Liebe Gemeinde, daß in der
Kirche Intrigen und Gehässigkeiten betrieben werden, ist immer
wieder trauriger Grund, an der Kirche zu zweifeln. Die trostlose
Wahrheit über die Kirche: von Anfang an, sicher schon vor der
Partei Bildung in der korinthischen Gemeinde, hat es Zwietracht, Streit
und Zank unter den Christen gegeben. Schon immer haben sich Menschen in
der Kirche das Leben gegenseitig schwer gemacht. Die Idee der Einheit
aller Christen unter dem einen Herrn, nämlich Jesus Christus,
bleibt frommer Wunsch. Es gibt keine Einheit der Christen. Es wird wohl
auch in unserem Menschenleben keine Versöhnung der
evangelischen und katholischen Kirche geben. Der Riss geht ja nicht
zwischen evangelisch und katholisch. Das ist ja nur noch ein
nostalgisches Theologen-Hick-Hack, während die normalen
Menschen – gottseidank - überhaupt nicht mehr danach
fragen, ob einer evangelisch oder andersrum ist. Nein, der Riss geht
quer durch alle Konfessionen und quer durch jede Kirchengemeinde. Und
dieser Riss ist wie an den Schönhausener Bergschäden
in der Giebelfront: nicht glatt, sondern verästelt. Da gibt es
keine klare Front, wo wir die einen in allen Punkten gegen die anderen
sind.
Die Front läuft auch nicht zwischen den Generationen in der
Gemeinde. Längst nicht alle älteren sind für
Atomwaffen, als Beispiel, längst nicht alle Jugendlichen sind
dagegen. Längst nicht alle älteren sind gegen Disco
in der Friedenskirche, und lange nicht alle Jugendlichen
dafür. Der Riss in der Gemeinde ist sehr kompliziert. Und doch
gibt es ihn, genauer: es gibt immer wieder neue Risse und
Brüche in diesem Tempel Gottes aus Fleisch und Blut. So wie es
bei Bergschäden eben auch ist.
Damals schien die Spannung einfach zu sein in Korinth. Die einen waren
für Paulus und seine Ansichten, die anderen hielten mehr von
Apollos. Da redete man über die Apostel, wie man hier
über Pastoren redet. Da gab es sicher auch viele, die sagten:
zu Apollos gehe ich nicht, wenn der predigt, so wie einige hier sagen -
natürlich sind sie heute nicht da - : zu Lütge gehe
ich nicht. Die christliche Form von Antipathie dabei ist es, zu sagen:
Pastor X predigt gut, aber Pastor y, was der sagt, das ist seine
private Meinung, das ist Politik, aber es ist nicht mehr Gottes Wort.
Der eine Pastor predigt Gottes Wort, der andere nicht. Und wie
unterscheidet man das? Ganz einfach: was meine eigenen Ansichten
bekräftigt, das ist Gottes Wort. Was nicht mit meiner Meinung
übereinstimmen, das ist eben dann Politik, Geschwätz,
Gekrakel, aber nicht mehr Gottes Wort. So ist es doch oft!
Daß wir nur das als Gottes Wort vom Pastor akzeptieren, was
uns gut runter geht, was uns schmeckt, was uns nach dem Munde redet.
Und so schlagen sich die einen zum einen Pastor, die anderen zum
anderen Pastor. Es bilden sich Parteien, wie in der Politik. Die einen
gründen sich auf den einen, die anderen auf den anderen. Dabei
gibt es doch nur eine Grundlage für uns als Christen: die
Worte und Taten Christi! Und ich glaube, wenn es einen
Maßstab gibt für unsere menschlichen Worte auf der
Kanzel, von denen wir sagen, sie sagen Gottes Wort weiter, dann sind
dies die Worte und Taten Jesu. Denken und Leben Jesu sind
Prüfsteine für die Richtigkeit einer Predigt. Paulus
gibt als entscheidende Prüfungsinstanz für die
Predigten des Apostel und der Pastoren den Tag des Gerichts an, und das
heißt in unserem Horizont: die Geschichte, die ja Gottes
Heilsgeschichte auf dem Weg zu einer gerechten und friedlichen Welt
ist, wird die Aussagen der Prediger als richtig oder falsch, gut oder
schlecht erweisen. Ob ein Prediger Recht hat oder nicht, wird sich
schon noch zeigen im Laufe der Zeit.
Wir werden schon noch sehen, ob es mit der ständigen
Weiterüstung gut geht, hoffentlich nicht, wenn es zu
spät ist. Wir werden schon noch sehen, was mit der Umwelt
passiert, wenn wir nicht entschlossener gegen ihre Vergiftung vorgehen.
Wir werden auch sehen, wie sich unsere Kinder unter dem Einfluss der
Zombiefilme und des Alkohols entwickeln.
Wir bauen mit an dieser unserer Welt, sei es nun durch tatenloses
Zusehen oder Wegsehen oder durch beherztes Engagement. Wir bauen mit an
Gottes Tempel, einen Tempel aus lauter Menschen. Und dieses fleischerne
Haus Gottes unterscheidet sich von dem rissigen alten Haus unserer
zerspaltenen Kirche nur um ein ganz klein wenig, was aber alles
ändert: in Gottes Haus halten die Steine zusammen. Und werden
anderen im Hunger zu Brot. Ich wünsche uns diese
sättigende Kraft der Solidarität. Amen.