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Predigt über 1. Korinther 3,9 - 12


Friedenskirche 9. 9. 1984
Lieder: 214, 1, 4, 5; 217,1 + 5 - 7; 152, 1 + 4 + 5; 139; Matthäus 12, 33 ff

Gottes Wohnung: die Menschen

Liebe Gemeinde, daß in der Kirche Intrigen und Gehässigkeiten betrieben werden, ist immer wieder trauriger Grund, an der Kirche zu zweifeln. Die trostlose Wahrheit über die Kirche: von Anfang an, sicher schon vor der Partei Bildung in der korinthischen Gemeinde, hat es Zwietracht, Streit und Zank unter den Christen gegeben. Schon immer haben sich Menschen in der Kirche das Leben gegenseitig schwer gemacht. Die Idee der Einheit aller Christen unter dem einen Herrn, nämlich Jesus Christus, bleibt frommer Wunsch. Es gibt keine Einheit der Christen. Es wird wohl auch in unserem Menschenleben keine Versöhnung der evangelischen und katholischen Kirche geben. Der Riss geht ja nicht zwischen evangelisch und katholisch. Das ist ja nur noch ein nostalgisches Theologen-Hick-Hack, während die normalen Menschen – gottseidank - überhaupt nicht mehr danach fragen, ob einer evangelisch oder andersrum ist. Nein, der Riss geht quer durch alle Konfessionen und quer durch jede Kirchengemeinde. Und dieser Riss ist wie an den Schönhausener Bergschäden in der Giebelfront: nicht glatt, sondern verästelt. Da gibt es keine klare Front, wo wir die einen in allen Punkten gegen die anderen sind.
Die Front läuft auch nicht zwischen den Generationen in der Gemeinde. Längst nicht alle älteren sind für Atomwaffen, als Beispiel, längst nicht alle Jugendlichen sind dagegen. Längst nicht alle älteren sind gegen Disco in der Friedenskirche, und lange nicht alle Jugendlichen dafür. Der Riss in der Gemeinde ist sehr kompliziert. Und doch gibt es ihn, genauer: es gibt immer wieder neue Risse und Brüche in diesem Tempel Gottes aus Fleisch und Blut. So wie es bei Bergschäden eben auch ist.
Damals schien die Spannung einfach zu sein in Korinth. Die einen waren für Paulus und seine Ansichten, die anderen hielten mehr von Apollos. Da redete man über die Apostel, wie man hier über Pastoren redet. Da gab es sicher auch viele, die sagten: zu Apollos gehe ich nicht, wenn der predigt, so wie einige hier sagen - natürlich sind sie heute nicht da - : zu Lütge gehe ich nicht. Die christliche Form von Antipathie dabei ist es, zu sagen: Pastor X predigt gut, aber Pastor y, was der sagt, das ist seine private Meinung, das ist Politik, aber es ist nicht mehr Gottes Wort. Der eine Pastor predigt Gottes Wort, der andere nicht. Und wie unterscheidet man das? Ganz einfach: was meine eigenen Ansichten bekräftigt, das ist Gottes Wort. Was nicht mit meiner Meinung übereinstimmen, das ist eben dann Politik, Geschwätz, Gekrakel, aber nicht mehr Gottes Wort. So ist es doch oft! Daß wir nur das als Gottes Wort vom Pastor akzeptieren, was uns gut runter geht, was uns schmeckt, was uns nach dem Munde redet. Und so schlagen sich die einen zum einen Pastor, die anderen zum anderen Pastor. Es bilden sich Parteien, wie in der Politik. Die einen gründen sich auf den einen, die anderen auf den anderen. Dabei gibt es doch nur eine Grundlage für uns als Christen: die Worte und Taten Christi! Und ich glaube, wenn es einen Maßstab gibt für unsere menschlichen Worte auf der Kanzel, von denen wir sagen, sie sagen Gottes Wort weiter, dann sind dies die Worte und Taten Jesu. Denken und Leben Jesu sind Prüfsteine für die Richtigkeit einer Predigt. Paulus gibt als entscheidende Prüfungsinstanz für die Predigten des Apostel und der Pastoren den Tag des Gerichts an, und das heißt in unserem Horizont: die Geschichte, die ja Gottes Heilsgeschichte auf dem Weg zu einer gerechten und friedlichen Welt ist, wird die Aussagen der Prediger als richtig oder falsch, gut oder schlecht erweisen. Ob ein Prediger Recht hat oder nicht, wird sich schon noch zeigen im Laufe der Zeit.
Wir werden schon noch sehen, ob es mit der ständigen Weiterüstung gut geht, hoffentlich nicht, wenn es zu spät ist. Wir werden schon noch sehen, was mit der Umwelt passiert, wenn wir nicht entschlossener gegen ihre Vergiftung vorgehen. Wir werden auch sehen, wie sich unsere Kinder unter dem Einfluss der Zombiefilme und des Alkohols entwickeln.
Wir bauen mit an dieser unserer Welt, sei es nun durch tatenloses Zusehen oder Wegsehen oder durch beherztes Engagement. Wir bauen mit an Gottes Tempel, einen Tempel aus lauter Menschen. Und dieses fleischerne Haus Gottes unterscheidet sich von dem rissigen alten Haus unserer zerspaltenen Kirche nur um ein ganz klein wenig, was aber alles ändert: in Gottes Haus halten die Steine zusammen. Und werden anderen im Hunger zu Brot. Ich wünsche uns diese sättigende Kraft der Solidarität. Amen.