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Predigt über 1. Petrus 2,2 - 10

Friedenskirche 29. 7. 1984

Lieder: 249, 1, 2, 5; 256, 1, 4, 6; 252, 1 + 2; 139;  -   Lesung Matthäus 21, 33 - 45; Psalm 118

Der Stein des Anstoßes als Fundament des christlichen Glaubens

Liebe Gemeinde!

Wie war Jesus wirklich? Die Hippiebewegung sieht ihn als Superstar mit breitem Lachen auf den Lippen. Ob ihm das nicht oft vergangen sein dürfte, bei all den Streitigkeiten mit Schriftgelehrten und Pharisäern? Einige kommunistische Autoren sehen in ihm den Sozialrevolutionär. So wie die Leute in Jerusalem, die Jesus als Messias, als gottgesandten Che Guevara gegen die Römer, mit ihrem Hosianna begrüßten. Martin Hengel, mein neutestamentlicher Lehrer in Tübingen, Chef des Hengella-Unterhosen-Werkes, sieht bei Jesus die Heiterkeit als wichtigste Tugend. Jesus war nach Hengel eben gar kein Sozialrevolutionär, sonst hätte er eine Armee organisiert gegen die römische Legion und einen blutigen Aufstand inszeniert wie die Zeloten, die tapfer starben. Hengel, schwäbischer Theologieprofessor, ist Weinkenner. Wein macht heiter. Ich frage sie, liebe Gemeinde, warum wohl betont mein Lehrer Martin Hengel die Heiterkeit Jesu? Wie sehen wir Jesus? Wie war Jesus?

Manchmal habe ich den Eindruck, das Jesus in der Kirche bloß noch ein Name ist, hinter dem nichts steht. Wer von uns kann denn noch Geschichten von Jesus erzählen? Ich glaube, Jesus ist für die meisten von uns bedeutungslos geworden. Wenn ich zurückblicke auf das letzte Jahr: es wurde über alles Mögliche geredet, getratscht über Pastoren, Mitarbeiter, Gemeindeglieder - nur nicht über Jesus. Haben Sie schon mal ein Telefongespräch oder einen Besuch oder eine Krise erlebt, in der über Jesus geredet wurde? Ist Jesus denn so langweilig für die christliche Gemeinde geworden? Wenn ich sie fragen würde: haben sie Jesus lieb? So würden Sie sagen: Ja. Aber wenn ich Frage: was wissen sie von Jesus? Dann kommt Verlegenheit auf. Sie werden vielleicht sagen: er ist unser Herr. Er ist für uns gestorben. Aber damit haben sie nur etwas über den toten Jesus gesagt. Den lebendigen Jesus kennen wir kaum noch. Vielleicht, weil ein Hinrichtungsopfer ja auch viel sensationeller und interessanter ist.

Der Autor des ersten Petrusbriefes schildert Jesus mit Psalm 118, 22, einem bekannten Psalmwort, das oft in der Bibel zitiert wurde. Jesus ist der Stein, der von den Maurern weggeworfen wurde und schließlich wunderbarerweise zum Eckstein geworden ist, zum tragenden Grundstein eines Hauses. Und an diesem Eckstein stoßen sich die Leute. Jesus ist der  Lito/j ska/ndalou, der Stein des Anstoßes, über den die Menschen stolpern, mit dem sie zusammenrasseln, an dem sie sich ärgern. Jesus ist ein Skandal. So sagt es Paulus, Matthäus und auch der Autor des 1. Petrusbriefes. So sagen es Leute, die für ihre damalige Umwelt selbst immer wie Steine des Anstoßes waren. Der heitere Theologe Hengel sieht Jesu Heiterkeit. Der anstößige Apostel Paulus sieht Jesus als Skandal.