Friedenskirche
27.5. 1984
Liebe
Gemeinde!
Wie
können wir Konfirmation feiern wenn wir Bilder des Todes vor
Augen
haben? Wie können wir fröhlich sein, während
uns noch die Betroffenheit über
das unendliche Leid in den Knochen sitzt, daß Atombomben
über die Menschen
bringen? Noch genereller: wie kann ich glücklich sein,
während ich weiß und
sehe, wie andere Menschen in Not sind?
Wir
sind betroffen, ratlos, verwirrt. Vielleicht fragen Sie, liebe
Festgäste,
auch: Warum wird gerade bei diesem fröhlichen Anlaß
Konfirmation ein so
deprimierender Film gezeigt? Als ich diesen Film das erste Mal sah,
habe ich
oft einfach nicht mehr ausgehalten, hinzugucken. Ich wollte wegschauen,
weghören. Ich wollte, nein, ich konnte nicht ertragen,
daß dies wirklich
passiert ist. Ich wollte es wegschieben von mir, verdrängen
aus meinen
Gedanken. Nicht umsonst wurden diese Aufnahmen 20 Jahre lang
geheimgehalten.
Die Menschen sollten gar nicht erst sehen, was ihnen droht, wie
schrecklich der
Alltag eines Atomkrieges ist.
Ich
glaube, hätten die Menschen früher die Schrecken
dieser zwei
japanischen Städte mit angesehen, so hätten sie die
Aufrüstungsprogramme ihrer
Regierungen nicht so einfach unterstützt, wie es bisher war.
Manche
von uns kennen die Bilder des Schreckens aus den Medien. Aber
viele kennen sie nicht, weil sie lieber das Quiz in anderen Programmen
einschalten. Einige kennen die Bilder des Krieges aus der eigenen
Vergangenheit. Aber Hiroshima ist schlimmer als Hamburg oder Dresden,
schlimmer
als alles, was wir im Krieg bisher erlebt haben. Und darum
gehört die
Erinnerung an Hiroshima so notwendig hinein in die Gottesdienste wie
die
Erinnerung an den Tod Jesu, der sich fortsetzt in dem massenhaften Tod
unschuldiger Japaner durch diese grauenvollster Erfindung deutscher
Wissenschaftler in Amerika.
Ich
möchte Ihnen beschreiben, wie ich meinen ersten Schock
fürs Leben
erhalten habe. Wir hatten in der neunten Klasse Geschichtsunterricht.
Unser
Lehrer zeigte uns einen Film über die deutschen
Konzentrationslager, in denen
die Juden vernichtet worden. Ich spürte beim angucken
unbeschreibliche Wut
darüber, daß so etwas tatsächlich passiert
war, ich war wütend auf unseren
Geschichtslehrer, der uns so schreckliche Dinge zeigt. Meine Eltern
haben sich
sogar damals beschwert, Auschwitz sei doch kein Thema für die
Schule. Und es
war die Ohnmacht, nichts tun zu können, damit Auschwitz nie
wieder vorkommt.
Ohnmacht, Wut auf den Lehrer und Wut über dieses unendliche
Leid der Menschen.
Aber dieser Schock war für mich eine Wende. Er war der Beginn
meines Entschlusses,
alles Erdenkliche dafür zu tun zu wollen, daß die
Menschen in Frieden leben
können. Dieser Schock fürs Leben hat mich hinter dem
Ofen hervor gelockt. Ich
begann nachzudenken und zu handeln. Ich glaube nicht, daß wir
solche
schockierenden Bilder gewohnt sind. Wenn ich sie Ihnen heute, am Tage
der
Konfirmation ans Herz lege, so verbinde ich damit die Hoffnung,
daß für den
einen oder anderen hier und heute, an einem entscheidenden Tag, an
einem Tag der
Entscheidung für die Sache Jesu, solch ein heilsamer Schock
für das Leben
ausgelöst wird, der uns zum Nachdenken und Weiterdenken
bewegt. Konfirmation
heißt ja Bekräftigung des Entschlusses, Jesu Arbeit
in dieser Welt
fortzusetzen: leben und kämpfen für Frieden, Freiheit
und Gerechtigkeit.
Darum
ist Konfirmation eben auch mehr als Anzug, Dauerwelle und
Festessen. Konfirmation bedeutet, vor Gott und der christlichen
Gemeinschaft
versprechen, für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit
einzutreten und zu kämpfen.
Der Kampf endete für Jesus am Kreuz. Darum ist das
Konfirmationsversprechen
eine ernste Sache. Es ist wenig Grund zum Jubel, einen Weg gehen zu
wollen, der
für Jesus tödlich endete. Es ist wenig Grund zum
Jubel in einer Welt, die
möglicherweise so weitergehen könnte, wie der Film es
gezeigt hat.
Daß sie anders
weiter geht, ist unsere Hoffnung. Und diese Hoffnung kostet
Arbeit, verlangt von uns wirklich das Letzte an Einsatz für
die Überwindung
unserer Feindbilder und Bedrohungsgefühle. Wir müssen
den ersten Schritt der
Versöhnung mit unseren Gegnern tun. Das erfordert Mut. Mut zum
Vertrauen.
Angesichts der Gefahren von Atomkrieg werden die Machtinteressen der
Großmächte
allmählich zweitrangig. Es geht um unser globales
Überleben. Und das verbindet
uns mit den Gegnern. Sie wollen leben genau wie wir auch. Sie wollen
glücklich
sein, wir auch. Und ohne Waffen geht das viel besser.
Der
Prophet Micha hat die Herrschaft Gottes beschrieben als eine
Weltfriedensordnung,
so wie es heute die UNO anstrebt:
Micha
4,1-4: In den letzten Tagen
aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen,
höher denn alle
Berge, und über die Hügel erhaben sein, und die
Völker werden dazu laufen, und
viele Heiden werden gehen und sagen: Kommt, laßt uns hinauf
zum Berge des HERRN
gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine
Wege und wir auf
seiner Straße wandeln! Denn aus Zion wird das Gesetz ausgehen
und des HERRN
Wort aus Jerusalem. Er wird unter großen Völkern
richten und viele Heiden
strafen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und
ihre
Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere
ein Schwert
aufheben und werden nicht mehr kriegen lernen. Ein jeglicher wird unter
seinem
Weinstock und Feigenbaum wohnen ohne Scheu; denn der Mund des HERRN
Zebaoth
hat's geredet.
Weil
kein Volk mehr Waffen hat, hat auch kein Volk mehr Angst vor dem
anderen. Die Angst kommt durch die Waffen. Und darum geht die Angst
auch nur
weg, wenn die Waffen verschrottet werden. Und wenn wir das erreichen,
das ist
dann endlich wirklich ein Grund zum Jubel! Von Gott lernen, was recht
ist und
nicht mehr von den eigenen Ängsten getrieben werden. Von Gott
diesen Satz
lernen: Liebet eure Feinde.
Ich
komme zur Ausgangsfrage zurück: wie können wir heute
feiern,
angesichts der Bilder von Hiroshima. Und ich habe versucht, folgendes
zu sagen:
An sich ist der Anlaß der Konfirmation noch kein Grund zum
Jubeln und Feiern,
denn der Weg Jesu ist hart und schmerzlich. Aber daß
überhaupt Menschen ihn
gehen wollen und gehen, daß überhaupt Menschen
für andere da sind, daß wir Gott
nicht völlig alleine lassen - das ist der eine Freudengrund.
Der andere Grund
zum Feiern heute ist, daß Gott uns nicht völlig
alleine läßt. Er begleitet uns
mit seinem Wort, mit den Geschichten von Jesus und den Visionen seines
künftigen Friedensreiches.
Weil
Gott der Weltfrieden versprochen hat, deshalb glaube ich, daß
das
Rad der Kriege eines Tages stillstehen wird. Frieden ist anstrengend,
aber
möglich. Die dazu nötige Versöhnungs-und
Verständnisbereitschaft aufzubringen,
liegt an jedem von uns. Aber wir können diese Anstrengungen
des Friedens nur
dann aushalten und durchhalten, wenn wir wissen: Es wird Erfolg haben,
den
ersten Schritt zu tun. Und das hat Gott uns versprochen. Nicht etwa
unsere mißtrauischen
Gegner. Weil Gott der Bürge des künftigen Friedens
auf dieser Erde ist, werden
wir eines Tages die Waffen besiegt haben. Und das ist allemal der Grund
für ein
Fest.
Wer
so feiert, Konfirmation feiert, vergißt nicht die Bilder des
Schreckens. Aber er lebt mit dem Wissen, daß die Bilder von
Gottes künftigen
Friedensreich auf dieser Erde radikal anders aussehen. Wenn Gott kommt,
wird er
die Tränen abwischen. Es ist an uns, ihm dabei zu helfen. Amen.
Herr,
wir wollen es nicht dauernd hören
immer
wieder das Gerede von Krieg und Atomraketen
Herr,
wir leben doch in Frieden vor uns hin
warum
sollen wir ständig an Krieg denken
Herr,
wir haben es doch gut
warum
können wir nicht einfach dankbar sein
Herr,
wir haben genug Sorgen: Arbeitsplätze und Alkohol
warum
sollen wir uns auch noch um die Sorgen anderer kümmern
Herr,
wir drehen jede Mark dreimal um, ehe wir sie ausgeben
warum
sollen wir auch noch an die 40 000 Kinder denken,
die
an jedem Tag auf dieser Erde vor Hunger sterben
Herr,
wir haben genug Kriege mitgemacht
wir
können es langsam nicht mehr ertragen
ständig
an Krieg erinnert zu werden
Herr,
wir wollen keinen Krieg und wir wollen auch nichts mehr
davon
hören und sehen
Herr,
laß uns in Frieden mit unseren Atomwaffen
wir
haben noch nie so lange Frieden gehabt wie jetzt
wo
wir gesichert sind durch Atomraketen
Herr,
wir wollen uns freuen und fröhlich sein
heute
an diesem Tag
warum
nimmst du uns unsere Feststimmung
So
denken wir, Herr, und so denken alle.
So
dachten auch die, die Jesus, den Störenfried beseitigt haben.
So
denken auch die, die an den roten Knöpfen sitzen.
Und
so haben alle Menschen gedacht, bevor sie eingezogen wurden zum
Krieg.
Herr,
für uns ist es schöner, abzuschalten von all den
Sorgen. Mal auf
andere Gedanken zu kommen. Und darum denken wir so ungern an das, was
diese
Welt in die Katastrophe bringen kann. Und so werden wir blind und taub
gegenüber dem Elend und Hunger in den armen Ländern
und blind für die Gefahren
der Aufrüstung in unserem eigenen Land.
Herr,
du hast Blinde sehen gemacht und Taube hören.
Öffne
uns unsere Augen und Ohren und laß die Not dieser Welt in
unser
Herz dringen. Herr, nimm uns unsere Kälte. Amen.