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Predigt über Jesaja 40, 26 - 31

Friedenskirche 29.4. 1984

Lieder: 197, 1,5 - 7; 198, 1,5 + 6; 152, 1, 4, 5; 140, 1

Das Geheimnis der Kraft Gottes

Warum hat Gott Auschwitz zugelassen? Warum griff Gott nicht ein, als 6 Millionen Juden in die Gaskammern zogen, mit Gebeten und Liedern tiefster Not auf den Lippen? Wo bleibt Gott? Warum läßt Gott Kriege zu? Warum läßt Gott zu, daß Christen, angebliche Christen, Atomwaffen einführen und in Hiroshima schon ausprobiert haben. Und beim Bikini-Atoll in der Südpazifik Region monatlich neu ausprobieren, obwohl die Hälfte der Insulaner schon von Krebs befallen ist?

So fragten schon damals Leute, nur mit anderen Orten und Geschichten: warum hat Gott zugelassen, daß uns die Babylonier besiegt haben, daß Jerusalem mit dem Tempel Gottes zerstört wurde, daß die Frommen alle verschleppt wurden ins Exil nach Babylon? Warum dauert das Exil jetzt schon über 50 Jahre und es passiert gar nichts? Wo bleibt Gott? Wo bleibt seine Hilfe? Hat es noch Sinn, von Gott zu reden, auf Gott zu hoffen, wenn er doch nicht zu sehen, zu spüren, zu erfahren ist? Ist nicht die Rede von Gott, der gerecht ist, obsolet geworden, wenn er das alles zuläßt? Ist der Gott, der die Welt geschaffen hat, nicht nur ein Trugbild, wenn man erlebt, daß er in dieser Welt gar nichts tut, um sie in Ordnung zu halten? Ist Gott müde und matt, ist er gar faul, daß er nicht eingreift und die Welt ihrem Schicksal einfach so überläßt? Oder sieht er nicht, was da los ist auf der Erde, hört Gott nicht die Schreie der Kriegsopfer, der hungrigen Kinder, von denen jeden Tag 40000 sterben? Ist Gott in Rente gegangen? Will Gott mit diesem ganzen Zeug über Kriege und Hunger nicht mehr belästigt werden? Hat Gott die Nase voll von dieser ewigen Politik auf der Kanzel? Sehnt sich Gott nach Verehrung, ohne daß wir diese peinlichen Themen Krieg, Hunger, Arbeitslosigkeit, Umwelt tot hier anschneiden sollen?

Gott ist ewig sagt Jesaja II. Also will er mit unseren zeitlichen Problemen nicht ständig belästigt werden.

Gott ist unerforschlich sagt sie sei ja II also sollen wir gar nicht erst fragen, warum er schweigt zum Unrecht.

Gott gibt denen Kraft, die auf ihn harren, sagt Jesaja II. Also sollen wir nicht mehr klagen und zweifeln, sondern uns gedulden und warten auf Kraft von oben. Warten.

So könnte man antworten auf unsere Frage nach Gott. Aber so billig lassen wir uns nicht abspeisen! Wir halten dagegen:

Ewig: Gottes Geschichte ist noch nicht zu Ende! Sie hat, wir haben Zukunft!

Unerforschlich: Unsere Theorien über Gottes Allmacht bleiben unsere Theorien. Gott ist anders als wir ihn gerne fantasieren. Gottes Kraft wächst paradox im Ohnmächtigen und Schwachen, im Zweifel, in der Frage nach Gottes Gerechtigkeit. Vielleicht brauchen wir, die Starken, Gottes Kraft ja auch nicht. Vielleicht ist uns Gott auch egal und fern, weil wir so stark sind!

Harren: Gott verklagen auf sein Recht! Hiob klagt gegen Gott, der ihn aus der Bierlaune einer Wette mit dem Teufel im Himmel heraus testweise in jedes nur denkbare Unglück hineinstürzt in einer sadistischen Manier, die Stalin gut gefallen hätte. Und die Klage Hiobs hat Erfolg. Gott läßt ab von seinem makabren Spiel mit der Glaubensstärke dieses Mannes. Jesus – wieder so ein Mann, den Gott quält mit der Absicht, durch seine Qual die Menschheit zu erlösen von der völligen Vernichtung, der sie durch all ihre Taten vor seinem Richterstuhl schuldig sind. Harren heißt, Gott behaften auf der Gültigkeit seiner Zusagen. Gott ist ziemlich im Verzug damit. Deshalb gibt es viel an ihm zu meckern, zu klagen, zu schimpfen und zu protestieren, wenn er denn tatsächlich der Schicksalsmacher wäre.

Ich glaube schon lange nicht mehr an so einen sadistischen Gott. Unser Schicksal macht nicht Gott in irgendeiner Prädestination oder spontan da oben im Himmel, sondern wir selbst und eine Unsumme von seltsamen Zufällen. Gott spielt mit uns nicht Katz und Maus, sondern ist in den Mäusen zu Hause, in den Opfern dieser Schicksalsschläge und Prankenhiebe der Katzen dieser Welt.

Gottes Kraft ist nur in den Schwachen zu finden. Und sonst gar nicht. Er ist der Ohnmächtige. Und nur so kann er trösten und auf der Seite der Schwachen und Opfer der Geschichte sein. Das ist das ganze Geheimnis über Gott, dieses Paradox, daß seine Herrlichkeit verborgen ist in der leidenden Welt. Und unsere zarte Hoffnung ist, daß diese seufzende Kreatur eines Tages aufgrund ihrer Schmerzen und Traurigkeit so viel Mut gefaßt und so viel Kraft und Phantasie aufgebracht hat, daß sie die Welt umrüsten kann zur Heimat. Amen.