Land: hier kann jeder, der regiert, machen was er will. Ohne Rücksicht auf Volkes Stimme. Diese Freiheit, Freiheit der Reichen und Mächtigen, die Graf-Otto-Freiheit, lohnt sich in der Tat, gegen den Kommunismus zu verteidigen. Wenigstens für Graf Otto.

Die Friedensbewegung soll sich tot laufen. Aber wir denken nicht daran, unsere Hoffnung und Forderung nach Rücknahme der Atomwaffen aus der BRD aufzugeben. Wir laufen uns lebendig. Wir laufen zu Ostern, weil Ostern das Fest des lebendig machen den Gottes ist, der nicht einfach hinnimmt, daß der Mann Jesus mit seiner Botschaft vom Erfolg der Gewaltlosigkeit einfach so ermordet wird. Damals hatten sie gedacht, mit dem Tod des Anführers Jesus hätten sie die Sache wieder im Griff. Die Sache lief ihnen aber erst recht aus den Händen. Sorgen wir dafür, daß es heute nicht anders ist. Ostern marschieren, weil Gott ein Gott der Lebendigen, ein Gott für das Leben ist und keine Atomraketen will. Alte Osterlieder singen vom Kampf Christi mit dem Teufel und dem Tod in der Hölle. Ostern ist ein Siegesfest des Lebens über den Tod und seine finsteren Mächte. Todesmächte sind diejenigen, die ihre Herrschaft aufrechterhalten durch die Drohung mit dem Tod. Auch Atomraketen sind Todesmächte. Sie zu beseitigen ist heute unser Osterglaube.

Noch ein Wort zur Gewalt im Kampf gegen die Todesmacht Atomrakete. Unsere obersten Richter bezeichnen das Sitzen vor einer Kaserne als Gewaltakt. Sie heiligen damit einen viel brutaler ran Gewaltakt: die Wasserwerfer der Polizei. Die Wasserwerfer und Schlagstöcke sind angeblich keine Gewalt. Gleichfalls sind die Atomraketen hinter dem Stacheldrahtzaun, der Zonengrenze innerhalb der BRD, keine Gewalt. Wahrscheinlich ist der Atomkrieg für unsere Bundesverfassungsrichter auch gewaltlos und vor allem: er ist rechtens und legal, weil er nicht in der Völkerrechtskonvention geächtet ist. So ist das mit der Gewalt. Wenn jemand Hunger hat, seine Arbeit verliert, von Todesschwadronen in El Salvador ermordet wird, wenn ein Atomkrieg geplant wird in Europa, bei dem die USA Sieger wird, das alles ist rechtens. Wenn ich mich aber vor eine Kaserne setze, dann ist das Gewalt. Wenn ich sage, die Russenschweine haben meine Oma vergewaltigt, also her mit den Atomwaffen, ist das erlaubt. Wenn ich aber sage: Setzt euch vor Kasernen, vor Pershings, dann ist das Anstiftung zur Gewalt und kriminell. Ich frage euch, lohnt es sich eigentlich, einen Staat, in dem derart kriminell das Recht verdreht wird, so zu verteidigen? Verteidigungswert wäre dieser Staat erst, wenn er verstünde, seine Konflikte innen und außen ohne Gewalt zu lösen. Ich danke euch.