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Konfirmationspredigt über Micha 4, 1 - 4

Friedenskirche 27.5. 1984

Liebe Gemeinde!

Wie können wir Konfirmation feiern wenn wir Bilder des Todes vor Augen haben? Wie können wir fröhlich sein, während uns noch die Betroffenheit über das unendliche Leid in den Knochen sitzt, daß Atombomben über die Menschen bringen? Noch genereller: wie kann ich glücklich sein, während ich weiß und sehe, wie andere Menschen in Not sind?

Wir sind betroffen, ratlos, verwirrt. Vielleicht fragen Sie, liebe Festgäste, auch: Warum wird gerade bei diesem fröhlichen Anlaß Konfirmation ein so deprimierender Film gezeigt? Als ich diesen Film das erste Mal sah, habe ich oft einfach nicht mehr ausgehalten, hinzugucken. Ich wollte wegschauen, weghören. Ich wollte, nein, ich konnte nicht ertragen, daß dies wirklich passiert ist. Ich wollte es wegschieben von mir, verdrängen aus meinen Gedanken. Nicht umsonst wurden diese Aufnahmen 20 Jahre lang geheimgehalten. Die Menschen sollten gar nicht erst sehen, was ihnen droht, wie schrecklich der Alltag eines Atomkrieges ist.

Ich glaube, hätten die Menschen früher die Schrecken dieser zwei japanischen Städte mit angesehen, so hätten sie die Aufrüstungsprogramme ihrer Regierungen nicht so einfach unterstützt, wie es bisher war.

Manche von uns kennen die Bilder des Schreckens aus den Medien. Aber viele kennen sie nicht, weil sie lieber das Quiz in anderen Programmen einschalten. Einige kennen die Bilder des Krieges aus der eigenen Vergangenheit. Aber Hiroshima ist schlimmer als Hamburg oder Dresden, schlimmer als alles, was wir im Krieg bisher erlebt haben. Und darum gehört die Erinnerung an Hiroshima so notwendig hinein in die Gottesdienste wie die Erinnerung an den Tod Jesu, der sich fortsetzt in dem massenhaften Tod unschuldiger Japaner durch diese grauenvollster Erfindung deutscher Wissenschaftler in Amerika.

Ich möchte Ihnen beschreiben, wie ich meinen ersten Schock fürs Leben erhalten habe. Wir hatten in der neunten Klasse Geschichtsunterricht. Unser Lehrer zeigte uns einen Film über die deutschen Konzentrationslager, in denen die Juden vernichtet worden. Ich spürte beim angucken unbeschreibliche Wut darüber, daß so etwas tatsächlich passiert war, ich war wütend auf unseren Geschichtslehrer, der uns so schreckliche Dinge zeigt. Meine Eltern haben sich sogar damals beschwert, Auschwitz sei doch kein Thema für die Schule. Und es war die Ohnmacht, nichts tun zu können, damit Auschwitz nie wieder vorkommt. Ohnmacht, Wut auf den Lehrer und Wut über dieses unendliche Leid der Menschen. Aber dieser Schock war für mich eine Wende. Er war der Beginn meines Entschlusses, alles Erdenkliche dafür zu tun zu wollen, daß die Menschen in Frieden leben können. Dieser Schock fürs Leben hat mich hinter dem Ofen hervor gelockt. Ich begann nachzudenken und zu handeln. Ich glaube nicht, daß wir solche schockierenden Bilder gewohnt sind. Wenn ich sie Ihnen heute, am Tage der Konfirmation ans Herz lege, so verbinde ich damit die Hoffnung, daß für den einen oder anderen hier und heute, an einem entscheidenden Tag, an einem Tag der Entscheidung für die Sache Jesu, solch ein heilsamer Schock für das Leben ausgelöst wird, der uns zum Nachdenken und Weiterdenken bewegt. Konfirmation heißt ja Bekräftigung des Entschlusses, Jesu Arbeit in dieser Welt fortzusetzen: leben und kämpfen für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit.

Darum ist Konfirmation eben auch mehr als Anzug, Dauerwelle und Festessen. Konfirmation bedeutet, vor Gott und der christlichen Gemeinschaft versprechen, für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit einzutreten und zu kämpfen. Der Kampf endete für Jesus am Kreuz. Darum ist das Konfirmationsversprechen eine ernste Sache. Es ist wenig Grund zum Jubel, einen Weg gehen zu wollen, der für Jesus tödlich endete. Es ist wenig Grund zum Jubel in einer Welt, die möglicherweise so weitergehen könnte, wie der Film es gezeigt hat.

Daß sie anders weiter geht, ist unsere Hoffnung. Und diese Hoffnung kostet Arbeit, verlangt von uns wirklich das Letzte an Einsatz für die Überwindung unserer Feindbilder und Bedrohungsgefühle. Wir müssen den ersten Schritt der Versöhnung mit unseren Gegnern tun. Das erfordert Mut. Mut zum Vertrauen. Angesichts der Gefahren von Atomkrieg werden die Machtinteressen der Großmächte allmählich zweitrangig. Es geht um unser globales Überleben. Und das verbindet uns mit den Gegnern. Sie wollen leben genau wie wir auch. Sie wollen glücklich sein, wir auch. Und ohne Waffen geht das viel besser.

Der Prophet Micha hat die Herrschaft Gottes beschrieben als eine Weltfriedensordnung, so wie es heute die UNO anstrebt:

Micha 4,1-4: In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher denn alle Berge, und über die Hügel erhaben sein, und die Völker werden dazu laufen, und viele Heiden werden gehen und sagen: Kommt, laßt uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege und wir auf seiner Straße wandeln! Denn aus Zion wird das Gesetz ausgehen und des HERRN Wort aus Jerusalem. Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden strafen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere ein Schwert aufheben und werden nicht mehr kriegen lernen. Ein jeglicher wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen ohne Scheu; denn der Mund des HERRN Zebaoth hat's geredet.

Weil kein Volk mehr Waffen hat, hat auch kein Volk mehr Angst vor dem anderen. Die Angst kommt durch die Waffen. Und darum geht die Angst auch nur weg, wenn die Waffen verschrottet werden. Und wenn wir das erreichen, das ist dann endlich wirklich ein Grund zum Jubel! Von Gott lernen, was recht ist und nicht mehr von den eigenen Ängsten getrieben werden. Von Gott diesen Satz lernen: Liebet eure Feinde.

Ich komme zur Ausgangsfrage zurück: wie können wir heute feiern, angesichts der Bilder von Hiroshima. Und ich habe versucht, folgendes zu sagen: An sich ist der Anlaß der Konfirmation noch kein Grund zum Jubeln und Feiern, denn der Weg Jesu ist hart und schmerzlich. Aber daß überhaupt Menschen ihn gehen wollen und gehen, daß überhaupt Menschen für andere da sind, daß wir Gott nicht völlig alleine lassen - das ist der eine Freudengrund. Der andere Grund zum Feiern heute ist, daß Gott uns nicht völlig alleine läßt. Er begleitet uns mit seinem Wort, mit den Geschichten von Jesus und den Visionen seines künftigen Friedensreiches.

Weil Gott der Weltfrieden versprochen hat, deshalb glaube ich, daß das Rad der Kriege eines Tages stillstehen wird. Frieden ist anstrengend, aber möglich. Die dazu nötige Versöhnungs-und Verständnisbereitschaft aufzubringen, liegt an jedem von uns. Aber wir können diese Anstrengungen des Friedens nur dann aushalten und durchhalten, wenn wir wissen: Es wird Erfolg haben, den ersten Schritt zu tun. Und das hat Gott uns versprochen. Nicht etwa unsere mißtrauischen Gegner. Weil Gott der Bürge des künftigen Friedens auf dieser Erde ist, werden wir eines Tages die Waffen besiegt haben. Und das ist allemal der Grund für ein Fest.

Wer so feiert, Konfirmation feiert, vergißt nicht die Bilder des Schreckens. Aber er lebt mit dem Wissen, daß die Bilder von Gottes künftigen Friedensreich auf dieser Erde radikal anders aussehen. Wenn Gott kommt, wird er die Tränen abwischen. Es ist an uns, ihm dabei zu helfen. Amen.

 

Gebet: Herr, nimm uns unsere Kälte

Herr, wir wollen es nicht dauernd hören

immer wieder das Gerede von Krieg und Atomraketen

Herr, wir leben doch in Frieden vor uns hin

warum sollen wir ständig an Krieg denken

Herr, wir haben es doch gut

warum können wir nicht einfach dankbar sein

Herr, wir haben genug Sorgen: Arbeitsplätze und Alkohol

warum sollen wir uns auch noch um die Sorgen anderer kümmern

Herr, wir drehen jede Mark dreimal um, ehe wir sie ausgeben

warum sollen wir auch noch an die 40 000 Kinder denken,

die an jedem Tag auf dieser Erde vor Hunger sterben

Herr, wir haben genug Kriege mitgemacht

wir können es langsam nicht mehr ertragen

ständig an Krieg erinnert zu werden

Herr, wir wollen keinen Krieg und wir wollen auch nichts mehr

davon hören und sehen

Herr, laß uns in Frieden mit unseren Atomwaffen

wir haben noch nie so lange Frieden gehabt wie jetzt

wo wir gesichert sind durch Atomraketen

Herr, wir wollen uns freuen und fröhlich sein

heute an diesem Tag

warum nimmst du uns unsere Feststimmung

So denken wir, Herr, und so denken alle.

So dachten auch die, die Jesus, den Störenfried beseitigt haben. So denken auch die, die an den roten Knöpfen sitzen.

Und so haben alle Menschen gedacht, bevor sie eingezogen wurden zum Krieg.

Herr, für uns ist es schöner, abzuschalten von all den Sorgen. Mal auf andere Gedanken zu kommen. Und darum denken wir so ungern an das, was diese Welt in die Katastrophe bringen kann. Und so werden wir blind und taub gegenüber dem Elend und Hunger in den armen Ländern und blind für die Gefahren der Aufrüstung in unserem eigenen Land.

Herr, du hast Blinde sehen gemacht und Taube hören.

Öffne uns unsere Augen und Ohren und laß die Not dieser Welt in unser Herz dringen. Herr, nimm uns unsere Kälte. Amen.