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Predigt über Matthäus 11, 16-24

Friedenskirche Bergkamen Bußtag 21.11. 84

Lieder: 118, 1-4; 390, 1-9 mit Matthäus 11 im Wechsel; 108, 1, 3, 5, 7; 159, 1-3

Gottes Spiele

Liebe Gemeinde!

Buße heißt im griechischen metano/hsij, wenn man es wortwörtlich übersetzt: um-denken. Bußtag liegt zwischen Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag. Zwischen dem Gedenken der Kriegsopfer und dem Denken an unseren eigenen Tod, also die eigene Zukunft und die Zukunft Gottes. Allein diese Abfolge der kirchlichen Feste, wenn man so will: der Spielregel des Kirchenjahres, macht deutlich: zwischen dem erschütterten Blick in die schreckliche Vergangenheit der Menschenschlachthäuser von 1944 und dem Blick auf Gottes Zukunft muß ein Um-Denken stattfinden. Wer zur Ewigkeit Gottes vordringen will, muß weg von den grausigen Spielregeln des ordnungsgemäßen, wohl organisierten Judenvergasens, der Politik der verbrannten Erde, Giftgas und Atombombenerfindens. Wir müssen neu denken lernen, neu spielen lernen. Denn unsere Spiele, so harmlos sie auch aussehen, haben schreckliche Auswirkungen:

Das Spiel des freien Marktes macht die kleinen Betriebe kaputt, im Weltmaßstab die kleinen Länder. Ausbeutung und ungleicher Tausch, der nach unseren Spielregeln erlaubt ist, machten die armen Länder ärmer und ärmer. Die internationale Leibeigenschaft unter den Fittichen der Supermärkte war das traurige Ergebnis. Eine neue Weltwirtschaftsordnung als Buße bedeutet: weg vom Spiel "der Stärkere gewinnt", weil er die Preise bestimmen kann. Das neue Spiel heißt: gleicher Tausch. Der kleine Bauer in Tansania soll soviel für seine Hirse bekommen, daß er davon leben kann und auch im nächsten Jahr Hirse anbauen kann. Er soll soviel bekommen, wie seine Ernte wert ist, nicht so wenig, wie gewitzte Spitzeneinkäufer multinationaler Konzerne ihm bieten. Unsere Wirtschaft läßt die Starken reicher werden. Gottes Wirtschaft handelt genau umgekehrt: "Wer unter euch groß sein will, der sei euer aller Diener." Wenn wir so weitermachen mit dem Spiel "wer hat, der hat", dann werden wir die Folgen unseres Spiels kaum noch bereinigen können. Die Rationalisierung der Großbetriebe ist Grund für die wachsende Arbeitslosigkeit im Land. Gottes Spiel heißt: die Schwachen und Bedürftigen brauchen Hilfe, nicht die Gesunden. Die Friedenskirche experimentiert, wie Sie wissen, liebe Gemeinde, ein neues Spiel. Unser Dritte-Welt-Laden garantiert den Erzeugern von Honig, Kaffee, Tee, Gewürzen, Körben, Spielzeug und Getreide einen fairen Preis. Sie bekommen endlich so viel, daß sie sich eine eigene Sozialversicherung, Rentenversicherung und Krankenversicherung aufbauen können, daß sie Zukunft haben und leben können. Ich bitte Sie, sagen sie das weiter und besuchen Sie unseren Dritte-Welt-Laden. Wir machen die Preise nicht für die gut gestellten Verbraucher in Bergkamen, die den Pfennig zweimal im Aldi umdrehen, sondern für die Arbeiter in indischen Slums, für die bolivianischen Frauen, die so wunderschöne Pullover stricken. Ich schlage Ihnen vor, daß wir alle nach dem Gottesdienst einmal runter gehen in das Kellergeschoss zum Dritte-Welt-Laden und ihn einfach einmal angucken. Laßt uns den Versuch wagen, umzudenken, ein neues Spiel zu spielen, ein Spiel nach Gottes Regeln: ein Spiel für die Schwachen. Ein Spiel für die Armen. Dieses Spiel heißt Barmherzigkeit. Amen.